Zunächst scheint diese Frage banal. Was soll Geld schon sein? Euro! Oder Yen. Oder Dollar? Ein Zahlungsmittel, mit dem wir unsere monetären Verpflichtungen begleichen. Ein Tauschmittel. Oder vielleicht doch ein Wertmaßstab? Wertaufbewahrungsmittel. Die Antworten sind so vielfältig wie verwirrend.
Arbeitet man mit normativen Definitionen, um zu erklären, was Geld genau ist, erklärt man im Grunde gar nicht, sondern man legt fest. Irgendjemand, der sich dazu berufen fühlt, entwickelt eine Definition, die festlegt, was Geld denn sei. Der Leser dieser Definition muss das dann glauben. Oder eben nicht. Überprüfen kann er jedenfalls eine normative Definition nicht, weder experimentell noch durch Beobachtung seiner Umwelt.
Etwas grundsätzlich anderes sind empirisch überprüfbare Definitionen. Also Erklärungen zu Phänomenen, die man untersuchen und demzufolge auf den Wahrheitsgehalt hin überprüfen kann. Eine solche Definition, ein solches Verständnis von Geld soll im Folgenden dargestellt werden.
Was ist Geld?
Schauen wir uns dazu die Gelddefinition an, die Wikipedia liefert:
„Geld ist jedes allgemein anerkannte Tausch- und Zahlungsmittel.“
Währungsbezeichnungen spielen in dieser Definition schon keine Rolle mehr.
Offensichtlich ist es egal, welchen Namen eine Währung trägt, solange sie „allgemein anerkanntes Tausch- und Zahlungsmittel“ ist, ist sie Geld.
Welchen Namen dieses Mittel trägt, entscheidet also nicht darüber, was man gerade als Geld akzeptiert. Banal im Grunde, und trotzdem halten wir zunächst mal fest, dass der Name eines Geldes für dessen Funktion völlig egal ist. Jeder vor 2001 geborene Bürger, na gut ein wenig älter müssen sie schon noch sein, weiß bereits aus eigener Erfahrung, dass der Name einer Währung wechseln kann. Geld bleibt sie irgendwie trotzdem.
Wenn also der Name für das Verstehen, worum es sich beim Geld genau handelt, egal ist, dann schauen wir uns doch mal die Erscheinungsformen an, die Geld haben kann. Die meisten Bürger kennen drei verschiedene Erscheinungsformen: Münzen, Scheine und das Geld auf unseren Konten, das Giralgeld.
Gehen wir ein wenig zurück in der Geldgeschichte, können wir aber noch ganz andere Erscheinungsformen von Geld entdecken. Gold und Silber zum Beispiel wurden schon als Geld verwendet. In Teilen Asiens und Ozeaniens, zum Teil auch in Afrika wurden Muscheln als Zahlungsmittel genutzt. Im alten Ägypten wurde vor allem im 1. Jahrhundert vor Christus Getreide zur Begleichung offener Forderungen verwendet. In Europa gab es im Mittelalter eine beinahe 200 Jahre währende Zeit der sogenannten Brakteaten, vor allem im deutschsprachigen Raum. Das waren einseitig geprägte Pfennige aus dünnem Silberblech. Rinder, Ziegen, Felle, Dolche, Steine, Salz, all dieses wurde von Menschen schon als Geld genutzt.
Die Geldgeschichte ist voll von den unterschiedlichsten Formen von Geld. Nehmen wir diese Tatsache erstmal emotionslos zur Kenntnis, kann verallgemeinert festgestellt werden:
Es ist völlig egal, was als Geld verwendet wird, solange dieses Etwas die Geldfunktionen übernimmt. Die einfachste Erklärung, warum Geld ganz offensichtlich jede nur denkbare Form annehmen kann, ist, dass Geld im Kern weder Gold noch Muscheln, noch sonst irgendetwas ist, dessen Form es annehmen kann.
Was ist Geld dann?
Geld ist Information.
Die zunächst eigenartige Feststellung, dass sich Geld die verschiedensten Manifestationen annehmen kann, wird erklärbar, wenn wir unterstellen, dass Geld lediglich eine Information ist. Denn eine Information kann sich aufgrund ihres nichtphysischen Charakters zu ihrer Übertragung, zum Beispiel von Mensch zu Mensch, ebenso in alles verwandeln, was man sich nur vorstellen kann. Eine Information kann auf ein Blatt Papier geschrieben werden und so von einem Menschen zu einem anderen übergeben werden. Sie kann aber auch in Form von Sprache übermittelt werden, was Stimmbänder beim Sender und Ohren beim Empfänger voraussetzt. Informationen können elektronisch übermittelt werden, wie in einer E-Mail zum Beispiel.
Die Feststellung, dass Geld Information sein muss, ist vom Wesen her etwas anderes als die Feststellung von Wikipedia, dass Geld jedes anerkannte Tausch- und Zahlungsmittel ist. Warum?
Weil die Feststellung, Geld sei Information, überprüft werden kann. Dazu müssen wir die Frage beantworten: Über was informiert Geld? Also welche Informationen überträgt denn Geld? Und genau an dieser Stelle steigen wir nun in die empirische Untersuchung dessen ein, was Geld ist.
Genau wie wir gerade beschrieben haben, dass Geld x-verschiedene Formen annehmen kann und nur die Erkenntnis, dass Geld eine Information sein muss, diesen Umstand erklären kann, beobachten wir nun Menschen dabei, wann sie Geld benutzen.
Schauen wir dazu zunächst in die Familie. Wenn sich zwei Familienmitglieder bei der Erledigung irgendwelcher Aufgaben unterstützen, brauchen sie dazu sehr selten Geld. Auch bei Freunden, die sich gegenseitig helfen, ist es unüblich, dass sie sich für ihre Hilfe mit Geld „bezahlen“. Im Unterschied dazu wird beim Austausch von Arbeitsleistungen unter Fremden das Verwenden von Geld schon üblicher. Aber auch hier kann es sein, dass dies ganz ohne Geld funktioniert, solange sich der Tausch von Arbeitsleistungen unter zumindest sich weitläufig Bekannten abspielt und zusätzlich nur wenige Menschen am Tausch beteiligt sind.
Wir halten fest: Ein Austausch von Arbeitsleistungen, ohne Geld benutzen zu müssen, ist grundsätzlich möglich.
Dies kann auch jeder in seiner Familie oder seinem persönlichen Umfeld leicht überprüfen. Helfen Sie sich innerhalb Ihrer Familie, ohne dafür Geld zu verwenden? Helfen Sie, wenn einer Ihrer Freunde einen Umzug durchführt? Lassen Sie sich dann dafür bezahlen? Warum eigentlich nicht? Sind Sie Friseur? Haben sie da einem Bekannten schon mal die Haare geschnitten und im Tausch hat dieser Ihnen bei irgendwas anderem geholfen?
Gleichzeitig gibt es Situationen, da würden Sie ohne Geld kaum in einen Tausch von Waren und Dienstleistungen einsteigen können.
Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass ein Austauschen von Arbeitsleistungen – ohne Geld dabei zu verwenden – immer unwahrscheinlicher wird, je fremder sich Menschen sind.
Wenn wir nun noch die Anzahl der Menschen erhöhen, die sich in einer Gemeinschaft befinden, dann können wir beobachten, dass die Verwendung von etwas wie Geld immer wahrscheinlicher wird, je größer diese Gruppe ist. Wie kann es sein, dass wir in kleinen Gruppen, die sich womöglich noch dazu sehr gut kennen, kein oder selten Geld benötigen, um arbeitsteilig zu wirtschaften, wir jedoch bei größer werdenden Gruppen, bei denen auch die Vertrautheit untereinander naturgemäß abnimmt, kaum noch ohne Geld auskommen?
Genau an dieser Stelle liegt der Schlüssel zum Verständnis dessen, was Geld genau ist, vergraben. Wir buddeln ihn aus.
Des Pudels Kern
Halten wir nochmals fest: Verschiedene Namen für Geld erklären nicht, was genau Geld ist. Zudem kann Geld jede beliebige Form annehmen, was wir anhand der Geldgeschichte belegen können. Warum ist es egal, welche äußere Erscheinungsform Geld hat? Dies kann nur erklärt werden, wenn wir Geld als Information verstehen. Bleibt die Frage, über was uns Geld informiert?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir den Umstand erklären, dass in kleinen Gruppen – die kleinstmögliche Gruppe besteht aus zwei Individuen – zum Austausch von Arbeitsleistungen nicht zwingend Geld nötig ist. Je größer jedoch eine Gruppe von Individuen wird, desto unwahrscheinlicher wird es, dass hier der Austausch von individuellen Arbeitsleistungen reibungslos funktioniert, ohne etwas wie Geld zu verwenden.
Der Ursprung des Geldes hat also ganz offensichtlich etwas mit unterschiedlichen Gruppengrößen zu tun. Stellt sich die Frage: Was unterscheidet denn eine kleine Gruppe von einer größeren Gruppe? Die Transparenz über die individuellen Arbeitsergebnisse.
Je größer Gruppen werden, desto undurchsichtiger wird, was der Einzelne für seine Arbeitsleistung tatsächlich aufwenden muss.
Wie viel Zeit er beispielsweise für das Backen eines Brotes investieren muss, was ihn selbst die Zutatenbeschaffung kostet, was ihn der Unterhalt seines Ofens kostet, was ihn seine Angestellten kosten.
Letztlich gehen also Informationen von kleiner zu großer Gruppe verloren. Welche Informationen? Informationen über die individuellen Arbeitsleistungen. Genau diese Aufgabe übernimmt nun das Geld. Geld ist also im Kern ein Ausgleich für einen Informationsverlust, der beim Wirtschaften entsteht, wenn Gruppen anwachsen.
Die Macht des Geldes entspringt noch immer dem Umstand, dass letztlich nicht klar ist, was Geld genau ist. Nur weil nicht verstanden wird, welchen Ursprung es hat, können einige Wenige auf der Basis eines falschen Verständnisses Geld als Machtmittel zur Durchsetzung individueller Interessen gebrauchen und somit große Bevölkerungsteile ausbeuten. Die Möglichkeiten moderner Wissenschaft und ihrer Methoden zur Untersuchung beobachtbarer Phänomene sind heute so weit entwickelt, dass es beschämend ist, dass sie bisher nicht zur Erklärung des Phänomens Geld angewendet werden.
Der Grund hierfür ist einzig und allein eine fehlende Operationalisierung des Geldes. Es ist bisher nicht gelungen, Geld so zu erklären, dass man es untersuchen kann. Genau diese Lücke schließt die hier vorgestellte Definition von Geld.
Je kleiner eine Gruppe von Individuen ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass etwas wie Geld verwendet werden muss, um Arbeitsleistung auszutauschen.
Je größer eine Gruppe von Individuen wird, desto wahrscheinlicher wird es, dass diese Gruppe etwas wie Geld erfindet, damit sie ihre individuellen Arbeitsleistungen weiter reibungsfrei tauschen kann.
Geld ist letztlich also Information. In der sogenannten Informationsgesellschaft ist diese Erkenntnis im Grunde noch nicht einmal besonders originell. In größer werdenden Gruppen geht Information über individuelle Arbeitsleistungen verloren. Genau diesen Informationsverlust gleicht das Geld aus. Das ist seine Funktion. Seine einzige. Alles andere ist Herrschaft!