von Paul Street
Lassen Sie uns, wenn sich die globale Gesundheits- und Wirtschaftskrise des Jahres 2020 nun dem internationalen Tag der Arbeit am 1. Mai nähert, 23 Weisen betrachten, auf die es eine Krise des und durch das Kapital und seines klassenherrschaftlichen Profitsystems ist:
1. Der Tropfen der das Fass zum Überlaufen brachte.
Der Kapitalismus der Vereinigten Staaten war bereits auf der Kippe zu einer großen Rezession, bevor COVID-19 zuschlug. Alle klassischen Zeichen waren zu sehen: absurd aufgeblähte Kurs-Gewinn-Verhältnisse (ein absurd aufgeblähter Aktienmarkt), massiv verschuldetete Unternehmen, gigantische Konsumenten- und Studentenschulden, enorme ökonomische Ungleichheiten (so extrem, dass das oberste Zehntel des obersten 1 Prozent in den USA wohlhabender ist als die unteren 90 Prozent der Nation), Dutzende Millionen Menschen, die nur einen unzureichenden Gehaltscheck davon entfernt sind, die basalen Ausgaben des täglichen Lebens nicht mehr aufbringen zu können, und andere. Wenn das Virus das Fass nicht zum Überlaufen gebracht hätte, hätte irgendetwas anderes es getan, wenn auch mit weniger verheerenden Auswirkungen als eine epochale Pandemie.
2. Krankhafte Wachstumssucht.
Dank seines rücksichtslosen Drangs, die Profitrate durch quantitative Expansion und Akkumulation hochzuhalten („Wachstum“), wühlt der zeitgenössische Düsen-, Internet- und Satellitenzeitalterkapitalismus „zoonotische“ agroindustrielle Krankheitserreger auf und verbreitet sie in einem historischen Lidschlag über den gesamten Planeten.
3. Angemessene öffentliche Gesundheitsfürsorge generiert keine Gewinne.
Angesichts der tödliche Krankheitserreger aufwühlenden und verbreitenden Natur des globalen Kapitalismus‘ im 21. Jahrhundert haben Experten für öffentliche Gesundheit und Epidemiologen seit Jahren vor dem Auftreten der nächsten planetaren Pandemie gewarnt und die Notwendigkeit der Vorbereitung angemahnt. Ein kritisches Problem hierbei ist die ungeeignete Zeitskala des Kapitalismus‘: Kurzfristiger Profit lässt sich aus dem Vorhalten freier Krankenhausbetten, persönlicher Schutzausrüstung, von Atemschutzgeräten, Beatmungsgeräten und Medikamenten nicht schlagen. Der amerikanische profitorientierte medizinisch-industrielle Komplex hat seit Jahrzehnten Betten, Raum und medizinische Leistungen im neoliberalen Namen der „Rationalisierung“ eingespart. Er war beklagenswert unvorbereitet auf die angekündigte Krise. Keine Überraschung: Kapitalismus ist auf kurzfristige Profite orientiert, nicht auf langfristige Planung für das Allgemeinwohl.
4. Lohnsklaverei und verzichtbare Menschen.
Der Kapitalismus schmeißt Millionen raus, wenn eine Weiterbeschäftigung nicht mehr profitabel ist. Ein großer Anteil der Bevölkerung wird vom Kapitalismus als entbehrlich betrachtet, sobald die Gewinne einbrechen. Gleichzeitig zeigt das Kapital sein Verständnis von der Verzichtbarkeit der Angehörigen der Arbeiterklasse, wenn die Gewinne durch die Entfernung zu vieler Menschen von den Arbeitsplätzen und den Konsumzonen (Einkaufscenter, Restaurants, Cafés, Sportarenen, Theater, Hotels, Flughäfen und so weiter), um eine Pandemie zu bewältigen, indem es auf eine verfrühte „Wiederöffnung der Wirtschaft“ drängt.
In beiden Fällen ist die Coronaviruskalkulation des Kapitalismus‘ folgende: Wie sollte richtigerweise die Zahl oder der Prozentsatz der Bevölkerung, der verstirbt oder ernsthafte Atemwegsbeeinträchtigung erfährt, sein, damit die Profite weitersprudeln?
Zu viele Tote sind ein Problem für den Kapitalismus, zu wenige allerdings auch!
Wir sollten uns nicht täuschen: Eine schnelle Öffnung wird massenhaft amerikanische Arbeiter töten. So schreibt Mike Davis bei Labor Notes:
„Millionen Menschen ohne Schutz oder vorherige Tests zurück an die Arbeit zu schicken, wäre ein Todesurteil für Tausende. Vierunddreißig Millionen Arbeiter sind älter als 55; 10 Millionen von ihnen über 65. Millionen weitere leiden an Diabetes, chronischen Atemwegserkrankungen und so weiter. Direkt von Zuhause über die Arbeit, die Intensivstation ins Leichenschauhaus… Millionen unserer ‚essentiellen Arbeitskräfte‘ gehen wegen der Knappheit an Schutzausrüstungen inakzeptable Risiken ein. Es wird im besten Fall noch Wochen dauern, ehe es ein adäquates Angebot für medizinische Kräfte gibt. Arbeiter in Warenhäusern, Märkten und Fast-Food-Läden haben keine Garantie, jemals Masken zu erhalten, wenn nicht der Gesetzgeber es erzwingt. Wenn dies ein Krieg ist, dann ist Trumps Weigerung, die bestehenden Gesetze zu nutzen, um die Herstellung von Masken und Beatmungsgeräten zu föderalisieren, ein Kriegsverbrechen.“
5. Unfähigkeit zu pausieren ohne ein massives Rettungsprogramm für die schon Reichen.
Kapitalismus ist derart abhängig von profitsteigernder Akkumulation, dass er sein krebsartiges und Umwelt zerstörendes Festhalten am „Wachstum“ nicht im Namen der öffentlichen Gesundheit aufgeben kann, ohne gigantische steuerfinanzierte Rettungspakete für die gigantischen Konzerne und Finanzinstitute seiner reichen Investorenklasse zu fordern — während der arbeitenden Unter- und Mittelschichtmehrheit ein Almosen gewährt wird.
6. Versagen bei den angemessenen Allokation von gemeinnütziger Arbeit.
Richard Wolff, einer der wenigen marxistischen Ökonomen, die dankenswerterweise so schreiben, dass sie von Nichtspezialisten und Menschen aus der Arbeiterklasse gelesen werden können, überlegt:
„Überwältigende 20 Millionen US-Angestellte haben in dem Monat vor dem 15. April ihren Job verloren und Arbeitslosengeld beantragt. Das ist absurd. Wir, das Volk, die Öffentlichkeit, werden nun einen Teil jener Löhne und Gehälter übernehmen, die ihre Arbeitgeber nicht mehr zahlen. Die Arbeitslosen (…) wären weit besser dran, wenn sie alle sozial nützliche Jobs sowie einen Großteil ihrer vorigen Gehaltschecks bekämen. Die Regierung könnte ein solcher Arbeitgeber als letzter Ausweg sein: Wenn private Kapitalisten entweder nicht einstellen können oder wollen, weil es für sie nicht profitabel wäre, es zu tun (…) Aber Kapitalisten sind fast immer gegen Jobs im öffentlichen Sektor. Sie fürchten den Wettbewerb für private Kapitalisten, den eine Beschäftigung beim Staat nach sich ziehen könnte. (…) Die Gesellschaft verliert, wenn die Öffentlichkeit die Löhne und Gehälter der Arbeiter zahlt, aber im Gegenzug keine Produktion von öffentlichen Gütern und Dienstleistungen erhält. (…) Ein kürzlich im Kongress verabschiedetes Gesetz (CARES) beabsichtigt, den zusammengebrochenen US-Kapitalismus dadurch anzuregen, großen Fluglinien gute 25 Milliarden US-Dollar zu geben, um für die nächsten sechs Monate den Großteil der Löhne und Gehälter der rund 700.000 Airline-Angestellten zu zahlen. Das ist kapitalistische Absurdität zum Quadrat. Die meisten Angestellten werden ihren Gehaltscheck nehmen, aber nicht für die Fluglinie arbeiten, weil es für zu viele in den nächsten sechs Monaten zu riskant bleiben wird zu fliegen. Man könnte denken, dass man Fluglinienangestellte gebrauchen könnte, um für ihren Gehaltscheck von der Regierung irgendeine Art öffentlicher Dienstleistung zu erbringen. Sie könnten sichere Arbeitsplätze zur Produktion der zur Zeit benötigten Tests, Masken, Beatmungsgeräte, Handschuhe und so weiter vorbereiten. Man könnte sie ausbilden, Tests durchzuführen, Arbeitsplätze, Läden und Sportarenen zu reinigen und zu desinfizieren, die Benutzung von Eins-zu-Eins Social-Media-Lehrgängen zu lehren und so weiter. Aber nein, in kapitalistischen Ländern wollen (mit nur wenigen Ausnahmen) private Kapitalisten nicht, dass Arbeitslose im Gegenzug für ihre Bezahlung Jobs im öffentlichen Sektor zu leisten haben, und folglich verabschieden Regierungen auch keine Gesetze, die dies vorschreiben. Die Gesellschaft verliert, aber die Kapitalisten sind beschwichtigt.“
7. Austerität.
In seinem unerbittlichen Bestreben, den allgemeinen Mindestlohn und die Kaufkraft der arbeitenden Klasse zu drücken, übt das Kapital regelmäßig Abwärtsdruck auf das staatliche Netz sozialer Absicherung aus. Das erhöht den Grad der Gefährdung der Massen Schaden zu nehmen, wenn Massenentlassungen und andere Desaster (zum Beispiel Hurrikans, Dürren, Flächenbrände und Pandemien) geschehen.
8. Beschäftigungsabhängige Krankenversicherung (USA).
In den erzkapitalistischen Vereinigten Staaten ist die Macht der Bourgeoisie so extrem, dass sie die menschlich elementare Einführung einer universellen nationalen Krankenversicherung verhindern konnte. Hunderte Millionen Amerikaner sind absurderweise über ihre Anstellung krankenversichert — eine wahrhaft idiotische Verknüpfung, die bedeutet, dass viele Arbeitskräfte in den USA nicht nur ihre Jobs, sondern auch die gesundheitliche Versorgung ihrer Familien aufs Spiel setzen, wenn sie irgendetwas tun oder sagen, was ihre Chefs nicht mögen. Wenn Arbeiter ihre Anstellung verlieren, werden sie oft auch aus den Versichertenlisten entfernt — kein geringes Problem inmitten einer Krise der öffentlichen Gesundheit!
9. Anarchischer Marktwettbewerb, Preismanipulation und die Pandemie als medizinische Gewinnchance.
Der Kapitalismus bringt die US-Staaten, -Countys und die lokalen Regierungen mitten in einer epochalen Pandemie in die perverse Situation, gegeneinander um knappe medizinische Versorgung zu bieten. Der gigantische medizinische Bedarf und die öffentliche Verzweiflung, die durch die kapitalogene Coronakrise erzeugt wird, stellen eine Gelegenheit für medizinische Konzerne und Unternehmen, einige davon glaubwürdiger und legitimierter als andere, dar, Gewinne zu machen. (Der lächerliche und bösartige US-Präsident selbst besitzt Anteile an einem Unternehmen, dessen Malariamedikament er absurderweise entgegen den Warnungen von Beamten des öffentlichen Gesundheitswesens und die medizinische Wissenschaft als wirksam gegen COVID-19 empfiehlt.) Gleichzeitig kassieren die regierenden, mafiösen, profitorientierten Krankenversicherungsgesellschaften und -konsortien durch den Aufschub von Operationen und anderen medizinischen Leistungen während der COVID-19-Krise ordentlich ab.
10. Fiskalische Staats- respektive Staatenkrise.
Der Kapitalismus knüpft die steuerfinanzierten sozialdemokratischen und für die öffentliche Gesundheit verfügbaren Kapazitäten an die Funktionalität der in Privateigentum befindlichen, profitorientierten Wirtschaft. Wenn die Wirtschaft zusammenbricht, tun es auch die öffentlichen Einnahmen und damit auch die Fähigkeit der Regierung, die Menschen gegen Armut, Umweltverschmutzung, Seuchen und andere Plagen des Profitsystems zu schützen. (Die Regierungen der Bundesstaaten, denen der korrupte, faschistische Oligarch und Mehrheitsführer im US-Senat Mitch McConnell empfiehlt, Konkurs anzumelden, werden ohne massive föderale Unterstützung insolvent werden.)
11. Monopolisierung.
Wie in jeder größeren kapitalistischen Rezession und Depression löscht auch die COVID-19-Kernschmelze einen großen Anteil mittlerer und kleiner Unternehmen aus und hilft großen Firmen, ihre kleineren Konkurrenten zu schlucken und zu verdrängen. Mit der Anordnung, zuhause zu bleiben, ist COVID-19 ein Segen für den absurd unterbesteuerten Internethandelhegemon Amazon. Laut CNN „erwarten Analysten, dass das Unternehmen eine mehr als 20-prozentige Steigerung seines Absatzes vermelden wird — auf satte 73 Milliarden US-Dollar“ bis Ende April. CNBC berichtet:
„Unter der Anordnung, zuhause zu bleiben, haben sich Millionen Amerikaner Onlinemarktplätzen wie Amazon zugewendet, um dringend benötigte Güter wie Toilettenpapier, Lebensmittel, Handdesinfektionsmittel und Erkältungsmedikamente zu bestellen. Statt auf benachbarte Supermärkte greifen die Konsumenten auf Onlinelebensmittellieferservices wie Amazon Fresh zurück, was bei dem unerwarteten Anstieg der Nachfrage eine Kaskade von Lieferverzögerungen und Nicht-mehr-vorrätig-Meldungen nach sich zog. Amazon hat seit März mehr als 100.000 neue Lagerarbeiter und Zusteller eingestellt, um mit der Auftragsflut klarzukommen, und plant um weitere 75.000 Arbeitskräfte aufzustocken. (…) Die beispiellose Nachfrage hat die Amazonaktien in luftige Höhen steigen lassen. Die Aktie erreichte am 16. April ein Allzeithoch und verzeichnet für das Jahr einen Anstieg von mehr als 28 Prozent, im Kontrast zum 11-prozentigen Verlust des S&P-500-Index‘. Die Investoren sind in den letzten Monaten zu Amazon und anderen Stay-at-home-Aktien wie Netflix und Zoom geströmt, da die Konsumenten im Lockdown abhängig von ihnen geworden sind. (…) Die Aussichten sind für Amazon strahlender denn je. Aber sein Aufstieg vollzieht sich vor dem besorgniserregenden Hintergrund finanzieller Turbulenzen im Einzelhandel und der Wirtschaft allgemein. Nach wie vor geöffnete Ladengeschäfte sehen sich mit einem schwindenden Fußgängerverkehr konfrontiert, während bei anderen Einzelhändlern überall in den USA die Läden geschlossen bleiben und tausende Angestellte beurlaubt wurden. Kleinere oder nicht-essentielle Geschäfte haben ebenfalls ihre Türen geschlossen und hoffen, lang genug liquide zu bleiben, um wiedereröffnen zu können.“
12. Komplexe globale Lieferketten.
Bei seiner langen Suche nach billiger Arbeit und laxen Sozial- und Umweltstandards haben US-amerikanisches und globales Kapital riesige und komplexe und konkurrierende firmenspezifische globale Lieferketten erschaffen, die durch die COVID-19-Krise schwer beeinträchtigt worden sind. Für viele Firmen, die nicht die Mittel von Amazon oder Wal-Mart haben, ist der Schaden wahrscheinlich irreparabel.
13. Eine Weltwirtschaft, viele Staaten.
Das System des Weltkapitalismus‘ wird durch eine einzige Weltwirtschaft und eine Vielzahl von Nationalstaaten bestimmt. Eine globale Pandemie bringt diese Nationen in einen Wettbewerb eines jeden gegen jeden um knappe medizinische Ressourcen. Der Menschheit fehlt in beklagenswerter Weise eine einzelne mächtige Autorität, um eine einheitliche menschliche Antwort auf eine globale Krise angemessen zu koordinieren. Die ungleiche Anarchie zwischen den Nationalstaaten ergänzt und verstärkt die ungleiche Anarchie auf den kapitalistischen Marktplätzen.
14. Ausgelagerte medizinische Produktion.
Bei seiner Suche nach billigen Arbeitskräften und laxen Regeln haben das US- und das westliche Kapital einen großen Teil ihrer pharmazeutischen Produktion nach China verlagert und so den Westen in eine gefährliche Abhängigkeit von seinem großen östlichen Rivalen (oder „Freundfeind“) gebracht, wenn es um für die Bekämpfung von COVID-19 benötigte Medikamente, einschließlich vielleicht eines Impfstoffs (wenn so etwas möglich ist), geht.
15. Kontrolle der Gedanken und Informationen.
Angesichts der Tatsache, dass 90 Prozent oder mehr der US-Presse und ihrer elektronischen Medien im Eigentum von nur sechs Unternehmen sind und das Internet unter der Kontrolle einiger weniger Tech-Giganten steht, kann das Großkapital ernsthafte und ehrliche Investigation und Berichterstattung darüber, wie es die Krise verursacht hat und wie es davon profitiert, marginalisieren.
Die in diesem Essay vorgestellte Analyse (die in gesundem historischem Menschenverstand und Allgemeinwissen wurzelt) ist aus den sogenannten Mainstreammedien weitestgehend verbannt, ganz ähnlich wie ernsthafte Überlegungen zu den Verbrechen des amerikanischen Imperiums.
16. Gesellschaftlicher Massenkonsum.
Da das Kapital seit Langem einen großen Teil seiner Produktion in andere Länder verlegt hat, um Zugang zu billigerer Arbeit und eine geschmeidigere Regulation zu bekommen (um einen höheren Mehrwert aus dem planetaren „Netz des Lebens“, das auch menschliche Arbeit umfasst, zu ziehen), bildet der konsumptive Bereich 70 Prozent der US-Wirtschaft. Das Virus hat den gesellschaftlichen Massenkonsum in Restaurants, Theatern, Hotels, Stadien und Einkaufszentren zunichte gemacht und dabei die Profite und folglich die Beschäftigung in einem großen Teil der US-Wirtschaft reduziert.
Wegen der starken Abhängigkeit des amerikanischen Kapitalismus‘ von gesellschaftlichem Massenkonsum für die Realisierung von Mehrwert (für die Gewinne), drängen einige Kapitalisten, die in den gesellschaftlichen Konsum investiert haben (dies schließt den pathologischen Immobilienbaron Donald Trump ein), die Gouverneure und Bürgermeister zu einer verantwortungslos übereilten „Wiederöffnung Amerikas“ — also Millionen von Amerikanern an unsichere Arbeitsplätze, in Einkaufszentren, Theater, Restaurants und Ähnliches, zurückzuschicken.
17. Teile und herrsche, vielfältige Unterdrückung.
Kapitalismus als die Herrschaft der besitzenden bürgerlichen Klassen über den Rest der Menschheit bedarf der Spaltungen nach Rasse und Ethnie (und anderen klassenunabhängigen Unterscheidungen) innerhalb der Mehrheit, die die arbeitende Klasse bildet, um Volksrebellion und Revolution zu verhindern. Diejenigen, die durch einander „überschneidende“ rassische, ethnische, sexuelle, nationale, religiöse und andere klassenunabhängige Unterdrückungsstrukturen sowie durch die zugrundeliegende Klassenhierarchie in vielfältiger Weise unterdrückt sind, sind besonders anfällig für wirtschaftliche Not und Krankheiten.
Pandemien und Arbeitslosigkeit konzentrieren sich mit besonderer Intensität und Härte unter mehrfach unterdrückten und überausgebeuteten Menschen — wie in den Schwarzenghettos der USA, ihren überproportional von Schwarzen und Latinos bevölkerten Gefängnissen und ihren Gefangenenlagern für mexikanische und zentralamerikanische Migranten.
18. Kern und Peripherie.
Das System des Weltkapitalismus‘, das durch die Pax Americana der USA seit 1945 betrieben wurde, teilt den Planeten auf in eine Minderheit reicher „Kernstaaten“ (die USA plus Westeuropa und die ehrenwerte weiße Nation Japans) und einer großen Mehrheit relativ verarmter „halbperipherer“ und „peripherer“ Staaten. Die der Peripherie zugewiesene und vom Kern strukturierte Rolle besteht darin, billige Rohstoffe und Arbeitskräfte an den dominanten Kern zu liefern, als Mülldeponie für den Giftmüll und die minderwertigen Produkte des Kerns zu dienen sowie als Trainingsgebiet für das Militär des Kerns und als ein Ort zum Testen, Entsorgen und Detonieren von Waffen und Aufträgen zu fungieren, die von dem überwiegend in den USA ansässigen militärisch-industriellen Komplex des Kerns hergestellt wurden.
Die ökonomischen, ökologischen und epidemischen Krisen des Kapitalismus werden typischerweise unter größtem Schmerz und mit höchster Intensität in der riesigen nicht-weißen Peripherie (früher als Dritte Welt bekannt) erlitten, in der gigantische Megastädte riesige Elendsviertel beherbergen, die Brutstätten für Epidemien sind. Enorme Konzentrationen von Menschen, die verzweifelt versuchen, ökologischer und der damit verbundenen ökonomischen und politischen Not und Gewalt in ihren peripheren Heimatländern zu entkommen, sind in erbärmlichen Migrantenlagern der Kernstaaten, die ebenfalls Brutstätten für Krankheiten sind, eingesperrt.
Gleichzeitig macht die militärische Supermacht des Kerns, das kapitalistische amerikanische Imperium, nicht hinreichend gehorsame Staaten und Regionen — zum Beispiel den Irak, Serbien, den Iran, Venezuela und den Jemen — zum Ziel verheerender Attacken und Sanktionen, die deren Verletzlichkeit durch Pandemien erhöhen. (Die Vereinigten Staaten und ihr Satellitenstaat Saudi Arabien haben in den letzten Jahren Hungersnöte verbreitet und mit Bomben, Drohnen, Raketen und Artillerie Cholera, diese Krankheit des 19. Jahrhunderts, wiederbelebt — nur ein besonders entsetzliches Beispiel). Wir sollten damit rechnen, dass COVID-19 und die globale Depression, die es auslöst, bevor es seinen Höhepunkt erreicht, am meisten Tod und Elend in „den Entwicklungsländern“ verursachen wird.
19. Gewehre gehen vor Medikamente und Behandlung: Das profitorientierte Pentagonsystem.
Angesichts seiner ausbeuterischen und imperialistischen Natur und des Machtungleichgewichts zwischen seinen konstituierenden Regionen und Staaten hat der Kapitalismus vor langer Zeit einen gigantischen steuerfinanzierten militärisch-industriellen Komplex hervorgebracht, der seinerseits ein gigantisches kapitalistisches Subventionsprogramm für Hochtechnologiekonzerne ist.
Das Konzern-Pentagon-System verschlingt mehr als die Hälfte aller verfügbaren Bundesausgaben und saugt Geld und Fähigkeiten von der Befriedigung menschlicher und gesellschaftlicher Bedürfnisse ab, hin zur Fertigung und Instandhaltung eines gigantischen staatlichen Kriegsapparats.
20. Komorbiditäten.
Auf vielfältige Weise produziert der Kapitalismus ein weites Feld persönlicher und öffentlicher Gesundheitsprobleme — Herzerkrankungen, Übergewicht, Bluthochdruck, Depression, Angststörungen, Diabetes, Krebs, Überbevölkerung, Hunger, Mangelernährung, schlechte Hygiene und so weiter —, so dass diese als „Komorbiditäten“ Millionen Menschen hochempfänglich für Infektionen macht und gefährdet, einen durch Grippen, Lungenentzündungen und Pandemien wie COVID-19 verursachten Tod zu erleiden.
21. Masseneinsperrung.
Je mehr das Kapital das Netz der sozialen Sicherung zerstört, das „die linke (soziale und demokratische) Hand des Staates“ (Pierre Bourdieu) bot, desto mehr verlässt es sich auf die repressive „rechte Hand des Staates“ der Polizei- und Masseneinsperrungsbefürworter, um seine arbeitenden und unteren Klassen zu kontrollieren. Das enorme, weltweit seinesgleichen suchende Archipel von Gefängnissen, Geheimgefängnissen und Migrantenlagern des neoliberalen, imperialistischen US-Kapitalismus‘ ist eine riesige, multiterritoriale Petrischale für die Verbreitung von COVID-19 unter den unverhältnismäßig vielen Millionen dunkelhäutiger Menschen hinter Gittern (die großteils weißen US-Gefängniswärter sind ebenfalls einem erhöhten Risiko ausgesetzt).
22. Trump‘sche Massendummheit.
Kapitalismus hat den Drang, einen großen, wenn nicht den größten Teil seiner Bevölkerung in ahnungslose, übergewichtige und eindimensionale Arbeitskräfte und Konsumenten zu verwandeln, frei von elementarer sozialer, historischer und natürlicher Intelligenz. Er attackiert und untergräbt unerbittlich kritisches Denken und ernsthafte öffentliche Bildung, wodurch er eine solche Massenignoranz und -dummheit erzeugt, dass Millionen sich in wissenschaftsfeindliche Schwachsinnige verwandeln.
Da ein großer Teil der korporativ geführten Wählerschaft intellektuell nutzlos geworden ist, unfähig (und oft stolz darauf) basale materielle und soziale Prozesse wie den Treibhauseffekt und pandemische Ansteckung zu verstehen, ist es schwierig, eine echte auf öffentliche Gesundheit gerichtete Politik beizubehalten und sich fantastischen Ideen wie der (von keinem geringeren Schwachkopf als dem gegenwärtigen Präsidenten propagierten), dass die globale Erwärmung und COVID-19 „Chinesische Schwindel“ seien — oder dass man COVID-19 durch die Injektion von Desinfektionsmitteln oder die Einnahme eines ungetesteten Medikaments behandeln könne —, entgegenzustemmen.
23. Die kapitalistische Ungleichheit bringt wissenschaftsfeindliche, faschistische Irre an die Macht.
Die drastischen ökonomischen Ungleichheiten, die der inneren Logik des Kapitalismus‘ eingeschrieben sind, bringen einen die Pandemie verbreitenden wissenschaftsfeindlichen Irren, diesen wahnsinnigen, faschistischen Oligarchen namens Donald Trump, an die Spitze der mächtigsten Nation der Welt. In seinem nützlichen Buch „How Fascism Works“ (Anm. d. Übers.: „Wie Faschimus funktioniert“) bemerkt der Philosophieprofessor Jason Stanley aus Yale, dass eine der wichtigsten Wurzeln des gegenwärtigen rechtsnationalistischen Autoritarismus‘ die harte sozioökonomische Disparität sei:
„Seit Platon und Aristoteles über das Thema geschrieben haben war politischen Theoretikern stets bewusst, dass Demokratie nicht auf einem Boden gedeihen kann, der von Ungleichheit vergiftet ist (…) die Ressentiments, die solche Spaltungen nähren, sind verführerische Ziele für Demagogen (…) Dramatische Ungleichheit stellt eine tödliche Gefahr für die gemeinsame Wirklichkeit dar, die eine gesunde liberale Demokratie voraussetzt (…) (eine derartige) Ungleichheit nährt Wahnideen, die die Realität verbergen, und untergraben die Möglichkeit gemeinsamer Aushandlungsprozesse, um die Spaltungen der Gesellschaft zu überwinden (S. 76-77ff., Hervorhebung hinzugefügt)… Unter den Bedingungen einer ausgeprägten ökonomischen Ungleichheit, wenn die Erträge einer liberalen Erziehung und der Kontakt mit verschiedenen Kulturen und Normen nur den wenigen Reichen zur Verfügung stehen, lässt sich liberale Toleranz ohne Weiteres als elitäres Privileg darstellen. Ausgeprägte ökonomische Ungleichheit schafft Bedingungen, die faschistischer Demagogie höchst zuträglich sind. Es ist eine Fantasterei zu glauben, dass liberale demokratische Normen unter solchen Bedingungen gedeihen.“ (S. 185, Hervorhebung hinzugefügt).
Die politische Kultur pseudodemokratischer Doppelzüngigkeit und Unaufrichtigkeit, die die moderne kapitalistische Ungleichheit und Plutokratie hervorbringen, schafft Platz für faschistoide Politiker, die „ehrlich zu sein scheinen“ und „Authentizität signalisieren“, indem sie „für Teilung und Konflikt ohne Ausflüchte“ einstehen.
Solch ein Kandidat, schreibt Stanley, „mag sich öffentlich auf die Seite der Christen oder Muslime und Atheisten schlagen, oder der gebürtigen (weißen) Amerikaner gegen Einwanderer, oder der Weißen gegen die Schwarzen (…) sie mögen offen und frech lügen (…) (und) Authentizität signalisieren, indem sie offen und ausdrücklich ablehnen, was als sakrosankte politische Werte gilt (…) Solche Politiker“, argumentiert Stanley, erscheinen vielen abgestumpften Wählern wie „ein Hauch frischer Luft in einer politischen Kultur, die von echter und eingebildeter Heuchelei beherrscht ist.“ Man nimmt „die offene Ablehnung demokratischer Werte“ durch faschistische Politiker „als politischen Mut, ein Zeichen von Authentizität.“
Das ist kein unerheblicher Teil der Erklärung, wie übelwollende ultrarechte Politiker — viele von ihnen entschlossene Feinde der Wissenschaft im Dienste des Gemeinwohls (zum Beispiel der übelwollende rechte Narzisst und Instinktfaschist Trump und Brasiliens unglaublich verabscheuungswürdiger und ökozidaler Rassist Jair Bolsonaro) — zuhause und im Ausland an die Macht gekommen sind. Die Öffnung wird von pseudo-progressiven, kapitalistischen Neo-„Liberalen“ (in den USA) und neoliberalen Sozialdemokraten und falschen „Sozialisten“ (in Europa und andernorts) angeboten, deren Ansprüche im Namen der populären Mehrheit und Demokratie zu sprechen wiederholt durch ihr zugrundeliegendes Bekenntnis zu dominierenden kapitalistischen sozialen Hierarchien diskreditiert wurde. Die idiotischen, faschistischen Oberarschlöcher Trump und Bolsonaro, die beide durch ihr Handeln dazu beigetragen haben, die Anzahl der COVID-19-Toten in ihren eigenen Nationen und folglich in der Welt zu erhöhen, sind auf diese und andere Weisen die Resultate des Kapitalismus‘.
Ein Drecksloch von einer kapitalistischen Supermacht
Trump hat die berüchtigte Phrase vom „Drecksloch von einem Land“ geprägt, als Beleidigung zutiefst verarmter afrikanischer Nationen und Haitis. Er könnte einen Blick auf sein Heimatland werfen wollen, das er zu vergiften half und in dem COVID-19, das jetzt in den „roten“ (ländlichen, weißen und republikanischen) Regionen aufsteigt, wo sein faschistisches Trumpenvolk Wahlen abhält. Die Vereinigten Staaten mit kaum mehr als 4 Prozent der Weltbevölkerung beherbergen beinahe ein Drittel der weltweiten COVID-19-Fälle. Einige europäische Staaten haben eine höhere Pro-Kopf-Corona-Todesrate, aber die Drecksloch-Supermacht hat die Chance vertan, aus ihren Erfahrungen zu lernen. Unter dem Kommando seines boshaften Stallgenies hat die Drecksloch-US-Bundesregierung keinen ernstzunehmenden Plan für Massentests und Tracing. Krankenhäuser mühen sich ab, um sich hinter den Kulissen persönliche Schutzausrüstung von dubiosen privaten Maklern zu sichern.
Das kommt nicht völlig überraschend. Dank ihres extremen Kapitalismus‘ und ihrer drastisch ungleichen Klassenunterdrückung, haben die USA in puncto sozialer und öffentlicher Gesundheit unter den reichen Länder durchgängig an unteren Ende der Skala rangiert. Ungleichheit vergiftet Gesellschaften auf zahlreichen Ebenen. Der mit Abstand am meisten vergiftete OECD-Staat waren lange die USA, die zu brutal kapitalistisch sind, um Menschen und andere Lebewesen auch nur entfernt angemessen zu schützen.
Wir dürfen nicht „zur Normalität zurückkehren“ — zum Umwelt zerstörenden, drastisch ungleichen, unterdrückenden, autoritären und pathogenen Kapitalismus — nach COVID-19 (wann auch immer das Virus schließlich ausgespielt haben wird). Die „Normalität“, nach der sich viele natürlich und verständlicherweise sehnen, brachte uns in die gegenwärtige Krise und verspricht uns in der Zukunft in immer schlimmere Katastrophen zu führen. Wie Istvan Meszaros vor 19 Jahren schrieb:
„Jetzt heißt es Sozialismus oder Barbarei — wenn wir Glück haben“.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien unter dem Titel „Coronavirus Capitalism and 'Exceptional' America“ zuerst auf counterpunch.org. Er wurde von Thorsten Schewe übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.