Medien-Erwachen
von Jörg Künzelmann
Zur Wendezeit stand ich an einem Sonntag am Bahnhof in einer Kreisstadt im Norden von Sachsen. Bei nasskaltem Wetter in einer großen Schlange von Menschen, die darauf warteten, ein Exemplar der BILD am Sonntag zu ergattern. Der Stapel wurde zusehends immer kleiner, je näher ich dem Ziel kam. Neugier war mein Antrieb, endlich mal eine „West-Zeitung“ in den Händen zu halten, dick und bunt.
Es war ein kalter, verregneter Tag und so bot es sich an, da ich nichts weiter zu tun hatte, dass ich mich auf den Weg machte, etwas Unterhaltsames und Wissenswertes aus dem Westen zu bekommen, wohlgemerkt an einem Sonntag. Und ich hatte Glück. Ich erwischte eines der letzten Exemplare. Zufrieden und glücklich ging ich nach Hause. Bei Tee und Naschereien machte ich es mir gemütlich und begann, diese Zeitung zu studieren.
Doch je mehr ich darin blätterte, umso unzufriedener wurde ich. Ein leeres Gefühl stellte sich zunehmend ein. Plattheit, nichts als merkwürdige Plattheit. Ich wollte es nicht glauben und kaufte mir eine Woche später wieder so ein Exemplar. Dasselbe Prinzip. Völlig unbefriedigend. Kein Kenntnisgewinn, auch keine wirklich gute Unterhaltung. Nichts. Nur so ein schales, unbefriedigtes Gefühl hinterher.
Ich erinnerte mich an Günter Wallraff mit seinem Buch über die BILD, was ich in einer DDR-Ausgabe vor Jahren gelesen hatte. Ich spürte es nun am eigenen Leib: Von BILD war nichts zu erwarten.
Gut, ich hätte auch andere und qualitativ bessere Zeitungen wählen können. Das probierte ich auch aus. Focus, Spiegel. Doch auch hier blieb immer ein unbefriedigendes und unklares Gefühl zurück. Ich konnte es schwer beschreiben.
Es gab kritische und gute Artikel, aber dann auch wiederum viel Beiwerk und Drumherum, Uninteressantes und alles so ausgeschmückt und zerredet. Viel Text und wenig Fakten. Und unendlich viel Werbung. Zu wenig auf den Punkt, hatte ich das Gefühl. Mir war das zu langatmig. So quälte ich mich über die Jahre.
Beim Fernsehen war es nicht viel anders. Und ich schaute viel Fernsehen. Es gab gute Sendungen und dann wiederum viele, die in mir ein ebenso merkwürdiges, unbefriedigendes Gefühl hinterließen. Ich wollte immer mehr wissen und da kam aber nichts. In politischen Talksendungen wurde sinnlos diskutiert oder besser unkonstruktiv gestritten und es wurden meiner Meinung nach nie die wesentlichen Fragen gestellt, jedenfalls nicht die, die in mir rumorten, die beantwortet sein wollten. Nichts. So quälte ich mich auch hier über die Jahre.
Den 11.September erlebte ich ebenfalls durch das Fernsehen. Ich glaubte an die offizielle Version. Nun in den 2000er Jahren bekam ich es immer mehr in meinem Beruf als Lebensmittelingenieur mit einer zunehmenden europäischen Bürokratisierung zu tun und ich begann langsam zu zweifeln, was das alles für einen Sinn machen soll und fragte mich, welche Interessen da eigentlich vertreten werden.
Eine tiefe Unzufriedenheit war in mir und ich beteiligte mich an den Protesten in Leipzig gegen den Irakkrieg. Ein Hauch von Wendezeiten war da, als wieder Tausende um den Leipziger Ring marschierten. Ich war begeistert.
Dazu passte später der Film „What the Bleep do we (k)now“, der in vielen Menschen eine Aufbruchstimmung auslöste, so auch in mir, was leider später wieder allgemein verebbte.
In den Jahren 2006 und 2007 ging ich ins Kino, um mir die kritischen Dokumentarfilme „We feed the world“ und „Unser täglich Brot“ anzuschauen. Ich war teils geschockt, teils fühlte ich mich bestätigt in meinem unmittelbaren beruflichen Erleben. Und ich hatte nun einen Computer und Internet zu Hause.
Als ich wiedermal so unzufrieden und wütend war durch das Fernsehen, hatte ich auf einmal die zündende Idee: Ich gab bei Google das Wort „Gesellschaftskritik“ ein und ich klickte auf den Link von „ASR (Alles Schall und Rauch)“ und auf einmal hatte ich das Gefühl, dass sich das Tor zu einer neuen Welt auftat. Schon der Titel dieses Blogs entsprach genau meinem Gefühl, wenn ich die Medien konsumierte.
Ja, auch Bücher sind Medien. Ich las das Buch „Schwarzbuch Globalisierung“ von Jerry Mander, was mir eine Freundin aus der Bibliothek mitbrachte. Das Buch zeigte die Mechanismen der Globalisierung auf. Ich war fassungslos. Globalisierung war doch bisher immer was Positives gewesen.
Gleichzeitig steckte mir jemand aus dem Bleep-(Film)-Diskussionsrunden-Kreis eine DVD mit dem Film „Zeitgeist Addendum“ zu. Das schlug bei mir ein wie eine „Bombe“. Ich war nur noch am Staunen: Geldsystem? USA-Politik? Imperium? 9/11? Kriege? Es deckte sich inhaltlich mit den Artikeln bei „ASR“. Und nun ging es Schlag auf Schlag. Immer mehr Quellen spürte ich auf. Besonders die Filme: „Unter falscher Flagge“ von Nuoviso-TV und der Film „Todesstaub“ von Frieder Wagner sowie später „Lets make money“ von Erwin Wagenhofer zeigten mir in aller Deutlichkeit die Skrupellosigkeit des kapitalistischen Systems. Nicht nur, wie in der DDR gelernt, im Vietnamkrieg, sondern eben auch noch in der jüngsten Vergangenheit und der Gegenwart.
Eine tiefe Kluft tat sich auf zwischen dem, was mir in den „normalen“ Medien berichtet wurde und dem, was solche kritischen Dokumentarfilme und Blogs aufzeigten. Endlich stellte sich bei mir ein zutiefst fesselndes und befriedigendes Gefühl ein, was ich bei den herkömmlichen Medien immer vermisst hatte. Endlich zeichneten sich Kausalitäten ab, man konnte Zusammenhänge erkennen, die vorher nicht zu erkennen waren, als ob ein Puzzle nur lückenhaft vorhanden war. Nun kam ein Puzzleteil nach dem anderen zum Vorschein und das Gesamtbild war zu erkennen. Für mich war es kriminalistisch äußerst spannend, als ob ich dabei war, ein ungeklärtes Verbrechen aufzuklären. Nur leider sind die Täter nicht dingfest gemacht worden. Sie laufen immer noch frei herum.
In den letzten Jahren hatte ich die Mainstreammedien parallel zu den alternativen Medien verfolgt. Doch nun ist es so, dass ich keine Lust mehr habe, die wenigen „Rosinen“ beim Mainstream herauszupicken. Da bleiben eigentlich für mich nur noch solche Sendungen, wie „Die Anstalt“ und „Mann, Sieber“ übrig, die hervorragende Aufklärungsarbeit leisten und wesentliche Zusammenhänge aufdecken und darstellen, insbesondere die erstgenannte Sendung. Die sogenannten „alternativen“ Medien sind nun meine Hauptquelle geworden und ich entrichte gern meinen Beitrag dafür. Vielen Dank für die gute Arbeit.
Ich schaue trotzdem noch regelmäßig bei „Spon“ (Spiegel Online) rein und mir wird jedes Mal bewusst, wie die Manipulation läuft und wie absurd das Ganze ist. Für die Zukunft würde ich es toll finden, wenn die „Alternativen“ einen eigenen Radio- und/oder Fernsehsender hinbekämen, so dass man von YouTube unabhängig wird. Dann würden die Publikumszahlen durch die Decke schießen, vermute ich. Aber das würde dieser Staat nie zulassen, befürchte ich.
Jörg Künzelmann, Jahrgang 1963, ist Diplom-Lebensmittelingenieur und beschäftigt sich nebenberuflich mit Natur, Astronomie, Politik, Kultur, Kunst, Psychologie, Gehirnforschung, Kriminalistik und alternativen Gesellschaftsmodellen und lebt in Leipzig.
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.rubikon.news/artikel/gemeinsam-verandern-wir-die-welt
(2) https://www.rubikon.news/kolumnen/leser-aktion