In einer Demokratie bedeutet Macht, die Macht über die Medien zu haben. Wer die inhaltliche Ausrichtung der Medien weitgehend beeinflussen oder kontrollieren kann, der hat die Macht, denn von dort aus werden Gedanken, Gefühle und Meinungen der Bevölkerung gesteuert, damit auch ihr Verhalten, ihre Zustimmung zu politischen Entscheidungen und ihre Wahlen. Das ist so weit nichts Neues. Noam Chomsky beschreibt die Macht der Medien eindrucksvoll in „Media Control“, hier am Beispiel eines in den Medien diskreditierten Arbeiterstreiks in den USA der 1930er-Jahre:
„Man (…) bediente sich der subtileren Mittel der Propaganda, um die Öffentlichkeit gegen die Streikenden aufzuwiegeln, die als schädliche Störenfriede präsentiert wurden, deren Aktivitäten den Interessen der Allgemeinheit zuwiderliefen. (…) ‚Wir alle‘ sind ja Amerikaner und wollen in Frieden und Harmonie zusammenarbeiten. Aber die Streikenden stören diesen Frieden und sind damit unamerikanische Subjekte. Wenn ‚wir alle‘ miteinander leben wollen, müssen wir sie stoppen. Der Konzernchef und die Reinmachefrau haben die gleichen Interessen. Diese Botschaft wurde der Öffentlichkeit mit großem Aufwand verkauft, schließlich kontrollierte die Geschäftswelt die Medien und ließ sich die Kampagne etwas kosten, die dann auch Erfolg hatte.“ (1).
Einigkeit herzustellen hat so gesehen leider etwas Verführerisches, da der Mensch ein soziales Wesen ist, sich nach Gemeinschaft und einer gesunden Einigkeit sehnt und sich zugleich davor fürchtet, einer ausgestoßenen Minderheit anzugehören.
Sobald also eine Bewegung als ausgestoßene Minderheit wahrgenommen wird, besteht in einer Gesellschaft die Tendenz, dass auch Gleichgesinnte sich von ihr abwenden und nach Zugehörigkeit zu einer, möglicherweise ungesunden, Einigkeit der Mehrheit streben. Dieser oft genutzte Mechanismus ist uralt.
Wie aber finden wir heraus, womit wir es in einer aktuellen Berichterstattung zu tun haben? Zunächst einmal bin ich der Ansicht, wir sollten uns generell nicht vorschnell auf eine bestimmte Sichtweise auf das Zeitgeschehen festlegen, da das unsere eigene Wahrnehmung unnötig einengt. Stattdessen plädiere ich dafür, damit zu leben, dass es mehrere Lesarten des Zeitgeschehens gibt, und dass vieles erst mit größerem zeitlichen Abstand verstanden und belegt werden kann.
Ich selbst untersuche Machtstrukturen, Propaganda und bewusste Einflussnahme in den etablierten und den sozialen Medien und stelle mir deshalb zudem die Frage: Wer sagt was warum? Unter diesen Aspekten biete ich hier nun eine Beschreibung möglicher Lesarten zum Sturm auf das Kapitol am 6. Januar an, zum laufenden Amtsenthebungsverfahren gegen den noch amtierenden Präsidenten Donald Trump und zum „Machtwechsel“ in den USA.
Betrachten wir die Berichterstattung in den westlichen Mainstream-Medien über Donald Trump während seiner gesamten Amtszeit, so fällt auf, dass hier eine deutlich negativere Darstellung des Präsidenten im Vergleich zu vorangegangenen Präsidentschaften stattfand und -findet, konkret im Vergleich zu Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama. Sehen wir uns die Spiegel-Titelseiten der vergangenen Jahre an, welche Trump zeigen, so fällt eine außerordentlich furchteinflößende Darstellung des Präsidenten auf. Weder die satirische Bush-der-Cowboy-Wahrnehmung aus früheren Jahren noch das smarte Obama-der-Friedliebende-Image lassen sich damit ansatzweise vergleichen.
„Niemand, der nicht ideologisch verblendet ist, kann mehr daran zweifeln, dass Donald J. Trump als bisher schlechtester Präsident in die amerikanische Geschichte eingehen wird“, behauptet Christian Zaschke abschließend in der Süddeutschen Zeitung (2). Man kann über Trump nun denken, wie man möchte, und mir geht es hier nicht darum, für ihn oder seine Politik zu begeistern. Ich möchte an dieser Stelle die mediale Wahrnehmung seiner Amtszeit in Relation zu vorangegangenen Präsidentschaften setzen und dazu die Frage aufwerfen: Wie viel Macht hat der US-Präsident wirklich?
Jenseits extremer Meinungen: ein nüchterner Vergleich
War Trump ein deutlich schrecklicherer US-Präsident als seine drei direkten Vorgänger? In diesem Fall wäre die mediale Darstellung von ihm insgesamt verständlich. Von Trump ist bekannt, dass er sich weder für die These vom allein durch CO2-bedingten und menschengemachten Klimawandel sowie die daraus folgende Politik begeisterte, noch für die Corona-Politik im selben Maße wie sein designierter Nachfolger. Zudem hat er während seiner Amtszeit zwar — leider — Kriege weitergeführt und dabei auch Kriegsverbrechen begangen, aber immerhin keinen neuen Krieg begonnen. Stattdessen wurde ihm wiederholt eine zu große Nähe zu Russland vorgeworfen.
Der US-amerikanische Publizist Paul Craig Roberts fragt dazu:
„Wie soll Präsident Trump die Beziehungen zu Russland normalisieren, wenn die von ihm ernannten Amtsträger sie samt und sonders bis an den Rand eines Atomkriegs treiben wollen?“
Der Journalist Finian Cunninghan befürchtet, Trump werde „weiterhin unter einer düsteren Wolke medial getriebener Verdächtigungen zu leben haben“, und weist „darauf hin, dass die US-Medien, anstatt das Treffen (von Trump und Wladimir Putin, Anmerkung der Autorin) als den Beginn eines Prozesses zum Abbau der immensen Spannungen zwischen den beiden großen Atommächten zu loben, Trump dafür verurteilten, Putin mit Höflichkeit begegnet zu sein.“
Bill Clinton und seine Administration haben in den 1990er-Jahren den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf Serbien vom Zaun gebrochen und damit auch Deutschland zu ersten Mal seit 1945 wieder in einen Krieg verwickelt. Der britische Offizier John Crossland bestätigte vor dem internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag: „Bill Clinton, Richard Holbrooke und Madeleine Albright hatten entschieden, dass es einen Regierungswechsel in Serbien geben werde (…)“, weshalb sie die Spaltung zwischen Serben und Kosovo-Albanern bewusst ausnutzten und verstärkten (3).
Für Deutschland war dieser von Lügen durchsetzte Krieg ein schlimmer Rückschritt. „Nach der Bombardierung von Bosnien 1995 war der Angriff auf Serbien 1999 der zweite ‚Out-of-Area‘-Einsatz der NATO, die sich im Kosovokrieg für alle sichtbar von einem Verteidigungsbündnis zu einem Angriffsbündnis verwandelte,“ fasst Daniele Ganser zusammen (4).
Von George W. Bush wissen wir, dass er auf einer Lüge basierend die Länder Afghanistan und Irak überfiel. Saddam Hussein hatte nichts mit dem 11. September 2001 zu tun (5). Auch der Bezug der Taliban zu den Terroranschlägen lässt sich nicht belegen, da mit ihnen die Sprengung von WTC 7 (6) nicht erklärt werden kann.
Vom Friedensnobelpreisträger Barack Obama ist bekannt, dass er während seiner Amtszeit sieben Länder bombardiert hat. „Die USA warfen im Jahr 2016 durchschnittlich 72 Bomben pro Tag ab ― das entspricht drei Bomben pro Stunde“, berichtet NBC News dazu. Im Laufe des Jahres seien 26.171 Bomben auf den Irak, auf Syrien, Afghanistan, Libyen, Jemen, Somalia und Pakistan abgeworfen worden. Diese Schätzungen seien laut CFR (Council on Foreign Relations, deutsch: Rat für auswärtige Beziehungen) wohl noch niedrig, heißt es weiter: Man müsse bedenken, „dass verlässliche Daten nur für Luftangriffe in Pakistan, Jemen, Somalia und Libyen zur Verfügung stehen, und dass ein einziger ‚Angriff' nach der Definition des Pentagons mehrere Bomben oder Munition beinhalten kann".
Anhand des Zeitgeschehens lässt sich also nicht festmachen, Donald Trump habe im Gegensatz zu seinen Vorgängern eine unberechenbare Schreckensherrschaft ausgeübt. Dies aber wird uns bis heute medial vermittelt. „Es ist auch Amerika, und es ist der gewählte Präsident Donald Alarich Trump, der auch 2020 mehr als 70 Millionen Stimmen erhielt, obwohl seine Skrupellosigkeit, seine Lügen, seine psychische Störung vier Jahre lang zu erleben waren“, fasst die Süddeutsche Zeitung in einer Analogie zu König Alarich vernichtend zusammen (7).
Über CO2 als einzige Ursache für den Klimawandel gibt es verschiedene Aussagen, auch in der Wissenschaft, und man kann unterschiedlicher Meinung sein. Mir persönlich gefällt an diesem Narrativ der Fokus auf die Angstmache nicht, welcher im Strategiepapier„Leading the Public into Emergency Mode Introducing the Climate Emergency Movement ― Die Öffentlichkeit in den Klima-Notfallmodus führen“ von Margaret Klein Salamon beschrieben wird. Politik, welche zugleich mit Angstmache, Alternativlosigkeit und einem zu engen Fokus verknüpft wird, empfinde ich nicht als unterstützenswert, da wir Menschen in Angst schlecht reflektieren, debattieren, abwägen und Entscheidungen treffen können. So gesehen würde ich Trump seine Uneinigkeit mit dieser Strategie nicht vorwerfen.
Inwieweit Trump selbst zum Thema Krieg oder Frieden entscheiden konnte, ist fraglich, doch zumindest lässt der teilweise Abzug der Truppen aus Irak und Afghanistan etwas Hoffnung aufkommen. „Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit ist die von US-Präsident Donald Trump angeordnete Truppenreduzierung in Afghanistan und dem Irak auf jeweils 2.500 US-Soldaten vollzogen. Wie der geschäftsführende Verteidigungsminister Christopher Miller mitteilte, seien in Afghanistan somit weniger Soldatinnen und Soldaten im Land als je zuvor seit dem Jahr 2001“, berichtet die Zeit Online am 15. Januar hierzu.
Wenn es um Krieg oder Frieden geht, ist sehr viel Geld und sehr viel Macht im Spiel. Wer hier deutlich profitiert, könnte Trump als Störenfried oder Querulanten empfinden. „Trump, der am 20. Januar von Joe Biden als US-Präsident abgelöst wird, hatte Mitte November den Teilabzug aus Afghanistan und dem Irak angeordnet und damit sowohl NATO-Partner als auch Politikerinnen und Politiker beider Parteien in den USA verärgert“, befürchtet die Zeit Online im gleichen Artikel.
Das Thema Corona bewegt sehr wahrscheinlich noch mehr Geld und Macht als diese beiden Kriege zusammen. Trumps verhaltene Begeisterung zu härteren Corona-Maßnahmen im Vergleich zu seinem Nachfolger Joe Biden erachte ich als vorteilhaft. Wer von diesem Thema selbst profitiert, sieht das aber wahrscheinlich anders.
Einfacher ausgedrückt: Trump hat keine einschlägige Karriere innerhalb des Machtgefüges des Tiefen Staates vorzuweisen, sondern ist ein superreicher Unternehmer, der seinen Wahlkampf durch seinen Reichtum finanzieren konnte. Die etablierten westlichen Medien jedenfalls hatte er als amtierender Präsident noch nie auf seiner Seite.
Der Sturm auf das Kapitol: schrecklich, aber nützlich
Was sagt nun die aktuelle Berichterstattung über den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar und das angedrohte Amtsenthebungsverfahren gegen Trump tatsächlich aus? Wo endet die Wiedergabe von Tatsachen, und wo beginnt die mediale Inszenierung?
Der Artikel „Ein wahres Gesicht“ der Süddeutschen Zeitung vom Wochenende nach dem Sturm auf das Kapitol liest sich furchterregend:
„Die Präsidentschaft von Donald Trump hat im Angriff seiner Anhänger auf das Kapitol ihren logischen und vielleicht unvermeidlichen Kulminationspunkt gefunden. Die Saat aus Lügen, Wut und Hass, die er vier Jahre lang gesät hat, ist nicht bloß aufgegangen, sondern zur finsteren Blüte gereift“ (8).
Weiter wird nahegelegt, Trump sei für das drohende Ende der Demokratie in den USA verantwortlich:
„Es ist nur allzu gut möglich, dass die amerikanische Demokratie in eine Todesspirale eingetreten ist, und das liegt nicht an Trump allein, aber vor allem an Trump.“
Ein späterer Absatz schafft einen direkten Vergleich der gewaltbereiten Stürmer des Kapitols mit „Abermillionen Trump-Anhänger(n)“ im ganzen Land:
„Sie bilden eine Wutmaschine, angetrieben von brennendem Zorn, Verschwörungstheorien und tief sitzender Angst vor einer sich wandelnden Welt.“
Eine alternative Lesart des Geschehens wäre, über die tiefsitzende Angst mancher US-Eliten vor einer sich wandelnden Welt nachzudenken. In dem Fall wäre eine derartige Gleichstellung der Tr
ump-Anhänger mit der begrenzten Anzahl Krimineller im Kapitol für diese Eliten mindestens wünschenswert, wenn nicht sogar eingeplant und medial durchinszeniert.
Gibt es darauf Hinweise? Die Frage, wie eines der bestgesicherten Gebäude der Welt mal eben im Sturm „erobert“ werden kann, stellt sich schon. Die Süddeutsche Zeitung beschreibt den Polizeieinsatz an diesem Tag immerhin als „auffällig zahm“, „schlecht vorbereitet“ und „spät reagiert“ (9). Für die vor Ort zuständige United States Capitol Police (USCP) arbeiten mehr als 2.300 Polizisten und Zivilangestellte. Die Capitol Police ist für die Sicherung des US-Parlaments sowie den Schutz der 100 Senatoren und 435 Abgeordneten zuständig und verfügt über ein Jahresbudget von 375 Millionen Euro. Dieses war nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 stark erhöht worden, berichtet die SZ (10). Die dennoch erforderliche Verstärkung kam dann zu spät:
„Die Polizei des Kapitols hat die Hoheitsrechte über das Gebäude und das angrenzende Gebiet, sodass die Nationalgarde oder die Stadtpolizei nur eingesetzt werden können, wenn sie angefordert werden. Dazu kam es Medienberichten zufolge aber erst, als die Fans von Noch-Präsident Donald Trump ins Gebäude strömten. Dass viele Politiker (…) nach der Evakuierung im Pentagon anriefen, beschleunigte die Sache nicht.“
Es kursierte die These, das Pentagon habe gezögert, „damit keine Bilder von bewaffneten Soldaten in den heiligen Hallen der US-Demokratie zu sehen seien.“ Stattdessen machten nun „in den sozialen Medien (…) Videos die Runde, die Szenen der Verbrüderung zwischen USCP-Beamten und Randalierern zeigen“ (11).
CNN berichtet, dass der Sturm auf das Kapitol geplant gewesen sein muss und erwähnt die mögliche Beteiligung von „Insidern“:
„Die bisher aufgedeckten Beweise, einschließlich Waffen und Taktiken, die auf dem Überwachungsvideo gesehen wurden, legen ein Niveau in der Planung nahe, das Ermittler zu dem Glauben veranlasst hat, der Angriff auf das US-Kapitol war nicht nur ein Protest, der außer Kontrolle geraten ist, sagt ein staatlicher Strafverfolgungsbeamter. (…) Fragen schwirren umher um eine mögliche ‚Insider‘-Hilfe für den Angriff auf das Kapitol.“
Laut CNN gibt es Hinweise auf Verbindungen der Aufständischen in den Kongress: „Unter den Tausenden von Hinweisen, die das FBI erhalten hat, sind einige, welche Mitglieder des Kongresses mit Leuten zu zeigen scheinen, die später beim Sturm auf das Kapitol auftauchten, sagten zwei Strafverfolgungsbeamte.“ Dies bedeute nun nicht, dass gegen Mitglieder des Kongresses und deren Mitarbeiter ermittelt werde, aber das FBI überprüfe die Wahrhaftigkeit der Behauptungen, so die Beamten.
Deplatforming im großen Stil
Unklar ist also, wer alles den Sturm auf das Kapitol veranlasst hat und warum er in dieser Form überhaupt möglich war. Unbestritten ist, dass der Sturm auf das Kapitol eine massive Welle der Zensur zur Folge hatte.
Gleich am Tag nach den Ausschreitungen in Washington sperrten Facebook und Twitter den Account des noch amtierenden Präsidenten vorübergehend. Die Tagesschau gibt als Begründung auch das Video an, in welchem er seine Anhänger „zwar zum Rückzug aus dem US-Parlamentsgebäude aufrief“, denn „zugleich wiederholte er (...) seine unbelegten Behauptungen über angeblichen Wahlbetrug.“
Ohne auf diese Behauptungen näher einzugehen, legt die ARD nach und macht deutlich, dass die Zensur eigentlich schon zu spät kam:
„Während einige Beobachter das Durchgreifen der Internet-Plattformen begrüßten, warfen manche Experten den Unternehmen vor, im Umgang mit Trump und dessen Unterstützern jahrelang nur herumgedruckst zu haben. Die ganze Zeit hätten sie gefährliche Falschinformationen unters Volk bringen und zu Gewalt anstiften können, die zur jüngsten Eskalation beigetragen habe.“
Damit wird zu einem, in diesem Ausmaß neuen und hochbrisanten Thema, der Sperrung eines US-Präsidenten in den sozialen Medien, ein Meinungsspektrum abgesteckt: Jetzt erst zensieren und sperren, gilt gemäß der ARD folglich als die weniger strenge, als moderate Position, und sie wird uns als solche unbewusst verkauft.
Am 8. Januar sperrte Twitter den Account des noch amtierenden Präsidenten dauerhaft und begründet dies mit der „Gefahr weiterer Anstiftung zur Gewalt“. Am gleichen Tag hatte Trump getwittert:
„Die 75.000.000 großen amerikanischen Patrioten, die für mich, AMERICA FIRST und MAKE AMERICA GREAT AGAIN gestimmt haben, werden eine RIESENSTIMME haben, bis weit in die Zukunft hinein. Sie werden nicht respektlos oder unfair behandelt werden, in keiner Art, in keiner Weise oder Form!!!“ (12).
Kurze Zeit später twitterte der Präsident: „An alle, die gefragt haben, ich werde nicht zur Amtseinführung am 20. Januar gehen" (13).
Twitter begründet die dauerhafte Sperrung Trumps damit, dass „diese beiden Tweets im Kontext der größeren Ereignisse im Land gelesen werden müssten sowie der Art und Weise, mit der die Aussagen des Präsidenten von verschiedenen Zielgruppen eingesetzt werden könnten, auch um zu Gewalt anzustiften (...)“. Abschließend heißt es: „Nachdem wir die Sprache in diesen Tweets anhand unserer Richtlinie zur Gewaltverherrlichung bewertet haben, haben wir festgestellt, dass diese Tweets gegen die Richtlinie zur Gewaltverherrlichung verstoßen und der Benutzer @realDonaldTrump sofort dauerhaft vom Dienst ausgeschlossen werden sollte.“
Auch Facebook verlängerte die Sperrung des noch amtierenden Präsidenten auf unbestimmte Zeit. Am 7. Januar postete Mark Zuckerberg auf seiner eigenen Plattform:
„In den letzten Jahren haben wir Präsident Trump erlaubt, unsere Plattform im Einklang mit unseren eigenen Regeln zu nutzen (...). Aber der aktuelle Kontext ist jetzt grundlegend anders, was die Nutzung unserer Plattform, um einen gewaltsamen Aufstand gegen eine demokratisch gewählte Regierung anzustiften, mit sich bringt. Wir glauben, dass die Risiken, dem Präsidenten zu erlauben, unseren Dienst in dieser Zeit weiter zu nutzen, einfach zu groß sind. Daher verlängern wir die Sperre, die wir über seine Facebook- und Instagram-Konten verhängt haben, auf unbestimmte Zeit und für mindestens die nächsten zwei Wochen, bis der friedliche Machtwechsel vollzogen ist“ (14).
Ein spezifisches Zitat von Trump enthält der Post von Zuckerberg nicht.
Vorwurf des Wahlbetrugs: ein kurzer Medienvergleich
Zu Trumps Vorwürfen des Wahlbetrugs berichtet die Frankfurter Rundschau im November, Trumps Anwalt habe während einer Pressekonferenz in Washington die Betrugsvorwürfe im Rahmen der US-Wahl 2020 wiederholt. Der Anwalt Rudy Giuliani „legte bei der Pressekonferenz im Hauptquartier der Republikanern in Washington auch eidesstattliche Erklärungen von Zeugen vor, die von dem angeblichen Wahlbetrug während der US-Wahl 2020 berichten. Ein Teil dieser Vorwürfe ist bereits zurückgewiesen worden. Viele Beobachter der Pressekonferenz berichteten anschließend, dass die Anschuldigungen von Trumps Anwalt haltlos seien.“
Der Artikel ummantelt diese kurze Kernaussage mit unverhältnismäßig detailliert geschilderten Nebensächlichkeiten, welche die Aussage insgesamt ins Lächerliche ziehen, beispielsweise ein Schweißtropfen auf der Wange des Anwalts, welcher durch ein Haarfärbemittel farbig geworden war.
Die ARD berichtet Ende Dezember 2020 auf tagesschau.de unter dem Titel „Der große Schwindel vom Wahlbetrug“. Ein Schwerpunkt der „Desinformation bei der Wahl“ im November sei Pennsylvania gewesen: „Medien berichteten, der Bundesstaat sei zu einem Schlachtfeld für Falschbehauptungen geworden. Bereits am Wahltag begannen rechte Medien und prominente Konservative damit, unbelegte Behauptungen über angeblichen Wahlbetrug zu verbreiten.“
Der Artikel „US-Wahl: Trump bekräftigt Betrugsvorwürfe — Justizminister erlaubt Staatsanwälten Ermittlungen“ bei RT Deutsch behandelt das Thema deutlich nüchterner und neutraler. Im wichtigen Bundesstaat Pennsylvania griffen Trumps Anwälte die Stimmauszählung und das System der Briefwahl an: „Bei den Klagen in Pennsylvania geht es zum einen um Trumps Behauptung, dass den Republikanern die Möglichkeit verweigert worden sei, einen großen Teil der Stimmauszählung zu beobachten. Außerdem argumentieren die Republikaner, dass bei der Briefwahl einige Bezirke mit einem hohen Anteil von Demokraten die Regeln gebrochen hätten und das System insgesamt anfällig für Betrug sei.“
Auch die Epoch Times berichtet von Zeugen und eidesstattlichen Erklärungen zum Thema Wahlbetrug: Melissa Caron, eine freie IT-Mitarbeiterin von Dominion Voting Systems, und ein Wahlbeobachter in Detroit, Michigan, haben in eidesstattlichen Erklärungen bekannt gegeben, dass Wahlmaschinen mit dem Internet verbunden worden waren. Dies sei offiziell nicht erlaubt, und dadurch wären sie anfällig gewesen für Hackerangriffe. Melissa Caron berichtet zudem von Mitarbeitern, die einen Stapel von etwa 50 Poststimmzetteln zu einem Zeitpunkt erhalten hätten, an dem die Zählmaschinen sich häufig verklemmten:
„‚Ich war Zeuge, wie unzählige Arbeiter die gleichen Stapel erneut scannten, was dazu führte, dass die Stimmzettel vier- bis fünfmal ausgezählt wurden‘, sagte sie in ihrer eidesstattlichen Erklärung. Als sie diese Bedenken gegenüber einem Manager von Dominion zur Sprache brachte, sagte er ihr: ‚Melissa, ich will das nicht hören. Wir sind hier, um bei der IT zu helfen, wir sind nicht hier, um die Wahl durchzuführen.‘“
Die Zeitung Epoch Times beinhaltet in ihrer Entstehungsgeschichte eine Verbindung zu China. Sie wurde nach eigener Angabe im Jahr 2000 von Sino-Amerikanern gegründet, welche vor dem Kommunismus geflohen waren und unabhängige Medien mit unzensierten Informationen schaffen wollten.
In der Süddeutschen Zeitung verneint Hubert Wetzel einen möglichen Wahlbetrug in den USA und bringt zum Jahresende 2020 seine Hoffnung für die Zukunft recht optimistisch zum Ausdruck:
„Am 20. Januar wird (Joe Biden) als 46. Präsident der USA vereidigt werden. Dann erst hat das vierjährige Desaster, das die Präsidentschaft von Donald Trump war, ein Ende. Mit Biden werden Anstand, Integrität, Ehrlichkeit, (…) ins Weiße Haus zurückkehren“ (14).
Möge er damit recht behalten.
Ausblick: Gelassenheit in jede Debatte bringen
In den westlichen Mainstream-Medien werden Berichte über die Hinweise auf einen Wahlbetrug in den USA nicht diskutiert, oder nur, um gleichzeitig verbal sofort vom Tisch gewischt zu werden. Die ARD nimmt diese Behauptung von Trump zudem zum Anlass, seine Sperrung bei Twitter zu rechtfertigen.
Es fehlt uns als Gesellschaft meiner Meinung nach auch zu diesem Thema insgesamt die Gelassenheit, die Offenheit, und der Umgang damit, etwas nicht zu wissen.
Meine Empfehlung ist, das Narrativ in den westlichen Mainstream-Medien zumindest abzugleichen mit Berichten aus anderen Ländern, etwa den Spiegel oder die Süddeutsche Zeitung mit der Berichterstattung von RT Deutsch, und natürlich die unabhängigen Medien, oft auch alternative Medien genannt, hinzuzuziehen. Aus den daraus resultierenden unterschiedlichen Geschichten gilt es dann, sich ohne Eile ein eigenes Bild zu machen.
Als Schlussgedanke möchte ich eine Anregung teilen: Wie wäre es, wenn wir bei unserem nächsten ― physisch-realen oder auch virtuellen ― Stammtisch einmal ein Experiment wagen und für dieses eine Treffen gemeinsam Folgendes beschließen: Lasst uns einmal jeder über das sprechen, was er oder sie nicht weiß, welche Fragen wir uns stellen und worüber wir gerne besser Bescheid wüssten! Es wird spannend sein, zu sehen, welche Gesprächskultur daraus vielleicht für die Zukunft entsteht.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Chomsky, Noam: Media Control, Nomen Verlag, 9. Auflage, 2019, Seite 34.
(2) Zaschke, Christian: Ein wahres Gesicht, Süddeutsche Zeitung, 9./10. Januar 2021.
(3) Ganser, Daniele: Illegale Kriege, Orell Füssli Verlag, 9. Auflage, 2018, Seite 172.
(4) Ebenda, Seite 175.
(5) Ganser, Daniele: Imperium USA, Orell Füssli Verlag, 2020, Seite 277.
(6) Ebenda, Seite 263 folgende.
(7) Kistner, Kurt: Doch, das ist Amerika, Süddeutsche Zeitung, 9./10. Januar 2021.
(8) Zaschke, Christian: Ein wahres Gesicht, Süddeutsche Zeitung, 9./10. Januar 2021.
(9) Süddeutsche Zeitung, 9./10. Januar 2021, Titelzeile.
(10) Cassidy, Alan und Kolb, Matthias: Auffällig zahm, Süddeutsche Zeitung, 9./10. Januar 2021.
(11) Ebenda.
(12) Im Original: „The 75,000,000 great American Patriots who voted for me, AMERICA FIRST, and MAKE AMERICA GREAT AGAIN, will have a GIANT VOICE long into the future. They will not be disrespected or treated unfairly in any way, shape or form!!!”
(13) Im Original: „To all of those who have asked, I will not be going to the Inauguration on January 20th.”
(14) Facebook-Chronik von Mark Zuckerberg, Post vom 7. Januar um 16:47, abgerufen am 18. Januar 2021.
(15) Wetzel, Hubert: Hoffnung für Amerika, Süddeutsche Zeitung, 31. Dezember 2020.