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Moskau als Friedensstifter

Moskau als Friedensstifter

Russland hat im kriegerischen Konflikt um Nagorni-Karabach eingegriffen und für ruhende Waffen gesorgt.

Nach sechs Wochen Krieg um die vorwiegend von Armeniern besiedelte, international nicht anerkannte Republik Nagorni-Karabach, in dessen Verlauf Tausende Menschen starben, trat am 10. November 2020 um Null Uhr ein weitreichendes Waffenstillstandsabkommen in Kraft. Das Abkommen sieht vor, dass Nagorni-Karabach drei 1993 im Umkreis von Karabach eroberte Bezirke an Aserbaidschan zurückgibt und alle armenischen Truppen aus Karabach abziehen. Das Abkommen trägt die Unterschrift von Ilham Alijew, Nikol Paschinjan und Wladimir Putin, also den Präsidenten von Aserbaidschan und Russland sowie dem Ministerpräsidenten Armeniens.

Angst vor Eskalation?

Eine russische Friedenstruppe soll laut dem Abkommen den Waffenstillstand überwachen. Der Großteil der Truppe ist am Dienstag in Armenien angekommen und hat bereits in Nagorni-Karabach Stellung bezogen (1).

Dass Armenien der Rückgabe von drei um Karabach gelegenen Bezirken zustimmt, hat damit zu tun, dass Armenien seit dem Kriegsbeginn am 27. September fast nur Niederlagen erlitten hat und die Gefahr bestand, Nagorni-Karabach ganz an Aserbaidschan zu verlieren.

Dass Aserbaidschan von seinem Kriegsziel abrückte, Nagorni-Karabach komplett in sein Staatsgebiet zu reintegrieren, hat wohl damit zu tun, dass Aserbaidschan fürchtete, Armenien könne aus Verzweiflung über seine militärischen Niederlagen Städte in Aserbaidschan und die Öl-Pipeline angreifen, welche aserbaidschanisches Öl über Georgien in den türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan transportiert.

Auch die Türkei will den Frieden überwachen

Russland hatte wochenlang die Bitte Jerewans um die Entsendung einer russischen Friedenstruppe in das Konfliktgebiet mit Schweigen bedacht. Russische Medien berichteten über den Konflikt betont neutral. Doch am Montag wurde über armenischem Gebiet ein russischer Militärhubschrauber abgeschossen. Zwei Piloten starben, einer konnte gerettet werden. Nun musste Russland irgendetwas tun. Das sehr detaillierten Abkommen, an dem offenbar schon länger gearbeitet wurde, trat nun Dienstag überraschend in Kraft.

Am Dienstag, als die Unterschriften unter dem Abkommen schon trocken und Flugzeuge mit Soldaten der russischen Friedenstruppe bereits nach Armenien unterwegs waren, meldete sich der türkische Präsident, Recep Erdoğan, zu Wort. Er erklärte, die Türkei werde gemeinsam mit Russland das Waffenstillstandsabkommen überwachen. Dies soll von einem noch einzurichtenden Überwachungszentrum aus geschehen. Das Zentrum soll in einem Bezirk liegen, „der von der armenischen Okkupation befreit wurde.“

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, erklärte gegenüber Radio Echo Moskau, dass eine Beteiligung der Türkei an der Friedenstruppe laut Abkommen vom Montag nicht vorgesehen ist. Zwischen Moskau und Ankara besteht also, zurückhaltend ausgedrückt, noch Gesprächsbedarf.

Überschwängliche Siegesansprache von Alijew

Der Präsident Aserbaidschans, Ilham Alijew, hat sich am Dienstag in einer Video-Ansprache als großer Kriegsherr in Szene gesetzt und sich über den armenischen Ministerpräsidenten lustig gemacht. „Paschinjan, was hast du gemacht. Der besondere Status von Karabach ist in der Hölle gelandet“, erklärte Alijew mit einem fröhlichen Gesicht und fuchtelnden Armen.

Tatsächlich steht im Waffenstillstandsabkommen kein Wort über den Status von Nagorni-Karabach. Putins Sprecher Dmitri Peskow sah sich am Dienstag, 10. November 2020, gemüßigt darauf hinzuweisen, dass die rechtliche Lage von Nagorni-Karabach in Resolutionen des UN-Sicherheitsrates fixiert ist.

Armenien habe faktisch „seine Kapitulation im Krieg anerkannt“, erklärte der Präsident Aserbaidschans in seiner Ansprache. Das Waffenstillstandsabkommen sei für Aserbaidschan ein „maximal vorteilhaftes Dokument. (...) Paschinjan hat es unterschrieben, weil er keine andere Wahl hatte.“

Diese Aussage hat allerdings einen wahren Kern: Mit dem Verlust der Stadt Suscha, die unmittelbar vor Stepanakert, der Hauptstadt von Karabach liegt, sah die Lage für die Streitkräfte Armeniens düster aus. Es drohte die Umzingelung von Karabach durch aserbaidschanische Truppen. Dies wurde nun durch das Waffenstillstandsabkommen verhindert. In dem Abkommen ist festgeschrieben, dass die russische Friedenstruppe den fünf Kilometer breiten „Latschin-Korridor“ offenhält. Dieser Korridor ist jetzt die einzige Verbindung zwischen Armenien und Karabach.

Armenischer Premier selbstkritisch

Während in Baku die Menschen auf den Straßen jubelten, besetzten in Jerewan wütende Bürger das Parlament. Sie forderten den Rücktritt des „Verräters“ Paschinjan.

Der armenische Ministerpräsident erklärte am Dienstag erstaunlich selbstkritisch, Armenien hätte das Problem anders lösen können, wenn Armenien vor einem Jahr in die Rückgabe von fünf Bezirken eingewilligt hätte. Derartiges hatte übrigens schon Anfang der 1990er-Jahre Jefgeni Primakow , der damalige Leiter der russischen Auslandsaufklärung, vorgeschlagen. Primakow, der 1998 russischer Ministerpräsident wurde, hatte gesagt, sobald Aserbaidschan stark genug sei, werde es sich die besetzten Bezirke um Karabach zurückholen.

Keine Freude in Deutschland über „den Sieg Putins“

Ob jetzt Frieden in Nagorni-Karabach einkehrt, ist alles andere als sicher. Denn der Präsident von Aserbaidschan fühlt sich als Sieger in einem grausamen Krieg, den er mit neuen Vorwänden zu gegebener Zeit fortführen kann. Der türkische Präsident Erdoğan, der die Türkei Schritt für Schritt zu einer regionalen Großmacht ausbaut, hat sich mit seiner Unterstützung des Kriegsabenteuers um Nagorni-Karabach in einer Region festgesetzt, die bisher zu Russlands Einflussgebiet gehörte. Nachdenklich machen auch die Reaktionen aus Deutschland. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung freut sich nicht über das Friedensabkommen, sondern moniert, dass Putin mit dem Waffenstillstandsabkommen in der Region „gesiegt“ habe.


Quellen und Anmerkung:

(1) Video Bericht Rossija 24 https://www.vesti.ru/article/2483776

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