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Russophobie und Größenwahn

Russophobie und Größenwahn

In einer neuen „Doku“ erklärt das ZDF Russland und China zu den größten Bedrohungen unserer Zeit, gegen die nur militärisch anzukommen sei.

Wenn das öffentlich-rechtliche Fernsehen einen politischen Dokumentarfilm zum Thema NATO und Russland zeigt, wissen kritische Zuschauer inzwischen ziemlich sicher, was sie erwartet. Zu einschlägig sind die Erfahrungen mit vorangegangenen ARD/ZDF-Werken, wie „Machtmensch Putin“, „Putin vs. USA“ und vielen Magazin- und Nachrichtenbeiträgen.

Dieser Liste einseitiger, transatlantischer Filme hat der öffentlich-rechtliche Sender nun eine weitere Sendung hinzugefügt, die Russophobie und Rüstungslobbyismus in dreister Weise kombiniert.

Den Film namens „Alte Bündnisse, neue Bedrohungen: Deutschlands Rolle in der NATO und der Welt“ von Nick Golüke und Michael Mueller ordnet das ZDF zwar als „Doku“ ein — tatsächlich handelt es sich dabei aber weniger um eine journalistische Dokumentationssendung, als vielmehr um eine extrem einseitige Aneinanderreihung von Behauptungen und Forderungen. Um zu verstehen, welche Botschaft der Film vermittelt, genügt es völlig, sich die erste und die letzte Minute anzusehen.

Tatsächlich wäre nicht einmal das nötig — Gegenstand des Beitrags und Name des ausstrahlenden Senders hätten schon genügt, so vorhersehbar parteiisch und so unbelehrbar einseitig ist das, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk seit Jahren zum Thema zu berichten hat. Einzige Überraschung: Wladimir Putin wird darin kaum dämonisiert. Nur zweimal rückt er ins Bild, wird dann zwar wie üblich kritisiert als kriegslüsterner, unberechenbarer Provokateur, der seine Panzer in andere Länder schickt. Aber für eine 43-minütige ZDF-Sendung zu solch einem Thema ist das auffallend wenig.

Dröhnende Leopard-Panzer als Sound heutiger Konfliktbearbeitung

Wichtiger sind diesmal die deutschen Panzer. Von Beginn an geht es in dem Film um das Mittel militärischer Gewaltanwendung in Konfliktfragen. Militärische Gewalt wird als völlig normales, ja indirekt sogar als einziges Mittel in solchen Fragen dargestellt. Nicht an einer einzigen Stelle hinterfragen die Filmemacher diese Ansicht. Die Doku vermittelt den Eindruck: Nichts anderes als dröhnende herumballernde Leopard-2 sind als Mittel moderner Konfliktbearbeitung denkbar.

Durchgängig darf sich die Bundeswehr transparent, freundlich und kompetent als entsprechendes Instrument zur Problemlösung darstellen: Eine blonde Majorin erklärt lächelnd, wie sie die Panzerverladung an die Ostfront organisiert, ein verwegener Panzerkommandant stellt seine Crew vor, ein Brigadegeneral präsentiert seine höheren Einsichten.

Zudem gibt es dynamische PR-Bilder vom Manöver, wenn der Leopard 2 durch die polnische Heide pflügt. Kameraaufnahmen vom Inneren des Panzers zeigen, wie blank polierte Geschosse verladen werden. Was so ein glänzendes Geschoss mit Menschen anrichtet, wenn es in ein Haus oder anderen Panzer einschlägt, wird hingegen nicht mal angedeutet. Einen Film, wie ihn sich die Bundeswehr-PR-Abteilung kaum besser hätte wünschen können.

Panzershow statt Hintergrundwissen

Hauptproblem ist aber: Zum Verständnis der aktuellen Konfliktlage trägt all das überhaupt nichts bei. Wenn es tatsächlich um die Vermittlung wichtigen Wissens um moderne geopolitische Konflikte und Deutschlands Rolle in der Welt gehen würde, hätte man keine Sekunde der knappen Sendezeit mit belanglosen Manöverbildern verschwendet — aber komplexe Konfliktlagen auszuleuchten, ist ganz offensichtlich auch nicht die Absicht.

Vielmehr geht es darum, beim Zuschauer die Einsicht in die Notwendigkeit von Aufrüstung zu produzieren. Nach Berechnungen des Heeres, so ist in der Doku zu lernen, seien 40 Milliarden Euro nur für die Vollausstattung der zugesagten acht deutschen Panzerbrigaden nötig (16:15). Das entspricht fast einem kompletten jährlichen Verteidigungshaushalt.

Und da man für solche Riesensummen schon sehr gute Argumente braucht, behauptet die Doku eine akute schwerwiegende Bedrohungslage für Deutschland, die Europäische Union und die NATO.

Der ZDF-Film vermittelt den Eindruck, das nordatlantische Militärbündnis sei permanent und ausschließlich Bedrohungsszenarien ausgesetzt. Das ständige Wachstum der NATO und ihre Wandlung vom regionalen Verteidigungs- zum weltweiten Angriffsbündnis werden nicht erwähnt. Solche Informationen stören die These des Films.

Als Aggressoren werden hingegen Russland und China identifiziert. Als Stützpfeiler dieser These dienen der Doku transatlantische Politiker, Militärs und westliche Rüstungslobbyisten. Auf andere Stimmen im Film warten Zuschauer vergeblich.

Keine Perspektivenvielfalt, keine einordnenden Zahlen

Der Medienforscher Uwe Krüger von der Universität Leipzig hat große Zweifel, ob solch ein Film den Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags entspricht. Sowohl dort, als auch in den ZDF-Leitlinien, würden Objektivität, Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit der Berichterstattung als zentrale Kriterien journalistischer Arbeit im ZDF benannt, sagt Krüger auf Rubikon-Anfrage.

„Nun ist Objektivität schwer zu messen. Aber in Sachen Ausgewogenheit sehe ich bei dem Film deutliche Mängel. Es gibt kaum Diskussion und Perspektivenvielfalt, was die Beurteilung russischer und westlicher Außen- und Sicherheitspolitik oder die Zwei-Prozent-Vorgabe der NATO angeht. Dabei sind das höchst kontroverse Themen.“

Bis auf einen SPD-Mann kämen nur solche Personen zu Wort, die die Grundthesen des Films stützen, vom NATO-Generalsekretär über CDU-Mann Peter Tauber im Verteidigungsministerium bis hin zu Passanten in Litauen, kritisiert der Kommunikationswissenschaftler.

„Auf Linke, Friedensforscher oder Militärkritiker wartet man vergeblich, ebenso auf vergleichende Zahlen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri zu den Militärausgaben Russlands und der NATO-Staaten, insbesondere der USA. Dann würde sich ein anderes Bild in Sachen Bedrohung ergeben.“

Was ebenfalls fehlt, ist das Meinungsbild der deutschen Bevölkerung, argumentiert der gelernte Journalist. Hätte die Doku entsprechende Umfrageergebnisse dargestellt, dann würde sich der militärskeptische Zuschauer nicht so allein fühlen und wäre weniger leicht von den Thesen des Films zu überzeugen.

Krüger unterstreicht:

„Dieser Film ist wie ein Geschenk für jene Kreise im sicherheitspolitischen Establishment des Westens, die die Rüstungsausgaben Deutschlands drastisch erhöhen wollen.“

Keine Eintagsfliege, Medien berichten oft im NATO-Sinn

Wer argumentiert, einzelne Filme müssen nicht ausgewogen sein, solange das Gesamtprogramm des Senders eine Meinungsvielfalt bietet, mag theoretisch recht haben. Doch in der Realität bietet das ZDF, mit Ausnahme der Kabarettsendung „Die Anstalt“, faktisch nur das einseitig transatlantische Meinungsbild an.

Der Medienwissenschaftler und Propagandaforscher Florian Zollmann, der an der Newcastle University lehrt, erkennt in der parteiischen Gesamtdarstellung des weltpolitischen Konflikts in den etablierten Medien propagandistische Methoden.

„Der Diskurs, der Russland (und China) als einzige Bedrohung ansieht, ist den Interessen der NATO dienlich“, sagte er auf Rubikon-Anfrage. Die NATO-Integration aller Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes, trotz des gegenteiligen Versprechens 1990, sei natürlich eine Bedrohung für Russlands Interessen, erläutert Zollmann.

„Das heißt, eine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen Russland, China und der NATO, die diese offensichtlichen Sachverhalte nicht thematisiert, kann nach gängigen wissenschaftlichen Definitionen durchaus als selektive und damit propagandistische Informationsvermittlung bezeichnet werden.“

Zehn Grundsätze der Kriegspropaganda

Hilfreich zur Identifikation sind die „Zehn Grundsätze der Kriegspropaganda“, die der englische Politiker und Pazifist Lord Arthur Ponsonby nach dem Ersten Weltkrieg aufstellte und die die belgische Historikerin Anne Morelli im Jahr 2004 systematisierte.

Wer sich die Liste Punkt für Punkt ansieht, erkennt, dass in der ZDF-Doku bereits sechs der zehn Prinzipien auftauchen, und das, obwohl der angeblich kurz bevorstehende Krieg mit Russland noch gar nicht begonnen hat.

Der Westen wolle den Krieg nicht, im Kriegsfall verteidige man sich nur selbst und in edler Weise alle, die sich nicht selbst verteidigen können.

Aggressiv ist nur das gegnerische Lager, dessen Anführer böswillig und diktatorisch ist. Russland nutze unerlaubte Waffen, verletze also den INF-Vertrags, und wer dies alles in Frage stelle, also die Rüstungsdebatte abwürgen wolle, agiere naiv und erschaffe eine „brandgefährliche“ Situation ganz im Sinne des Feindes.

„Ein Film, der Angst macht“

Medienforscher Uwe Krüger bestätigt diesen Eindruck. „Es gibt einige Kriterien bei Ponsonby, die ich durch den ZDF-Film auch erfüllt sehe.“ Es fehle ein kritischer Blick auf den militärisch-industriellen Komplex des Westens, der von der Zwei-Prozent-Vorgabe der NATO profitiere.

Die geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen der NATO-Staaten seien ein blinder Fleck des Films, und der Provokateur im Verhältnis zwischen Russland und dem Westen heiße immer nur Putin. Dabei habe selbst Frank-Walter Steinmeier als deutscher Außenminister der NATO bereits „Säbelrasseln und Kriegsgeheul“ vorgeworfen, unterstreicht Krüger.

„Wer den Film ohne besondere Hintergrundkenntnisse schaut, wird wohl folgende Schlüsse ziehen: Wir sind die Guten, Putin ist böse und auf Expansion aus, ein Krieg mit Russland steht unmittelbar bevor und Deutschland tut viel zu wenig, um sich hierfür zu wappnen. Der Film macht Angst und stellt Aufrüstung als Lösung dar.“

Propaganda ist auch, was verschwiegen wird

Diese Stellungnahme macht klar, gefährlich ist die Doku auch deshalb, weil sie vieles nicht sagt. Es ist wichtig, daran zu erinnern, da es ein Ziel propagandistischen Framings ist, entscheidende Informationen unsichtbar zu machen.

Alles, was die Filmemacher in der Doku Russland und China vorwerfen, tun die Vereinigten Staaten — also die NATO-Führungsmacht — tatsächlich selbst. Und noch viel mehr.

Die USA zetteln Kriege an, bedrohen und destabilisieren viele weitere Länder, spionieren Deutschland bis hoch zur Kanzlerin aus, führen nachgewiesenermaßen Cyberkriege, geben gigantische Summen für ihre Rüstung aus und betreiben Hunderte Militärbasen weltweit. Für die Einschätzung, wer hier der Aggressor ist, spielt das in der Doku aber keine Rolle.

Leerstellen beim Thema Russland

Dort wird gezeigt, dass russische Kampfflugzeuge „Scheinangriffe“ auf US-Kriegsschiffe in der Ostsee 130 Kilometer vor Kaliningrad ausführen (11:20). ZDF: „Die Provokationen häufen sich.“ Absurderweise besteht die Provokation für die Doku aber nicht in der Anwesenheit von US-Kriegsschiffen vor Kaliningrad — also rund 6.000 Kilometer von den USA entfernt —, sondern in der aktiven Präsenz der russischen Luftwaffe vor ihrer eigenen Haustür.

Selbstverständlich erwähnt die Doku, dass die Menschen im Baltikum aufgrund ihrer historischen Erfahrung Angst vor russischer Besatzung haben. Selbstverständlich wird aber nicht erwähnt, dass die Menschen in Russland ebenfalls infolge historischer Erfahrungen Angst vor westlichen Invasionen haben. Übrigens war das Baltikum auch mehrere Jahre von Deutschland besetzt, was offenbar weder im Baltikum noch hierzulande historisch bedingte Bedenken wachruft.

Wladimir Putin wird unterstellt, er teste die Grenzen der NATO aus (11:06) — etwa mit dem „Einmarsch in die Ostukraine“. Da man beim ZDF von diesem Einmarsch nach fünf Jahren offenbar immer noch keine Bilder hat, zeigt man eben ukrainische Panzer, mit großer ukrainischer Flagge darauf — dem Zuschauer wird das schon nicht auffallen.

Das sind die inzwischen üblichen suggestiven Bilder, die mit Journalismus — man muss es immer wieder betonen — nichts zu tun haben. Dass die Ukraine überhaupt kein NATO-Mitglied ist, ist den Filmemachern bei dieser Argumentation sowieso egal.

Fast schon sensationell, dass man in der Doku eingesteht, dass Russland sich durch die NATO-Osterweiterung „provoziert fühlte“. Man beachte: Hier sprechen die Filmemacher nicht von einer objektiver Bedrohungslage, so wie die der NATO, sondern nur von Gefühlen. Ein putinkritischer russischer Journalist bezeichnet dieses „Gefühl“ später in der Doku sogar als „Paranoia“.

Eine Doku, die vor Leerstellen strotzt

Die Doku vermittelt den Eindruck, dass die deutschen Rüstungsausgaben sehr niedrig seien und immer weiter absinken. In der Realität jedoch stiegen die deutschen Militärausgaben in den vergangenen fünf Jahren kontinuierlich: Von 39,9 Milliarden Dollar im Jahr 2014 auf 49,5 Milliarden Dollar im Vorjahr.

Deutschland liegt damit weltweit auf Rang 8 von rund 200 Ländern.

Später im Beitrag ist auch China Thema und wird als militärische Bedrohung für den Westen hochstilisiert. Die chinesische Botschaft an alle laute: „Wir sind groß, wir sind mächtig, und wir nehmen uns, was wir wollen“, behauptet die ZDF-Doku.

In Wirklichkeit hat sich China überhaupt nichts genommen. Es hat weder einen Krieg begonnen noch etwa Taiwan annektiert, wovor die Doku inständig warnt. Tatsächlich sind es auch hier die USA, die ihre Kriegsschiffe im südchinesischen Meer — also vor der Haustür des angeblichen Aggressors, auffahren lassen.

Die Doku strotzt vor solchen Auslassungen, allesamt in Washingtons Interesse. Das zeigt, wie wenig objektiv der Beitrag ist. Besonders bedenklich wird es, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass die Filmemacher nicht aus US-Perspektive, sondern eigentlich aus deutscher Sicht berichten. Doch zwischen deutschen und US-Interessen scheint für Gödicke und Mueller kein Unterschied zu bestehen.

ZDF: Die EU ist ein von den USA abhängiger Zwerg

Vor diesem Hintergrund verwundert auch das merkwürdige Fazit der Doku kaum noch. Dort heißt es etwa: Die EU sei „politisch und militärisch ein großer Zwerg am Tropf der USA“ (41:00). Moment, die EU ist also politisch existenziell abhängig von Washington?

Nimmt man diesen Satz ernst, zweifelt das ZDF damit faktisch an der Souveränität der Europäischen Union — eine bemerkenswerte Aussage. Denn das sagt nicht irgendein Reichsbürger oder Wladimir Putin, sondern das Zweite Deutsche Fernsehen.

Was den militärischen Sektor angeht, ist die ZDF-Aussage ebenso zweifelhaft. Denn auch EU-Staaten, darunter immerhin zwei Atommächte und viele reiche Industrieländer mit großen Rüstungskonzernen, haben teilweise riesige Militärbudgets. Und weiter heißt es in der Doku:

„Deutschland wird mehr investieren und mehr leisten müssen. Nicht nur finanziell. Will Deutschland ein verlässlicher Partner sein, muss es Verantwortung übernehmen und Soldaten auch in Kampfeinsätze schicken. Denn die Aufgaben werden größer, und sie werden gefährlicher.“

Hier lassen die Filmemacher die Katze aus dem Sack. Den ganzen Beitrag über geht es um Verteidigung des Bündnisgebiets. Doch plötzlich soll Deutschland Truppen in Kampfeinsätze schicken. Mal ganz davon abgesehen, dass sich die Bundeswehr derzeit in mehr als einem Dutzend Auslandseinsätzen, darunter auch Kampfmissionen, befindet.

Hier wird deutlich, dass mit dem ethisch einwandfreien Argument der Heimatverteidigung um die geistige Kriegsbereitschaft der Zuschauer geworben wird, damit aber — quasi huckepack — auch Zustimmung für unter Umständen völkerrechtswidrige Angriffsmissionen fernab des NATO-Gebiets geschaffen werden soll.

ZDF reagiert schmallippig

Der Film entstammt nicht direkt dem ZDF, sondern ist eine Auftragsproduktion. Verantwortlich sind die Münchener Filmemacher Nick Golüke und Michael Mueller. Golüke machte sich bisher vor allem mit Sport-Dokumentationen und als Feldreporter beim Fußball einen Namen. Er wollte auf Anfrage des Rubikon keine Stellung zu seinem Film nehmen. Dies tue grundsätzlich nur der ausstrahlende Sender.

Vom ZDF kamen knappe Antworten auf die Rubikon-Anfrage. Alle kritischen Fragen zum Fehlen von nichtmilitärischen Mitteln beziehungsweise zu fehlenden Informationen über US-Militäraktivitäten bügelte ZDF-Sprecher Thomas Stange mit der Erklärung ab, dies sei „nicht Thema“ der Sendung gewesen.

Das widerspricht jedoch dem Filmtitel. Zur Erinnerung, dieser lautet „Alte Bündnisse — neue Bedrohungen, Deutschlands Rolle in der NATO und der Welt“. Es gibt auch nichtmilitärische Bündnisse, auf Bedrohungen kann man nichtmilitärisch reagieren — etwa mit diplomatischen oder wirtschaftlichen Initiativen — und Deutschlands Rolle in der Welt besteht in mehr als nur Bundeswehreinsätzen. Die Filmemacher verengen das Dokuthema einfach unnötig auf das Militär.

Die angeblich neuen Bedrohungen entpuppen sich als die altbekannten

Auch zum Thema USA ist das unbefriedigend. Was sind denn nun die „neuen Bedrohungen“, die der Filmtitel ankündigt? Präsentiert werden mit Russland und China nur die altbekannten Kandidaten. Der Film ist damit in seiner eigenen Logik Etikettenschwindel.

Für ZDF-Sprecher Stange scheint die Antwort „USA“ von vornherein ausgeschlossen — sonst wäre sie ja Thema des Films gewesen. Es ließe sich doch auch die These wagen, dass die USA eine Bedrohung für Deutschland sind — nicht nur wegen des präsidialen Rüpels Donald Trump, sondern weil der „Permanent-War Complex“ der Vereinigten Staaten gerade enge Verbündete wie Deutschland wie ein schwarzes Loch immer mehr in sich zieht.

Konkret: Erst durch US-Militäraktivitäten auf deutschem Staatsgebiet, wie die Lagerung von Atomwaffen in Büchel oder die Aktivitäten der Airbase Ramstein, wird die Bundesrepublik zur Zielscheibe für andere Mächte. Dadurch werden Leben und Gesundheit aller Menschen in Deutschland bedroht.

Durch militärische US-Tätigkeiten, ausgehend von deutschem Boden, und durch politischen Druck auf die Bundesregierung, wird Deutschland direkt oder indirekt in völkerrechtswidrige Aktivitäten der USA hineingezogen.

Durch Wirtschaftsspionage und das geheimdienstliche Abhören der Bundesregierung werden die politische und ökonomische Souveränität der Bundesrepublik bedroht. Und für die humanitären Folgen der US-Kriege, etwa in Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien, mit Millionen Flüchtlingen, kommen nicht die Verursacher im Pentagon, sondern Deutschland und andere EU-Staaten auf.

Fazit: Angstmache statt Völkerverständigung

Der aktuelle ZDF-Film reiht sich ein in das bekannte Muster einseitig transatlantischer Medienbeiträge zur weltpolitischen Lage. Die Doku bringt lediglich den vorherrschenden Diskurs innerhalb der sicherheitspolitischen Eliten zum Ausdruck und lässt — nicht sonderlich demokratisch — die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung außer Acht.

Auffällig ist, dass das offene, unverstellte Werben für Rüstung und Krieg nicht nur auf Bundeswehrplakaten, sondern auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen neue Dimensionen erreicht, die vor wenigen Jahren noch kaum vorstellbar erschienen.

Würden solche Manöverbilder, wie die der Doku, umgekehrt mit russischen Panzern im dortigen Staatsfernsehen laufen — dieselben deutschen Filmemacher sprächen wohl von Drohgebärden, Säbelrasseln und Militarismus. Sie würden darüber schimpfen, wie unkritisch und eilfertig die russischen „Informationskrieger“ die aggressive Außenpolitik ihrer Staatsführung begleiten und dabei sämtliche unpassenden Informationen unter den Tisch fallen lassen. Sie würden von „Staatspropaganda“ reden.

Mit diesem Film konstruiert das ZDF Feindbilder und schürt Angst vor Russland, um Aufrüstung und geistige Kriegsbereitschaft herbeizuführen. Die Doku wirkt wie das Begleitprogramm zu Ursula von der Leyens rhetorischem Ausfall vom April 2018, als sie empfahl, mit Russland „aus einer Position der (militärischen) Stärke“ zu sprechen. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu antwortete damals:

„Nach all dem, was Deutschland unserem Land angetan hat, sollte man dort besser noch 200 Jahre nichts zu dem Thema sagen.“

Enden soll dieser Beitrag aber mit dem Zitat eines anderen Russen. Iwan Turgenjew (1818 bis 1883), einer der russischen Weltklasse-Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, der sehr gut Deutsch sprach und lange in Deutschland lebte, sagte einst (1):

„Russland ist doch ein Mitglied der europäischen Familie und werth, besser bekannt zu werden, besonders von den Deutschen“.

Man darf noch davon träumen, dass das ZDF diesen Geist der Völkerverständigung, der auch dem Rundfunkstaatsvertrag entspricht, irgendwann wieder in seinem Programm realisiert.


Kilez More: „Friedensbewegung“


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Quellen und Anmerkungen

(1) Iwan Turgenjew, zitiert nach Vera Bischitzky in Iwan Turgenjew: Aufzeichnungen eines Jägers, München 2018, Seite 569 (Nachwort zur Neuübersetzung)

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