„Zero Waste“ ist das Stichwort, unter dem jene Bewegung zusammengefasst wird, die sich damit beschäftigt, ihren persönlichen Müllausstoß zu verringern. Bei weitergehender, individueller Recherche mithilfe der Lieblingssuchmaschine ist dies also auch der Begriff, der die meisten Treffer verspricht.
Die „Zero Waste“-Bewegung, so man denn von einer Bewegung sprechen will, geht umweltbezogene Probleme da an, wo jeder Einzelne zu einem Wandel beitragen kann: im täglichen Leben. Immer weiter stieg das individuelle Müllaufkommen in den letzten Jahrzehnten, und dem etwas entgegenzusetzen, ist Ziel des „Zero Waste“.
Jeder kann dazu beitragen, seine eigenen, negativen Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern. Auch Menschen, die sich nicht primär mit Umweltthemen beschäftigen, können durch Integration der hier vorgestellten Veränderungen in ihr Leben einen Beitrag zum Umweltschutz leisten.
Was also ist „Zero Waste“ genau, wie funktioniert das, muss ich mich irgendwo anmelden?
Natürlich gibt es keinen Verein, bei dem man einfach monatlich einen kleinen Betrag bezahlt, um Mitglied zu werden. Nein, „Zero Waste“ ist ein Wandel im Einkaufs- und Konsumverhalten. Wandel, das klingt zunächst wenig erstrebenswert.
Viele Menschen haben sich ihr Leben auf eine bestimmte Weise eingerichtet, sich Verhaltensweisen angeeignet, die sie immer und immer wiederholen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, und genau das kann man sich zunutze machen, wenn man sich für ein Leben ohne Müll entscheidet.
Denn Verhaltensweisen und das eigene Kaufverhalten sind eine Sache der Gewohnheit – und Gewohnheiten lassen sich ändern. Dazu bedarf es einer gewissen Hartnäckigkeit, um Routinen zu etablieren, doch nach einer gewissen Zeit werden die neuen Angewohnheiten und Verhaltensweisen so normal, als habe man nie anders gelebt.
Konsumverhalten reflektieren
Doch kommen wir zum Thema. Viele Menschen, die mit den kapitalistisch aufoktroyierten Lebensweisen hadern, hegen zwar insgeheim den Wunsch, an einem Wandel mitzuwirken, wissen aber nicht so recht, wie. Wie also beginnt man damit, ein müllfreies Leben zu führen?
Der erste Schritt ist ganz simpel: Führen Sie sich Ihr persönliches Einkaufs- und Konsumverhalten vor Augen. Was kaufen Sie, weil sie es benötigen, was kaufen Sie nur, weil Sie es haben wollen, ohne es wirklich zu brauchen? Ein erster Schritt ist, Verschwendung zu vermeiden und sich vor allem von Überfluss freizumachen. Jedes Jahr ein neues Smartphone, ist das wirklich notwendig? Alle paar Jahre ein neues Auto, muss das sein? Kann ich nicht viel mehr Wege mit dem Fahrrad zurücklegen oder zu Fuß gehen? Jede Saison neue Kleidung, nur weil ein von der Modeindustrie gesetzter Trend mir das einredet? Dienen diese Trends nicht ohnehin mehr den Gewinnen der Konzerne als dem Kunden? Muss es denn überhaupt neue Ware sein, oder kann ich manche Dinge nicht besser gebraucht kaufen?
Wenn man erst einmal einen Überblick über sein Konsumverhalten hat, ist es leicht, jene Dinge herauszufiltern, die man wirklich zum Leben braucht. Das heißt natürlich nicht, dass Sie leben sollen wie Diogenes in seiner Tonne (es sei denn, Sie verbinden das mit einem erfüllten und glücklichen Leben, dann lassen Sie sich von uns nicht aufhalten).
Doch es gibt viele Dinge, die schlicht nicht notwendig sind. Diese aus seinem Leben zu verbannen ist ein erster Schritt, mit dem individuelle Müllverursachung und Verschwendung schon etwas eingeschränkt werden.
Vorbild Großeltern
Ein weiterer Schritt ist es, Einwegprodukte aus dem Leben zu verbannen. Das sind jene Produkte, die nach einmaligem Gebrauch entsorgt werden. Plastiktrinkhalme sind das Paradebeispiel überflüssiger Einwegprodukte. Sie erfüllen nicht nur keinen tatsächlichen Zweck, sondern enthalten in der Regel auch gesundheitsschädliches Bisphenol A und landen noch dazu häufig im Meer, wo sie von Meerestieren verschluckt werden. Kaufen Sie also solche Trinkhalme einfach nicht mehr. Falls Sie auf Trinkhalme jedoch nicht verzichten können, gibt es Ersatz aus Edelstahl oder Glas. Diese sehen nicht nur stilvoller aus, sondern lassen sich auch spülen und immer wieder verwenden.
Ein weiteres Einwegprodukt sind Papiertaschentücher. Eine Frage, die oft bei der Vermeidung von Müll hilft, ist:
„Wie hätten es meine Großeltern gemacht?“
Natürlich war früher nicht alles besser. Doch das individuelle Müllaufkommen war geringer, da man oft länger haltbare oder natürlichere Produkte verwendet hat. Statt Papiertaschentüchern haben die Großeltern Stofftaschentücher verwendet. Diese sind waschbar und halten sehr lange, was, nebenbei bemerkt, auch den Geldbeutel schont.
Verdeutlichen Sie sich also, welche Einwegprodukte Sie verwenden. Dazu kann es hilfreich sein, eine Müll-Liste zu führen, auf der Sie über einen kontinuierlichen Zeitraum, beispielsweise eine Woche, gewissenhaft (!) alles dokumentieren, was Sie wegwerfen – sowohl zuhause als auch unterwegs. Danach haben Sie einen besseren Überblick über Ihr Konsumverhalten und können unter anderem überlegen, wie Sie Einwegartikel ersetzen können. Hierbei ist auch das Internet eine gute Informationsquelle.
Sicher sind Ernährung, Haushalt und Hygiene die zentralen Felder bei der Müllvermeidung. Doch es ist in allen Lebensbereichen möglich, der Verschwendung von Ressourcen entgegenzuwirken. Mit Ihrer Müll-Liste könne Sie herausfinden, wo sich bei Ihnen etwas ändern lässt. Manchmal müssen Sie dabei noch nicht einmal nach Ersatz suchen, sondern nur ihr Verhalten an die Gegebenheiten anpassen.
Schreiben Sie etwa, so wie ich (Melina), nach wie vor am liebsten auf Papier? Dann hier meine Empfehlung: Seit Jahren schon wandert bei mir kein Stück Papier in den Mülleimer, das nicht auf allen Seiten beschrieben oder bedruckt ist. Ich habe mir ganz einfach eine Zettel-Box angelegt, in der vom Briefumschlag bis zu Testdrucken alles Beschreibbare gesammelt und schließlich weiterverwendet wird.
Ungeliebtes Plastik
Ein wichtiger Aspekt des „Zero Waste“ ist es, insbesondere Plastikmüll zu vermeiden. Wenn Sie nun also Ihr Konsumverhalten vor Augen haben, überlegen Sie, wo genau Plastik dabei eine Rolle spielt. Sie werden feststellen, dass die meisten Waren, die Sie kaufen, mit Plastik in Berührung kommen. Seien es die Tüten im Supermarkt oder am Gemüsestand, seien es die Plastikverpackungen, in die heutzutage beinahe alles eingepackt ist. Diese zu umgehen erscheint erst einmal schwierig, doch mit ein wenig Überlegung und Suchen ist es möglich, auch diesen Müll einzudämmen.
Am einfachsten ist es natürlich, wenn es in Ihrer Stadt einen Unverpacktladen gibt. Das Prinzip dahinter ist es, alles unverpackt zu verkaufen. So kann man sich dort flüssige Waren in eigens mitgebrachte Glasflaschen füllen lassen, ebenso die sogenannten Streugüter, wie zum Beispiel Haferflocken, Erbsen, Linsen und so weiter. Diese kann man dort aus Spendern direkt in ein mitgebrachtes Gefäß füllen. Finden Sie also heraus, ob es einen solchen in Ihrer Stadt gibt.
Leben Sie in einer größeren Stadt, ist das mittlerweile sogar ziemlich wahrscheinlich. Doch auch in kleineren Städten kann man diese Geschäfte vermehrt finden. Sind sie Kapitalist und suchen noch nach einer sinnvollen Investitionsmöglichkeit – eröffnen Sie doch einfach eines!
Doch auch, wenn sich in Ihrer Nähe kein solcher Laden befindet, lässt sich das Plastikaufkommen zumindest verringern. Auf Wochenmärkten zum Beispiel gibt es die meisten Waren ebenfalls unverpackt; zudem kann man dort regional und saisonal einkaufen, wovon die Umwelt und die eigene Gesundheit zusätzlich profitieren.
Nehmen Sie Stoffbeutel zum Einkaufen mit, anstatt sich Plastiktüten geben zu lassen. Bestehen Sie auch im Gemüseladen oder der Bäckerei darauf, die Waren direkt in einen mitgebrachten Beutel füllen zu lassen. Dies kann auch den Nebeneffekt haben, dass man mit seinem Verhalten interessante Gespräche anregt, und so das Bewusstsein für die Problematik des zunehmenden Mülls schärft.
Wenn Sie Käse oder – wenn sie nicht vegetarisch leben – Fleischwaren einkaufen, lassen Sie sich die Ware in mitgebrachte Dosen legen. Hier sind die Angestellten oftmals skeptisch, da sie gesetzliche Hygieneregeln einzuhalten haben. Allerdings gelten diese in den meisten Fällen nur hinter der Theke, es ist also möglich, sich Produkte über diese hinweg reichen zu lassen oder das eigene Behältnis darauf abzustellen.
In jedem Fall sind beim Bestellen zwei Dinge gefragt: Freundlichkeit und Bestimmtheit. Stellen Sie gleich zu Anfang klar, was Sie möchten. Oft folgt das Personal einfach seinen erlernten Mustern, sodass die Handgriffe des Verpackens bereits automatisch durchgeführt werden.
Sinnvoll ist es daher auch, erstmal nachzufragen, ob man eigene Behältnisse verwenden kann, bevor man bestellt. Im besten Falle werden Sie Stammkunde, denn Vertrauen bedingt Verständnis. Und lassen Sie es ruhig zu, dass andere Kunden von Ihrem veränderten Verhalten Wind bekommen.
Hygiene- und Reinigungsartikel
Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft Wasch- und Pflegeprodukte. In vielen Waschmitteln, Seifen, Shampoos oder Duschlotionen sind heutzutage gesundheitsschädliche Erdölderivate, Parabene oder Silikone. Auch wenn Sie Naturkosmetik kaufen, bringt diese immer noch das Problem mit sich, dass sie in Plastik verpackt ist. Das liegt daran, dass sie neben den Wirkstoffen noch einen großen Teil Wasser enthält. Sie bezahlen also zu einem großen Teil reines Wasser, dem einige Giftstoffe beigemischt sind. Wäre es da nicht sinnvoller, die Wirkstoffe in reiner Form zu kaufen und selbst mit dem Wasser zu vermischen?
Die Natur stellt uns entsprechende Wirkstoffe reichlich zur Verfügung. So ist es möglich, sich die Haare mit einer Mischung aus Roggenmehl und Wasser zu waschen – Ja, Sie können mit einem Sauerteig duschen. Wenn Sie ihre Shampooflasche durch die reine Papierverpackung des Roggenmehls ersetzen, haben Sie schon einen entscheidenden Schritt in Richtung Zero Waste gemacht. Natürlich ist es immer noch besser, auch die Zutaten vollständig unverpackt zu kaufen, doch das ist an vielen Stellen schwierig, wenn man keinen Unverpacktladen in der Nähe hat.
Duschlotion lässt sich durch ein einfaches Stück Seife ersetzen. Achten Sie hier jedoch darauf, dass diese kein Palmöl enthält und nicht in Plastik verpackt ist. Finden Sie so etwas nicht in Ihrer Drogerie, probieren Sie alternative Läden. Oft kann man zum Beispiel im Weltladen fündig werden.
Auch Deo bringt als Umweltproblem nicht nur die Verpackung mit sich, sondern enthält auch oft gesundheitsschädliches Aluminium, und in den meisten Fällen Treibgase. Befüllen Sie also stattdessen eine Sprühflasche, die über einen Zerstäuber verfügt, mit einer Mischung aus Wasser und Natron.
Natron ist ohnehin ein Hausmittel, auf das man, wenn man mit „Zero Waste“ Ernst macht, kaum verzichten kann. Nicht nur kann man sich damit, vermischt mit Zimt, mit einer plastikfreien Bambuszahnbürste die Zähne putzen, es lässt sich daraus auch Reinigungsmittel herstellen. Gekauft in der Apotheke bekommen Sie es in einer reinen Pappverpackung. Wenn Sie es auch unverpackt finden, lassen Sie es uns gerne wissen.
Für Frauen mit regelmäßiger Monatsblutung bietet sich eine Menstruationstasse an. Diese besteht aus medizinisch geprüftem Silikon und ist bis zu zehn Jahre verwendbar. Das sorgt nicht nur für die Vermeidung von monatlich anfallendem Müll, sondern auch für eine bedeutsame Kostenersparnis.
Weiter stellt sich die Frage, wie man seine Kleidung wäscht, wenn man auf industrielle Waschmittel verzichten soll. In den letzten Jahren haben sich, in einer kleinen Nische, Waschnüsse aus Indien etabliert. Diese bringen jedoch zwei große Probleme mit sich. Zum einen findet man auch diese kaum ohne eine Plastikverpackung. Zum anderen hat ein vermehrter Konsum dieser Waschnüsse hier in der westlichen Welt zur Folge, dass deren Preise in ihren Herkunftsländern dramatisch ansteigen und die Menschen vor Ort sich diese dann nicht mehr leisten können.
Waschnüsse aus Indien sind daher keine ökologisch sinnvolle Option. Doch was wäre, wenn ich Ihnen sage, dass es so etwas Ähnliches auch hier, in Deutschland, gibt? Kastanien nämlich enthalten Saponine, jenen natürlichen Stoff, der auch den Waschnüssen ihre reinigende Kraft verleiht. Sie lassen sich aus dem in Wasser eingelegten Kastanienpulver herauslösen und zu Waschmittel verarbeiten. Dabei ist es jedoch empfehlenswert, bei jedem Waschgang auch etwas Natron in die Waschschublade zu geben, um Gerüche loszuwerden.
Einfach mehr Natürlichkeit
Nachdem wir nun eine Fülle von Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt haben, möchten wir uns nochmals dem Begriff „Zero Waste“ widmen, denn er trägt eine gewisse Radikalität in sich: Zero, Null, die komplette Reduktion. Das kann überfordern. Kann man das Müllproblem tatsächlich nur angehen, indem man rigoros und sofort handelt? Das würde einen Aktionismus verlangen, zu dem viele Menschen nicht bereit sind, sehen sie sich doch mit einem alles umspannenden System konfrontiert, in dem Verpackungsmüll unvermeidbar scheint.
Man könnte „Zero Waste“ als Ideal bezeichnen: erstrebenswert, doch unerreichbar. Natürlich könnte man uns nun Wortklauberei vorwerfen. Dennoch möchten wir noch einen anderen Begriff vorschlagen, der den Zweiflern mehr Raum zum Ausprobieren lässt: „Minimal Waste“.
So möchte ich (Melina) auch meinen eigenen Lebensstil bezeichnen. Vielleicht bewege ich mich auf „Zero“ zu, doch realistisch gesehen betreibe ich „Minimal Waste Production“. Aber bereits das ist ein großer Schritt – oder vielmehr eine Serie aus vielen kleinen Schritten – und ein wertvoller Beitrag zu einer nachhaltigeren Gestaltung unserer Umwelt.
Jeder kann sich darum bemühen; schwer ist es nur, wenn man es sich schwermacht. Denn tatsächlich sollte die Vermeidung von Müll das Leben einfacher machen, uns ein unbeschwerteres Lebensgefühl geben. Müll ist ein Ausdruck all des unnötigen Ballastes, der uns täglich umgibt – und überfordert. Nicht umsonst gibt es in den letzten Jahren vermehrt Gegenbewegungen zur Konsumgesellschaft: Achtsamkeit, Entschleunigung, Minimalismus, um nur ein paar zu nennen.
„Zero/Minimal Waste“ führt ebenfalls nicht nur zu mehr Unbeschwertheit, sondern auch zu mehr Natürlichkeit. Die Natur produziert keinen Müll. In ihren Kreisläufen gibt es nichts, was unnötig oder wertlos wäre. Dass der Mensch jedoch solche Mengen an Müll erzeugt, ist ein deutlicher Beweis dafür, wie sehr er sich bereits von der Natur entfernt hat. Der Verlust vom direkten Bezug zur Natur ist überall um uns herum spürbar und bedingt den größten Teil der Umweltproblematik: Wir sehen nicht mehr, was wir mit unserem Tun auslösen.
Also machen Sie die Augen auf und fangen Sie an, Ihr Müllaufkommen zu reduzieren – Sie werden sehen und spüren, wie gut das tut!
Felix F., Jahrgang 1992, ist ein kritischer und bisweilen belustigter Beobachter des alltäglichen Wahnsinns der medialen Hysterie. Hauptberuflich ist er besorgt um den Zustand der Demokratie und des Planeten im Allgemeinen, als Hobby studiert er Jura. Gerne würde er sich aus jeder öffentlichen Debatte heraushalten und die Menschheit sich selbst überlassen, kann aber dem natürlichen Drang, seine Meinungen und Ansichten in Worte zu kleiden, nicht widerstehen.
Melina Cenicero, geboren 1993, studiert im Master Translation mit Fremdsprache Englisch. Nach jahrelangem Verfassen von Prosa und Lyrik in zwei Sprachen erkundet sie nun auch journalistische Gefilde. Bei jedweder Art des Schreibens ist sie stets bestrebt, ihre beiden größten Leidenschaften zu vereinen: Natur und Sprache. Besonders am Herzen liegt es ihr, erstere durch letztere zu fassen und zu bewahren.