An Haltestellen, Bahnhöfen und in der Straßenbahn – Nachrichten lauern überall, wo wir bei unserer täglichen Hetzerei einmal kurz zur Ruhe kommen könnten. Sobald wir es schaffen, das Smartphone aus der Hand zu legen und aufsehen, lauert irgendwo ein Fernseher, der uns mit Kurzmeldungen bombardiert.
Mainstream-Medien hetzen gegen „alternative“ Medien. Fake News „gehen viral“. An allen Ecken und Enden wird gezankt und gestritten. Jeder buhlt um unsere Gunst und wir sind überfordert.
Vorwürfe statt Lösungen
Einige Menschen durchschauen die Scheinheiligkeit der Mainstream-Medien inzwischen und versuchen, in unabhängigeren Medien einen Ausgleich zu finden. So auch ich. Doch dieser Ausgleich hilft mir oft nicht weiter.
Denn ich bin dann zwar umfassender informiert, aber auch aufgewühlt. Nicht wegen der Enthüllungen sämtlicher Art, sondern eher wegen des vorwurfsvollen und abwertenden Tons, den diese Artikel und Videos zum Teil haben.
Ich fühle mich angegriffen, wenn vermeintlich besser Informierte mir Ihre Informationen so übermitteln, dass zwischen den Zeilen ein Vorwurf mitschwingt. Wie zum Beispiel in dem Lied „Ich sehe was, was du nicht siehst“ von Lisa Fitz.
Dabei gehöre ich zu den „wachen“ Menschen der Bevölkerung. Ich bin mir durchaus bewusst, dass in dieser Welt Machenschaften ablaufen, von denen ich nicht die geringste Ahnung habe (oder haben will), die ungerecht, grausam, zerstörerisch und böse sind. Am schwierigsten zu ertragen ist dabei die Tatsache, dass ich nicht weiß, was ich dagegen unternehmen könnte und tatenlos herumsitze. Woher vielleicht die Schuldgefühle rühren.
Ich erhalte zwar eine neue Sichtweise auf bestimmte Sachverhalte, aber mir wird keine Handlungsmöglichkeit aufgezeigt, die mir diese Informationen bieten sollen.
Und jetzt?
Ich machte mich auf die Suche nach einer Lösung, um mit all den Nachrichten zurechtzukommen. Ich fand sie eher zufällig über den Umweg einer Psychotherapie: Sie heißt Eigenverantwortung.
Anstatt über den schlimmen Zustand der Welt zu lamentieren und mich selbst damit fertigzumachen, habe ich beschlossen, mich auf die Dinge zu konzentrieren, auf die ich Einfluss nehmen kann. Statt weiter den Sinn des Lebens zu suchen, habe ich also beschlossen, ihn meinem Leben selbst zu geben.
Ich verleugne dabei nicht, was Schlimmes geschieht, aber ich konzentriere mich auch nicht wie ein Masochist darauf. Stattdessen versuche ich das Bild zu ergänzen, denn es ist nicht alles Kacke.
Warum fällt es vielen so schwer, mehr Aufmerksamkeit den Dingen zu widmen, die ihnen Freude bereiten?
Ich habe das Gefühl, dass viele mit Unzufriedenheit und Frust vertrauter sind, so dass Lebensfreude sich für sie fremd und irgendwie falsch anfühlt. Vielleicht sind es auch unsere unbewussten Glaubenssätze und Prägungen aus der Vergangenheit, die tief in unserem Inneren ständig zu flüstern scheinen: Die Welt ist so schlimm, da darfst du nicht glücklich sein, wenn du ein guter Mensch sein willst.
Doch unglückliche Menschen machen die Welt auch nicht besser. Also beschloss ich, mich nicht mehr von den Miesmachern runterziehen zu lassen. Dafür brauchte ich viel Willenskraft und Achtsamkeit. Es ist eine Sache der Übung, so wie jede neue Gewohnheit.
Es ist, was es ist
Zunächst habe ich gelernt, die Welt erst einmal so anzunehmen, wie sie ist. Sie besteht aus Gegensätzen, ob uns das jetzt gefällt oder nicht.
Warum die „dummen Schranzen“, wie Lisa Fitz sie in ihrem Lied besingt, nichts unternehmen? Ja weil es ihnen nicht so schlecht geht, dass es sich für sie lohnen würde.
Die Machtleute von heute sind so raffiniert, die Massen – die sehr wohl etwas unternehmen könnten – „wohlhabend“ genug sein zu lassen, sie zu „unterhalten“ und von ihren Machenschaften abzulenken, indem sie sie mithilfe der Mainstream-Medien spalten anstatt zu versöhnen und zu vermitteln.
Wenn es den Leuten schlecht genug ginge, würden sie sich vielleicht auflehnen, so wie einst in der DDR oder in der französischen Revolution. Aber vielleicht haben sie auch gemerkt, dass sich am Ende gar nicht so viel ändert. So viel Blutvergießen und Gewalt und doch bleiben die gleichen Muster bestehen: Die wenigen Reichen machen, was sie wollen, während die vielen Armen verhungern, verzweifeln und sich ausgeliefert fühlen.
Einst hatten der Adel und der König das Geld und die Macht, heute sind es die Banken und Großunternehmen, die schlau genug sind, sich hinter den Politikern zu verstecken.
Ich sage mir, sollen sie doch. Glücklich wirken diese Leute auf mich auch nicht. Ich beneide sie nicht und ich bin nicht wütend auf sie. Ich bin fassungslos und bedrückt, aber nicht wütend.
Eine Frage der Ausrichtung
Wenn ich Nachrichten, Enthüllungen und Hiobsbotschaften wahrnehme, lasse ich sie links liegen und versuche, meine wertvolle Gedankenenergie so wenig wie möglich mit Frust über Menschen und Sachen, die ich nicht ändern kann, zuzumüllen.
Stattdessen lenke ich meine Macht zum Beispiel in Form von Kaufkraft in Richtungen, die ich unterstützenswert finde, wobei mir die „alternativen“, unabhängigen Medien wieder sehr helfen, wenn sie aufdecken, was Mainstream-Medien uns verschweigen.
Die unabhängigen Medien zeigen mir auch, dass immer mehr Menschen aufwachen und nicht bereit sind, wie dumme Maschinen behandelt zu werden, sondern sich nach Lösungen umsehen und nicht länger wahllos manipulieren lassen.
Ich glaube an Wachstum. Ich sehe in der Menschheitsgeschichte Wachstum und finde unsere Welt hat sich im Vergleich zur Vergangenheit insgesamt gebessert: Gleichberechtigung der Frauen, Reisefreiheit, Wohlstand, Sicherheit – ich spreche hier von Europa, meiner Heimat.
Reibung erzeugt Wärme
Wir wachsen alle nach und nach zusammen. Da kommt es zu Reibereien und Konflikten, die wiederum zu Wachstum führen werden.
Der Philosoph Wilhelm Schmid schreibt in seinem Buch Unglücklichsein – Eine Ermutigung: „Ein großer Teil dessen, was in der Geschichte der Menschheit an Bewundernswertem zustande gebracht worden ist, ging nicht aus Zufriedenheit hervor. Die Zufriedenheit als Lebensziel wird heillos überschätzt. Unzufriedenheit ist der Ansporn zu neuen Taten, das ist dem Menschsein eigen.“
Ich kann Unzufriedenheit also nutzen, muss aber nicht Schwarzmalen. Ich kann anerkennen, was wir schon erreicht haben, ohne die Welt zu idealisieren. Es wird immer Sachen geben, die uns als unzumutbar erscheinen und somit zum Wachstum und Handeln anspornen werden – wobei Handeln für die einen „Kämpfen“ und „Gewalt“, für die anderen „Informieren und Aufklären“ und für wieder andere „Spiritualität“ und „Philosophie“ bedeuten kann.
Wir müssen bei uns selbst anfangen
Die Lösung liegt also darin, nicht länger schwarz oder weiß zu sehen. Das Leben spielt in Farbe und so wechselt auch oft meine Weltsicht ein wenig, während eines konstant bleibt: Mein Durst nach Bereicherung und Wachstum im geistigen und lebenskünstlerischen Sinne.
Die Grundvoraussetzung für einen gesunden Umgang mit der Nachrichtenflut ist also die Bereitschaft, sich erst einmal mit sich selbst und der eigenen Verantwortung auseinanderzusetzen, anstatt blind über alles und jeden zu meckern, der die Welt anders sieht als wir.
Unsere Gefühlswelt spielt dabei eine wichtige Rolle. Denn all die Wut und der Frust, von dem wir glauben, sie werden durch irgendwelche bösen Unternehmen, Politiker, Banken, Neonazis oder Flüchtlinge verursacht, kommen in Wirklichkeit von einem unerfüllten Bedürfnis in uns selbst.
Seitdem ich lernte, meine Bedürfnisse zu erkennen und sie selbst zu erfüllen, gehe ich verständnisvoller und offener durch die Welt. Ich vertraue meinem Bauchgefühl, das sich meldet, wenn etwas wichtig ist, das mir sagt, wenn etwas faul ist oder mich bei wichtigen Lebensentscheidungen einfach handeln lässt.
Unser Gehirn
Ein Hindernis liegt dabei in unserem Gehirn, wie Gerald Hüther im Gespräch mit Veit Lindau erklärt:
„Das große Anliegen des Hirns besteht darin, möglichst viel Energie zu sparen. Das wissen die Wenigsten. Schon einen Gedanken daran zu haben, dass wir uns verändern könnten, da fangen die Nervenzellen kräftig an zu feuern, dann geht der Energieverbrauch in die Höhe. Und dann macht man das, was man meistens macht, dass man in die alten Muster zurückfällt und dann hat man wieder Ruhe.“
Damit unser Gehirn neue Denkgewohnheiten zulässt, brauchen wir laut Hüther eine Vision:
„Eine Vision davon, was man eigentlich mit seinem Leben machen will. Wofür man hier unterwegs ist. Warum man hier jeden Tag aufsteht und irgendwas tut. Und wenn man so eine Vision hat, dann ist es relativ leicht, sich an dieser Vision zu orientieren und dann wäre man unter Umständen auch bereit, das eine oder andere Ungemach, wo dann das Hirn ruft ‚Hallo, das will ich nicht‘ trotzdem in Kauf zu nehmen und das dann umzusetzen. Dann sieht man, das geht.“
Wenn wir daran glauben, dass eine bessere Welt möglich ist, dass wir selbst dazu beitragen können, indem wir in unserem Inneren anfangen aufzuräumen und lernen, bewusst mit den auf uns einströmenden Nachrichten umzugehen, statt uns von ihnen manipulieren zu lassen, dann könnte dies die Vision sein, die unser Gehirn für die Veränderung braucht.
Die Tatsache, so zum Weltfrieden beizutragen, gibt uns das Gefühl von Sinn, das wiederum Lebensfreude und Energie mit sich bringt.
Die ersten konkreten Schritte
Wir können damit beginnen, auf unsere Gedanken zu achten.
Wir können aufhören, Recht haben zu wollen und stattdessen zuhören und beobachten, ohne zu werten.
Wir können kritisch hinterfragen, uns bei verschiedenen Quellen informieren und gleichzeitig darauf achten, ausgeglichene Informationen zu konsumieren, also auch die freudvollen, motivierenden Meldungen zu lesen.
Wir können aufschreiben, was für eine Welt wir uns wünschen und uns fragen, was wir selbst tun können, um so zu leben.
Wir können darüber nachdenken, was unsere Werte sind und wie wir sie in unserem Leben respektieren können.
Das kostet Zeit und Mühe, aber es lohnt sich. Denn das ewige unterschwellige schlechte Gewissen und die Zumüllung mit manipulierten Hiobsbotschaften verbrauchen weitaus mehr Kraft und Lebensenergie.