Laut einer Umfrage des Berliner Instituts Regierungskonforme Almanforschung (RAF) braten rund 50 Prozent der zwei befragten Teilnehmer ihre Steaks mit Sonnenblumenöl an. „Wir beobachten diese Entwicklung mit Sorge“, kommentierte Gesundheitsminister Karl Lauterbach die Forschungsergebnisse des Instituts und fügte hinzu: „Derlei fragwürdige Essgewohnheiten lassen auf einen hohen Prozentsatz an Putinverstehern in der Bevölkerung schließen.“ Der Bundesregierung lägen belastbare Informationen vor, dass der Einsatz von Sonnenblumenöl eine spezifische Eigenart der russischen Küche sei. Vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges sei es „moralisch fragwürdig“, dieses ausländische Brauchtum auch hierzulande nachzuahmen, so Lauterbach.
Dass an der Umfrage des RAF nur zwei Probanden teilnahmen, stellt für den Gesundheitsminister indes kein Problem dar, erfüllt sie doch exakt die Lauterbachschen Qualitätsstandards hinsichtlich der Mindestanzahl an Probanden in wissenschaftlichen Studien (4).
Überdies sei es „gesund und kostengünstig“, die eigenen Leibgerichte erst einmal in Mundspülungen zu schwenken. Bei einer durchschnittlichen Preissteigerung von 38,7 Prozent bei Speiseölen und Speisefetten (5) müsse man langsam anfangen, über wirtschaftlichere Alternativen nachzudenken. Austeritätsministerin Annalena Baerbock pflichtete ihrem Koalitionskollegen offiziell — also auf Twitter — bei:
„Die allgegenwärtige Verfügbarkeit von basalen Lebensmitteln ist Teil eines typisch deutschen Anspruchsdenkens, das wir dringend überwinden müssen. #Entspaßifizierung #MundwasserLiebe“
Um den erwartbar steigenden Bedarf an Mundspülungen zu decken, verhandelt die Bundesregierung derzeit über ein Subventionspaket in Höhe von 666 Millionen Euro, das in Form eines neu geschaffenen Sondervermögens direkt an die Firma hinter Listerine ausgezahlt werden soll. Bei dieser handelt es sich um den amerikanischen Megakonzern Johnson & Johnson (6), dessen Erfolgsprodukt „Covid-Impfung“ in Deutschland so gut ankam, dass die STIKO sie mit dem Prädikat „ungenügender Impfschutz“ auszeichnete (7).
Dieses Mal seien aber keine nachträglichen Warnungen aus Wirtschaft oder Wissenschaft zu erwarten. Anders geschehen bei Lauterbachs Empfehlung zur Zweckentfremdung von Staubsaugerfiltern vor rund zwei Jahren: Damals riet der Hersteller Swirl dringend davon ab, seine industriell gefertigten Filter zurechtzuschneiden und über Mund und Nase zu stülpen (1). Dabei könnten Giftstoffe freigesetzt und die Atemwege geschädigt werden. Der Gesundheitsminister in spe hielt dagegen, dass ja nicht alle handelsüblichen Filter solche Stoffe beinhalten würden. Und sein gesundheitsschädlicher Rat sei ja lediglich ein Vorschlag gewesen, „was man in der Not machen könnte“ (1). „Probieren geht über studieren“, fügte er hinzu.
Kritik von rechts
Damit sich Deutschland nachhaltig von russischem Speiseöl unabhängig machen könne, hält Lauterbach auch eine Mundwasserpflicht ab Oktober für denkbar. Bundesärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery, der dem Herbst mit Schaudern und Wut entgegensieht, warnte in diesem Zusammenhang bereits vor einer „Tyrannei der Speiseölverzehrer“.
Auch Innenministerin Fancy Naeser zeigte sich besorgt, dass gegen eine angedachte Mundwasserpflicht im Herbst womöglich jene Menschen auf die Straße gehen, die „schon in der Coronazeit ihre Verachtung gegen die Demokratie herausgebrüllt haben und dabei oftmals Seite an Seite mit Rechtsextremisten unterwegs waren“ (8).
Das könnten unter Umständen dieselben Leute sein, die „Öl fressen wie die Russen“. Der beste Schritt „hin zur Versorgungssicherheit“ sei die staatliche Unterstützung großer Mundwasserhersteller.
Auch Gesundheitsminister Lauterbach verteidigte das Subventionspaket gegen hartnäckige Kritiker. Auf Twitter betonte er mit Nachdruck, ihm sei von Experten mehrfach versichert worden, dass das Kochen mit Listerine medizinisch völlig unbedenklich sei. Er selbst exe seit Jahren regelmäßig mindestens ein Shotglas davon vorm Zubettgehen — dies sei auch das Geheimnis hinter seinen strahlenden Zähnen. Skeptiker dieser Praxis nannte er „Spülungsleugner“, die Verschwörungserzählungen verbreiten würden.
Außerdem war die Höhe des Listerine-Sondervermögens kritisiert worden, wenngleich es mit 666 Millionen Euro deutlicher geringer ausfallen würde als die kürzlich verabschiedeten 100.000 Millionen Euro Bundeswehrbezuschussung (9). Berichten zufolge ist bereits rund die Hälfte dieses Kontingents für die Restaurierung der Galionsfigur am Bug der Gorch Fock eingeplant.
Bei einer Weinverkostung im Kanzleramt am vergangenen Samstag wurde Lauterbach auf die Schulden angesprochen, welche die Bundesregierung derzeit anhäuft. Er verwies darauf, dass solche Fragen eigentlich dem Ressort seines Kollegen Habeck zu stellen seien, konnte sich aber eine Entwarnung nicht verkneifen:
„Wer behauptet, dass wir mit den Sondervermögen die nachfolgenden Generationen hoffnungslos verschulden würden, dem sage ich: Die kriegen doch sowieso keine Rente!“
Die Anschlussfrage, ob der leicht lallende Tonfall des Gesundheitsministers dem fortgeschrittenen Alkoholkonsum an jenem Abend zuzuschreiben war oder eher einem generellen kognitiven Niedergang, wollte ein persönlicher Sprecher Lauterbachs nicht kommentieren, während dieser schon unter dem Tisch lag.
Das Corona-ABC
„Wir kochen mit Listerine“ ist nicht die einzige Devise, die derzeit von der Bundesregierung ausgegeben wird. Unverändert setzt man hier auf Masken, Masken, Masken: Eine geplante Neufassung des Infektionsschutzgesetzes sieht vor, dass von Oktober bis Ostern in allen Innenräumen der Mund „geschützt“ werden muss (3). Ob dies auch ein öffentliches Redeverbot im Winter miteinschließt, um die potentiell rissigen Lippen der Bevölkerung zu schonen, wird noch diskutiert.
Abgekürzt wird diese neue Regelung mit dem eigentlich vom Reifenwechsel bekannten Merksatz: „O bis O“. Kanzler Olaf Scholz sprach sich allerdings dagegen aus, diese Formel auch auf andere Lebensbereiche zu übertragen, um zukünftig nicht als „Olaf Scho“ zitiert zu werden. Dennoch sei er stolz auf die griffige Sprache seines Kabinetts:
„Wie auch bei der AHA-Regel ist die Formulierung ‚O bis O‘ besonders kindgerecht gelungen. Sie steht damit sinnbildlich für unser Verständnis der Bürgerrolle im Staat.“
Die neue Maskenpflicht habe außerdem den Vorteil, inzidenzunabhängig zu sein und überhaupt an keinerlei überprüfbare Parameter geknüpft werden zu müssen (3). Man habe sich dabei an einer zentralen Forderung von Fridays for Future orientiert: „Trust the science!“
Nur dass in diesem Fall nicht auf die „science“ vertraut werden soll, sondern schlicht auf die Behauptung, dass die Regierung sich danach richten werde, allerdings ohne die entsprechenden Daten offenzulegen. Offenbar sind die Daten der Regierung derart wissenschaftlich, dass sie niemand zu wissen braucht. Politik grundsätzlich transparent und anhand von messbaren Kriterien zu gestalten, sei außerdem „altmodisch“ und längst nicht mehr Teil der Neuen Normalität, so Scholz.
Ausnahmen von dieser allgemeinen und evidenzunabhängigen Maskenpflicht sollen nur noch für frisch Geimpfte, Genesene und Getestete gelten. Und als „frisch geimpft“ gilt ab Oktober nur noch, wer sich alle drei Monate die Spritze geben lässt.
Kritik hagelte es natürlich sofort vonseiten der Länder. Diese Ausnahmen überprüfen zu müssen, sei nicht zumutbar, hieß es. Statt die Maskenpflicht also einfach abzuschaffen wie in zahlreichen anderen Ländern, wäre es wohl besser, wenn die Maskenpflicht einfach unterschiedslos für alle gelten würde, immer, ohne Ausnahme.
Diese Kritik zeigte Wirkung: Eine neue Vorlage des Kabinetts sieht nunmehr das Recht der Länder vor, auch Geimpften und Genesenen ab Oktober die Maske aufzuzwingen, ohne irgendeine medizinische Notwendigkeit begründen zu müssen. Das berichten Zeit, Spiegel und RND in beschönigender Sprache (10). Nur kürzlich Getestete dürften auf eine Ausnahme von der Maskenpflicht bestehen.
Da bleibt also nur eine Frage offen: Ist das noch Satire?
Quellen und Anmerkungen:
(2) https://www.agrarheute.com/markt/marktfruechte/russland-verbietet-export-sonnenblumen-raps-592111
(4) https://www.bz-berlin.de/deutschland/lauterbach-warnt-vor-long-covid-wegen-zwei-personen-studie
(6) Nachzulesen unter anderem im Impressum des Listerine-Onlineauftritts: https://www.listerine.de/
(7) https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/127987/Corona-Nachimpfung-bei-Johnson-Johnson-angeraten
(9) https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/sondervermoegen-bundeswehr-2047518