“Wie bist du eigentlich links geworden?”, fragte er und ich erzählte, wie mir als Teenie nicht in den Kopf wollte, warum mit den Bomben auf Vietnam die Demokratie verteidigt und Napalm auf Reisbauern in Asien unsere Freiheit gesichert werden muss. Ich verweigerte den Kriegsdienst, und weil es nach dem Abitur keine Zivi-Plätze gab, aber einen Studienplatz in Berlin, nahm ich den, und ging gleich auf meine erste Demo, nach dem 11.9.1973. “Chile si, Junta no” riefen wir, um gegen den von der CIA lancierten faschistischen Putsch gegen Allende zu protestieren. So ging das weiter, Nicaragua, El Salvador, stets nach demselben Muster, wo immer eine linke und sei es nur sozialdemokratische Regierung an die Macht kam, zog Amerika verdeckt oder offen in den Krieg.
“Also du wurdest links über den Anti-Imperialismus?” – Kann man so sagen. Der Vietnamkrieg war so mit Vierzehn eine Art Schlüsselerlebnis, über die Welt und Gerechtigkeit nachzudenken, dann kam Willy Brandt, den ich bei meiner ersten Wahl wählte, und ich trat sogar bei den Jusos ein, aber gleich wieder aus – weil die SPD ihr Wahlversprechen nicht einlöste, das Gerichtsverhör für Kriegsdienstverweigerer abzuschaffen. Ich absolvierte das dann, mein Vater unterstützte mich – was Anti-Kriegs-Politik betrifft, waren wir uns immer einig. Im Studium lernte ich dann die Hintergründe der Wiederbewaffnung kennen, das 1953 abgelehnte Stalin-Angebot der Wiedervereinigung bei militärischer Neutralität, die Geopolitik des Kalten Kriegs. Dann kam die RAF, deren gewalttätige Strategie ich ablehnte und für aussichtslos hielt, auf deren Seite ich aber gleichwohl emotional gezogen wurde, je stärker der Goliath des Staats sich gegen den terroristischen David aufblähte. Ein weiteres Schlüsselerlebnis war dann die Einseitigkeit und nahezu Gleichschaltung der Medien im “Deutschen Herbst”. Da hörte ich von einer Gruppe Leute, die eine unabhängige linke Zeitung gründen wollten, beim Tunix-Kongress 1978 gab es ein großes Treffen… und so kam ich zur taz.
“Die taz ist heute doch keine linke Zeitung mehr, das ist doch fast nur noch Jamaica-Gelb-Grün und bisschen Vegi-Lifestyle.” – Das ist der Zahn der Zeit, wie bei den Grünen, man ist halt “in der Mitte der Gesellschaft” angekommen und macht sich’s gemütlich. Das geht nur mit political correctness, nicht nur bei der Wortwahl, sondern auch beim Ausblenden politischer Zustände, die nicht ins Bild passen, da schwimmt man dann eben im Mainstream mit und setzt höchstens hier und da ein paar schrille Ausreißer.
“Aber du arbeitest noch für die taz?” – Ja, seit einigen Jahren wieder für den Verlag, nicht in der Redaktion. Auch wenn ich mit vielem in der Zeitung nicht einverstanden bin, ist sie noch die beste, die wir haben in Deutschland. Auch die Grünen hab ich ja noch gewählt, solange Christian Ströbele kandidierte. Die “Linke” war mir lange zu SED-mäßig, aber Sarah & Oskar & noch ein paar dort finde ich gut. Dass man die jetzt auch in die “rechte” Ecke schiebt, ist symptomatisch – wer der NATO nicht ewige Treue schwört, wird von der neuen Pseudo-Linken als Nazi oder “neu-rechts”deklariert.
“Dein Anti-Amerikanismus sitzt tief!” – Quatsch, ich bin Karl May- und Amerika-Fan seit je. Aber wer die Weltgeschichte seit 1945 studiert und die endlose Reihe von Kriegen sieht, mit denen vor allem die USA die Erde überzogen haben, kommt als vernünftiger Mensch nicht darum herum, diesen permanenten Massenmord zu kritisieren. Es ist eine entsetzliche und brutale Politik, die die einzige Weltmacht betreibt.
“Deshalb hast du dich über den Wahlsieg von Trump gefreut?” Nein, über Bernie Sanders hätte ich mich gefreut, über Trump nur deshalb, weil die schreckliche Clinton den Bernie weggebissen hat, der die Wahl klar gewonnen hätte. Aber auch Trumps Ansage “to come along mit Russia” fand ich richtig und es ist höchst spannend, wie mit aller Macht versucht wird, ihn davon abzuhalten. Der militärisch-industrielle Komplex braucht einen Feind, Frieden und Verständigung sind geschäftsschädigend…
“Dass du als ,Putinversteher‘ ein Buch geschrieben hast, ist ja auch nicht gerade links, oder?” – Verstehen heißt nicht Verehren. Ohne Putin würde es in Russland heute aussehen wie im Irak, das kann niemand wünschen, außer vielleicht das US-Imperium zwecks Chaosverbreitung. Ich bin für Friedens- und Handelsverträge von Lissabon bis Wladiwostock und Peking, für Handel und Wandel zwischen Europa und Asien auf der “neuen Seidenstraße” – ob das “links” ist, weiß ich nicht, aber es macht Sinn. Und Putin und Xi würden sicher gerne in solche Verhandlungen eintreten, aber diese Verständigung ist tabu. Sie war es schon für das britische Weltreich und ist es jetzt für seinen Nachfolger in Washington: wenn Eurasien zusammenwächst, ist das Imperium nicht mehr zu halten. Deshalb dürfen sich Deutschland und Russland, West- und Osteuropa nicht vertragen. Deshalb wird die NATO nicht reformiert oder abgeschafft, sondern weiter auf Konfrontation gebürstet. Deshalb gibt es die von den USA verordneten Sanktionen, die Deutschland und Westeuropa mehr schaden als den Russen.
“Auch viele Rechte finden Putin gut…” – So what? Die finden auch Borussia Dortmund oder Bier oder sogar Rotwein gut. Das ist doch nicht das Problem mit “rechts”, sondern ihr reaktionärer Rassismus. Dieser Schwachsinn von der weißen Rasse und einem speziellen Deutschtum oder Polentum oder Schlagmichtot. Jedes Land hat seine Kulturen und das ist wunderbar, aber daraus eine Suprematie abzuleiten ist Wahnsinn. “Wir müssen den Nationalismus in Folklore verwandeln”, hat schon mein Freund Wolfgang Neuss gesagt…
“Und die Flüchtlinge?” – Da war ich anfangs ganz bei Merkel, die Notaufnahme war ok – und sie ist ok, solange sich Deutschland an Kriegen beteiligt oder Waffen dafür liefert. Wer Fluchtursachen bekämpfen will, muss aufhören, andere Länder in Schutt und Asche zu legen. Aber hier läuft ja jetzt eher das Gegenteil, die Bundeswehr soll für mehr Auslandseinsätze fit gemacht werden, mit grässlichen Werbe-Kampagnen, wie geil das Kämpfen in Mali ist. Das ist die Obergrenze des schlechten Geschmacks – wir wollen mehr Krieg, wir liefern mehr Waffen und wollen gleichzeitig eine Obergrenze für Flüchtlinge, die wir mit dem Export von Panzern und Bomben weiter produzieren.
“Viele in der “Linken”-Partei würden da zustimmen, aber du greifst ihren Kultursenator scharf an.” – Ja, weil er mit diesem Saalverbot die Meinungs- und Pressefreiheit mit Füßen tritt. Weil er Ken Jebsen in eine Ecke stellt, in die er, wie jeder, der das KenFM-Programm anschaut, sehr leicht feststellen kann, nicht gehört, und weil er die Beteiligten an diesem Programm und der Veranstaltung einfach nur diffamiert. Ein solcher Unkultursenator muss sich schon sagen lassen, dass er daneben liegt, selbst wenn ihm die antideutsche Transatlantifa dafür zujubelt…
“Transatlantifa?” – Das ist eine spezielle pseudo-linke Truppe hier, die sich “Antideutsche” nennt und “Israel über alles” als Antifaschismus verkauft, die sämtliche US-Kriege unterstützt und jeden, der da nicht mitzieht, als Nazi und Antisemit deklariert, vor allem, wenn er – wie es zum Beispiel Ken Jebsen getan hat – die Besatzungspolitik Israels kritisiert. Oder die Zentrale des Drohnenmords in Ramstein oder die Aufrüstung der NATO oder die Geldpolitik der Federal Reserve Bank oder den CIA-gesteuerten Putsch in Kiew oder die islamistischen Al CIAda-Söldner in Syrien… Das sind für viele Pseudo-Linke und Grüne und vor allem für die kognitiv dissonanten “Antideutschen” absolute Tabus, wer sie wahrnimmt und anspricht, muss ausgegrenzt und diffamiert werden, sonst bricht ihr verqueres Weltbild zusammen.
“Du solltest die Laudatio auf Ken Jebsen halten bei der abgesagten Preisverleihung…” – Die ist nicht abgesagt, nur ein gemieteter Saal wurde gekündigt, der Preis wird verliehen und wenn nicht im Babylon, dann eben anderswo. KenFM und sein Macher haben diesen Preis verdient, denn sie machen ein vorbildliches Programm, anti-militaristisch, anti-kapitalistisch, ur-demokratisch und höchst professionell. Dass darauf nur mit Verleumdung und Diffamierung reagiert wird, ist keine Überraschung, denn sachlich, inhaltlich gibt es keine Argumente. Deshalb wird eben mit dem standardisierten Dreck – “Verschwörungstheorie”, “Antisemitismus” – geworfen.
“Das kennst du doch…” – Ja klar, nach meinen 9/11-Büchern lief das damals genau so: keine sachlichen Argumente gegen die Inhalte, aber kräftige Denunziation des Überbringers. Und für Ken Jebsen fing der ganze Ärger – nach Jahrzehnten als erfolgreicher Moderator und Journalist im ARD-Radio – ja 2011 auch just in dem Moment an, in dem er zum 10. Jahrestag seine Zweifel an der offiziellen Legende äußerte und mich in seiner Sendung reden ließ. 9/11 ist ja so etwas wie der Lackmustest für echten Journalismus, wer das Märchen von Osama und den Teppichmessern als Alleintäter nicht stillschweigend akzeptiert, ist für die Großmedien untragbar. Das war schon bei JFK und Lee Harvey Oswald so – und um die Zweifler zur Strecke zu bringen, lancierte damals die CIA die Vokabel “Verschwörungstheoretiker” als Kampfbegriff der psychologischen Kriegsführung. Diese feiert nach 9/11 fröhliche Urstände und heute gehen auch Leute, die sich als “links” oder “grün” verstehen, völlig ungeniert und unreflektiert damit um, so auch der Berliner Unkultursenator. Es ist die perfekte Diskurskeule, um unerwünschte Nachrichten und Meinungen außen vor zu halten… allerdings durch inflationären Gebrauch mittlerweile auch schon ziemlich abgenutzt. Noch haben wir einen Rechtsstaat, der Presse-und Meinungsfreiheit garantiert, deshalb werden diese peinlichen Zensurversuche auch scheitern.
Anmerkungen und Quellen:
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Lichtung_%28Gedicht%29
(2) https://www.rubikon.news/artikel/kultursenator-zieht-rufmord-vom-leder
(3) https://www.westendverlag.de/buch/der-fall-ken-jebsen-oder-wie-journalismus-im-netz-seine-unabhaengigkeit-zurueckgewinnen-kann/