Doch all das hat unsere derzeitige Regierung nicht davon abgehalten, erneut einen (Teil-)Ausverkauf öffentlicher Einrichtungen auf Bundesebene in die Wege zu leiten, d.h. die trickreich vorbereitete und verklausuliert umschriebene Teilprivatisierung der Autobahnen und Schulen. Nach augenblicklichem Stand ist davon auszugehen, dass diesem sehr weit reichenden Deal sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene zugestimmt wird.
Einen echten Widerstand leisten nur noch die (dafür sogar gescholtenen) Linken, während den SPD-Genossen von der eigenen Parteiführung erfolgreich Sand in die Augen gestreut worden ist ("Mit uns wird es keine Privatisierungen geben!") und viele Grüne (mit Ausnahme der "Hofreiter-Fraktion") anscheinend keine Probleme damit haben, den zur baldigen Abstimmung anstehenden faulen Kompromiss mit zu tragen.
Was ist eigentlich so faul an diesem Kompromiss, der den Ländern im Falle einer Zustimmung immerhin eine deutliche Erhöhung ihrer Einnahmen und gleichzeitig eine Aufweichung des gerade im Bildungsbereich als besonders hinderlich empfundenen Kooperationsverbotes bringen soll? Ganz einfach: Der für diese verlockenden Perspektiven zu zahlende Preis besteht nicht nur in unnötig hohen (Bau-)Kosten, sondern vor allem in einem massiven Verlust parlamentarischer Kontrollrechte, was gleichbedeutend mit einer Abschaffung zentraler demokratischer Grundrechte ist.
Und genau darüber werden wir im Unklaren gelassen. Damit die gravierenden Folgen nicht so auffallen, geht es bei der für den 1. Juni 2017 geplanten 2. und 3. Lesung vordergründig um die Reform der Bund-Länder-Finanzen, wodurch die faktische Verscherbelung von Autobahnen und Schulen zu einem Teilaspekt geworden ist.
Bei den Autobahnen kommt noch folgender Kniff hinzu: Zur Beruhigung der vielleicht noch zweifelnden Abgeordneten wird die Beteiligung privaten Kapitals an der Bundesfernstraßengesellschaft ausgeschlossen. Dafür soll eine "ÖPP-freie" Infrastrukturgesellschaft aus der Taufe gehoben werden. Das heißt aber nicht, dass die ÖPPs in ihrer Funktion als Einfallstor für Privatisierungen jetzt vom Tisch wären, da die Möglichkeit zur Durchführung einzelner ÖPP-Projekte erhalten bleibt. Die in diesem Zusammenhang vorgesehene Projektgrenze beträgt 100 Kilometer, was in Anbetracht der Tatsache, dass in diesen Dimensionen ohnehin nicht auf einen Schlag gebaut wird, keine wirkliche Beschränkung darstellt.
Besonders bedrohlich ist die beabsichtigte Konstruktion der Infrastrukturgesellschaft als GmbH, da Kontrollrechte im Privatrecht selbst dann ausgehebelt sind, wenn der Bund Gesellschafter bleibt. Mit anderen Worten bedeutet eine parlamentarische Zustimmung zur geplanten Reform eine Selbstentmachtung des Parlaments oder - andersherum - die den Investoren zugestandene Möglichkeit, unter Ausschluss der Öffentlichkeit entscheiden, handeln und Geld vermehren zu können.
Schließlich: Die jetzt noch vorgesehenen Beschränkungen sollen allenfalls gesetzlich (also nicht grundgesetzlich) verankert werden, sodass sie von jeder neuen Koalition mit einfacher Mehrheit flugs aufgehoben werden können.
In dieser Art soll es auch den Schulen an den Kragen gehen, was - vielleicht bezeichnenderweise - in den Medien noch seltener zur Sprache gebracht worden ist als der "Autobahn-Coup". Mit dem privat zur Verfügung gestellten Geld sollen Schulgebäude gebaut und saniert werden, was allerdings viel harmloser klingt als es ist.
Angesichts der bereits bestehenden ÖPP-Schulen dürfte es - ungeachtet der auch hier schon eingetretenen Desillusionierung - den privaten "Bildungsinvestoren" besonders leicht fallen, ihre auf Gewinnmaximierung fokussierten Interessen durchzusetzen. Da ÖPPs immer auf Geheimverträgen (inklusive geheimer Schiedsgerichte) beruhen, bedeutet der Abschluss eines solchen Vertrages, dass fortan der formale Schuleigentümer genauso wenig wie der formale Autobahneigentümer zu sagen hat.
In dem vor einigen Tagen beim Nachrichtenmagazin "Hintergrund" zu diesem Thema veröffentlichten Beitrag von Ulrike von Wiesenau heißt es wörtlich:
"Die Schule gehört zwar formell weiter dem Staat, aber das Hausrecht über die Schulräume läge künftig bei den Investoren. Sie bestimmen dann auch darüber, wie die Schulen nach dem Unterricht, am Wochenende oder in den Ferien genutzt werden. Selbst die Lehrer-Parkplätze könnten künftig bewirtschaftet werden. Auch die Schulausrüstung, die technische Ausstattung, das Schulessen oder die Reinigung wird von ihnen festgelegt werden. Die Instandhaltung und Reparatur folgt ihren Maßgaben. Wenn Schulen zum Anlageobjekt werden, ist damit zu rechnen, dass sie auf Finanzmärkten gehandelt werden. Betreiberfirmen wie Hochtief oder Bilfinger verkauften bereits zahlreiche deutsche Schul-ÖPPs an Investmentfonds."
Darüber hinaus weist von Wiesenau (meines Erachtens sehr zu Recht) darauf hin, dass auf lange Sicht auch die Qualität der Bildung von der Privatisierung betroffen sein wird. In gewisser Weise würde es sich dabei um eine logische Fortsetzung dessen handeln, was zu Beginn dieses Jahrtausends mit der Etablierung eines "outputorientierten" Bildungsverständnisses eingeleitet worden ist.
Aber selbst ohne diesen weiterführenden Schritt ins bildungspolitische Elend hätten alle dem Entwurf zustimmenden Abgeordneten (insbesondere die der sich angeblich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlenden Parteien) mehr als einen Grund, sich lebenslang zu schämen. Ihre Zustimmung zur Reform der Bund-Länder-Finanzen, die schnellstmöglich (ablesbar an der schon für den 2. Juni 2017 angesetzten Befassung durch den Bundesrat) durchgepeitscht werden soll, würde bedeuten, dass sie sich um den Preis eines (nach "staatlicher Korrumpierung" riechenden) Linsengerichts auf ein Verschachern unserer Zukunftsperspektiven eingelassen hätten.
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Jens Wernicke: "Offene und verdeckte Privatisierung im Bildungssystem"