Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
gehen wir einen Moment davon aus, Sie wären mit mir einer Meinung: die Demokratie – so man von einer solchen denn überhaupt zu sprechen vermag – stünde mit dem Rücken zur Wand. Sei in Lebensgefahr. Was bräuchte es da? Könnte helfen? Was meinen Sie?
Vielleicht ein weiteres „alternatives“ Medium, das sich dem Markt unterwirft, von Werbung abhängig ist, und in Zeiten sich verschärfender sozioökonomischer Krise die Wahrheit schließlich nur „verkaufen“ kann?
Vielleicht ein weiteres „alternatives“ Medium, dessen Herausgeber oder Chefredakteur meinen, bereits im Besitz der einzig wahren Wahrheit zu sein? Und das seine Aufgabe daher darin sieht, den Rest der Welt nur noch zu dieser zu „bekehren“?
Oder könnte es nicht sein, dass die organisatorischen, emotionalen und intellektuellen Schützengräben eben auch und insbesondere der – ich greife exemplarisch mein eigenes Milieu heraus - linken Arroganz und Rechthaberei, des Sich-über-andere-Erhebens, einer Lösung unseres Problems deutlich abträglich sind?
Dass die Demokratie auf diese Weise gar gerettet werden kann?
Oder lassen Sie es mich mit Albert Einstein sagen, der formulierte:
„Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“
Das aber tun wir. Wir alle. Viel zu oft.
Besteht also keine Hoffnung mehr? Müssen und werden wir unterliegen? Die Demokratie sterben sehen?
Ich glaube nicht.
Wir könnten etwa aufhören, die bessere Welt und unsere Verantwortung für diese auf eine Zeit „nach der Revolution“ zu vertagen.
Aufhören, zu meinen „im Außen“ müsse sich ändern, was doch einzig in unserem Innern geändert werden kann.
Demokratie, liebe Kolleginnen und Kollegen, fängt bei uns, in unseren Herzen an. Und entsteht in unserem Tun und Handeln. In jedem Augenblick.
Demokratie bedeutet Pluralität, Debatte, Diskurs, Auseinandersetzung. Und insofern auch Mut. Denn, ja, leicht ist der zu gehende Weg sicher nicht.
Wie meine ich das? Lassen Sie es mich anhand einer kleinen Geschichte verdeutlichen:
Person 1, friedensbewegt, spricht zu Person 2, umweltbewegt:
„Bei 9/11 stimmt etwas ganz und gar nicht, das offizielle Narrativ ist Lug und Trug“.
Daraufhin erschlägt Person 2 Person 1. Zitat:
„Was für eine dumme Verschwörungstheorie!“
Dann spricht Person 2, umweltbewegt, zu Person 3, sozial engagiert:
„Nestlé und Monsanto manipulieren und vergiften unser Essen, unser Trinken, manipulieren die Landwirtschaft und Natur. Sie arbeiten an einer Welt, in der nur noch ihr Saatgut überhaupt lebensfähig ist. Den Preis hierfür kennen sie und nehmen ihn billigend in Kauf. Massenmörder sind das!“
Daraufhin erschlägt Person 3 Person 2. Zitat:
„Was für eine dumme Verschwörungstheorie!“
Dann spricht Person 3, sozial engagiert, zu Person 4, politisch aktiv:
„Bertelsmann, transatlantische Strippenzieher und andere haben viele Jahrzehnte darauf hingearbeitet, die Armut zu erhöhen und hieran auch noch zu verdienen. Aktuell arbeiten sie gemeinsam mit der OECD und anderen an einer Privatisierung der öffentlichen Bildung weltweit.“
Daraufhin erschlägt Person 4 Person 3. Zitat, Sie ahnen es:
„Was für eine dumme Verschwörungstheorie!“
Diese Geschichte ließe sich beliebig fortsetzen. Und offenbart, dass die Bedrohung für die Demokratie alles andere als nur „von außen“ ausgeht. Dass wir selbst in unserem Denken und Tun oftmals mehr Teil des Problems als Teil der Lösung sind.
In diesem Sinne brauchen wir dringend Medien, in denen die klügsten und radikalsten Kriegsgegner, Privatisierungskritiker, Grundrechteverteidiger, Gladio-Forscher, 9/11-Rechercheure, Ökolandbauern und viele andere gleichberechtigt ihre Positionen vertreten. Ohne, dass das Ego des einen das Ego des anderen oder gar diesen selbst sofort erschlägt.
Medien, in denen all diese Personen lernen, sich aneinander zu reiben und voneinander zu lernen.
Und also Medien, die eines endlich deutlich machen: Dass wir viele, verdammt viele sind – knapp 8 Milliarden. Und gemeinsam alles erreichen können. Wenn wir nur endlich damit aufhören, einander ins Unrecht zu setzen, und beginnen, andere so zu lassen und lieben, wie sie nun einmal sind.
An diesem Punkt wird Differenz zu Bereicherung. Und Beziehungslosigkeit zu Verbundenheit und nährendem, kräftigenden Kontakt.
Es geht darum, weniger zu urteilen und verurteilen.
Darum, weniger gegen etwas zu kämpfen als für etwas zu sein.
Darum, seine eigenen autoritären Strukturen zu erkennen und überwinden und sich von seiner eigenen Angst, im Kontakt mit anderen als „fehlerhaft“ erkannt zu werden, zu befreien.
Marianne Willamson bringt das gut auf den Punkt, wenn Sie schreibt:
„Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sind, befreit unsere Gegenwart automatisch andere.“
In diesem Sinne gilt: Wer die Demokratie verteidigen, ja, retten will, der fange bei einem an: Sich selbst statt anderen.
Tun wir dies alle gemeinsam, davon bin ich überzeugt, braucht die Demokratie keine Rettung mehr – denn wir sind dann Demokratie, wir leben sie.
Hierfür stehe ich und steht auch der Rubikon.
Haben Sie vielen Dank...
Anmerkungen und Quellen: