Kindheit in Orange
von Jara
Ich wuchs in einem Land auf, das nicht mehr existiert. Ich hielt es für das reichste Land der Welt. Ich erinnere mich, wie ich den Spannleitenberg hinunterspringe und dieses Gefühl habe, im besten Land der Welt zu wohnen. Wir waren reich, wir waren Demokratie, wir waren Meinungsfreiheit, der Leuchtturm für Würde und Menschrechte. Ich konnte alles werden, was ich wollte. Jedes Jahr nahmen wir in der Schule den deutschen Faschismus durch und wurden erzogen, aufzustehen, sollten wir jemals ähnliche Entwicklungen wahrnehmen. Es gab einen Konsens, nie wieder sollte Krieg von deutschem Boden ausgehen und Rassismus für immer aus unseren Köpfen verbannt sein.
Zur Welt gekommen bin ich an einem Sonntag um die Mittagszeit im Jahr 1981 in einer kleinen Mietwohnung in Fürstenfeldbruck westlich von München. Der Arzt, der bei der Entbindung anwesend war, sagte meiner Mutter, jede Frau würde durch ihr Kind zur Mutter werden, und das wurde sie, so schwierig ihre Situation auch war.
Ich war drei, als wir in Kirchseeon landeten, einem Dorf im Speckgürtel östlich von München. Wir zogen in ein Haus mit drei Wohnungen, jeweils bewohnt von einer alleinerziehenden Mutter mit Tochter. Ein großer, verwilderter Garten, Wälder und Seen in der Umgebung waren die Spielplätze meiner Kindheit. Orange gekleidete Menschen mit einer Holzkette um den Hals besuchten uns. Der Vermieter arbeitete gern im Garten, während die Grazien des Hauses sich nackt in der Sonne räkelten. Er legte für jedes Kind ein Blumenbeet an, jedes Mädchen bekam einen Kirschbaum, und in seiner Werkstatt holte er aus der Schublade Süßigkeiten für uns.
Ich musste leider die Süßigkeiten oft verweigern, da wir nahezu jeden alternativen Heiltrend mitmachten und Pilze oder Sonstiges in unseren Därmen mittels Diät oder Chlorella bekämpften. Einen autoritären Erziehungsstil habe ich nie gebraucht. Wenn Mama es sagte, machte ich es. Dafür durfte ich nahezu alles: nach Hause kommen, wann ich wollte, am Geländer turnen, die Baumwipfel erklimmen und später bis in die Puppen feiern. Die Basis unserer Beziehung war Liebe und Vertrauen.
Der Blick aus meinem Zimmer erstreckte sich auf ein Tal mit einer kleinen Kapelle. Drei Birken, im Winter schneebedeckt und mit Krähen in den Wipfeln, bogen sich im Wind. Es gab in der Umgebung viele Kinder, und wir spielten Schnitzeljagd oder bauten Hütten im Wald. Und das Schönste war, zweimal im Jahr gab es Sperrmüll. Ich wollte zeitweise Erfinderin werden oder eine Diskothek mit einem Bekleidungs-Store eröffnen. Mein bester Freund — Benni — und ich strolchten durch jedes Gehölz und erkundeten uns bei Doktorspielchen. Er stellte mich Frau Klein-Jung mit den Worten vor: „Das ist Jara, die heirate ich mal.“
Frau Klein-Jung war eine ältere Dame mit großem Haus und wunderschön angelegtem Garten. Wann immer mich meine Wege zu ihr führten, war ich willkommen. Sie sagte, sie hätte nie ein Kind gekannt, das ihre Mutter so sehr liebte wie ich meine.
Der Kinderarzt des Dorfes hatte ein großes Haus und viele Kinder. Musste er Antibiotika geben, so wurde danach die Darmflora wiederaufgebaut. Der Kindergarten war katholisch und ich frech. Mein Vater hatte mir beigebracht, wie man rülpst, und ich brachte bei Tisch meine Freundinnen damit zum Lachen. Danach spielten wir Pony oder Vogelkinder und verzogen uns in die Wälder oder in die Spielzimmer.
Ich wurde erst mit fünf Jahren getauft. Meine Mutter meinte zu diesem Zeitpunkt, dies wäre eine gute Segnung. Gudrun und Wolfi, unsere reichen Freunde ohne Kinder und mit großem Anwesen und Schwimmbad, schenkten mir ein Brautjungfernkleid für die Taufe. In dem Milieu, in dem Zwänge kaum existierten und Nacktheit normal war, wurden leichte pädophile Tendenzen nicht eindeutig als solche erkannt. Ich würde dich dafür gerne abzocken, Wolfi!
Die Taufe wurde von einem sehr gläubigen und spirituellen Priester organisiert und von meiner Mutter, die ehemals katholische Religionslehrerin war, in wunderschöner Weise geplant. Es war ein großes Fest, und ich hatte nun ein Prinzessinnenkleid. Ich liebte es, mich zu verkleiden. Und manchmal zog ich es an und streifte durch die Umgebung. Sahen mich Größere und sprachen mich eigentlich nett zu meinem schönen Kleid an, bohrte ich Löcher mit meinen Fingern in den Tüll, da es mir dann doch peinlich war, das Prinzesschen zu spielen.
Einen Fernseher hatten wir nicht. Ich bekam Bücher von allen Seiten. Die Frau meines Vaters, eine Germanistin, versorgte mich zunächst mit Büchern von Christine Nöstlinger und anderen belletristischen Kostbarkeiten, die strenge Dame in der Bibliothek, die weißen Haare zu einem Dutt gebunden, achtete darauf, dass die Bücher stets im Jutesack transportiert wurden. Im Hort schluchzte ich bei den ersten Seiten des kleinen Lords so sehr, dass ich es bis heute nie ganz gelesen habe. Unvergessen sind auch die Kinderbücher, mit denen mich meine Hortnerin versorgte, Geschichten über Indianerkinder und vergessene Zeiten der Segelschifffahrt.
Mama las mir Michel aus Lönneberga vor, wir spielten Karten, stritten und versöhnten uns, malten bei Musik von Enya, bastelten und radelten zum See, die Nektarinen im Gepäck. Als ich noch kleiner war, trug sie mich auf den Schultern den Spannleitenberg hinauf, wenn ich nicht mehr laufen konnte. War ich gefangen von einem Buch, so durfte ich bis spät in die Nacht lesen, wenn am nächsten Tag keine Schule war. Wenn es gar nicht anders ging, drückte sie sogar vor Schultagen ein Auge zu, und ich blieb dann zu Hause.
Ich kann mich an jedes „Nein!“ meiner Mutter erinnern, weil das so selten vorkam. Ein einziges Mal bekam ich sogar so etwas wie Hausarrest. Ich hatte irgendetwas angestellt, und der geplante Besuch auf dem Oktoberfest wurde gestrichen. So baute ich eine Geisterbahn in meinem Zimmer und hängte Puppen mit einem Strick um den Hals in einem Tunnel aus weißem Tuch auf. Wir erfreuten uns beide daran, wie konstruktiv wir die Situation gelöst hatten. Mama war stolz auf meine Kreativität. Oktoberfest war immer Zuckerwatte und Geisterbahn gewesen. Ich hatte jedes Jahr zehn Mark dafür zur Verfügung.
Grundsätzlich traute ich mich nahezu nie etwas zu fordern, da wir nicht so viel Geld hatten, und ich musste immer ganz genau über die Finanzen Bescheid wissen. Der Unterschied zu anderen in der Klasse wurde oft sehr deutlich, vor allem, was die Kleidung betraf. Während in der Grundschule alle cool waren, wenn sie das gleiche Aldi-Shirt anhatten, war es im Gymnasium die Markenklamotte, die mir fehlte. Meine Mutter schaffte es dennoch, mir eine Lewis-Jeans zu Weihnachten zu schenken. Wir feierten jeden Advent mit Gesang, Kerzen und Plätzchen, diese waren allerdings nahezu ungenießbar, weil sie aus Vollkornmehl und mit Rohrzucker gebacken waren. Das Rätsel des Christkindes war für mich schwer zu lösen, denn ich hatte Stunden auf die verschneite Straße gesehen, und dann war das Christkind gekommen, es gab aber keine Spuren im Schnee.
In der Grundschule hatten wir in unserer Klasse Kinder aus fernen Ländern, die aus unterschiedlichen Gründen gekommen waren. Ich erzählte Mama, wir hätten sogar einen Bayern. Jedes Kind aus einem anderen Land brachte uns ein Lied bei, das wir dann singen konnten, es waren türkische, jugoslawische und tschechische Lieder. Als die Hortnerinnen mitbekamen, dass ein adoleszentes türkisches Mädchen einer konservativ-moslemischen Familie in die Türkei verheiratet werden sollte, setzten sie sich so entschieden für das Mädchen ein, dass es in unserem Dorf bleiben konnte.
Ich bekam mit, wie unterschiedlich dieser Glaube gelebt werden kann und wie sehr meine Kinderfreundin unter dem strengen Blick der Brüder und dem Kopftuch litt.
Da meine Mutter alleinerziehend war, nahm sie mich überallhin mit. Ich saß auf dem Schoß von Rea Powers, während sie die sinnsuchende, Osho-verseuchte achtziger Eso-Generation abzockte. Es machte sich einfach gut, ein kleines blondes, engelhaftes Mädchen auf dem Schoß zu haben.
Ich bekam von Michael Barnett den Guru-Namen Sushila, lebte immer wieder wochenlang in unterschiedlichen Kommunen oder esoterischen Gemeinschaften auf dem Land, im Allgäu, in Frankreich oder Italien. Ich lief über glühende Kohlen, sah schlammbeschmierte, nackte Menschen auf alternativen Festivals mit ökologischen Plumpsklos, saß in Schwitzhütten, machte den ersten Grad in Reiki mit zirka acht Jahren, lernte Mantras bei einer buddhistischen Meisterin, machte Rückführungen in frühere Leben und Clearings von verstorbenen Seelen. Dabei ließ ich meiner Fantasie immer freien Lauf und erzählte Mama irgendwas . Besonders beliebt waren meine Hexenverbrennungsstorys.
Grundsätzlich hatte ich oft ein schlechtes Gewissen meinen Engeln gegenüber, weil ich ihnen so wenig dankte. Die Sinnfragen des Lebens quälten mich schon als Kind so sehr, dass sie mir manchmal den Schlaf raubten. Hatte ich Albträume, ließ meine Mutter mich diese aufmalen, war an meiner Seite und hörte zu. Ich malte häufig Szenen mit Autos und Männern mit Pistolen.
Unheimlichen Spaß machten diese riesigen Demos. Ich kann mich leider nicht mehr erinnern, worum es ging. Ich weiß nur noch, dass ich einmal als Knirps in einer Menschenkette stand und mir einfiel, dass es bei Demos Luftballons für Kinder gibt.
„Mama, ich suche mal nach den Luftballons.“
„Okay, Jara.“
Wie alt war ich damals? Fünf Jahre oder sechs? Ich lief los und fand nicht einen einzigen Ballon, und meine Mutter fand ich auch nicht mehr. Die Polizei half mir und nahm mich mit ins Präsidium. Irgendwann hatte meine Mutter herausgefunden, wo ich war, und kam aufgelöst herein. Ich stellte mich frech und freudestrahlend vor sie hin und sagte zu ihr: „Schau mal, Mama!“ In der einen Hosentasche steckte eine Sprite und in der anderen eine Cola. Mein gutes Verhältnis zur Polizei begann.
Sie hatten sich liebevoll um mich gekümmert, während ich auf der Fensterbank saß und nach meiner Mama Ausschau hielt.
Allerdings fiel dem einen Polizisten, laut Mamas Aussage, die Kinnlade herunter, als er erfuhr, dass meine Mutter mich nicht beim Einkaufen, sondern bei einer Demo aus den Augen verloren hatte.
Als ich meine Periode bekam, wurde meine Initiation als Frau gebührend gefeiert. Nachdem meine Freundin Yesim und ich noch während der Zeit der Grundschule vor dem Spiegel unsere werdenden Knospen suchten, war nun der Moment der Frau-Werdung gekommen. Mama und ich fuhren in die Stadt, und ich durfte mir einen Body aussuchen. Er war schwarz mit leichtem Kragen, Rillen und langen Armen.
Warum sage ich, dass dieses Land nicht mehr existiert? Ja, es stimmt. Es war damals Westdeutschland, aber für mich war es Deutschland, genauer gesagt, Bayern. Und diese Achtziger emotional abzuschütteln, ist nahezu unmöglich.
Mein Land, das war Kohl, die Birne, und ein funktionierender Sozialstaat, zumindest hatte ich das so wahrgenommen. Für mich fühlt es sich heute fast so an, als würde ich in Nordkorea aufwachen oder in dem sogenannten Unrechtsstaat DDR.
Meine Mutter war alleinerziehende Sozialpädagogin mit kleiner Eso-Praxis, es gab Bioessen, Urlaub, wir bewohnten circa 120 Quadratmeter 30 Minuten von München entfernt für tausend Mark. Heute undenkbar!
Heute kann ich kaum mehr mit Akademikern kommunizieren, es gibt nahezu nichts, was mehr schmerzt, als Propaganda aus Mündern von Menschen zu hören, die man eigentlich sympathisch findet. Nur Herzlosigkeit ist schlimmer, Unaufrichtigkeit und Lüge in jeglicher Form.
Letzte Woche ging ich mit meiner Mutter spazieren, sie ist nun 73 Jahre alt, und ich bin wie sie geworden, lehne die Schulmedizin aus eigener Erfahrung immer mehr ab, esse Bio, habe Nahrungsergänzungsmittel, bin mal mehr mal weniger politisch aktiv und definitiv auf Demos zu finden, und nach einer längeren atheistisch-agnostischen Phase nimmt die spirituelle Entwicklung in meinem Leben großen Raum ein. Aber wenn wir miteinander sprechen, versteht sie nichts mehr. Und so sagte ich zu ihr: „Mama, ich vermisse mein Deutschland. Ich erkläre dir, was ich meine, Mama. Wir waren alle gegen Krieg, wir haben den Anti-Rassismus gelebt. Als die erste Überwachungskamera auf dem Stachus aufgestellt wurde, war das Schlagzeile in allen Boulevardblättern und wurde in der Schule diskutiert, es war menschlich hier.“
Um es noch deutlicher zu machen, erzählte ich: „Als ich meine Diplomarbeit schrieb, bestellte mich mein Professor irgendwann ein und fragte, ‚Jara, was ist los? Du hast Probleme weiterzukommen, oder?‘ Ja, ich war überfordert, und er nahm mich an die Hand und korrigierte jedes Kapitel meiner Arbeit. Er hatte mir die Aufgabe gestellt, jede Woche ein neues Kapitel abzugeben, und damit schaffte ich es. Er erzählte sogar, dass seine Sekretärin jeden Morgen einen Studenten anrief, um ihn aufzuwecken.“
Nur dank dieses Professors konnte ich das Studium erfolgreich beenden. „Mein Abschluss ist eine 1,1, Mama“, sagte ich. „Du kannst mit mir angeben, wenn du möchtest.“ Meine Mutter, Nachkriegsgeneration, die nur mit Kleidchen und Strümpfen vor der Schule auf das Feld geschickt wurde, meinte: „Mir und Peter geht es immer besser.“
Wenn ich an meine Kindheit denke, dann erinnere ich mich an Menschlichkeit. Und ich habe das Gefühl, dass diese nun zunehmend durch Hysterie und Verurteilung ersetzt wird. Bei vielen nehme ich nahezu nur noch konditionierte emotionale Reaktionen auf konditionierte Stimuli wahr. Herz und Vernunft sind ausgeschaltet, da vermeintlicher Opferstatus und moralische Überlegenheit sich offenbar so gut anfühlen.
Viele meiner früheren ProfessorInnen sind mittlerweile verstorben, andere emeritiert. Studenten meiner damaligen Sozialpsychologie-Professorin, die in ihrem Büro an Krebs starb, schrieben das Drehbuch zu dem Film „Das Experiment“. Dieser Film beruht auf dem Stanford-Prison Experiment nach Philip Zimbardo und Kollegen aus dem Jahre 1971. Dieses Experiment veranschaulicht in eindrücklicher Weise psychologische Mechanismen, wie die Deindividuation, Machtausübung, die Macht der Übernahme von Rollen oder den Umgang mit kognitiver Dissonanz. Wer sich kein Bild davon machen kann, der sei an Abu Ghraib erinnert.
Die Realität hat die Wissenschaft belegt, und es ist diese Melange meiner Kindheit, der Schule, der Lehre der Universität und des ehemals vorherrschenden Diskurses, der mich prägte. Wo sind die anderen? Sie sind wie die Schafe, die der ausgetretenen Furche folgen. Ein „Nie wieder!“ möchte ich aus ihren Mündern nicht mehr hören, so lange sie schweigen, wenn es von Belang wäre zu reden. Auch wenn ich versuche zu verstehen, dass sie unbewusst leben und ihre Emotionen wie bei Marionetten durch konditionierte Reize generiert werden, dass sie frustriert sind, ihr Leben leben wollen, dem Hedonismus erliegen und die alles durchdringende Propaganda aufsaugen.
Der kurze Rausch der Freiheit — mein Wendejahr in Leipzig
von Wulf Mirko Weinreich
Nach längerer Suche hatte ich 1984 mit dem Museum des Kunsthandwerks im Grassi-Museum zu Leipzig endlich eine Arbeitsstelle gefunden, die mich tatsächlich zur Weiterbildung zum Möbelrestaurator delegieren wollte. Ich kannte Leipzig bisher nur vom Durchfahren beim Trampen und hatte keine gute Meinung von dieser Stadt. Dass ich sie einmal lieben würde — viel mehr als Magdeburg oder Erfurt —, war nicht zu ahnen.
Erst mit der Zeit wurde mir klar, dass es außer Berlin keine andere Stadt der DDR an geistiger Offenheit mit Leipzig aufnehmen konnte. Nur dass Leipzig wesentlich entspannter war. Es ist halt das „bessere Berlin“, wie Der Spiegel einst titeln sollte.
Schon der erste Arbeitstag im Museum sollte meine Vorurteile ins Wanken bringen. Die Direktorin, Frau Dr. Grzesiak, eine recht eigenwillige, aber sehr gerade und weltoffene Frau, brachte mich in meine zukünftige Werkstatt, die ich vorerst mit zwei Kollegen teilte. Einer nannte sich Swami Samartha, lief in roten Klamotten rum und hatte eine Holzperlenkette mit dem Bild eines indischen Gurus um den Hals. So etwas war mir noch gar nicht begegnet. Eigentlich wollte er Restaurator für Glas und Keramik werden, hatte es dann aber doch vorgezogen, einen Ausreiseantrag zu stellen, um seinem Meister nach Oregon zu folgen.
Wir unterhielten uns über Spiritualität und Psychologie und meine verzweifelten Versuche, beides zusammenzubringen. Selbst in Zen-Buddhismus und Psychoanalyse von Erich Fromm und Daisetz Teitaro Suzuki gab es nur eine friedliche Koexistenz. Samartha brachte mir am nächsten Tag das Buch Sprengt den Fels der Unbewusstheit von Bhagwan Shree Rajneesh (der sich später Osho nennen sollte) mit, und plötzlich war es ganz einfach. Als ob beides schon immer zusammengehört hätte, wie zwei Schuhe eines Paares. Samartha machte mich gleich noch mit der spirituellen Szene Leipzigs bekannt, sodass ich in kürzester Zeit wieder ein soziales Netz hatte. Irgendwann bekam er seine Ausreise genehmigt und ließ mich infiziert zurück.
Der ganze Museumskomplex, zu dem ja auch noch ein Völkerkundemuseum und ein Musikinstrumentenmuseum gehörten, war ein Universum für sich, voll mit Originalen und Querdenkern, die eigentlich nicht in die enge DDR passten. Neben den Kirchen waren kulturelle Einrichtungen wie Museen und Theater die bevorzugten Nischen der Intellektuellen und Dissidenten. Ich fand schnell Anschluss an diese Kreise, über die ich nach ein paar Wochen auch meine erste „Schwarzwohnung“ (illegaler Bezug einer leerstehenden Wohnung) bekam. Um dem Vorwurf des Schwarzbezugs zu entgehen, überwiesen wir ungefragt eine Miete in damals üblicher Höhe (19,90 DDR-Mark) an die Kommunale Wohnungsverwaltung kurz KWV.
Einige Monate später hatte ich mir im Museum meine eigene Werkstatt eingerichtet, mit einem sehr schönen chinesischen Buddha aus dem Magazin auf dem Schreibtisch und eigenem Diensttelefon — ein echter Luxus in der DDR. Die gleitende Arbeitszeit war für einen Nachtmenschen wie mich ein riesiges Geschenk, und ich genoss es, bei guter Musik manchmal bis früh um vier Uhr vor mich hinzuwerkeln. Einmal im Monat fuhr ich für ein paar Tage nach Berlin zum Studieren.
In meiner Abschlussarbeit konnte ich erklären, wieso die Bienenwachspolituren früherer Jahrhunderte nicht klebten (im Gegensatz zu den aktuellen) und durfte mich danach „Restaurator für Kulturgut aus Holz“ nennen. Restaurator war für mich damals genau die richtige Nische. Ich witzelte gerne: zu faul zum Arbeiten, zu untalentiert als Künstler und zu dumm für die Wissenschaft — aber von allem ein bisschen. Das Leben hätte hundert Jahre so weitergehen können.
Die achtziger Jahre näherten sich dem Ende, die Stimmung wurde gedrückter und aggressiver, immer mehr Menschen verließen die DDR, Mitarbeiter aus dem Museum kamen von Dienstreisen nicht zurück. Alle spürten, dass sich etwas zusammenbraute. Ein Freund knallte Ende ’88 den Slogan „Vorwärts zum letzten Jahrestag!“ in die Runde. Das klang so gut, dass es unser ironischer Abschiedsgruß wurde. Statt „Tschüss“ oder „Ciao“ hieß es nur noch „Vorwärts zum letzten Jahrestag!“. Es war wie eine Vorahnung.
Die erste richtige Eruption gab es am 10. Juni 1989, zum nicht angemeldeten Straßenmusikfestival. Ich hörte gerade einem Saxophonspieler auf der Thomaswiese zu, als die Polizei kam und wahllos Leute festnahm. Zuhörer und Musiker flüchteten in alle Richtungen — ich mit ein paar Freunden in das „Messehaus am Markt“. Später ging die Musik weiter, wir gingen wieder auf die Wiese, dann kam der zweite Angriff der Polizei. Dieses Mal schob es mich mit in den Kessel auf den Thomaskirchhof — glücklicherweise, ohne verhaftet zu werden.
Seit diesem Tag kam die Stadt eigentlich nicht wieder zur Ruhe, sondern schaukelte sich von Woche zu Woche immer mehr auf, der „Wende“ entgegen. Die von Pfarrer Christoph Wonneberger in der Nikolaikirche organisierten Friedensgebete wandelten sich von einer pazifistischen Andacht zu einer Plattform für Ausreisewillige. (Hier zeigt sich die Interpretationsmacht des bundesdeutschen Journalismus in perfekter Weise: Als Kopf der Friedensgebete wurde damals in der Westpresse immer wieder der Hauptpfarrer der Nikolaikirche, Christian Führer genannt, was einfach nicht der Wahrheit entspricht. Es hat sich aber in die öffentliche Meinung eingebrannt.)
Vor der Kirche standen währenddessen diejenigen, die lieber die DDR verändern wollten. Die Seitenstraßen um den Nikolaikirchhof wurden von Polizisten abgesperrt. Wenn die Ausreisewilligen nach der Andacht aus der Kirche kamen, riefen sie: „Wir wollen raus!“ Wir auf dem Kirchhof brüllten dagegen: „Wir bleiben hier!“
Das ging dann eine Weile hin und her. Jede Woche das gleiche Ritual, bei steigender emotionaler Temperatur. Irgendwann wurde der Nikolaikirchhof zu klein, die Menschen wichen auf den Augustusplatz aus, die Montagsdemos begannen und wurden immer größer. Da der Museumskomplex in Sichtweite des Augustusplatzes liegt und bei dieser Zusammensetzung der Mitarbeiterschaft, war es kein Wunder, dass ein großer Teil der Museumsbelegschaft von Anfang an dabei war. In meinem Museum ging die Front von bürgerlich-konservativ über christlich-humanistisch bis zu spirituell-Bierman-rot: Tobias Hollitzer hielt Reden, Johannes Beleites machte die Fotos, ich entwickelte sie nachts und brachte Abzüge nach Magdeburg zum Bischof. Nach der Wende sollten sich die Wege wieder trennen.
Wohnungsmäßig hatte sich meine Situation sukzessive verschärft. Mein Haus war ein stehengebliebenes Hinterhaus in der Berliner Straße, schon bei meinem Einzug ziemlich runtergekommen. Legale Bewohner gab es nicht mehr, weshalb die KWV Leipzig auch kein Geld mehr in das Haus steckte. Natürlich überwiesen wir per Dauerauftrag regelmäßig unsere Miete (19,90 Mark) sowie die Kosten für Strom und Wasser. Die beiden Parterrewohnungen waren nass und unbewohnbar. Im Winter nagelte ich immer Frühbeetfolie vor meine Fenster, um meinen Wohnraum mit diesem Doppelfenstereffekt etwas zu isolieren. Glücklicherweise war der Kachelofen noch in Ordnung. In einem Jahr waren im Herbst alle anderen Mitbewohner ausgezogen, sodass ich den Winter allein in dem Haus verbrachte.
Damit es bewohnt aussah, ließ ich das Licht brennen und das Radio laufen. So versuchte ich mich vor einem Einbruch zu schützen und hatte auch Glück. Doch es war offensichtlich, dass das Haus fast leer war, sodass ich mich nicht wunderte, als Teile des Treppengeländers und die Wasserrohre aus Blei geklaut wurden, vermutlich um in anderen Häusern Lücken zu stopfen. Um das Haus nicht zu fluten, blieb mir nur übrig, das Wasser ganz abzustellen. Die KWV lehnte jede Reparatur ab — das Haus stehe auf der Abrissliste. Ich hätte das sogar selbst bezahlt, hatte aber keinen Zugang zu Bleirohren, außer sie selbst zu klauen! Also begann ich, mir das Wasser im Eimer vom Nachbarhaus zu holen. Glücklicherweise brauchte ich nicht viel, weil ich im Museum duschen konnte.
Im Frühjahr 1989 zog ein junger Musiker auf meiner Etage ein, sodass wir wieder zu zweit waren. Der Herbst kam näher, und ich bekam Angst vor dem nächsten Winter. Doch nahmen auch die Demos und Unruhen zu. Wir fanden, dass es ein guter Zeitpunkt wäre, sich eine neue Schwarzwohnung zu suchen, und zogen in die Gellertstraße ein: 120 Quadratmeter, der Flur so groß, daß wir eine Tischtennisplatte aufstellen konnten und Doppelfenster. Bei 750 Ostmark Gehalt war es kein Problem, die Hälfte von 59,90 als Miete zu zahlen.
Da ich auf die KWV durch ihre Sturheit, die Wasserleitung zu reparieren, richtig wütend war, kam ich auf die Idee, die Gunst der Stunde zu nutzen und das Thema etwas öffentlicher zu machen: Im Fotolabor des Museums stellte ich ein paar Flugblätter her: „Wohnen ist Menschenrecht“, darunter ein paar Thesen, was man besser machen könnte, und klebte sie an mehreren großen Leipziger Kreuzungen an die Laternenpfähle. Bei der nächsten Montagsdemo freute ich mich dann still an einigen neuen Transparenten und Sprechchören. Offensichtlich waren die Flugblätter gelesen worden.
Mein damaliger Mitbewohner war gut befreundet mit Jan Peter, dem späteren Chefredakteur der DAZ (Die andere Zeitung — Untergrundpresse in Leipzig), der uns ein paar Tage nach der Gründung des „Neuen Forums“ einlud, diesem beizutreten. Wir unterschrieben sofort den „Aufbruch ’89“. Er drückte ziemlich genau das aus, wo wir hinwollten: Ein Umbau der DDR in einen Sozialismus, der den Namen auch verdient. Kurz darauf landete auch Der vormundschaftliche Staat von Rolf Henrich bei uns — ein Buch, dass sehr gut den Hintergrund der aktuellen Krise beschrieb. Überall in der Stadt begannen sich Gruppen zu organisieren, die sich mit bestimmten Themen auseinandersetzten, um auszuloten, was man besser machen könnte. Ich trat der Basisgruppe „Alternative Pädagogik“ bei und organisierte eine eigene Gruppe „Neues Bewusstsein“, die sich sehr stark an den sozialpsychologischen Ideen von Erich Fromm orientierte. Mit der „Wiedervereinigung“ traf sie das gleiche Schicksal wie viele andere Initiativen — sie schlief aufgrund mangelnder Umsetzungsmöglichkeiten ein.
Anfang November ging ich zusammen mit der Museumsleiterin ins Möbelmagazin. Giscard d’Estaing, der (damals schon) ehemalige französische Präsident sollte kommen, um im Gewandhaus mit Vertretern der DDR-Regierung das erste Joint Venture zwischen der Wirtschaft beider Länder zu unterzeichnen. Dafür brauchte es ein repräsentatives Möbelstück. Wir fanden einen sehr schönen Barocktisch, und ich machte mich an die Arbeit, ihn etwas aufzupolieren.
Draußen überschlugen sich die Ereignisse: Die Grenze wurde geöffnet! Die Menschen strömten in den Westen! Helmut Kohl sprach in den Medien von einer möglichen Wiedervereinigung! Am nächsten Montag, Mitte November, waren ganz andere Menschen auf der Straße, andere Transparente, DDR-Fahnen mit einem Loch in der Mitte. Statt „Wir sind das Volk!“ wurde „Wir sind ein Volk!“ und „Deutschland einig Vaterland!“ skandiert. Dazu noch „Keine sozialistischen Experimente!“. Am Straßenrand Stände der CDU (West), die das ganze generalstabsmäßig mit Hilfe der Medien organisiert hatte und wo man die Slogans als Aufkleber geschenkt bekam, zusammen mit einem Freiexemplar der BILD-Zeitung.
Auch Schönhubers Republikaner (REPs) witterten ihre Chance und hatten Stände mit nationalistischem „Infomaterial“ aufgebaut. Überall wuselten „Wessis“ rum, die bei uns „Zonies“ zu dieser Zeit noch „Bundies“ hießen, und verteilten Flugblätter. Meine Freunde und ich schauten uns an, fassungslos: Das war’s! Die Hoffnung auf etwas wirklich Neues, auf eine gerechte, soziale und freie Zivilgesellschaft, auf einen dritten Weg, war dahin. Wir machten uns keine Illusionen. Unser Land war einfach gehijackt worden. Später würde in den Geschichtsbüchern stehen, dass das Volk es so gewollt hätte.
Zwei Tage später kam die Museumschefin in meiner Werkstatt vorbei und sagte mir, dass ich den Tisch zurück ins Magazin bringen solle. D‘Estaing würde nicht kommen und das mit den Joint Ventures hätte sich erledigt.
Ich ging noch ein paar Mal zu den Demos, aber es wurde immer peinlicher. Intelligente Redner wurden ausgebuht, konservative und nationalistische Leute nahmen verstärkt den Platz hinter dem Mikrofon ein. Mir wurde klar, dass jetzt wirklich das Volk auf der Straße war — völlig besoffen in seiner kindlichen Vorfreude auf die D-Mark, Bananen und blühende Landschaften. So ungefähr muss es gewesen sein, als die Holländer den Indianern das Riesengebiet von New York für ein paar Glasperlen abgekauft haben: Eine Kolonialisierung mit freundlichem Gesicht.
In der DAZ wurde vor der kommenden De-Industrialisierung und Arbeitslosigkeit gewarnt und dass wir Fremdlinge im eigenen Land werden könnten. Es interessierte die nach einem neuen „Papa Helmut“ rufende Masse nicht. Die Randgruppe aus Aktivisten, Idealisten, Dissidenten, Ökos, Menschenrechtlern, Intellektuellen und so weiter, die kurzzeitig geglaubt hatte, sie wäre das Volk, und die den Prozess ins Rollen gebracht hatte, war überflüssig geworden war. Die „Revolution“ fraß ihre Kinder und mutierte zur Wende. Von der Herrschaft der Dummheit zur Herrschaft der Gier. Vom Knast ins Irrenhaus.
Doch erst einmal gab es noch einen Vulkanausbruch, eine Explosion der Kreativität, einen kollektiven Rausch. Die DDR hatte sich im Herbst ’89 de facto verabschiedet — und die BRD war gefühlt noch in weiter Ferne! In diesem Vakuum war alles möglich. Wer sich darauf einließ, geriet in eine Dauereuphorie, ein ganzes Jahr lang wie auf Ecstasy. Jeder konnte machen, was er wollte. Und jeder tat das auch, verwirklichte all die Herzenswünsche, die vorher außerhalb seiner Reichweite lagen. Kulturelle und soziale Projekte schossen wie Pilze aus dem Boden. Clubs, Kneipen, Kinderläden, freie Schulen, WGs, Werkstätten, Medien, Festivals — wie immer auch ein Mensch seinen kreativen Selbstausdruck zelebrieren kann.
Die ganze Stadt (und vermutlich große Teile des Landes) war Woodstock — eine sich selbstorganisierende Party. Man scherte sich nicht um Regeln, Anordnungen und Gesetze, regelte aber alles freundlich, direkt und unbürokratisch. Auf den höheren Ebenen gab es die runden Tische: statt stalinistische Dogmen oder kapitalistischer Egoismus den Versuch, Probleme so zu lösen, dass alle davon profitieren. Heute könnte ich das mit Wilbers Theorie der Entwicklungsebenen beschreiben — damals war ich einfach nur verblüfft.
Für eine kurze Zeit erlebten wir einen im wahrsten Sinne des Wortes „entfesselten“ Zustand, der noch Jahre nachhallen und viele interessante und kreative Leute in die Stadt locken sollte. Wir waren das freieste Volk der Welt.
Und das friedlichste und das freundlichste. Zur Polizei gehen, endlich mal wieder ein Visum für mein Lieblingsland Polen beantragen — kein Problem. Der Beamte: „Hey, tut uns leid, dass wir Sie die ganzen Jahre immer abgelehnt haben — wir hatten halt unsere Anweisungen. War nicht persönlich gemeint. Wollen Sie eine Tasse Kaffee?“ — „Ist schon okay, ich habe Sie ja auch geärgert, wo ich konnte!“ Mit Beamten albern und Kaffee trinken — wo gibt‘s denn so was? Wenn das Anarchie ist — dann will ich mehr davon!
Und wenn mir heute jemand etwas von (westlicher) „Freiheit“ erzählt, aber das Jahr ’90 im Osten nicht erlebt hat, denke ich immer nur: Du hast vermutlich keine Ahnung, was Freiheit ist! Höchstwahrscheinlich verwechselst du gerade einen etwas größeren Laufstall oder deine finanzielle Unabhängigkeit mit einem Bewusstseinszustand, den du dir gar nicht vorstellen kannst.
Und egal, was davor war und was danach gekommen ist — für dieses eine Jahr in wirklicher Freiheit hat sich mein Leben gelohnt. Die Erfahrung, wie Menschen absolut entspannt, freundlich und kooperativ über lange Zeit miteinander umgehen können, ist eines der größten Geschenke, die ich in meinem Leben erhalten habe. So hatte ich mir immer Sozialismus vorgestellt. Schade, dass so ein Zustand hauptsächlich gute Laune, aber kaum Rendite abwirft.
Dann kam der Herbst 1990, wir wurden zu BRD-Bürgern erklärt, und ein neuer Betondeckel begann sich langsam wieder über das Land zu senken. Im Hintergrund hatten westliche „Investoren“ schon während des Freiheitstaumels ihre Claims abgesteckt. „Bei euch liegt das Geld auf der Straße — ihr seht es einfach nicht!“, sagte mir ein zugereister Immobilienmakler. Den Rest hat dann die Treuhandanstalt verscherbelt.
Inzwischen gehört Leipzig zum größten Teil irgendwelchen Holdings, die Freiräume werden immer mehr beschnitten, und die Gentrifizierung schreitet munter voran. An allen wichtigen Schaltstellen sitzen inzwischen Wessis und kommandieren das ostdeutsche Fußvolk (die Russen waren da viel unauffälliger, zurückgezogen in ihren Kasernen). Das „Neue Forum“ verschwand in der Bedeutungslosigkeit. Die Sieger übernahmen die Deutung der Ereignisse und legten den Kanon für das jährliche Erinnerungsritual fest: romantische Lichter statt politischer Forderungen. Ich war noch nie beim Leipziger Lichterfest. Da ich das Original kenne, habe ich bis heute kein Interesse an einer schlechten Kopie.
Achtung online-Lesung!
Am 18. Februar lesen die AutorInnen Wulf-Mirko Weinreich und Jara Walburg und weitere AutorInnen des Buches im Rahmen einer online-Vortragsreihe bei der Hamburger Volkshochschule.
Interessierte können die Veranstaltung buchen (Gebühr 6 Euro).
Jara ist Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin aus München, Teilzeit-Aktivistin mit ständig neuen Flausen im Kopf und Hang zum interkulturellen Mystizismus. Trotz unzähliger Reisen vor allem nach Süd-Ost-Asien und kurzer Lebenszeit in Kopenhagen und Braunschweig, lebt sie nun seit fast 40 Jahren in und um München. Für sie ist Deutschland mehr oder weniger Bayern, in ihrem Kopf müsste es zumindest die Hälfte des Bundesgebietes sein. Der momentane Fluchtimpuls lässt sie erstmals ans Auswandern denken, vorstellbar wäre eine andere Galaxie, die hohle Erde oder ein Alternativprogramm zur bestehenden Matrix. Vielleicht aber doch das sozialistisch geprägte Portugal.
Wulf Mirko Weinreich, Jahrgang 1959, wuchs in der Nähe von Magdeburg auf. Seine Verweigerung des Wehrdienstes mit der Waffe führte zum Studienverbot in der DDR. Er arbeitete in verschiedenen Berufen in Erfurt, Dessau und Leipzig, wo er sich in kirchlichen Basisgruppen politisch engagierte. 1985 gründete er das erste Osho Meditationszentrum in der DDR. Nach der Wende lebte er 6 Jahre in spirituellen Gemeinschaften in Niedersachsen und Baden-Württemberg. 1997 begann er in Leipzig Psychologie, Religionswissenschaft und Ethnologie zu studieren. Er lebt heute als Therapeut in eigener Praxis, Fachbuchautor und Referent in Leipzig. Er veröffentlichte „Integrale Psychotherapie“ (2005) und „Das integrale Totenbuch“ (2009). Weitere Informationen unter psychotherapie-in-leipzig.de und integrale-psychotherapie.de.
Lesung von Jara „Kindheit in Orange“