Markttransparenz ist doch was Herrliches. Für den Konsumenten. Eben deshalb ersinnen Versicherungs-, Handy- und Energieanbieter ja auch so viele überhaupt nicht transparente Tarife, die kein Mensch versteht. Beim Produkt Buch lässt sich solche Verwirrung nicht stiften, wegen der weiterhin bestehenden Buchpreisbindung, und so ist die Transparenz groß - sowie prima, für sparsame Leser. Allerdings eine mittlere Katastrophe für Handel und Autoren (sofern sie eben keine Mega-Bestseller schreiben, sondern „nur“ von ein paar Zehntausend Menschen gelesen werden).
Exemplarisch: Der komfortable Buch- und TV-Einkäufer maxrebuy bietet dem verkaufswilligen Buchbesitzer z. B. 1,07 € für ein gelesenes Exemplar des Hardcovers von „Hier Titel Einsetzen“. Das ist gut - für alle. Es schafft Platz im Regal des Lesers, ohne dass der sich auf einen verregneten Flohmarkt stellen muss, dazu kriegt der Gute dann auch noch einen trockenen Euro auf die Hand, und maxrebuy bietet das Hardcover dann bei amazon für 2,50 & 3 € Versand an, bei tatsächlichen eigenen Versandkosten von 1,20 €, kommt also unterm Strich ebenfalls auf seine Erlöse pro Transaktion - und der neue Lesewillige hat für 5,50 € ein gutes oder sehr gutes Exemplar (statt dafür die normalen 19,95 € zu bezahlen). Fein. Win-win-win-Situation.
Draußen bleiben hierbei selbstredend Buchhändler, Verlage und Autoren, denn die verdienen an dem Tausch ja nicht mehr mit. Haben sie ja auch schon. Beim ersten Mal. Nur funktionierte das ganze Geschäftsmodell der Genannten eigentlich fundamental anders, nämlich nach Großvaters Regeln. Denen aus der Zeit vor dem Web 2.0. Regeln, die schlicht besagen: Wer dieses tolle Buch einigermaßen frisch lesen möchte, der bezahlt dafür 19,95 €, denn nur so können Verlag,
Buchhändler und Autor von der Herstellung des Werkes leben. Was eben auch zwingend bedeutet: Nach Gebrauch verbleibt das Buch im Käuferschrank oder wandert in den Müll. Oder nach 3 Jahren in die Flohmarktkiste. Wer das Produkt unter dem von Urheber und Verwerter festgesetztem Preis kaufen will, muss also drei Jahre warten und hoffen, dass er zufällig den richtigen Flohmarkt findet, sprich: wer das Buch interessant findet und lesen möchte, muss es binnen der ersten 2 Jahre nach Erscheinen zum regulären Preis kaufen. Eben: für 19,95 €. Nach 2-3 Jahren haben dann Urheber und Verwerter hoffentlich ihre Miete aus diesen 19.95-Verkäufen verdient - und können die Preise senken, indem sie Taschenbücher drucken, die den Flohmarktanbietern angemessen Konkurrenz machen.
Das funktionierte. Leidlich. Aber unter den qua Web 2.0 radikal veränderten Marktbedingungen ist sogar dieses billige Jammern obsolet, denn – siehe oben. Und bei einem „normalen“ Buch, also einem, das sich vom Start weg in einer Zahl von 3.000-5.000 Exemplaren in den Markt bewegt, besteht nicht die geringste Kundensorge (resp. Autorenhoffnung), dass das Angebot an „wie neu“-Gebrauchten beizeiten kleiner werden könnte als die Nachfrage, denn es reicht zur Marktsättigung vollständig aus, wenn zirka 100 der ursprünglich ausgelieferten 3.-5.tausend Exemplare „drehen“, also zu beständig niedriger werdenden Preisen wieder und wieder weiterverkauft werden.
(Und, nein, es gibt keine wenigstens Rettungsringe werfende „Gema“, die erfasst, wie viele Leser mitlesen und dann Buchfunkgebühren an die Urheber verteilt. Und, nein, die Kopierabgabe der VG Wort kann das auch nicht erfassen, es wird ja nichts kopiert...)
Exemplarisch zu Ende betrachtet: Von „Hier Titel Einsetzen“ sind obendrein schätzungsweise 250 Lese-Exemplare gedruckt und gratis verteilt worden, außerdem ein paar hundert Rezensionsexemplare für die Redaktionen des Landes, die ebenfalls an maxrebuy weiterverkauft werden. In der Regel: ungelesen. Wie neu. Das sollte also locker reichen, um bis zirka 2050 weitere Einnahmen für Verlag, Buchhändler und Autor wirksam zu unterbinden.
Wie, ich soll aufhören zu jammern und mir einen anständigen Beruf suchen? Ja. Okay. Hab ich doch schon gemacht, Mensch, wie alle Autoren, die Miete zahlen müssen, Familien haben und ihre Marmeln noch beisammen. Wir machen das jetzt nur noch in unserer Freizeit, schreiben, und der Leser wird´s nicht mal merken, denn dem bleiben ja die anderen Autoren, die kinderlosen, die nicht rechnen können oder Millionenerben sind oder selbst noch bei ihren Eltern wohnen.
Sowie Martin Walser.