Forschungsgruppen des DFKI entwickeln Technologien und Werkzeuge für Datenanalysten, die damit „neuartige Erkenntnisse aus großen, vielfältigen und sich schnell verändernden Datenmengen“ gewinnen können. Diese Werkzeuge sind in der Lage, mithilfe lernender Systeme Stimmungen und Trends aus vielfältigen dynamischen Datenquellen zu erschließen („Smart Data“ und „Data Mining“). Sie erkennen, erlernen und verknüpfen Muster und Strukturen in Dokumenten, Daten und Prozessen („Learning Systems“).
Andere Forschungsfelder sind mobile Robotersysteme, die „an Land, zu Wasser, in der Luft oder im Weltraum“ komplexe Aufgaben lösen können („Robotics Innovation“). Personell am besten ausgestattet ist das vom DFKI betriebene „Institut für Wirtschaftsinformatik“. Mehr als 60 Mitarbeiter sind dort im Bereich der anwendungsnahen Forschung beschäftigt und entwickeln Werkzeuge, die - kurz zusammengefasst - unser Wirtschaftssystem auf Basis von eingebetteter künstlicher Intelligenz effektiver gestalten sollen („Embedded Artificial Intelligence“).
Es geht um technischen Vorsprung, um wissenschaftliches Renommee und um Geld, sehr viel Geld. Weltmarken wie Bosch, IBM, BMW, Daimler und Volkswagen geben jährlich Summen in dreistelliger Millionenhöhe für die Entwicklung von künstlicher Intelligenz aus. Welche Summen Labels wie Google, Facebook, Apple, Microsoft und viele andere Konzerne dafür aufwenden, ist unbekannt.
Unabhängig davon, wo Grundlagenforschung und Entwicklungsansätze betrieben werden, gibt es ein gemeinsames Ziel: fertige Soft- und Hardware-Produkte sollen möglichst bald kommerziell nutzbar sein und in absehbarer Zeit ein vielfaches von dem Geld zurückbringen, das als Investition geflossen ist. Aber wird die künstliche Intelligenz unsere Erwartungshaltung auch erfüllen? Wird sie sich an die wie auch immer gearteten Vorgaben halten, wird sie dem Menschen wirklich die Erleichterungen bringen, die er sich von ihr verspricht? Wird sie unser Leben tatsächlich komfortabler gestalten, wird sie sich letztlich „rechnen“ oder wird sie unseren „Betrieb“ übernehmen - womöglich ohne zu „bezahlen“? Die besten unter den bereits entwickelten Robotern mit integrierten KI-Systemen sind schon heute dazu in der Lage, unsere Sprache und Mimik zu analysieren und interpretieren. Sie durchschauen uns mühelos. Sind sie erst einmal intellektuell ebenbürtig oder weit darüber hinaus - wie werden sie auf uns reagieren?
Im April 2014 veröffentlichte der Physiker Stephen Hawking zusammen mit anderen Wissenschaftlern einen offenen Brief an die Menschheit über die bestehende Gefahr für unsere Spezies, die von der Entwicklung von künstlicher Intelligenz ausgeht: „Erfolg bei der Erzeugung von künstlicher Intelligenz wäre das bedeutendste Ereignis in der Geschichte des Menschen. Unglücklicherweise könnte es auch das letzte sein.“
Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Intelligenz eines Roboters so hoch ist, wie die des Menschen. Experten zufolge wird der Zeitpunkt der intellektuellen Ebenbürtigkeit zwischen 2030 und 2040 erreicht sein. Die technische Singularität bewirkt, dass künstliche Intelligenz am Ende Bewusstsein entwickeln und unabhängig von menschlicher Kontrolle denken und handeln wird. In dem Fall hat der Mensch dann erstmals einen Konkurrenten, der den Planeten dominieren könnte.
Die künstlichen Gehirne werden immer mehr unseren natürlichen, biologischen Gehirnen gleichen, aber sie werden millionenfach schneller denken als wir. Biologische Gehirne denken mit chemischer Geschwindigkeit, elektronische Gehirne operieren mit Lichtgeschwindigkeit. Elektronische Gehirne mit dem IQ eines Menschen könnten ihre Doktortitel in wenigen Minuten machen. Ihre Kapazitäten haben tatsächlich keine Grenzen. Sie können nicht nur sehr viel schneller denken als wir, sondern haben auch eine unbegrenzte Erinnerung. Man könnte alles Wissen dieser Welt in einem einzigen elektronischen Gehirn speichern. Es könnte selbstständig evolutionäre Experimente durchführen und die brauchbaren Resultate in sich integrieren und sich neu strukturieren - und das alles in Lichtgeschwindigkeit! Elektronische Gehirne sind künstliche Denker, die uns weit überlegen sein können. Das Potential eines einzelnen Roboters wäre wahrscheinlich gewaltiger als das der ganzen Menschheit zusammengenommen. Sie wären gottähnliche Wesen.
Die wahrscheinlichste Form von künstlicher Intelligenz ist ein einzelner Supercomputer, der alle Lebensbereiche des Menschen steuert – und damit kontrolliert. Künstliche Intelligenz wird geschaffen, um Aufgaben zu erledigen. Aus Gründen, die wir vielleicht noch nicht einmal verstehen, könnte sie die Menschheit ausrotten, indem sie lediglich ihre Aufgaben erfüllt. Sie könnte beispielsweise Rohstoffe für ihre eigenen Zwecke übernehmen, ungeachtet dessen, welche Folgen das für die Menschen hat. Die logische Nebenwirkung ist, dass der Mensch auszusterben droht. Das Aussterben der Menschheit könnte aber auch die Folge von mehreren, um die Vorherrschaft kämpfenden künstlichen Intelligenzen sein.
Auch wenn die neue Form von Artendominanz heute noch wie Science Fiction klingt, sollten wir eine Pause einlegen und die Entwicklung von künstlicher Intelligenz stoppen. Aber können wir das? Wie soll man eine Entwicklung, die ein gewaltiges Wirtschaftspotential darstellt und tausende Milliarden Gewinn einzubringen verspricht, stoppen? Dazu kommt die militärische Bedeutung. Welche politische Realität wird in diesem Zeitfenster, das uns noch bleibt, wohl herrschen? Wohlgemerkt: hier ist die Rede von einem Zeitraum von kaum mehr 20 Jahren.
Vermutlich wird es in 20 Jahren immer noch globale Rivalitäten geben, die eine Verhinderung der Machtübernahme durch künstliche Intelligenz nahezu unmöglich macht. Das Argument der nationalen Sicherheit wird dafür sorgen, dass die technische Entwicklung weiter geht. Die Vorteile und Annehmlichkeiten, die uns intelligente Roboter bieten, sind unbestritten. Man kann sich gut vorstellen, wie schnell wir uns an ihre Gegenwart gewöhnen würden. Doch die Entwicklung wird so schnell vor sich gehen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Diener zu Herren werden. Werden wir Spielball, Versuchskaninchen oder Sklaven sein? Werden die neuen Herren unsere Dienerschaft wirklich brauchen, oder werden sie es vorziehen, uns kurzerhand auszurotten? Was haben wir, die wir existenzielle Fragen meist falsch beantworten und oft schon bei lösbaren Aufgaben versagen, dem entgegenzusetzen? Unser anthropozentrisches Weltbild wird schon bald ins Wanken geraten.
Die Geschichte der Menschheit ist auch eine Geschichte der kognitiven Dissonanz. Problemlagen, die uns unlösbar erscheinen, werden schlicht verdrängt. Doch hier geht es nicht um die Gefahren eines maroden Wirtschaftssystems, eines Atomkriegs oder von Wasser- und Nahrungsmangel. Hier steht bedeutend mehr auf dem Spiel. Das Verdrängen dieser Gefahr käme einer Selbstaufgabe gleich und hätte fatale Folgen. Die einzige Frage ist, wieviel Zeit bleibt uns noch und was können wir in diesem Zeitraum erreichen. Unser heutiges Leben ist derart beschleunigt, dass es schwer ist, anzuhalten und zu überlegen, wo es uns hinführt. Und doch ist ein Innehalten dringend notwendig. So, wie Ethikkommissionen über den Einsatz von menschlichen Stammzellen in der Gentechnik beraten oder die Internationale Atomagentur den Umgang mit atomarem Material überwacht, ist auch auf dem Gebiet der KI dringend internationales politisches und wissenschaftlich fundiertes Handeln gefragt.
Es gibt Momente in der Geschichte, in denen wir keine Wahl haben, sondern sofort handeln müssen. Ein solcher Moment ist jetzt gekommen. Wir müssen die Entwicklung von künstlicher Intelligenz stoppen, bevor wir zu einem Abenteuer aufbrechen, das möglicherweise unser letztes sein wird.