Vom 17. bis zum 19. Juni 2019 fand in der Universität Niš, Niš/Südserbien, das 2. Internationale Symposium zum Thema Uran 238 — Konsequenzen der Bombardierung von Jugoslawien mit abgereichertem Uran im Jahr 1999 statt. Veranstalter waren das Anwaltsbüro Srdjan Aleksić, Niš, der Verein für den Schutz kritischer Infrastruktur, Belgrad, sowie die Orthodoxe Akademie für Wissenschaft, Kunst, Handwerk und Innovation von Serbien.
Der Krieg gegen Jugoslawien ist 20 Jahre vorbei. Inzwischen hat sich die NATO an den Grenzen Serbiens eingerichtet, siegesgewiss, und inzwischen steht die deutsche Regierung dem Aufbau einer zweiten UCK wieder beratend und finanziell zur Seite. Warum der Blick in die Vergangenheit?
Weil die stets steigende Krebsrate in Serbien und im Kosovo horrende Ausmaße annimmt und die NATO-Staaten noch genauso kriegslüstern agieren wie zuvor.
Die NATO öffnete 1999 ihr Waffenarsenal über Jugoslawien, um der Welt zu zeigen, wie „gut“ ihre Kriegsmaschine läuft. Später „durften“ auch der Irak und Afghanistan den „Segen“ radioaktiver und chemisch-toxischer Uranmunition erfahren.
Schon 2001 wies der Spiegeljournalist Siegesmund von Ilsemann darauf hin, dass amerikanische Forscher das Risiko von abgereichertem Uran, depleted uranium, DU, durch den vom Boden aufgewirbelten Staub kannten. Oberstleutnant Ziehmn vom US-Atomwaffenzentrum Los Alamos warnte 1991 in einem Brief:
„Es gab und es gibt weiterhin Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen von abgereichertem Uran auf die Umwelt. Daher besteht die Gefahr, dass DU-Munition politisch als nicht mehr hinnehmbar erscheinen könnte.“
Nicht gerne wird zugegeben, welche den 1999-Krieg lange überdauernden Kriegsschäden die Kriegsallianz hinterlassen hat. Das Thema Uranmunition blieb tabu, die Bevölkerung Serbiens und des Kosovo schwieg lange, musste jedoch die massiv und schnell auftretenden Fälle von bösartigen Tumoren und Leukämien in den Familien realisieren. Sich heute darüber hinwegzutäuschen ist nicht mehr möglich.
Während die NATO und ihre Think Tanks noch immer versuchen, die Problematik unter den Tisch zu kehren, begann ein serbischer Rechtsanwalt aus dem Süden Serbiens, Srdjan Aleksić aus Niš, mit dem Aufbau einer Bewegung, deren Ziel darin besteht, finanzielle Entschädigung für die Opfer zu erhalten. Er vertritt erkrankte Kläger aus Vranje und Niš oder deren Familien. Wie schon 2018 organisierte er 2019 ein internationales Symposium in der Universität Niš. Legale, politische, ökonomische und ökologische Aspekte, Gesundheit und Sicherheit waren die Themen der Experten.
Die Situation des südlich von Niš gelegenen Berggebietes um Vranje machte besonders von sich reden. Auf einem Hügel bei dem Dorf Plackovica bombardierte die NATO einen Sendemast. Die Arbeiter, die zur Wiederherstellung des Mastes beordert waren, starben alle nach wenigen Jahren an Krebs. Plackovica ist heute ein Geisterdorf. Die heutige Bequereldosis übersteigt die Schwelle der Unbedenklichkeit bei weitem. Eine Bürgerinitiative unter Führung von Gradimir Jovanovic hat sich in Vranje gebildet.
Mirjana Andjelkovic Lukic aus Belgrad trug zur speziellen chemischen Kriegsführung vor. Man habe Explosionsvorrichtungen mit verschiedenen Zusätzen verwendet, um ihre Energie zu erhöhen. Daraus seien extrem giftige Gase entstanden, die zusammen mit den bombardierten Objekten Effekte eines speziellen chemischen Krieges hatten. Für die elektrischen Leitungen sei ein neuer, nicht flüchtiger Stoff verwendet worden, genannt „weiche Bomben“ aus elektroleitenden Fasern. Diese seien ein Produkt aus der Nanotechnologie.
Rechtliche, menschenrechtliche und rechtsethische Aspekte, vorgetragen von griechischen Referenten Janis Rahiotis und Nikolos Progulis, bezeugten die dringende Notwendigkeit einer international getragenen juristischen Aufarbeitung des Krieges von 1999.
Die Völkerrechtswidrigkeit dieses Angriffskrieges stand ja außer Zweifel und die Umdeutungen zu einer „Humanitären Intervention” erweisen sich auch 20 Jahre später als unhaltbare Konstruktion, bedenkt man die zahllosen Opfer unter der Zivilbevölkerung. Ist es humanitär, die Bevölkerung eines kleinen Landes buchstäblich zu vergiften?
Mehr als 300 Teilnehmer, — auswärtige Gäste und Vortragende — aus Griechenland, Norwegen, Italien, Deutschland, Schweiz, Russland, Bulgarien, Nordmazedonien, Bosnien mit Republik Srpska und Malta bezeugten das hohe Interesse, das zumindest in der Zivilgesellschaft dieser Länder vorhanden ist. Serbien hat eine weltweit grosse Diaspora, deren Mitglieder ebenfalls betroffen sind.
Das Ziel dieser engagierten Tagung war es, mehr öffentliches Bewusstsein über den Zusammenhang zwischen den steigenden Krebsraten und den von der NATO angewendeten Waffen zu erzeugen. Die WHO hat schon lange eindeutig Stellung bezogen: DU ist ein Alpha-Strahler, ein gen-toxischer Stoff. Wenn sich dieser innerhalb des Körpers befindet, zum Beispiel durch inhalierten Staub, ist er krebserzeugend. DU zählt die Internationale Agency for research on cancer der WHO zur Gruppe 1 der krebserzeugenden Substanzen.
Der in Serbien und Kosovo auftretende Krebs ist äußerst aggressiv, und der Mensch erkrankt schon etwa 5 Jahre nach der Exposition. Wollte man diesen Krebs behandeln, bräuchte es exakte chemisch-radiologische und medizinische Analysen, um die angepasste Behandlung festzulegen. Die arme Bevölkerung auf dem Balkan kann das Geld für solche Behandlungen und Abklärungen nicht aufbringen. Wer ist also dafür zuständig? Falls überhaupt geholfen werden kann, muss den Betroffenen zuerst einmal eine angemessene Entschädigung bezahlt werden. Weiter braucht es eine tiefe und umfassende Dekontaminierung der bombardierten Gebiete — sodass wenigstens die Bauern ihre Tiere wieder auf die Wiesen lassen können. Das Wasser muss kontinuierlich auf Uran und weitere schädliche Substanzen untersucht werden.
Angesichts der Äußerungen von Parlamentariern zum zwanzigsten Jahrestag des Krieges, die die damalige Entscheidung, Jugoslawien zu bombardieren, immer noch verteidigen, muss ein Blick in die politische „Trickkiste“ im Herbst 1998 geworfen werden. Der Angriffskrieg musste „gesichert“ werden. Ein Blick zurück sei erlaubt:
Da die Befürchtung bestanden hatte, dass die kommende rot-grüne Regierung den Beschluss nicht durchbringen könnte, war noch kurz vor Ende der offiziellen Amtszeit des Kanzlers Kohl eine Sondersitzung des alten Bundestages einberufen worden. Als der Antrag im Oktober 1998 im Parlament für eine deutsche Beteiligung am Krieg gegen Jugoslawien eingebracht wurde, war es allen Parlamentariern klar, dass es sich dabei um einen Angriffskrieg ohne UN -Sicherheitsratsbeschluss handelt. Das ist dem Antrag der Bundesregierung und auch der Stellungnahme des Außenministers Kinkel zu entnehmen. Mit 500 Ja und 62 Neinstimmen, 18 Enthaltungen wurde die deutsche Beteiligung am Krieg beschlossen, bevor die rot-grüne Regierung ans Ruder kam.
Die rot-grüne Regierung blies dann die Kriegstrompeten umso lauter. Die Vorarbeit der Zerstückelung Jugoslawiens hatten jedoch Kohl, Genscher und weitere geleistet. Erst aufgrund dieser destruktiven, geheimdienstlichen Vorarbeit war der Krieg möglich, das erwünschte Resultat wurde wohl erreicht.
So wie es jetzt aussieht, wird sich die westliche „Wertegemeinschaft” keine Sekunde um die in Niš aufgeworfene Thematik kümmern. Bis jetzt schaut man zum Beispiel in Deutschland mit voller Verachtung auf die Serben — als hätten diese kein Lebensrecht. Wiederholt sich die Geschichte?
Quellen und Anmerkungen:
Die Vorträge werden demnächst in englischer Sprache verfügbar sein: Anwaltsbüro Srdjan Aleksić, simpozijum@uranium238.org und advokati.aleksic@gmail.com.