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Vom Recht auf eigene Meinung

Vom Recht auf eigene Meinung

Kommentare erfüllen heute anscheinend vor allem folgende Funktionen: Lügen, Bullshit behaupten oder ein Tabu brechen.

„Jeder hat das Grundrecht auf eine eigene Meinung. Aber nicht auf eigene Fakten.“ Dieses Zitat von Daniel Patrick Moynihan gaben in der Vergangenheit einige Journalisten ohne Quellenangabe zum Besten — vor ein paar Monaten erregte die Chefredakteurin des WDR Sonja Mikich damit die Aufmerksamkeit der Republik.

„Jeder Mensch hat das Recht auf seine eigene Meinung, aber kein Mensch hat das Recht, falsche Fakten zu präsentieren.“
—Bernard Mannes Baruch

Auch wenn einige Google-Analphabeten das Zitat von „der eigenen Meinung und den eigenen Fakten“ seit deren anmaßender Ansage der WDR Chefredakteurin Sonja Mikich zuschreiben und dieses noch als intellektuelle Leistung feiern und fröhlich weiter rezitieren — es bleibt ein Plagiat — so wie der gesamte Kommentar eine Adaption eines Meinungsbeitrages der SZ Redakteurin Evelyn Roll ist.

Mikichs Metapher vom „Mond aus Käse“ wetteifert gegen Rolls „Erde ist eine Scheibe“, wobei Roll sich durchaus im Stande sieht, auch den eigenen Berufsstand selbstkritisch anzusprechen.

Evelyn Roll schrieb in einem Beitrag für die SZ – einige Wochen vor Mikichs Kommentar:

„Das geht so: Ich lüge, behaupte Bullshit oder breche ein Tabu — das war ja noch nie so einfach wie heute mit einem gut überlegten Satz auf Twitter —, und schon bekomme ich Schlagzeilen und Sendezeit. (…) Vielleicht müssen wir Journalisten neu lernen, dass man einen Text durchaus auch mal beginnen kann mit den drei Wörtern: Das ist falsch. Wenn einer den Klimawandel oder die Evolution leugnet oder mit Lügen gegen Minderheiten hetzt, darf man darüber nicht nur berichten, sondern muss dazu senden oder schreiben: Das ist eine Erfindung. Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber niemand hat das Recht auf eigene Fakten. Es wird überlebenswichtig sein für die Demokratie, eine Lüge wieder eine Lüge zu nennen. Wenn jemand behauptet, die Erde ist eine Scheibe, darf die Schlagzeile eben nicht sein: ‘Streit über die Form der Erde’.“

Mikichs offene Unterstellung jedoch, dass lediglich eine ausgewählte Anzahl von Menschen im Besitz der ultimativen Wahrheit, der Faktentreue und der durch bestehende Narrative zur Tatsache avancierten Information sei, verstörte insbesondere die Netzgemeinde und die honorige WDR-Grande erntete in den sozialen Netzwerken viel Spott und Häme.

Zu groß und zu bekannt ist inzwischen das Ausmaß nachgewiesener regierungstreuer Manipulationen, Falschmeldungen, Halbwahrheiten, Tendenzberichte und Meinungsmache die tagtäglich von den stark frequentierten und auflagenstarken (öffentlich-rechtlichen) Qualitätsmedien verbreitet werden.

Die aktuelle Diskussion darüber, wessen Wahrheit die einzig Wahrhaftige ist, nimmt mittlerweile absonderliche Züge an. Das Internet ist laut diverser Politiker und Qualitätsjournalisten ein Hort in dem Fake News gedeihen und die postfaktische Gefährdung der öffentlichen Meinung droht. Öffentlich-rechtliche und private Leitmedien werden nicht müde, auf die Gefahren für unser demokratisches Zusammenleben hinzuweisen, die sich aus dem ungefilterten und unzensierten Konsum von Informationen aus dem Netz ergeben. Dabei blenden die reklamierenden Stellen die eigene Neigung zum Postfaktischen gekonnt aus. Auch fördert die Fixierung der etablierten Medien auf Agenturmeldungen nicht selten eine absurd anmutende Gleichförmigkeit von Meldungen und Meinungen zu Tage. Das ist nicht im Sinne einer pluralistischen und demokratischen Meinungsvielfalt.

Alternative Medien, deren Population in den Untiefen des „Neulandes“ an Variationsbreite kaum Wünsche offenlässt, sind zur konkreten Gefahr für Legitimation, wirtschaftliches Überleben und Deutungshoheit der etablierten Medien geworden. Die Frage, warum diese Entwicklungen vonstattengehen konnte, wird von den in ihrer Vormachtstellung bedrohten Medienbetrieben nur halbherzig gestellt.

Bereits die konzertierte Kampagne, die mit der Krönung des Unwortes „Lügenpresse“ begann und das Ziel hatte Medienkritiker kollektiv in die rechtsradikale oder verschwörungstheoretische Ecke zu stellen, war recht durchsichtig und suboptimal gemanagt. Was als hilfloser Rundumschlag begann, wird jedoch zunehmend zu einer Bedrohung der gesetzlich verbrieften Meinungsfreiheit und zum Frontalangriff auf demokratische Gepflogenheiten.

Verbote müssen her. Unter dem Vorwand vermeintliche „Fake News“, „Hass und Hetze“ zu bekämpfen, sollen Gesetze erlassen werden, die dazu geeignet sind, antidemokratische Meinungszensur politisch missliebiger Meinungen, nach dem Vorbild McCarthys wiedereinzuführen.

Schwarze Listen, Kampagnen für Werbeverbote, Strafandrohungen für unpopuläre Meinungsäußerungen, Bedrohung, Zerstörung von Reputation und Karrieren, Verleumdung und Rufmord sind kein Schreckensszenario am Horizont, sondern bereits bittere Realitäten.

Facebook, Twitter, Youtube und Microsoft haben bereits eine gemeinsame Zensurdatenbank eingerichtet und Hobbydenunzianten feiern im Netz ungestört fröhliche Urstände.

Einzig zivilisierte Kommunikation führt Menschen zusammen und bewirkt Freundschaft, Wertschätzung, Diskurs und Zusammenhalt. Das Netz hat es möglich gemacht, dass sich bis dato Unbekannte über politische Meinungsverschiedenheiten hinaus kennen und schätzen lernten.

Die Vielfalt der Meinungen ist Ausdruck unserer aufgeklärten demokratischen Gesellschaft, die natürlich über eine grundgesetzlich geschützte Pressefreiheit verfügt und auch alternativen Medienschaffenden Raum für ihre Publikationen gibt. Der Ökonom und Publizist Norbert Häring schrieb dazu treffend in einem seiner Blogbeiträge:

„Wenn der eigene politische Gegner mit unfairen Mitteln zum Schweigen gebracht werden soll, ist die einzig kluge Reaktion Solidarität.“

Nächste Folge Faktencheck: Von Postfaktischen und alternativen Fakten

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