von Gerald Sussman
Nun, da Muellers 40 Millionen US-Dollar teure Ermittlungen zu Humpty Trumpty abgeschlossen sind und sie ihr ursprüngliches Ziel — Trump aufs Altenteil zu schicken — verfehlt haben, kann sich die herrschende Klasse ohne weitere Verzögerung wieder ihrem Geschäft zuwenden: der Zerstörung der Welt durch Artillerie, Treibhausgase und Regime Changes. Ein paar mehr vom CIA organisierte Stromausfälle in Venezuela — ganz einfach zu bewerkstelligen, wenn man dem „Freedom Fighter´s Manual“ des CIA folgt —, und die USA werden à la Grenada zu Hilfe eilen und wieder ein neoliberales Regime einsetzen.
Ein kleiner Trost mag dabei sein, dass Trump, Pompeo und Bolton bei ihren rücksichtslosen Interventionen zumindest einen Anschein von Transparenz wahren. Sie geben unumwunden zu, dass der geschätzte Wert Guaidos und Salmans auf den Erdölvorkommen ihrer Länder beruht. Und die Russen sollten der Monroe-Doktrin und dem Manifest Destiny, der „offenkundigen Bestimmung“ mehr Respekt zollen, wenn sie wissen, was gut für sie ist (Die amerikanische Doktrin des Manifest Destiny aus dem 19. Jahrhunderte besagt, dass die USA einen göttlichen Auftrag zur Expansion hätten; Anmerkung der Übersetzerin). Sie mögen roh und brutal sein, aber Trumps Leute sprechen zumindest Klartext.
Und wenn Bolton von „Demokratie, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit als den gemeinsamen Zielen der westlichen Hemisphäre“ spricht, meint er natürlich von den USA unterstützte Putschversuche, Militär-Juntas, Schuldknechtschaft, Invasionen, Embargos, Ermordungen und andere Arten von Kanonenbootdiplomatie.
Periode beispiellosen Friedens?
Dass die USA sich noch nicht offiziell im Krieg mit Russland befinden — obwohl ja bereits NATO-Streitkräfte entlang der gesamten [russischen] Grenzen stationiert sind — ist nur auf die abschreckende Wirkung des russischen Atom-Arsenals zurückzuführen.
Seit dem Zweiten Weltkrieg, ein Zeitraum, der von vielen als „Periode beispiellosen Friedens“ beschrieben wird, hat die US-Kriegsmaschinerie etwa 20 Millionen Menschen ausgelöscht -
einschließlich einer Million Menschen in Irak seit 2003 -, sich in mindestens 36 Ländern an oftmals gewaltsamen Regime-Wechseln beteiligt, sich in die Wahlen von mindestens 82 Ländern eingemischt — darunter 1996 in Russland -, mehr als 50 Ermordungen ausländischer Staatschefs geplant und über 30 Länder bombardiert.
Dies alles ist hier und hier dokumentiert.
Trotz endloser von den USA ausgeführter oder unterstützter Angriffe gegen Afrika sowie West- und Zentralasien beschreiben die Autoren, die einen beispiellosen Frieden nach dem Zweiten Weltkrieg sehen, Russland und China — nicht die USA — als echte Bedrohung des Friedens; diese sollten somit als „Ausgestoßene“ behandelt werden.
Dass die NATO mit ihren Kriegsschiffen das Schwarze Meer durchpflügt und an Häfen der ethnisch russischen Stadt Odessa in der Ukraine anlegt sowie Kriegsspiele von Lettland aus in Richtung Bulgarien und Ukraine spielt, stellt also einen beispiellosen Frieden dar? Obwohl die NATO insgesamt etwa das Zwanzigfache des russischen Militärbudgets ausgibt und sich NATO-Mitgliedsstaaten praktisch entlang der gesamten Grenzen Russlands befinden, ist Russland laut westlicher Propaganda der Aggressor.
Gefährlichster Staat der Welt: die USA
Wenngleich die US-Konzernmedien diese Nachricht verpasst haben mögen, ist sich der Rest der Welt dessen bewusst, dass die größte Bedrohung des Friedens auf der Welt von Uncle Sam ausgeht. 2013 fand eine Umfrage von WIN/Gallup International unter 66.000 Menschen in 65 Ländern heraus, dass mit 24 Prozent die größte Gruppe der Befragten die USA als gefährlichsten Staat der Welt ansehen, während Russland statistisch gesehen in diesen Umfrageergebnissen nicht einmal auftauchte.
2017 kam eine Pew-Umfrage zu demselben Ergebnis bezüglich der Wahrnehmung der US-Macht. Im Vergleich zu 2013 schätzten nun sogar 38 Prozent der Befragten in 30 statt 21 Ländern die USA als gefährlichstes Land ein. Selbst die Nachbarn der USA, Kanada und Mexiko, sehen diese als Hauptbedrohung für ihr Land an — schlimmer noch als China oder Russland. Dass die Schreiberlinge der Mainstream-Medien in ihrer Kurzsichtigkeit versäumt haben, über diese Zahlen zu berichten, ist kein Versehen.
Carl Bernstein, der über den Watergate-Skandal berichtet hatte, hat 1977 die Tatsache dokumentiert, dass die Mainstream-Medien — New York Times, Washington Post, NBC, ABC, CBS und die anderen — von den frühen 50er bis zu den späten 70er Jahren regelmäßig als Auslands-Informanten für den CIA fungiert hatten. In Anbetracht des Ausmaßes der Kooperation von CIA, Mainstream-Medien und der Democratic Party im Russiagate-Verschwörungs-Drama wäre es schwer zu glauben, dass diese Bande nun nicht mehr bestehen sollten.
Die Zusammenhänge sind entscheidend. Wenn man andere für die Instabilität im Nahen Osten verantwortlich macht, darf man nicht vergessen, dass die USA und ihr Bündnispartner Israel 36 Jahre lang — seit Reagan Luftangriffe auf Beirut und Teile Syriens gestartet hatte — die größere Nahost-Region als Testgebiet für ihre Waffensysteme genutzt haben und noch immer nutzen. Das bedeutete wiederholtes Bombardieren und Drohneneinsätze in Afghanistan, Irak, Pakistan, Libyen, Somalia, Iran, Jemen, Kuwait und Sudan sowie zunehmende Waffenverkäufe in die Region, um fortwährende Instabilität und Profite zu gewährleisten.
Die USA haben Spezialeinheiten in zwei Dritteln der Länder der Erde und „normale“ Streitkräfte in drei Vierteln der Länder, insgesamt über 800 Militärstützpunkte und -anlagen in nicht weniger als 130 Ländern — die genaue Anzahl gibt das Pentagon nicht preis. Im Gegensatz dazu hat Russland, abgesehen von verschiedenen Stützpunkten in einigen ehemaligen Sowjetrepubliken, eine Marine-Nachschub-Einrichtung in Vietnam und kleine, kurzzeitig geleaste Marine- und Flughafenstationen in Syrien. China eröffnete 2017 einen kombinierten Marine- und Armeestützpunkt in Dschibuti und eine „inoffizielle Militärpräsenz“ in Tadschikistan. Das ist auch nicht einmal annähernd vergleichbar.
Propaganda-Taktiken
Wir dürfen mit einer weiteren Ausgrenzung Russlands rechnen — entweder während einer zweiten Amtszeit von Trump oder wenn sich der lange dunkle Schatten der Clintons durchsetzt und Joe Biden ins Weiße Haus einzieht.
Dieser behauptet beweislos, dass gegenwärtig „die russische Regierung unverfroren weltweit die Fundamente westlicher Demokratie angreift“ — als seien das große Ungleichgewicht der militärischen Streitkräfte und die lange Geschichte von US-Interventionen gegen liberale Demokratien und sozialistische Staaten unbekannt oder irrelevant. In seinem und des Establishments großzügigem Einsatz von Propaganda hat Biden die Taktik Göbbels‘ gut verinnerlicht — man wiederhole nur oft genug die Lügen, dann erscheint der imperialistische Staat als das Opfer.
Clintons dreiste Scheinheiligkeit
Was dreiste Angriffe gegen die Demokratie betrifft, kann Biden sich ein Beispiel an Clinton nehmen: Sie wusste, wie sie ihre Machtposition durch die Bewilligung umfangreicher Waffenverkäufe an die Saudis oder an andere Golfstaaten vermarkten konnte — so zum Beispiel den 29 Milliarden Dollar schweren Verkauf von Kampfjets an Saudi-Arabien zum Einsatz im Krieg gegen den Jemen. Gleichzeitig strich sie zig Millionen Dollar an Spendengeldern von den Scheichs — davon alleine 25 Millionen US-Dollar aus Saudi-Arabien — für ihre eigene Stiftung ein, die von ihrem Mann betrieben wird. Dies ist umso verachtenswerter, als sie 2013 einräumte:
„Die Saudis und andere liefern große Mengen an Waffen (…) heimliche finanzielle und logistische Unterstützung an den sogenannten IS und andere radikale sunnitische Gruppen in der Region (…) und sie tun das ziemlich wahllos — diese Hilfe richtet sich nicht an die Menschen, die wir als moderater einschätzen und die sich wohl zukünftig als eher unproblematisch erweisen werden.“
Sie wusste also, dass die Saudis und andere Golf-Diktatoren den sogenannten IS und andere Kalifat-Akteure bewaffneten, behielt diese jedoch als Verbündete und Förderer. Sie nahm auch 800.000 US-Dollar — fast das Doppelte dessen, was Donald Trump erhielt — für ihren Wahlkampf 2016 und etwa 300.000 US-Dollar von Erdöl- und Erdgas-Konzernen für ihre private Stiftung an, nachdem sie eine lukrative Gas-Pipeline in kanadischen Teersanden genehmigt hatte. Eine Aufgabe des Stiftungspersonals bestand darin, Treffen zwischen Top-Spendern und der damaligen Außenministerin zu arrangieren. Trump folgt blind Clintons und Obamas Beispiel und genehmigte US-Energiekonzernen den Verkauf von Atomenergie-Technologie und Unterstützung an die saudische Monarchie.
Der Maidan
Was die Außenpolitik angeht ist es tatsächlich schwierig, einen großen Unterschied zwischen den republikanischen und den demokratischen Regierungen auszumachen. Obama und John Kerry schickten Victoria Nuland (damals die für Europa und Eurasien zuständige Staatssekretärin im US-Außenministerium; Anmerkung der Übersetzerin) nach Kiew auf den Maidan, um den Putsch anzuheizen, belegte Brötchen an die Protestierenden auszuteilen und dem US-Botschafter dort den Marschbefehl für die Installation Jazenjuks als Premierminister zu geben — und darüber hinaus „to fuck the EU“. Poroschenko, der — wie WikiLeaks enthüllte — bereits ein regelmäßiger Informant an der US-Botschaft gewesen war, war bereits als Präsident vorgesehen.
Biden wurde hinzugerufen, um „Geburtshilfe zu leisten“ und „die Sache festzuklopfen“ — indem er Druck auf den noch regierenden Janukowitsch ausübte, zugunsten der von den USA bestimmten Putsch-Anführer abzutreten. Genauso gesellte sich Nikki Haley, Trumps damalige UN-Botschafterin venezolanischen Demonstranten vor dem UN-Hauptsitz in New York zu und rief über ein Megaphon öffentlich zu einem Putsch gegen Maduro auf. „Ich sage euch“, sprach sie zu der Gruppe, „die Stimme der USA wird sehr laut sein.“
Was nun?
Beide Interventionen, sowohl in der Ukraine als auch in Venezuela, sind Teil einer umfassenden Strategie mit dem Ziel, Russland zu isolieren. Die Inszenierung eines neuen Kalten Krieges gegen Russland und die Verleumdung Trumps als Marionette des Kremls hatten jedoch nicht den gewünschten Erfolg.
Die Russiagate-Propagandisten stehen nun vor einem Problem: Wie können sie die Verschwörungstheorie am Leben erhalten, nachdem Muellers Jagd nach der Fünften Kolonne so kläglich gescheitert ist?
Der führende Russland-Gelehrte Stephen Cohen, der wegen seiner Skepsis gegenüber dem CIA-Narrativ beruflich marginalisiert wurde, sieht die Folgen eines größeren Skandals — die Korruption der Democratic Party und ihrer Handlanger in den Medien, die sich mit den Geheimdienstschnüfflern verbündet haben. Er fragt: „Und was ist mit den Legionen hochrangiger Geheimdienst-Offiziere, Politiker, Leitartikel-Verfasser, Fernseh-Produzenten und anderer Meinungsmacher sowie deren eifrigen Nachrichtenorganen, die diesen in der US-Geschichte beispiellosen politischen Skandal verbreitet, aufgebläht und verlängert haben?“
Die Mainstream-Medien haben ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt
Eine weitere Frage ist, wie die Mainstream-Medien ein Ende von Russiagate finanziell überleben würden — sollten die Medienmogule ein Ende überhaupt zulassen. Das aufsehenerregende Scheitern der „vierten Gewalt“ bei der Berichterstattung zu Wahlniederlage von Clinton und den Demokraten 2016 hat in großem Maße dazu beigetragen, das Vertrauen in diese Presse weiter zu schwächen, das bereits seit den 1970er Jahren vor allem unter den Republikanern kontinuierlich schwindet.
Demokraten sind den großenteils parteiischen liberalen Mainstream-Medien aus offensichtlichen Gründen eher gewogen. Dennoch haben einer Umfrage von IPSOS/Reuters vom Dezember 2018 zufolge nur 44 Prozent der US-Amerikaner großes (16 Prozent) oder etwas (28 Prozent) Vertrauen in die Mainstream-Medien — im Vergleich zu 48 Prozent, die kaum Vertrauen in diese Medien haben. Bei der Frage, ob Mainstream-Nachrichtenorgane ein größeres Interesse daran hätten, Geld zu verdienen, als daran, die Wahrheit zu vermitteln, stimmten 59 Prozent für ersteres. Seit dem Abschluss des Mueller-Debakels hat kein bekanntes Meinungsforschungsinstitut Umfrage-Ergebnisse zum Vertrauen in die Mainstream-Medien veröffentlicht.
Ablenkungsmanöver
Was soll man nun politisch von der Russland-Obsession halten? Russiagate, das Matt Taibbi die „Massenvernichtungswaffe unserer Generation“ nennt, erfüllt drei große Zwecke.
Es hat der Führungsetage der Democratic Party und deren Partnern in der CIA und den Mainstream-Medien eine Cause Célèbre geliefert, um den Status und das Image der Partei zu retten und von ihren katastrophalen Wahlniederlagen von 2008 bis 2016 abzulenken. Es dient also als Parallel-Wirklichkeit zur weit verbreiteten Einsicht, dass die herrschenden Kräfte der Partei keine echte Agenda zugunsten des Volkes verfolgen, sondern Konzern-, Banken-, neoliberale und neokonservative militaristische Projekte verfolgen, die unter Bill Clintons New Democrat Agenda konzipiert wurden.
Durch Russiagate positionieren sich die Demokraten außenpolitisch rechts von den Republikanern — vergleichbar den Vorwürfen John Kennedys an die Regierung Eisenhower und Vizepräsident Nixon während des Wahlkampfes von 1960, sie schwächten die Verteidigung der USA. Das versetzt die Energie- und Verteidigungsindustrie sowie ihre Lobbyisten in die Lage, die Wahrnehmung internationaler Bedrohungen und Brandherde über die Maßen zu beeinflussen.
Demokraten treiben Aufrüstung voran
Die Demokraten in Repräsentantenhaus und Senat stimmten mit überwältigender Mehrheit für das Verteidigungsbudget in Höhe von 716 Milliarden US-Dollar — was mehr ist, als Trump selbst gefordert hatte. 2018 haben fünf militärische Auftragnehmer — Northrup Grumman, Boeing, Lockheed Martin, General Dynamics und Raytheon — wichtigen Entscheidungsträgern in beiden Parteien 14,4 Millionen US-Dollar zukommen lassen — zusätzlich zu den 94,4 Millionen, die in diesem Jahr für Lobbyismus ausgegeben wurden. Die Erdöl- und Erdgas-Industrie gab 89 Millionen US-Dollar für den Wahlkampf und 125 Millionen US-Dollar für Lobby-Arbeit aus.
Und drittens dient Russiagate dazu, die politische Linke in- und außerhalb der Partei sowie die Forderungen nach progressiven legislativen Veränderungen abzuwürgen, die Bernie Sanders 2016 und neuere Mitglieder wie Ilhan Omar, Alexandria Ocasio-Cortez, Rashida Tlaib und Tulsi Gabbard angestoßen hatten.
Pressefreiheit in den USA?
Worauf richtet sich heute die politische Zuversicht des Volkes? Sicher nicht auf die Mainstream-Medien, in die noch weniger Vertrauen als in Trump gesetzt wird. Selbst in Bezug auf die viel gerühmte — angebliche — Pressefreiheit sieht es schlecht in den USA aus. Reporter ohne Grenzen stuften die USA in ihrem Gutachten zur Pressefreiheit von 2018 auf Rang 45 von insgesamt 180 Ländern ein.
Das von den Tories geführte Großbritannien rutschte vom 33. Platz im Jahr 2014 auf den 40. Platz — unter den westeuropäischen Ländern lagen nur Italien und Griechenland noch weiter hinten.
Und obgleich Trumps Angriffe gegen die Medien — die dies allerdings mit einer außergewöhnlich feindseligen Berichterstattung über den Präsidenten mehr als wettmachten — nicht gerade hilfreich waren, war die Situation unter Obama nicht viel besser. Schließlich drohte dieser doch Whistleblowern in der Presse mit der Vollstreckung des Espionage Acts von 1917 (Gesetz, das die Veröffentlichung militärischer Informationen unter Strafe stellt; Anmerkung der Übersetzerin).
Dieses Gesetz wird möglicherweise gegen den Journalisten Julian Assange zur Anwendung kommen. Es gibt noch immer kein „Abschirmungsgesetz“, das das Recht der Journalisten gewährleistet, die Identität ihrer Quellen zu schützen. Journalismus-Studenten sollten sich auch noch um anderes Sorgen machen: Laut dem Bureau of Labor Statistics sind zwischen 2001 und 2016 die Arbeitsplätze in der Zeitungsindustrie um mehr als die Hälfte gekürzt worden — von 412.000 auf 174.000.
Die Presse als Cheerleader für den Krieg
William Arkin, der NBC News als politischer Kommentator letzten Januar verlassen hat, beschuldigte den Sender der gleichgültigen Berichterstattung, die die endlose kriegerische Präsenz der USA in Nahost und Afrika im Wesentlichen stillschweigend hinnimmt.
Er tadelte den Sender auch dafür, nicht über „das Versagen der Generäle und der Führungskräfte der Nationalen Sicherheit“ berichtet zu haben und im Grunde genommen zu „Verteidigern der Regierung gegen Trump“ und zu „Cheerleadern für offene und subtile Kriegstreiberei“ zu werden.
In seinen Abschiedskommentaren schrieb er: „Ich bin beunruhigt darüber, wie schnell und reflexhaft die NBC eine Politik befürwortet, die mehr Konflikte und mehr Krieg heraufbeschwört. Und was Russland betrifft — wenngleich wir uns Sorgen über den morschen Zustand unserer Demokratie machen sollten, die anfällig für Manipulationen ist — sehnen wir uns wirklich nach einem Kalten Krieg?“
Lohnenswerte Maßnahmen
Man mag es ja kaum glauben, aber es gibt wichtigere Dinge als die Frage, ob „die Russen“ das niederträchtige Verhalten des Democratic National Committee von 2016 aufgedeckt haben. Es wäre für die Demokraten lohnenswerter, sie forderten Maßnahmen zur Abschaffung der Kinderarmut — im Vergleich zum Durchschnitt der OECD mit 13 Prozent liegt sie in den USA bei 20 Prozent. Sinnvoll wäre es auch, sich ein bisschen mehr auf die weiße Arbeiterklasse und die weißen Erwerbsarmen zu konzentrieren, deren Stimmen 2016 an Trump gingen — ihre Kinder stellen 31 Prozent der von Armut betroffenen Kinder; dagegen sind 24 Prozent schwarze Kinder und 36 Prozent Kinder lateinamerikanischen Ursprungs.
Und wenn sie schon dabei sind, könnten sie auch gleich an der Tatsache etwas ändern, dass die USA sich auf Platz 25 von 29 industrialisierten Ländern befinden, wenn es um Investitionen in frühkindliche Bildung geht — oder dass die beschämende US-Kindersterblichkeitsrate von 0,58 Prozent um 50 Prozent höher liegt als der OECD-Durchschnitt von 0,39 Prozent.
Viele Eltern dieser unterprivilegierten Kinder verbüßen lange Haftstrafen im Gefängnis — nicht wegen Gewaltverbrechen; sie sind die ausgemusterten Bürger, die die höchste Inhaftierungsrate der Welt bilden.
Insgesamt hat das Stanford Center on Inequality and Poverty die USA auf Platz 18 von 21 reichen Ländern eingestuft — Kriterien waren hier der Arbeitsmarkt, die Armutsquote, die sozialen Sicherungsnetze, die ungleiche Vermögensverteilung und die wirtschaftliche Mobilität. Gleichzeitig stellen die USA 25 Prozent der 2.208 Milliardäre der Welt. Das ist amerikanischer Exzeptionalismus, wie er schlimmer nicht geht.
Die versteckte Faust
Das konzerngesteuerte Marktsystem und das Unheil, das es der Welt beschert, braucht diese Ablenkungen. Wie Thomas Friedman, New-York-Times-Journalist und Verteidiger der globalen Vormachtstellung der USA, bemerkt hat, „wird die versteckte Hand des Marktes ohne eine versteckte Faust nicht funktionieren. McDonald´s kann nicht erfolgreich sein ohne McDonnell Douglas, den Entwickler der F-15 der Luftwaffe der USA. Und die versteckte Faust, die weltweit gewährleistet, dass die Technologien des Silicon Valley prosperieren können, heißt US-Army, US-Airforce, US-Navy und US-Marines.“ Seiner Meinung nach muss das System beschützt werden, wozu sein „Journalismus“ und die meisten der Mainstream-Medien sicher ihren Teil beitragen.
Sollte es der eher weichen Linken innerhalb der Democratic Party nicht gelingen, die Phantasie der Öffentlichkeit anzusprechen, wird die politische Agenda der Demokraten, werden die Mainstream-Medien und ihr Gefolge im Tiefen Staat sehr wahrscheinlich weiterhin auf der ganzen Welt ihre falschen Verschwörungstheorien über Russland verbreiten.
Russiagate ist eine unerschöpfliche Propaganda-Maschinerie. Während der langen US-Wahlperiode wird die Frage sein, welcher Diskurs den nächsten Wahlkampf dominieren wird — soziale Gerechtigkeit und eine vernünftige Außenpolitik oder weitere aggressive Polemik gegen Russland, die geradewegs auf einen Atomkrieg zusteuert?
Gerald Sussman ist Professor für Stadtsoziologie sowie für Internationale und Globale Studien an der Portland University. Er ist Autor und Herausgeber diverser Bücher, darunter The Propaganda Society: Promotional Culture and Politics in Global Context.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „[Russiagate is Dead! Long Live Russiagate! ](https://www.counterpunch.org/2019/04/18/russiagate-is-dead-long-live-russiagate/“. Er wurde von Gabriele Herb aus dem ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.