Krise des Vertrauens

Die Impfpflicht markiert das Ende einer Märchenstunde, die uns vorgegaukelt hatte, dass der Ethikrat irgendetwas mit ethischem Handeln zu tun hätte.

Der Deutsche Ethikrat empfiehlt die „Prüfung“ einer Corona-Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen — und die Deutsche Krankenhausgesellschaft ruft Hurra (1). Es verhält sich wie immer in solchen Fragen: Wenn man von der Sachlage, um die es geht, wenig Ahnung hat und sich deshalb auf Experten aus jener Sparte verlässt, kann man als Ethiker alles Mögliche empfehlen. Selbst die Riester-Rente wurde uns schon als ethisch begründet verkauft. In der Coronakrise haben sich schon etliche der Behauptungen und Vorhersagen der Impfbefürworter als falsch erwiesen — gipfelnd in der verheerenden Formulierung „Pandemie der Ungeimpften“. Manchmal hat sogar jemand einen dieser Fehler eingesehen, um dann unverdrossen zum nächsten weiterzustolpern. Und auch wir Kritiker müssen uns überlegen, ob uns nicht Fehleinschätzungen unterlaufen sind. Sicher ist aber eines: Die Krise des Vertrauens in den Ethikrat und andere Institutionen ist keine gute Nachricht. Die Folgen werden uns noch auf die Füße fallen.

In meinem Bemühen, als überzeugter Ungeimpfter Menschen mit einem anderen Standpunkt für meine Sicht zu gewinnen, bestand bisher tatsächlich die Hauptschwierigkeit darin, dass die jeweiligen Standpunkte auf unterschiedlichen Annahmen über Corona und die Impfungen beruhen — und nicht auf unterschiedlichen ethischen Anschauungen: Wer weitgehend der amtlichen Darstellung glaubt, dass Corona quer durch alle Altersgruppen so hochgefährlich und die Impfung hocheffektiv und harmlos ist, der müsste in Sachen Liberalismus und Selbstbestimmungsrecht schon sehr sattelfest sein, um nicht in die Logik der geforderten Impfsolidarität zu verfallen. Und diesbezüglich ist hierzulande kaum jemand mehr sattelfest. Allerdings, während die Rufe nach der Impfpflicht noch zunehmen, so dass die Impfpflicht für spezielle Berufsgruppen manchmal nur als Vorreiter erscheint, entwickelt sich die Sachlage in eine andere Richtung, und die Prämissen fangen an zu wackeln.

In der taz behauptete der langjährige China-Korrespondent Felix Lee noch Mitte November 2021, der Grundfehler der Politik sei gewesen, sich frühzeitig zu Beginn der Pandemie darauf festgelegt zu haben, es dürfe keine Impfpflicht geben. (2) Die aktuelle Entwicklung der „Zahlen“ ergibt derweil eine völlig andere Logik: Der Grundfehler der Politik war, von Anfang an zu behaupten, die Impfung, die man noch nicht einmal kannte, beziehungsweise die entsprechende Impfkampagne wäre das Allheilmittel gegen die Pandemie.

Alles, was nicht funktioniert und was man nicht auf die Reihe bekommen hat — etwa dem Pflegenotstand abzuhelfen — wird dann dem mangelnden Tempo der Kampagne oder gleich den Ungeimpften angelastet.

Allen voran hat diese Logik immer wieder unsere in Naturwissenschaften promovierte Bundeskanzlerin verkündet, die bezüglich Corona und ihrer Verantwortung für die offiziellen Narrative, für die Einbeziehung von Experten und die Tätigkeit von Bundesbehörden jetzt gewissermaßen klammheimlich abtritt. Und mir ihr das vollmundige Versprechen, es werde keine Impfpflicht geben.

Die Pandemie der Geimpften und der gefährliche Brainwash von 2G und 3G

Die Zahlen gehen durch die Decke. Aber welche? Es fing noch vergleichsweise harmlos an: Anfang Oktober meldete der Spiegel mehr oder weniger nebenbei, die amtlich anerkannte Schutzwirkung der Corona-Impfung sei von 95 Prozent auf 87 Prozent gesunken, fand das aber immer noch ganz famos und giftete gleich gegen Kritiker, die sich völlig zu Unrecht über das Eingeständnis freuen würden, dass das RKI die Zahlen lange manipuliert hatte: Bei jeder Corona-Erkrankung ging die „Leitforschungseinrichtung“ des Bundes einfach davon aus, dass es sich um Ungeimpfte handelt. (3) Forschung kommt vielleicht von forsch.

Doch Ende Oktober lag die Schutzwirkung laut Süddeutsche Zeitung auf einmal nur noch bei 73 Prozent für die besonders relevante Gruppe der über 60-Jährigen. (4) Bezeichnend ist, wie die Artikel jeweils überschreiben sind: Beide Titel beginnen mit „weshalb“. Man gehört also immer noch zu den Bescheidwissern des Qualitätsjournalismus und kann das Absinken der Schutzwirkung, was den Anstieg der Fallzahlen bei Geimpften bedeutet, ganz einfach wegerklären.

Dazu greift man sogar zu den Argumenten radikaler Impfgegner: Der natürliche Infektionsweg bei Corona geht über die Atemwege, die Impfung geht in den Oberarm, deshalb könnte sich Corona auch bei Geimpften erstmal in den Atemwegen vermehren, bevor das Immunsystem zugreift oder eben zu spät kommt, so ein Pech. Um das zu bemerken, dafür hat die Medizin- und Wissenschaftsredaktion der SZ offenbar eineinhalb Jahre gebraucht. Glückwunsch nach München. Wissenschaft ist eigentlich, dass man solche Hypothesen, wie etwas möglicherweise verlaufen könnte, vorab festhält, kommuniziert und prüft — und damit Bedenken in Kauf nimmt.

Dass medizinische Fachbegriffe beliebig umdefiniert werden können, daran wurden wir in Coronazeiten gewöhnt: „Infektionen“, „Inzidenzen“ und so weiter, das ist eben immer das, was die offizielle Erzählung oder Kampagne gerade braucht. „Impfdurchbruch“ wäre diesbezüglich ein fast so schöner Begriff wie „Herdenimmunität“. Eigentlich gehören die beiden zusammen, und ein Impfdurchbruch wäre demnach etwas ganz Außergewöhnliches und würde nicht einfach nur bedeuten, dass die Impfung bei weitem nicht so gut schützt und auch für den Schutz der Gemeinschaft bei weitem nicht das Versprochene leisten kann. Es ist schon bemerkenswert, wie sich Experten jetzt über diese „Durchbrüche“ wundern. Würden Sie denen noch irgendeine weitere Prognose über Ihren Gesundheitszustand und den Verlauf der Pandemie glauben oder eine Empfehlung abkaufen?

Die Neuartigkeit der Impfungen bedeutet nicht, dass sie besser schützen als eine der jeweils aktualisierten Grippe-Impfungen, deren Effektivität schwankt bekanntlich je nach Saison. Covid-Geimpfte wurden und werden in einer Scheinsicherheit gewogen, ebenso Betreiber von Restaurants, Einrichtungen, Veranstalter und so weiter. Nochmal zwei Wochen später, Mitte November, lässt sich das nicht länger verbergen, und der Virologe Alexander Kekulé warnt vor weiterer politisch gewollter Blindheit: 50 Prozent der Coronapatienten in Krankenhäusern sind doppelt geimpft, 50 Prozent der Coronatoten waren ebenfalls doppelt geimpft! (5)

Selbstverständlich können correctiv und Co das blitzschnell wieder wegerklären.

Doch wenn wir die unkontrollierte Verbreitung von Corona eindämmen wollen, können wir nicht weiter Geimpfte bevorzugen und so tun, als würde das bekannte Mantra „entweder geimpft oder getestet“, das 3G-Regeln zugrunde liegt, eine irgendwie noch sinnvolle Alternative benennen.

2G ist der totale Brainwash: Geimpfte sind safe. Von wegen.

Eine „Pandemie der Geimpften“. Wer hätte das gedacht! Wo sind jetzt die Eiferer, die die Ungeimpften mit der Peitsche zum Impfzentrum prügeln wollten, jene Moralapostel, die am liebsten den Verfassungsschutz damit beauftragt hätten, Ärzte ausfindig zu machen, die selbst nicht geimpft sind und auch nicht mitimpfen wollen? Und die ärztlichen „Kollegen“, die sich am Mobbing beteiligten? Gegen wen soll jetzt gewetteifert werden?

„Wir wussten es doch nicht besser …“ Die berühmt-berüchtigte „überwältigende Mehrheit der Experten“, Virologen, Epidemiologen, viele andere Professoren der Medizin, Chefärzte und so weiter, sie haben Berge von Zeitungsartikeln mit ihren Empfehlungen und den Märchen über den 95-prozentigen Schutz, den Eigenschutz und den „Gemeinschaftsschutz“ entstehen lassen — weil sie es nicht besser wussten? Medizin- und Wissenschaftsredakteure und die berühmten Faktenchecker — sie haben Pharma-Propaganda für bare Münze genommen, weil sie nicht besser wussten, wohin das führt?

Der Betrug am Patienten und die Krise des Vertrauens

Die Abwägung des Einzelnen pro und contra Impfung wurde immer wieder massiv verfälscht durch Experten und Mainstream-Medien. Dass sie je nach Alter und vorliegenden Erkrankungen ganz unterschiedlich ausfallen müsste, das wurde immer wieder gezielt vernebelt. Doch der ganz große Betrug besteht in der „unschuldigen“ Übernahme von Pharma-Daten für Wirksamkeitsbehauptungen. Charles Eisenstein, der lange mit sich gerungen und viele Daten Pro und Contra Covid-Impfungen studiert hat, bringt es auf den Punkt: „Questionable benefits make the risks less acceptable.“ Wenn die Impfung nur zwei oder drei von vier Menschen schützt und wenn Dir Dein Impfstatus vielleicht jedes halbe Jahr aberkannt werden muss, weil kein Impfschutz mehr da ist oder nie da war, dann würdest Du sicher auch über die verdrängten Risiken der Impfung anders denken. Und davon gibt es eine Menge mehr als wir in den Qualitätsmedien lesen konnten. (6)

Die vierte Welle läuft, mehr oder weniger zur Hälfte gespeist von Geimpften — und immer noch behaupten „Experten“, es könnte so etwas wie Herdenimmunität bei Corona-Viren geben. Ein Wissenschaftsmuseum sollte all diese Nonsense-Beiträge archivieren und einmal ausstellen. Am besten, wir sichern jetzt noch allerlei Dokumente dieser Märchenstunde, bevor auch da neuer Nebel aufzieht.

Der Trick der Apologeten der Impfreligion: Sie setzen die für Herdenimmunität nötige Impfquote einfach so hoch an, dass ihr Unsinn nie widerlegt werden kann.

Um das zu durchschauen, braucht man nicht Karl Popper zu sein: Es ist nicht nur „wissenschaftstheoretisch“ Betrug! Aber sie haben wie alle anderen Propagandisten der offiziellen Lehre keinerlei Konsequenzen zu befürchten. Oder vielleicht doch eine: dass ihnen immer weniger Leute von der Straße glauben und vertrauen werden. Ihnen nicht länger. Und den Qualitätsmedien noch weniger als davor schon.

Leider ist der Verlust von Vertrauen nichts, worüber ich mich als Kritiker freuen könnte. Besonders brisant finde ich solchen Verlust im Gesundheitssystem. Ich habe früh gesagt, die Hausärzte können froh sein, wenn sie in diese Impfkampagne gar nicht eingebunden werden. Einige von denen, die später mitgemacht haben, waren auch als erfahrene Ärzte schockiert über die Impfreaktionen und Impfschäden. (7) Der Knackpunkt des Vertrauens ist die Impfaufklärung, das Versprechen des Arztes, der Patient könne sich bei einem geringen Risiko mit dieser Impfung effektiv schützen. Das Prinzip, dass die Allgemeinärztinnen und -ärzte „die“ Vertrauenspersonen in Weiß überhaupt sind und den Laien durch den äußerst gefährlichen Dschungel der Medizin lotsen können, gehört zu den wesentlichen Grundpfeilern unseres Gesundheitswesens. Das Corona-Management und vor allem diese Impfkampagne haben längst die Axt hineingetrieben.

Allen voran ein deutscher „Weltärztepräsident“, der meint, es sei doch nichts dabei, Spritzen in irgendwelche Körperteile zu versenken. Man solle sich nicht so anstellen beziehungsweise nicht zu viel Verständnis mit den verrückten Ungeimpften haben. (8) Die phallische Sprache des Missbrauchs entlarvt die Propaganda. Wenn dies das Vorzeigegesicht der Ärzteschaft sein soll, die dem Grundsatz „Primär nicht schaden“ verpflichtet ist, dann: gute Nacht Deutschland. Lügen darf er natürlich auch, wenn er gegen die „Tyrannei der Ungeimpften“ wettert: „Wir müssen uns alle impfen lassen, dann haben wir genug Sicherheit.“ Konsequenzen — keine. Der Mann wird weiter jeden Tag zum Interview gebeten und darf „Haltet den Dieb!“ rufen.

Das Ende der Impfpflicht und das Fortbestehen des Antiliberalismus

Die Politik wollte die Spaltung zwischen Geimpften und Ungeimpften, und jetzt traut sie sich nicht recht, das konsequent zu korrigieren. Das größte Problem in der gegenwärtigen endemischen Lage, also im Herbst 2021, ist die politisch gewollte Überschätzung der Impfung und die Leugnung der Tatsache, dass die Bevorzugung von Geimpften das Infektionsgeschehen gefährlich anheizt. Die Sackgasse ist zu, und von den Hintertürchen, die unabhängigere und weitblickendere Virologen wie Hendrik Streeck immer wieder zu öffnen versucht haben — es gibt keine Herdenimmunität durch Impfungen bei Covid, also lasst uns vernünftige Schutzkonzepte entwickeln -, von denen wollte man zu lange nichts wissen. (9)

Dass es wieder kostenlose Bürgertests gibt, ist ein gewisses Eingeständnis. Jens Spahn traut sich, ein bisschen vernünftig zu sein. Angela Merkel hat vergleichbare Einsichten in Corona-Times nie gezeigt. Nach der Behauptung „Mit mir wird es keine Impfpflicht geben“, die sich ungefähr so wahr erwies wie Walter Ulbrichts Spruch „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“, wäre jetzt für die Impfkampagne frei nach Erich Honecker wohl so etwas fällig wie „Die Kampagne in ihrem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf“. So ist es: Die Impfzentren sollten nicht mit Zelten, sondern aus Beton wiedererrichtet werden, denn die Impfung schützt nur mäßig und die Kampagne muss ewig laufen.

Die Impfpflicht scheint mir jetzt juristisch endgültig vom Tisch, gerade wo sie in Talkshows und in der Politik ernsthafter oder offener denn je diskutiert wird, sie ist erledigt, aber nicht weil irgendwelche Liberalen in den etablierten Parteien oder Medien dafür gekämpft hätten. Ich bin erleichtert, und doch gruselt mich beim Blick in den Abgrund einer Mehrheitsgesellschaft, die da ruft „Jedes Menschenleben zählt …“ und gleichzeitig klar macht: „… aber wir verfügen darüber!“

Das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen über seine Gesundheit ist der politischen Führung im Bedarfsfalle so viel wert wie viele bürgerliche Freiheiten in Corona-Times: vorübergehend verzichtbar.

Ich würde gerne monatlich einen Stalin- oder auch Xi Jinping-Orden verleihen für besonders verdiente Scharfmacherinnen und Scharfmacher in Sachen „Solidarität“ oder „Egoistenverfolgung“. Als Belohnung winken ethische Beiträge der (Ost-)„Deutschen Zeitschrift für Philosophie“ aus den 1950er Jahren.

Die Geschichte hat uns Corona-Impfkritiker schneller frei gesprochen als gedacht, auch wenn dies etwas verfrüht erscheint und zu pathetisch klingen mag. Aus verschiedenen Gründen ist es ohnehin kein Grund für Hochstimmung. Wer es für einen Triumph hält, muss vielleicht morgen sehen, dass es eher ein Pyrrhussieg war. Oder glauben Sie, dass da irgendjemand öffentlich Asche auf sein Haupt streut und Besserung gelobt?

Ein Freund von mir, mit dem ich vor bald 30 Jahren ein Zeitungsvolontariat absolvierte, äußerte dieser Tage: „Ich vertraue den Experten wie Lauterbach oder Drosten, weil sie auch eigene Fehler einräumen — von Corona- und Impfkritikern habe ich das noch nicht erlebt.“ Den Glauben an die Experten teilt er vermutlich immer noch mit einer großen, aber deutlich abnehmenden Zahl anderer Menschen. Ausgerechnet diese beiden Experten zu nennen, halte ich für nachgerade verwegen. (10)

Ich finde jedoch, es ist eine Menge dran an dem Vorwurf: mangelnde Selbstkritik und Eingeständnis von Irrtümern auf der Seite der Kritiker. Man könnte zwar fragen, ob das nun ein vorrangiges Problem in der Pandemie sei. Und ob es nicht angesichts der völlig unterschiedlichen „Waffenstärke“ auf beiden Seiten auch Unterschiede gibt, wer sich da worin und wie sehr irrt. Nichtsdestotrotz hielte ich es für ein verdienstvolles Projekt, mal selbstkritisch die Annahmen von Kritikern zu durchleuchten.

Mein erster Irrtum bestand und besteht vielleicht darin, die Corona-Erkrankung und ihre Risiken für eine breite Bevölkerungsmehrheit zu unterschätzen. Ich kann mich jedoch bezüglich Corona schon lange nicht mehr mit der Aussage anfreunden: „Da ist nichts und wenn es nicht die untauglichen Tests gäbe, würden wir auch nichts wahrnehmen.“ An der Aussagekraft der Tests habe ich allerdings auch von Anfang an gezweifelt, vielleicht mein zweiter Irrtum. Auch wenn sie definitiv immer wieder zu falschen Befunden führen, sagen sie doch offenbar zumindest in der Summe deutlich mehr als nichts und könnten dementsprechend nützlich sein, wenn man wirklich ein Interesse daran hätte, epidemische Verläufe zu erforschen und zu kontrollieren.

Mein dritter Irrtum war zunächst nicht mein eigener, ich habe ihn aber übernommen: Ich bin immer davon ausgegangen, dass Corona am ehesten mit Grippe, also Influenza, zu vergleichen ist, nur alles etwas schlimmer, die Übertragung, die Erkrankung — und die Impfung. Daher hatte ich auch vermutet, dass es weitere Wellen nach der ersten geben wird. Doch einige Experten, die für mich maßgeblich waren, haben angenommen, Corona sei nach dem Frühjahr 2020 im Wesentlichen schon „durch“, da würde nicht mehr viel passieren, und ich habe mich daher gar nicht zu der Frage geäußert, bis die Welle im Winter 2020/21 längst voll im Gang war. Das haben viele Kritiker nicht vorhergesehen und auch nicht angemessen zugegeben, scheint mir.

Mein größter Irrtum in Bezug auf Corona bestand allerdings darin, dass ich fast ein Jahr lang auf die Resilienz, Toleranz und Intelligenz des hiesigen demokratischen Systems vertraut habe: Dass Politik und Medien sowie viele weitere Institutionen auch abweichenden Meinungen ausreichend Rechnung tragen und Alternativen diskutieren würden, statt sie nur wegzumobben und in den Bereich von Verfassungsfeindschaft und Systemsturz zu rücken. Ich empfinde keinerlei Freude an der Desillusionierung, ich hege auch keinerlei positive Erwartungen im Zusammenhang mit Prophezeiungen, dass der Zusammenbruch dieser Öffentlichkeit und dieser Politik oder gleich des ganzen Systems bevorstünde. Ich glaube, dass die Erosion des Vertrauens schlechte Langzeitfolgen haben wird. Mir jedenfalls geht die Krise des Vertrauens durch Mark und Bein.


Quellen und Anmerkungen:
(1) Ethikrat empfiehlt berufsbezogene Impflicht, FAZ, aktualisiert am 11. November 2021, https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/coronavirus/ethikrat-empfiehlt-corona-impfpflicht-fuer-bestimmte-berufsgruppen-17628649.html
(2) Felix Lee: Eine Impfpflicht ist zumutbar, taz, 15. November 2021, https://taz.de/Deutschland-in-der-Coronakrise/!5812174/
(3) Marcel Pauly: Weshalb das RKI die Impfwirksamkeit nach unten korrigierte, Spiegel, 5. Oktober 2021, https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/geimpfte-covid-19-impfung-coronavirus-1.5452768?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
(4) Christina Berndt: Weshalb die Zahl der Impfdurchbrüche steigt, Süddeutsche Zeitung, 29. Oktober 2021, https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/geimpfte-covid-19-impfung-coronavirus-1.5452768?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
(5) Alexander Kekulé: Haben "unsichtbare Welle" unter Geimpften, Interview mit n-tv, 15. November 2021, https://www.n-tv.de/mediathek/videos/panorama/Kekule-Haben-unsichtbare-Welle-unter-Geimpften-article22931051.html
(6) Charles Eisenstein: Elements of Refusal, 12. November 2021, https://charleseisenstein.substack.com/p/elements-of-refusal
(7) Die Dunkelziffer bei den Impfschäden ist enorm hoch, Interview mit Erich Freisleben, Cicero, 1. November 2021, https://www.cicero.de/innenpolitik/debatte-um-impfskepsis-ich-wurde-kimmich-verstandnis-signalisieren-erich-freisleben
(8) Marko Schlichting: Montgomery: „Erleben Tyrannei der Ungeimpften“, n-tv, 8. November 2021, https://www.n-tv.de/politik/Anne-Will-Montgomery-spricht-bei-aktueller-Corona-Lage-von-Tyrannei-der-Ungeimpften-article22914754.html
(9) Es wird keine Herdenimmunität geben, Interview mit Virologe Hendrick Streeck, Main-Post, 1. Oktober 2021.
(10) Walter von Rossum: Meine Pandemie mit Professor Drosten, Rubikon, 1. Januar 2021, https://www.rubikon.news/artikel/meine-pandemie-mit-professor-drosten
Sowie Jens Berger: Schwurbler des Tages: Karl Lauterbach, Nachdenkseiten, 2. November 2021 https://www.nachdenkseiten.de/?p=77531