Andrea Drescher: Seit wann stehst du dem bestehenden System kritisch gegenüber?
Das zieht sich eigentlich durch mein ganzes Leben. Ich bin oft mit dem System aneinander gerasselt. Die Behörden, die deutsche Justiz, ob Kreditverhandlungen, Sorgerechtsstreitigkeiten oder Bauvorhaben, ich weiß aus eigener Erfahrung, dass vieles im Argen liegt. Das aber eigentlich nichts so ist, wie es sein sollte, wurde mir erst nach dem 11. September 2001 bewusst. Die Erlebnisse mit meiner Firma haben mir das nochmals drastisch bestätigt.
Frank Wohlberg: Was ist denn passiert?
Mein Unternehmen beschäftigte sich mit der Umrüstung von Dieselmotoren auf den Betrieb mit naturbelassenem Pflanzenöl als Kraftstoff. Mit der Begründung der CO2-Neutralität wurde Pflanzenöl zunächst von der Mineralölsteuer befreit. Wir produzierten die Umrüstsätze, kümmerten uns um die Tankstellenlogistik und Kraftstoffbelieferung und waren ziemlich erfolgreich. Im ersten Jahr nach Gründung hatten wir bereits 4,5 Millionen Euro Umsatz, das ging zwei Jahre steil bergauf. Wir haben in der Zeit 4.000 LKWs, Traktoren und auch einige PKWs umgebaut.
Bei den PKWs waren es Überzeugungstäter aus der ökologischen Ecke, die Transporteure konnten viel Geld sparen. Die Kraftstoffkosten sind ja der Kostenfaktor für die Branche. Dann wurde die stufenweise Einführung der Mineralölsteuer auf Pflanzenöl angekündigt. Im Endausbau sollte sie die gleiche Höhe wie beim Diesel aufweisen. Damit wurde Pflanzenöl wiederum teuerer als Diesel, da der Grundpreis an der Warenterminbörse immer rund 20 Cent über dem Dieselpreis lag.
Mineralölsteuer auf ein Produkt, das kein Mineralöl ist. Das geht?
Offensichtlich ja. Ich wollte es auch nicht glauben und reichte eine Verfassungsklage ein. Ich habe gemeinsam mit anderen 55.000 Euro für eine spezialisierte Anwaltskanzlei in die Hand genommen, um dann nach drei Jahren in einem Zweizeiler darüber informiert zu werden, dass unsere Klage nicht angenommen wird. Aber das ist ja auch nicht verwunderlich.
Wieso?
Man darf nicht übersehen, was den Mineralölkonzernen und dem Finanzamt durch die Lappen gegangen ist. Die LKWs hatten nur noch einen kleinen Dieseltank für den Start und schalteten automatisch auf Pflanzenöl um. 95 Prozent des verbrauchten Sprits waren pflanzlicher Natur. Der Durchschnittsverbrauch eines LKWs liegt beim Einsatz auf Fernstrecken bei 50.000 Liter/Jahr. Die Verluste kann man sich ausrechnen. Aber die CO2-Einsparung – regenerativ – war schon gewaltig. Statt die Einführung einer CO2-Steuer zu forcieren, hätte man die Besteuerung von CO2-neutralen Kraftstoffen besser mal beibehalten.
Aber Pflanzenöl als Kraftstoff wird ja auch kritisch diskutiert, oder?
Ja klar. Als Gegenargumente kam es immer zur Teller/Tank-Diskussion – man solle keine Nahrungsmittel vernichten. Fakt ist aber, Raps besteht zu zwei Dritteln aus Rapskuchen, zu einem Drittel aus Rapsöl. Der Rapskuchen wird in der Tierfütterung verwendet, das Öl nimmt man zum Tanken. Und was ist schlimmer: Mineralöl oder Co2-neutrales Pflanzenöl zu verbrennen? Vor dem Hintergrund, dass weltweit noch kein Krieg um Rapsöl, aber sehr viele Kriege um Erdöl geführt werden, ist die Antwort doch eindeutig.
Du bist Systemkritiker, siehst du dich auch als Friedensaktivist?
Was ist ein Friedensaktivist? Zunächst muss man fragen, warum haben wir keinen Frieden? Das führt zur Systemkritik. Das jetzige System aufzudecken, zu entlarven, was falsch läuft und eine Alternative zu installieren, führt eigentlich automatisch zum Frieden.
Wir haben ein Geldsystem, ein Wirtschaftssystem und ein politisches System, das auf gnadenloser Konkurrenz und Kampf aufsetzt. Das System ist darauf angewiesen, dass wir uns bekämpfen. Es ist ein in sich geschlossenes Kriegssystem.
Wir müssen dafür sorgen, dass sich diese Systeme ändern, nur dann ist Frieden möglich. Aktionen gegen die einzelnen Kriege bringen wenig. Militärische Auseinandersetzungen sind nur eine Folge, der Krieg wird vom System gegen jeden Einzelnen auf dieser Welt geführt. Unsere Aktionen müssen darauf gerichtet sein, die Unfrieden stiftenden Systeme abzuschaffen.
Was machst du konkret?
Ich versuche, Menschen über das Internet und soziale Medien aufzuklären, nachdem ich vorher Jahre darauf verwendet habe, mich umfassend zu informieren. Es ist leider sehr schwer, eine Gruppe aufzubauen, mit der man gemeinsam etwas tun kann. Man muss reisebereit sein, um Gleichgesinnte zu treffen. Und es gibt keinen Konsens, wie eine Gegenbewegung aussehen kann. Im Gegenteil: Sobald sich ein Konsens zu bilden scheint, wird das durch Spaltung wieder zerstört. Diese Spaltung ist meines Erachtens nach nur deshalb möglich, weil die überwiegende Anzahl der Menschen unzureichend und unsachlich über die wahren Hintergründe des wirtschaftlichen und politischen Systems informiert ist.
Wenn ich Hilfe leisten kann, unterstütze ich andere Menschen. Friedlich im eigenen Umfeld mit anderen Menschen zu leben, heißt auch, konkret etwas zu tun. Ich entziehe dem System Energie, indem ich möglichst wenig Geld benötige. Die Energie vom System ist das Geld. Vor drei Jahren habe ich zusammen mit meiner Partnerin mit der Selbstversorgung angefangen. Wir bauen Obst und Gemüse soweit wie möglich selbst an, den Rest beschaffen wir uns in Bioläden oder kaufen beim Demeter-Bauern ein.
Selbstversorgung können ja nicht alle umsetzen – in der Stadt ist das nicht möglich. Aber dort kann man auf SoLaWi (solidarische Landwirtschaft) ausweichen. Natürlich sind Hürden zu nehmen, aber täte das eine signifikante Menge an Menschen, würde das bereits Veränderungen nach sich ziehen. „Weil keiner etwas macht, mache ich es auch nicht“, ist ein trauriges Phänomen. Menschen, die sich aus eigenem Antrieb noch nicht mit Selbstversorgung beschäftigt haben, brauchen längere Prozesse, bis sie dann sagen: „Ja, das will ich auch“. Es ist gar nicht leicht, die Menschen zu überzeugen. Denn Selbstversorgung bedeutet auch intensive Arbeit.
Was treibt dich denn an?
Mein großer Ansporn sind meine Kinder. Meine beiden Jungs denken und handeln schon „wie der Papa“, haben einen vorsichtigen Umgang mit Geld, sind sehr kritisch, konsumieren Bio-Lebensmittel, leben aber leider auch teilweise in Angst. Falls in Europa mal Krieg ausbricht, sind sie „dran“. Darum muss ich das tun, was mir möglich ist.
Dann wünsche ich dir und uns allen, dass deine Jungs nie „dran“ kommen!
Frank Wohlberg, geboren 1966 in Hamburg wohnt jetzt in Nortorf/Wilster, ist Mauer, Unternehmer, Lebenskünstler und geschäftsführender Gesellschafter mehrerer GmbHs. Der geschiedene Vater von vier Kindern hat eigentlich keine Hobbys, da er zu gerne werkelt. Handwerken, sein Grundstück, Haus oder Garten gestalten, reichen ihm, um sich auszupowern. Nebenbei noch aktiv in Facebook beziehungsweise im Internet ist er völlig ausgelastet.