Märchen, Mythen, Propaganda
Die Frage der Fragen hat, wie sollte es anders sein, Profiteure, das politische Establishment, Ökonomen und sonstige Kapitalismusverfechter aller Couleur aufgescheucht. In Springers Welt will uns die gern geladene Talkshow-GästIn und selbst ernannte „Chefökonomin“ Dorothea Siems darüber aufklären, dass alle, die nicht ihrer Wahnvorstellung vom ewigen Wachstum frönen, doch wohl rein gar nichts begriffen hätten.
Diese „radikalen Wachstumsskeptiker“ unterschätzten mit ihrer „Ökospinnerei“ die „Anpassungsfähigkeit der Marktwirtschaft“. Immerhin, so Siems, berge auch Ökowirtschaft „enorme Geschäftschancen“. Sie meint natürlich die Profite der Aktionäre und Konzernchefs.
Mit derlei Storys geistern viele neoliberale Esoteriker mit Professorentiteln durch die Medien. Warum Kapitalismus, Ökologie und Demokratie angeblich „einander brauchen“ und daher das gegenwärtige System alternativlos sei, versuchte Jürgen Kocka im Tagesspiegel darzulegen.
Seine Begründung beschränkt sich am Ende auf eine hohle Phrase: Der Sozialismusversuch im „Ostblock“ sei schließlich an fehlender Demokratie und Ökologie gescheitert. Und außerdem gebe es ja „sehr verschiedene Kapitalismen“.
Über die DDR durfte sich dann auch Hubertus Knabe, ehemaliger Leiter der Stasi-Gedenkstätte in Hohenschönhausen, in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) auslassen, um einen „Irrtum der Klimaschützer“ zu attestieren und den gottgleichen Status des Marktes zu rechtfertigen.
In der Wirtschaftswoche, dem Blatt für studierte Marktesoteriker, warnte Kolumnist Andreas Freytag die F4F-Aktivisten vor antikapitalistischen Einflüssen durch Linke und „NGOs“.
Diese wollten ihnen den Floh ins Ohr setzen, dass man „dem Klimaschutz gleich den Kapitalismus opfern“ müsse, zeterte er. Und sogar die angeblich linke taz ließ ihre Leser an der Bullshit-Erkenntnis des Finanzinvestors Jochen Wermuth teilhaben, wonach nur der Kapitalismus das Klima retten könne.
Die Profitmaschine: Wie alles begann
Das Märchen vom grünen Kapitalismus, das sie uns allen verkaufen wollen, geht so: Das quantitative Wirtschaftswachstum, auf dem das System basiert, müsse gar nicht materiell erfolgen.
So könne das Gesundheitswesen beispielsweise wachsen. Oder die Pflege. Denn ohne Wachstum und Profitstreben gehe es nun mal nicht. Dann hätten die Profiteure gar keinen Anreiz, neue Technologien zu entwickeln. Und letztere seien nötig für die Umwelt. Kurzum: Eine Wirtschaft könne auch umweltverträglich wachsen.
Um zu verstehen, warum das Blödsinn ist, ja, weshalb Kapitalismus zugunsten veralteter schädlicher Technologien sogar neue Innovationen verhindert, muss man den Kapitalismus verstehen. Dazu ist ein kurzer Rückblick in die Geschichte unumgänglich.
Um 1300 begann der Aufstieg der ersten Frühkapitalisten. Das waren reiche Bürger, die mit großen Handelshäusern so viel Geld scheffelten, dass sie eines Tages reicher als der herrschende Adel wurden.
Ihr Konzept beruhte auf Schifffahrt, bewaffneten Überfällen, Raub, Mord und Kolonisierung. Söldner halfen ihnen dabei; sie waren die ersten Lohnarbeiter im entstehenden Kapitalismus.
Ihrem Beispiel folgten andere reiche Bürger. Die Ostindien-Kompanien um 1600 wuchsen zu riesigen Akkumulationsmaschinerien heran.
Die Industrialisierung brachte der bürgerlichen Herrschaft den Siegeszug. Riesige, private Produktionsstätten entstanden; ehemals Leibeigene und kleine Handwerker, die nicht mithalten konnten, waren gezwungen, dort ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Das einzige Ziel der neuen Kapitalisten: Profitmaximierung.
So entstand eine riesige Profitmaschine, angetrieben von Einzelkapitalisten, die unter Strafe ihres Untergangs gezwungen waren, mehr Profit als die Konkurrenz zu erwirtschaften.
Dafür mussten sie immer weiter wachsen. Denn wer mehr produzierte, konnte seine Waren billiger absetzen, verkaufte mehr und stach die Konkurrenten auf dem Markt aus. Und so weiter und so fort. So läuft das bis heute.
Privateigentum an Produktionsmitteln
Es gab vier Gründe für den Aufstieg der bürgerlichen Kapitalistenklasse: das Privateigentum an Produktionsmitteln, der durch die Weiterentwicklung der Schifffahrt fortschreitende Handel, die zunehmende Arbeitsteilung und schließlich der technologische Fortschritt hin zur Massenproduktion.
In jeder Klassengesellschaft herrschten die einen über die anderen, weil sie sich Produktionsmittel — wie Grund und Boden, Ressourcen und Bodenschätze, heute auch Computer und Maschinen — aneignen und dieses Eigentum sowohl mit Waffengewalt als auch ideologisch verteidigen konnten.
Auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln fußt auch der kapitalistische Markt. Produktionsmittel dienen dem Eigner der Vermehrung seines Geldes. Er muss sie kapitalisieren, indem er Arbeitskraft dazukauft und Waren produzieren lässt, die er auf dem Markt verkauft.
Dafür bedient er sich bei den Lohnabhängigen, die mangels eigenen Eigentums an Produktionsmitteln auf dem Markt Schlange stehen, um ihre einzige Ware, die sie besitzen, zu veräußern: ihre Arbeitskraft.
Profitquelle Lohnarbeit
Immer wieder hört man Linke nach gerechten Löhnen rufen. Diese aber kann es schon aufgrund der Natur des Kapitalismus nicht geben. Denn Lohnarbeit ist die einzig echte Profitquelle für Kapitaleigner.
Nur Menschen können sie dazu zwingen, mehr Werte zu schaffen, als sie in Form von Lohn in sie investieren. Jeder Beschäftigte leistet unbezahlte Mehrarbeit, um den Konzernchefs und Großaktionären satte Gewinne zu verschaffen. Davon spürt er nicht viel, weil er regelmäßig seinen Lohn aufs Konto bekommt.
Eine Maschine indes ist bereits selbst ein Produkt aus Rohstoffen und Arbeit. Sie gibt ihre Leistung, für die der Kapitalist bereits beim Kauf bezahlt hat, in die Produkte ab. Maschinen und Computer verringern den Anteil menschlicher Arbeit und ermöglichen Massenproduktion.
Profitträger ist immer eine neue Ware, die ein Unternehmen auf den Markt bringt. Geschaffen wird der Profit also dort, wo Rohstoffe gefördert und weiter verarbeitet werden. Alle anderen Branchen, wie der Handel, das Transportwesen oder die Werbebranche, realisieren den Profit und lassen sich daran beteiligen.
Gleiches tut die Bank. Sie ist, wie die Spedition, ein Dienstleister. Die Bank verleiht Geld, das der Kapitalist profitbringend kapitalisieren kann. Über den Zins fordert sie ihren Anteil an selbigem.
Ein Dienstleister des Kapitals ist auch der Staat. Seine Aufgabe ist es, die Profitmaschine auf seinem Territorium zu managen. Auch er lässt sich dafür am Profit beteiligen, vor allem über Steuern.
Die nimmt er sich zum Teil vom bereits abgeschöpften Mehrwert der Unternehmen, andererseits direkt vom Lohnarbeiter. Die Profitquelle ist also für alle Kapitalisten, inklusive Banken und Staat, immer dieselbe: Arbeitskraft.
Der technologische Fortschritt
Jeder Unternehmer produziert nur zu einem Zweck: Profitmaximierung. Da ist es egal, ob der dafür Backwaren, Handys, Autos, Drogen oder Waffen herstellen lässt. Er muss all das nur umsetzen. Weil er seine Profite maximieren muss, drückt er die Löhne so weit es geht und strebt nach technischer Modernisierung.
Durch maschinelle Massenproduktion sinken aber die Preise. Nehmen wir zwei Kleiderschränke: Der eine ist aufwendig von Hand gefertigt und verziert, das einfache Ikea-Modell stammt aus der Großproduktion.
Der handgefertigte Schrank wird deutlich mehr kosten als der industriell hergestellte. Denn der Preis einer Ware orientiert sich am Aufwand menschlicher Arbeit, der in ihr steckt — je geringer dieser ist, desto mehr sinkt der Stückpreis. Daraus folgt: Der Kapitalist muss immer mehr produzieren, weil sein Profit pro Stück sinkt, je mehr menschliche Arbeitskraft er durch Technologie ersetzt.
Wir erleben es seit Jahrzehnten: Computer und Maschinen verdrängen Lohnarbeit. In kleinen Bahnhöfen haben Automaten die Fahrkartenschalter ersetzt. In Fabrikhallen, wo vor 40 Jahren noch 200 Beschäftigte monotone Arbeiten ausführten, bedienen heute zwei, drei Leute automatische Steuerungssysteme.
Schon vor vier Jahren warnte die Wirtschaftswoche, Computer könnten künftig 4,4 Millionen Jobs in Deutschland übernehmen.
Mit Wachstum hält das Kapital dagegen. Wächst in einem Land die Wirtschaft so stark, dass sie die Waren auf dem Binnenmarkt nicht mehr absetzen kann, muss sie auf Export umschwenken. So entstehen starke Imperien und schwache Staaten mit hoher Erwerbslosigkeit und Armut.
Konkurrenz und Wachstumszwang
Hinzu kommt ein weiterer Faktor: die Konkurrenz. Wie Lohnabhängige um Jobs konkurrieren auch Kapitalisten gegeneinander um Einfluss auf dem Markt. Auf dem Siegertreppchen steht stets, wer die besten Waren zu den günstigsten Preisen verkaufen kann. Wer die beste Maschine, die leistungsstärksten Computer besitzt, kann massenhaft Lohnkosten einsparen, seine Waren besonders billig verkaufen und trotzdem kurzfristig hohe Einzelprofite einfahren.
Das setzt die Konkurrenz unter Zugzwang. Um nicht unterzugehen, müssen andere Unternehmen ebenfalls technisch aufrüsten. So sind Konzerne auf dem Markt in einen ständigen Preiskampf Richtung abwärts verflochten.
Für den Endverbraucher ist das wenig zu spüren, weil Unternehmenssteuern und Kapitalzinsen sowie die staatlich gelenkte Inflation sich in den Preisen niederschlagen. Der tendenzielle Fall der Profitrate geht somit, wie nicht anders zu erwarten, vor allem zulasten der „kleinen Leute“.
Aber auch Kleinkapitalisten haben daran zu knabbern. Sie scheitern viel schneller am Konkurrenzdruck. Zum Beispiel, wenn ein Großkonzern, der gleiches herstellt, mal eben für ein paar Wochen die Preise halbiert. Was sich kleine Betriebe nicht leisten können, ist für riesige Unternehmen, die bereits viel Kapital akkumuliert haben, ein Kinderspiel. So bleiben die Großen am Markt, die Kleinen gehen ein.
Soziale Verelendung
Der technologische Fortschritt macht Lohnabhängige erwerbslos. Leistungsstarke imperialistische Exportstaaten mit hohem quantitativem Wirtschaftswachstum spüren davon freilich weniger als arme Länder mit geringer Wirtschaftskraft, die von ersteren mit billigen Waren überrollt werden. Denn Absatz ist das A und O für das Kapital; der Rubel muss ja rollen.
So entsteht, global gesehen, nicht nur ein imperialistisches Machtspiel: Ökonomisch starke und schwer bewaffnete Staaten unterdrücken den Rest der Welt. Es wächst auch die Masse an Menschen, die für die Profitmaschine nicht mehr nützlich sind.
Das Kapital benötigt ihre Arbeitskraft nicht mehr. Zudem verlieren sie ihre Kaufkraft. Die Schere zwischen Arm und Reich driftet auseinander.
Die zunehmende soziale Verelendung ist systemimmanent. Zu den sichtbaren Verlierern gehören die Flüchtlinge, die aus Verzweiflung in die Boote der Schlepper steigen. Wobei die Schlepper auch nur Kleinkapitalisten sind, die nichts anderes versuchen, als jeder Konzern:
aus Geld mehr Geld zu machen.
So gräbt zum Beispiel Nestlé Millionen Menschen das Wasser ab, um Profite zu erwirtschaften. Und die Kleinen versuchen selbiges, indem sie Menschen, die hoffen, von Europa aus ihre verarmten Familien versorgen zu können, in mangelhaften Schlauch- und Holzbooten gegen Geld übers Meer schippern.
Da aber nun die Profitrate tendenziell fällt, schrumpft auch der Anteil der Staaten an dieser. Zugleich wächst die Masse der aus dem Produktionsprozess Outgesourcten. Der Staat wird also zum einen versuchen, die noch im Arbeitsprozess Befindlichen immer stärker abzuschöpfen.
Andererseits wird er Sozialleistungen kürzen, obwohl eigentlich immer mehr Menschen ihrer bedürfen. Er kommt somit in die Bredouille: Soziale Verelendung lässt die Kriminalitätsrate in die Höhe schnellen und die Gefahr von Aufständen wachsen. Der Staat wird also aufrüsten, um die sich destabilisierende Lage gewaltsam unter Kontrolle zu bringen.
Kapitalflucht in die Spekulation
Wo immer mehr Waren produziert werden, diese aber zunehmend schlechter abgesetzt werden können, wachsen nicht nur die Müllberge. Auch die Kapitalanlagen werden unrentabler, folglich wird weniger investiert.
Es kommt zu einem wachsenden Investitionsstau, den wir in Deutschland übrigens seit Jahrzehnten erleben: Schulen verfallen, Straßen bleiben unsaniert, Krankenhäuser und Pflegeheime verkommen zu bloßen Aufbewahrungsanstalten, ganze Produktionsstandorte machen dicht.
Das Kapital flüchtet in die Spekulation. Derlei Geschäfte sollen jenes Geld in die Kassen von Kapitalisten spülen, das ihnen Investitionen nicht mehr bringen. Das Problem: Spekulation, etwa mit Finanzprodukten, ist von der Realwirtschaft abgekoppelt. Werden sie Summen am Ende als reale Werte erarbeitet, türmen sich die berühmten Blasen auf und platzen schließlich.
Das Resultat sind Wirtschaftskrisen, die immer schneller über die ganze Welt hinweg rollen: Firmen rutschen in die Insolvenz, die Erwerbslosigkeit wächst, die Kaufkraft sinkt weiter, Kapital wird noch unrentabler, und so weiter. Ganze Staaten gehen daran Pleite und Millionen Menschen versinken in sozialer Verelendung.
Konzerne am Tropf
Den staatlichen Ökonomen ist das Problem sehr wohl bekannt. Sie halten mit kapitalistischen Methoden dagegen. Zum einen wird alles privatisiert, was irgendwie verkauft werden kann: Kliniken, Autobahnen, staatliche Unternehmen, wie Telefongesellschaften oder die Eisenbahn, und andere Gemeinwohlgüter.
Zweitens spülen die Zentralbanken billiges Geld auf den Markt. Sie senken ihren Leitzins. Das bedeutet: Leiht sich eine private Bank Geld von der Zentralbank, muss sie dafür umso weniger Zinsen aufbringen, je niedriger der Leitzins ist. Betrachtet man die Kurven der großen Zentralbanken der vergangenen Jahrzehnte, wird klar: Alle Zinssätze befinden sich im tendenziellen Sinkflug.
Der Zinssatz der Europäischen Zentralbank (EZB) beträgt beispielsweise seit 2015 null. Japan, Schweden und die Schweiz haben seit einigen Jahren Negativzinsen. Die Banken bekommen so verrückterweise noch was obendrauf, wenn sie sich Geld für die Kreditvergabe leihen. So können sie, ohne Gewinneinbußen, auch die Zinsen für Großkredite senken. Das Ziel ist klar:
Der Staat will so die Privatwirtschaft animieren, in die reale Produktion zu investieren, obwohl die Anlagen unrentabler werden. Das ist ein Spiel auf Zeit.
Kriegsgefahr wächst
Die Beschleunigung sozialer Missstände ist also kapitalistisches Programm. Das führt zu Unruhen in der Bevölkerung. Abstiegsängste und Verteilungskämpfe fördern gewalttätige Konflikte, Bürgerkriege und die Bildung radikalisierter Gruppen. Und dies wiederum führt zum Boom einer einzigen Industrie, während die anderen unter sinkenden Profiten wanken. Gemeint ist die Rüstungsbranche.
Auch das erleben wir aktuell weltweit. Wer dicke Profite will, investiert in das Kriegsgeschäft. Rheinmetall und Co. erleben einen Aufschwung wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Das Kapital liefert den Menschen live den Anschauungsunterricht. Weil die meisten den Kapitalismus aber nicht verstehen, begreifen sie die Verwerfungen — inklusive der Kriege — jedoch nicht als dessen logische Konsequenz.
Profitmaximierung in Grün?
Die soeben erklärte Funktionsweise des Kapitalismus mag irrational klingen. Nur kommt niemand an ihr vorbei. Jeder, der schon mal versucht hat, sich selbstständig zu machen, oder es geschafft hat, weiß das. Kurzum: Wer nicht mitspielt beim endlosen Kampf um Maximalprofite, geht unter.
Das heißt im Klartext:
Jeder, der ein Produkt an den Markt bringen will, braucht Kapital und ist gezwungen, sich dem Zwang zu quantitativem Wachstum und Profitmaximierung unterwerfen, ob Biobauer oder Agrarkonzern mit Massentierhaltung, ob Solarzellenproduzent oder Ölkonzern.
Dabei entstehen mehrere Probleme:
Erstens führt der Zwang zur steten Steigerung der Warenproduktion und der dafür nötigen Energie zwangsläufig zu einem wachsenden Ressourcenverbrauch. Denn jedes materielle Ding — egal, ob Windräder, Handys oder Sojaschnitzel — besteht aus zwei Komponenten: Rohstoffe und Arbeitskraft.
Zweitens wird kein Kapitalanleger, der über die dafür nötige Maschinerie verfügt, Rohstoffe in der Erde lassen, die ihm Milliardengewinne versprechen. Er wird also neue Technologien eher verhindern, um eine teure Umrüstung und Profiteinbrüche zu vermeiden.
Profitverlust droht dem Kapitalisten auch durch nachhaltige Produktion. Schließlich muss er immer neue Waren verkaufen. Ein Kleiderschrank, der 100 Jahre hält oder eine Glühbirne, die 40 Jahre brennt, sind daher nicht in seinem Interesse.
Quantität verhindert Qualität
Das quantitative Wachstum steht also einem qualitativen Wachstum entgegen. Zu beobachten ist das beispielsweise in der Energiebranche. Obwohl die technischen Möglichkeiten bereits entwickelt sind, graben die Konzerne weiter nach Kohle, fördern Öl ohne Ende und betreiben Fracking, was das Zeug hält.
Auch Agrarkonzerne gewinnen lieber neue Anbauflächen durch rasche Brandrodung des Regenwaldes,statt ausgelaugte Flächen aufwendig urbar zu machen. Tierwirte stellen auf Massentierhaltung um, weil diese kostengünstiger ist und höhere Profite verspricht als ökologische Haltung.
Textilfabriken beuten bettelarme Frauen wie Sklavinnen in Indien aus, um Transport- und Lohnkosten zu senken und die Gewinne zu steigern. Nicht anders würde es laufen, wenn alle Staaten der Welt umwelt- und klimaschädliche Energiegewinnung verbieten würden — was nicht zu erwarten ist.
Es würden andere Rohstoffe geplündert; die Ausbeutung von Lohnarbeit, der Wachstums- und Profitmaximierungszwang blieben bestehen.
Grünen-Vorschläge zulasten der Armen
Die Grünen bringen reichlich Vorschläge ein, wie „grünes Wachstum“ angeblich gelingen könne. An Aufrufen an die Industrie, endlich Eigeninitiative zur Umstellung auf umweltfreundliche Technologien zu ergreifen, mangelt es nicht. Und es ertönt dabei der Ruf nach dem Staat.
Der solle zum Beispiel Biolandwirtschaft statt Massentierhaltung fördern, Plastiktüten verbieten oder erneuerbare Energien statt Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen bezuschussen. Auch die Bepreisung des CO2-Ausstoßes, die das Klimakabinett der Bundesregierung im Miniformat jüngst beschlossen hat, stammt aus dem Baukasten der Verfechter eines „grünen Kapitalismus“.
Bleiben wir beim Plan der Bundesregierung: Energieintensive Unternehmen sollen künftig CO2-Emissionsrechte erwerben. Das klingt vielleicht erst einmal gut, ist es aber nicht. So müssen dem Anschein nach erst einmal reiche Unternehmer löhnen.
Doch, schon um nicht der Konkurrenz zum Opfer zu fallen, werden diese ihre Profite nicht gefährden. So zahlen sie für Verschmutzungsrechte und schlagen diese Kosten einfach auf die Preise ihrer Waren drauf.
Zur Kasse gebeten werden am Ende wieder die „kleinen Leute“, und die Ärmsten wird das wie immer am schlimmsten treffen. Ähnlich wäre es mit einer CO2-Steuer, selbst wenn diese nur von großen Unternehmen verlangt werden würde.
Fehler im System
Oder stellen wir uns vor, der Staat käme auf die Idee, nur die Biobauern zu fördern. Das Ende vom Lied: Auch Biobauern müssten Maximalprofite einfahren, um am kapitalistischen Markt bestehen zu können.
Da beispielsweise die Bio-Haltung sehr viel arbeitsaufwendiger als die Massentierhaltung ist, fallen trotz aller Förderung weit höhere Kosten für die Biobauern an. Und die schlagen sich dann auch in den Verbraucherpreisen nieder. Erneut hätten die Ärmsten das größte Nachsehen.
Und schließlich denken wir uns, die Bundesregierung hätte statt Großkonzerne wie RWE die aufkommende und letztlich gescheiterte Solarbranche in Deutschland gefördert. Das wäre immerhin ein Schritt in die richtige Richtung gewesen, nur leider nicht weit genug.
So müsste auch die Solarindustrie Maximalprofit erwirtschaften und immer weiter wachsen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Auch Solaranlagen bestehen aus Rohstoffen und Arbeitskraft. Zudem würden die auf fossile Brennstoffe spezialisierten Unternehmen nicht einfach das Handtuch werfen.
Sie verfügen über die Technik, Kohle oder Öl aus der Erde zu fördern. Solange dies Profite bringt, werden sie genau das tun. Der Fehler liegt also im System!
Eine grüne Profitmaschine ist bestenfalls eine Beruhigungspille, verabreicht von den Reichen und Profiteuren zum Schaden der Ärmsten.
Bedarfsorientiert statt profitgetrieben
Das Fazit: Der Markt regelt gar nichts, schon gar nicht die wachsenden sozialen und ökologischen Probleme. Und der kapitalistische Staat, den so manche Kapitalfraktion derzeit um Finanzspritzen anbettelt, kennt nur ein Konzept: Die Lohnabhängigen noch mehr schröpfen. Das ist die schnöde Praxis des Kapitalismus. So läuft die Profitmaschine, der wir alle, auch durch Staatsgewalt, unterworfen sind.
Um mit einem weiteren Mythos aufzuräumen: Der Konsument kann daran nicht wirklich etwas ändern. Wir Menschen haben Grundbedürfnisse. Da diese dem Markt unterworfen sind, müssen wir konsumieren.
Darum ist es anmaßend, einem Obdachlosen oder einer alleinerziehenden Mutter, bei der das Geld am 20. des Monats bereits knapp ist, zu sagen, sie möge doch beim teuren Biobauern einkaufen.
Auch ein Grundstück für ökologischen Anbau will erworben sein. Haus- und Hofbesetzungen sieht die Polizei bekanntermaßen nicht so gerne. Und blöderweise ist sie die bewaffnete Staatsgewalt.
Das Problem ist also dasselbe, wie in allen anderen vorangegangenen Klassengesellschaften: das Privateigentum an Produktionsmitteln. Die Interessen des Kapitals und die der Lohnabhängigen stehen sich schlicht unversöhnlich gegenüber.
Niemand kann eine Wirtschaft von profitgetrieben auf bedarfsorientiert und ökologisch umstellen, wenn diese ihm nicht gehört. Mehr noch: Wenn mit dieser die wenigen Besitzenden nur ein Ziel verfolgen, die Profitmaximierung auf Kosten aller Besitzlosen. Und wenn die Profiteure einen Staat haben, der genau das für sie gewährleistet.
Die Konsequenz daraus kann sich jeder selbst zusammenreimen. Kein einfaches Unterfangen, das wahrscheinlich — vonseiten des Kapitals — auch nicht friedlich vonstattengehen dürfte. Doch ich fürchte, wir haben keine andere Wahl, wenn wir den ökologischen Zusammenbruch unserer Lebensgrundlage verhindern wollen.