Wir hören und lesen es seit vorchristlicher Zeit: Der Mensch ist Seinesgleichen nicht wohlgesonnen. Kaum hatten Adam und Eva der paradiesischen Einheit den Rücken gekehrt, erschlug ihr ältester Spross den jüngeren. „Homo homini lupus — der Mensch ist des Menschen Wolf“, heißt es in einer Komödie des römischen Dichters Titus Maccius Plautus (254 bis 184 vor Christus), bevor der Ausspruch durch Thomas Hobbes (1588 bis 1679) zum geflügelten Wort wurde. Seitdem zieht es durch die Welt und setzt sich in unseren Köpfen fest. Mit ihm erhielt die aufgeklärte Gesellschaft ihr Fundament. So werden wir bis heute nicht müde zu betonen, dass jeder Versuch, miteinander Freundschaft zu schließen, verlorene Liebesmüh ist.
Alle Bestrebungen, untereinander in einem dauerhaften und fruchtbaren Frieden zu leben, müssen fehlschlagen. Immer wieder, so bilden wir uns ein, wird einer daherkommen, der versucht, uns über den Tisch zu ziehen, uns Haus, Gut und Weib streitig zu machen, nach unserer Ehre und unserem Leben zu trachten — oder uns ohne Maske gegenüber zu treten. In dieser unerhörten Bedrohung gipfelt heute das Misstrauen, das wir seit jeher unserem Nächsten gegenüber hegen. Doch während wir früher im anderen noch das Wilde sahen, fürchten wir ihn heute vor allem als Träger gefährlicher Infektionen.
So hat sich der Mensch vom Wolf, einem doch immerhin als kraftvoll und gerissen geltenden Tier, zu einer nicht mal eindeutig dem Lebendigen zuordenbaren Struktur degradieren lassen. Unbemerkt tragen wir alle möglichen Viren und Mikroben mit uns herum und werden, auf noch hinterhältigere Art als der böse Wolf, zur Gefahr für uns selbst und andere. Heimtückisch breiten sich die Winzlinge in und auf uns aus und machen uns zu potenziellen Mördern. Jedes Niesen, jedes mit Elan ausgesprochene Wort kann zur tödlichen Falle werden.
Da hilft nur eines: Distanz! Während wir uns vorsorglich die Haut kaputt desinfizieren, ihren natürlichen Schutzschild zerstören und den kleinen Eindringlingen damit Tür und Tor öffnen, lassen wir uns artig die Maulkörbe anlegen. Nachdem wir den Wolf und mit ihm fast alle großen wilden Tiere so gut wie ausgerottet haben, ist es nicht mehr der zähnefletschende Schlund einer wilden Bestie, der uns zur Gefahr wird, sondern das unsichtbare Treiben der winzigsten Erdbewohner. Verängstigt vom Lärm der medialen Sirenen werden wir zu Schoßhunden und hoffen auf Frauchens starke Hand.
Das Gesicht verlieren
Wir wissen heute, dass das „kleine Leben“ absolut überall ist: im Polareis, im Wüstensand, in der Erdatmosphäre und auf dem Stuhl, auf dem wir gerade sitzen. Kein Kleidungsstück kann uns davor schützen, mit dem Mikrobencocktail unseres Vorsitzers in Kontakt zu kommen. Wir sind von Wolken aus Mikroben umgeben und können nicht verhindern, dass sie wie in einem kontinuierlichen Regen auf uns herabfallen. Selbst wenn wir uns einmauern ließen: Nichts würde die winzigen Überlebenskünstler, die sich in Windeseile an jede neue Situation anzupassen vermögen, daran hindern, zu uns zu gelangen.
Hiermit soll nicht infrage gestellt werden, dass das Tragen von Masken in bestimmten Situationen sinnvoll sein kann. Sie jedoch als dauerhafte Schutzmaßnahme für die gesamte Bevölkerung durchzusetzen, zeugt von einer Verblendung, die von den Prinzipien des Lebendigen nichts begriffen hat.
Anstatt uns darüber Gedanken zu machen, wie wir unser Immunsystem stärken können, wie wir die großen Killer Stress und Angst überwinden und der dramatischen Zerstörung unseres Lebensraumes ein Ende machen, klammern wir uns an ein paar Stoff- und Papierfetzen und bilden uns ein, sie könnten das Übel von uns fernhalten.
Für den vermeintlichen Schutz nehmen wir freiwillig etliche Unannehmlichkeiten in Kauf. Die Masken kosten Geld und tragen sich lästig. Wir können nicht mehr richtig durchatmen und wissen nicht, woher das Zeug überhaupt kommt und mit welchen Chemikalien es durchsetzt ist. Wir akzeptieren, über Stunden unsere eigene verbrauchte Luft einzuatmen. Standhaft ertragen wir Luftnot, Kopfschmerzen, Bedrückung und Angstzustände und hindern unser Gehirn daran, ordentlich durchblutet zu werden und entsprechend zu funktionieren. Nachdem wir über viele Wochen die Jüngsten eingesperrt und die Ältesten alleine sterben lassen haben, akzeptieren wir, gerade die Schwächsten der Gesellschaft noch stärker zu traumatisieren, als sie es ohnehin schon sind.
Augen zu und durch!
Wer diese Akte der Unmenschlichkeit mit zusammengepressten Zähnen erträgt, der ist zu allem bereit. Erzählte man ihm, er müsse seinem Nächsten oder sich selbst zur Sicherheit den kleinen Finger abschneiden, so würde er es vermutlich tun. Sicherheit scheint zum höchsten Gut der Menschheit geworden zu sein. Überleben um jeden Preis! Haben wir nicht ein Recht auf Gesundheit!? Um die von oben verordnete Krise schnellstmöglich hinter uns zu bringen, flüchten wir uns in blinden Gehorsam.
Wehe denen, die sich nicht an die Regeln halten, während man selbst sich abmüht, den unbequemen Verordnungen Folge zu leisten! Wer das nicht ebenso tut, der muss verrückt sein! Wie im Tollhaus zeigen diese Unverantwortlichen Gesicht, gehen auf die Straße und signalisieren: Ohne mich! Ich bin anderer Meinung! Wer die von oberster Stelle durchgedrückten Maßnahmen anzweifelt, der kann nur ein Anti-Demokrat sein, ein Verschwörer, der sich in den Extremen verirrt hat! Leben wir nicht in einer Demokratie? Haben wir die Befehlenden nicht selbst gewählt? Unser Kreuz gemacht und unsere Stimme für sie abgegeben? Dann müssen wir jetzt eben auch tun, was sie uns auferlegen. Wird schon zu unserem Besten sein.
Während die Machthabenden kein Mittel scheuen, die Menschen gegeneinander aufzuhetzen, indem sie die Protestierenden lächerlich machen und anschwärzen, während gezielt verhindert wird, dass die Menschen an einem Tisch zusammenkommen und argumentieren statt verurteilen, werden rechtschaffene Bürger zu Denunzianten und Mitläufern. Die Masse johlt oder schaut schweigend zu, wenn die paar bekannten Persönlichkeiten, die den Mut haben zu zeigen, dass sie selbstständig denken, medial hingerichtet werden.
So geschickt wird die Spaltung immer weiter vorangetrieben, dass nur wenige in diesem Verhalten die Mechanismen erkennen, die einem totalitären System den Weg ebnen. Wir graben uns schließlich alle zusammen selbst eine Grube. Während Verwirrung gesät und die Dinge in ihr Gegenteil verzerrt dargestellt werden, werden Zweifler und Kritiker belächelt, ausgegrenzt und gebrandmarkt. Immer lauter erklingt der Ruf nach Zensur. Was nicht in die offiziell genehmigte Denkweise passt, wird ausradiert. Die andersdenkende Minderheit wird vorgeführt, stigmatisiert und kriminalisiert. Kaum jemand scheint sich zu fragen, warum alle das tun sollen, was bei muslimischen Frauen und Demonstrierenden inakzeptabel ist: sich das Gesicht verbergen.
Recht auf körperliche Unversehrtheit
Mit der Akzeptanz dieses Sichverhüllens wird offensichtlich, dass wir tatsächlich selbst nicht mehr zu wissen scheinen, wer wir sind. Hat derjenige, der sich an einer unsichtbaren Leine führen lässt, noch Zugang zu sich selbst? Hat er dem Recht auf Gesundheit seine Würde geopfert? Vor allem aber verwechselt er etwas: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich“, heißt es im Artikel 2 unseres Grundgesetzes. Gesundheit und körperliche Unversehrtheit sind nicht dasselbe.
Das, worum es in unseren Grundrechten geht, ist nicht das Versprechen, gesund zu sein, sondern die Gewährleistung, dass jeder Mensch über seinen eigenen Körper bestimmt.
Doch genau dieses Recht kommt uns gerade abhanden. Wir bekommen einen Maulkorb aufgesetzt, der uns dauerhaft daran hindert, dass unser Gehirn mit genügend Sauerstoff versorgt wird, um klar denken zu können. Wenn wir jetzt nicht aufpassen, stehen uns in naher Zukunft Verfolgungsapps, Drohnenüberwachung, Zwangsimpfung und Implantate ins Haus, die uns nicht nur zu gläserneren und vollkommen manipulierbaren Menschen machen, sondern die Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben werden, deren Ausmaß uns heute nicht im Mindesten bekannt ist. Dennoch scheinen viele von uns bereit, dieses Risiko für sich und für die Menschen, die sie lieben, anzunehmen.
Mangelndes Selbst-Bewusstsein
So zeigt die Bereitschaft der Bevölkerung, sich eine Maske aufzusetzen, vor allem eines: Das blanke Überleben scheint uns wichtiger geworden zu sein als das Leben selbst. Somit kommt heute zur Reife, was in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten angelegt wurde. Hat man uns nicht immer wieder gesagt, dass wir evolvierte Tiere sind, die ein Leben ohne Sinn führen? Zufällig und zusammenhangslos ins Universum geworfen, dazu verdammt, eine Existenz zwischen Nahrungsaufnahme und –ausscheidung, Fortpflanzung und Schlaf, Arbeit, Konsum und Ablenkung zu ertragen? Ein leeres Konglomerat aus Fleisch und Knochen, ein Körper ohne Seele, ein Nichts ohne Bedeutung?
Wer sich so fühlt, der muss freilich alles daran setzen, sich möglichst lange an seine nur allzu schnell vergängliche Hülle zu klammern, bevor alles wieder vorbei ist und seine Existenz im Kosmos verglüht. Er muss jeden zur Seite schieben, der ihn daran hindert, seine innere Leere mit vermeintlichen Sicherheiten zu füllen. In seiner trostlosen Ohnmacht muss er sich an jedem noch so kleinsten Brocken Sicherheit festhalten, der ihm zugeworfen wird — und sei es nur eine Maske aus Papier.
Wer nicht weiß, wer er ist, der muss all jene zurückweisen, die ihn daran erinnern, dass er sich vielleicht auf einem falschen Weg befindet. Zahm lässt er sich an die unsichtbare Leine nehmen und vergisst dabei, über welche großartigen Fähigkeiten ein Mensch verfügt. Er weiß nicht mehr, welches Licht in ihnen glimmt. Er schottet sich von seinen Nächsten und selbst von seinen Liebsten ab, hält sich schließlich alle vom Leib, die sein Leben lebenswert machen, und bildet sich ein, damit auf der sicheren Seite zu stehen.
Vom Entweder-oder zum Sowohl-als-auch
Währenddessen finden sich die zusammen, deren Herzen noch schlagen. Sie steigen in den Strom des Lebendigen und geben ihrem Immunsystem Gelegenheit, sich im Kontakt mit anderen zu stärken. Sie tauschen sich miteinander aus, hören einander zu und erkennen, dass Vielfalt und Komplementarität die Basis einer funktionierenden Gemeinschaft sind. Sie sehen, dass die Pole sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern ergänzen, dass es eine rechte und eine linke Seite geben muss und dass ein gesundes System beides braucht: Hirn und Herz, Logik und Gefühl, das individuelle und das allgemeine Wohl, horizontale und vertikale Orientierung, Bewahrung und Erfindungsgeist.
Die Epoche des kriegerischen, sich ausschließenden Entweder-oder geht vorbei. Wir treten in eine neue Zeit, in der ein Sowohl-als-auch Geltung findet, eine Zeit, in der sich die Dinge ergänzen und die Menschen überwinden, was sie daran hindert, sich zu umarmen.
Es geht in ihr nicht mehr um das blanke Überleben, sondern um das volle Leben und alles, was es glücklich macht: Kooperation, Gemeinschaft, Vertrauen, Freude. So nimmt der Mensch schließlich in seiner vollen Größe den Platz ein, der ihm gebührt: den Thron seines inneren Königreiches. Hier herrscht er allein. Von hier aus wird er zum Schöpfer und schickt in die Welt hinaus, was sie wieder heil macht.
Das erneute Erlangen unserer Souveränität und die volle Übernahme der Verantwortung für uns selbst strahlt von innen nach außen. Keine Verordnung, kein Zwang, kein menschengemachtes Gesetz kann diesem Licht widerstehen. Somit sind die Barrieren durchlässig geworden. Es gibt keinen Feind mehr, weder innen noch außen. Alle zusammen beginnen, gemeinsame Sache zu machen, zusammen kreativ zu werden und dabei Spaß zu haben. Wie von selbst bilden sich lebendige Gesprächskreise, die keine Hierarchien brauchen. Auf natürliche Weise entstehen wie aus sich selbst heraus organische Strukturen, die dem allgemeinen Wohl verpflichtet sind.
An Ideen hierfür mangelt es nicht. Wir hängen unsere stupiden Jobs an den Nagel und machen das, wovon alle etwas haben. Wir erzeugen unsere Nahrung im Einklang mit der Natur, achten ihre Rhythmen und Zyklen und erkennen ihre Gesetze als den höchsten Wert an. Wir lauschen dem Wind in den Bäumen und den Insekten in den Blumenwiesen. Wir verbringen unsere Zeit wieder mit säen und ernten, kochen und gemeinsam essen. Wir erzählen uns Geschichten, lachen, singen und feiern, wenn uns der Sinn danach steht. Wer dann noch Lust hat, zu Hause zu bleiben und sich zu verschanzen, der mag das tun. Alle anderen nehmen sich das Recht, das zu machen, was die meisten von uns sich so sehnlichst wünschen: gemeinsam Sinnvolles verrichten und ganz Mensch sein.
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Quellen und Anmerkungen: