Zur Einleitung ein hochinteressantes Zitat von Greta Thunberg:
„Es hat den Anschein, dass Geld und Wachstum unsere einzige Sinnerfüllung sind“ (1).
Damit spricht sie ein fundamentales systemisches Problem der heutigen menschlichen Gesellschaften an. Die Frage aber, die sich mir dabei stellt, lautet: Aus welcher Erfahrung, welchem Wissensschatz heraus, fällte eine schwedische Schülerin dieses vernichtende Urteil?
Denn ich meine, dass dahinter nicht das systemische Wissen über die Ideologien und politischen Verflechtungen einer komplexen Wachstumsgesellschaft samt dem damit gekoppelten zinseszinsbasierten Geldsystem stecken kann. Viel eher vorstellbar erscheint mir doch eine ganz persönliche Erfahrung dieses Mädchens — welche ist es?
Vor Wochen beschäftigte ich mich bereits intensiv mit dem medialen Schaumschlagen um das „bedrohte Klima“. Die geradezu groteske Kampagne, die in uns die Illusion wecken soll, einen Ruck in der Gesellschaft zu erzeugen, mit dem nun endlich wirklich etwas „für das Klima“ getan wird, führte tatsächlich zur Darbietung von der durch die große Politik vorgefertigten angeblichen Lösungen und änderte augenscheinlich nichts an der grundsätzlichen, gesellschaftlichen Herangehensweise des Einfach-weiter-so. Eines Weiter-so, dass die Politik sich schon kümmere und wir nur unseren Führern und deren Experten vertrauen zu brauchen (a1).
Das aber soll an dieser Stelle nicht erneut das Hauptthema sein. Vielmehr halte ich es für angebracht, sich mehr mit dem Menschen, dem Noch-Kind Greta Thunberg selbst zu befassen. Ihr mit Achtung zu begegnen und ihr Handeln zu verstehen, wie auch das ihrer Nächsten, das ist die Herausforderung. Denn über diesen Weg lernen wir möglicherweise etwas über uns selbst.
Immer deutlicher fallen mir in diesem Zusammenhang wiederkehrende Verhaltensmuster auf.
Wir glauben, den jeweiligen Menschen — ein einzigartiges, fühlendes Wesen — in drei Sätzen zu erkennen und mischen uns mit unseren Vorurteilen ein Bild zurecht, das wir bequem in einer Schublade versenken können.
Wir gleichem mit dem ab, was in unseren Köpfen als bildhafte Geschichten abgespeichert ist, aber wir haben ein Problem, wertfrei neue Geschichten zuzulassen. Wir haben Angst um unsere, uns Halt gebenden, gespeicherten Bilder.
Wenn wir uns jedoch prinzipiell die Mühe ersparen, die darin besteht, Menschen tatsächlich zu verstehen — und zwar ohne die Bewertung, einschließlich Auf- und Abwertung — können wir auch das Systemische nicht verstehen. Bewertung ist ja Kategorisierung. Kategorisierung erzeugt Schubladen.
Was wissen wir über Greta Thunberg?
Als Greta Thunberg durch die Medien zum Star gekürt wurde, geriet die Diskussion über die Art und Weise ihres Auftretens, wie auch der Inhalte sofort auf systemische, ideologische Ebenen. Entsprechend erlebten wir das in unserer Gesellschaft leider typische Polarisieren und einen bis aufs Messer geführten, dialektisch geprägten Diskurs. Rationales, reflektierendes, suchendes Analysieren war die Ausnahme.
Die spezielle Emotionalität der Schülerin wurde mit großer Emotionalität beantwortet, egal in welche Richtung die Antworten auch wiesen. Mir scheint, Greta Thunberg ist die personifizierte Projektion einer Gesellschaft (a2).
Innerhalb eines Kommentars bei KenFM hat der Therapeut und Autor Rüdiger Lenz auf etwas aus meiner Sicht sehr Wichtiges aufmerksam gemacht. Hierzu zitierte er noch einmal die bekanntesten Worte von Greta Thunberg — jene die sie im Januar 2019 bei der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums in Davos äußerte (2):
„Ich will, dass ihr handelt, als wenn euer Haus brennt, denn das tut es. Erwachsene sagen immer wieder: Wir sind es den jungen Leuten schuldig, ihnen Hoffnung zu geben. Aber ich will eure Hoffnung nicht. Ich will, dass ihr in Panik geratet, dass ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre“ (3).
Wo kommen die Ängste des Mädchens tatsächlich her? Auf jeden Fall sind das authentische Worte.
Manchmal glaubt man in den Reden Gretas, Worte einer erfahrenen Politikerin zu hören oder zu lesen. Gerade die Kunst des Ausformulierens bedarf jedoch eines Lern- und Reifeprozesses. Aber diese Sätze kommen aus dem Mund einer Schülerin. Dann wieder hören wir tatsächlich das Mädchen, mit seinen Ängsten und Sehnsüchten. Eine schwer verständliche Reife paart sich mit vernichtender Selbstkritik. Sieht sich auch Greta Thunberg unterbewusst als wahrgenommene Versagerin — und will ihr Engagement beweisen, dass sie keine ist (Hervorhebung durch Autor)?
„An Orten wie Davos erzählen Menschen gerne Erfolgsgeschichten. Aber ihr finanzieller Erfolg hat ein unvorstellbares Preisschild. Und beim Klimawandel müssen wir anerkennen, dass wir versagt haben“ (4).
Was sie da in Davos erzählte, ist eine gelebte Erfahrung, die Greta — so meine ich — gar nicht haben kann.
Als sie bei der sogenannten UN-Klimakonferenz im polnischen Katowice sprach, tat sie das ausdrücklich nicht für sich (Hervorhebung durch Autor):
„Mein Name ist Greta Thunberg. Ich bin 15 Jahre alt und komme aus Schweden. Ich spreche im Auftrag von Climate Justice Now“ (5).
Die Leser dürfen sich motiviert fühlen, herauszubekommen, welche Agenda und welche Sponsoren durch Climate Justice Now vertreten werden. Es sei vorgegriffen, dass sich auch diese Organisation „nachhaltigem Wachstum“ verpflichtet sieht.
Der oben erwähnte Rüdiger Lenz kommentierte obiges Zitat so:
„Deutlicher kann man [...] nicht sein Weinen verbergen. Es fällt nicht schwer, hier ihre ganz persönliche Not herauszuhören. Doch welcher Not gehören diese Worte wirklich? Ist es wirklich der Klimawandel oder handelt es sich bei diesem Ausspruch Greta Thunbergs um eine Not, die sie selbst erduldet und erlebt hat? Eine Not, die sich tief in ihr Herz gegraben hat? Eine ganz persönliche Not die sie auf den Klimawandel projiziert?“ (6).
Wie fühlt, leidet, denkt dieses Mädchen? Was projiziert sie und was projizieren eigentlich wir, wenn wir über sie sprechen?
Maris Hubschmid vom Tagesspiegel schrieb Anfang März 2019:
„Sie schwänzen die Schule, damit es weh tut. Damit die Adressaten ihrer Forderungen, Eltern und Erwachsene allgemein, gezwungen sind, sich damit auseinanderzusetzen“ (7).
Und — fühlen Sie sich gezwungen? Wie kam Greta Thunberg und viele tausend Schüler auf den Gedanken, dass ihr Streiken den Erwachsenen weh tut? Tut es überhaupt weh? Tut es Maris Hubschmied weh? Maris Hubschmied tut es mitnichten weh, denn sie hat sich mit dem schwedischen Mädchen solidarisiert. Sie ist auf der „guten“ Seite. Die Journalistin hatte mit diesem Zitat ein Kapitel ihres Beitrags eingeleitet, das überschrieben war mit:
„Sie [Greta Thunbergs Familie] haben sich ein Elektroauto angeschafft“ (8).
Das journalistische Loblied auf Greta wird mit einem künstlich kreierten Symbol des „Kampfes gegen den Klimawandel“ verbunden. Elektroautos — so verkuppelt es uns der Mainstream — sind gut für die Umwelt. Wer hat Gretas Familie diesen Betrug aufgeschwatzt, so dass es jetzt deren Glaube ist?
Das Narrativ vom umweltfreundlichen Elektroauto als Hebel gegen die Klimakatastrophe wird mehr oder weniger auffällig unaufhörlich gestreut. Eine Lüge wird systematisch unters Volk gebracht, so auch durch die deutsche Wikipedia, die explizit darauf hinweist, WIE die Thunbergs nach Polen reisten:
„Im Dezember 2018 reiste sie zusammen mit ihrem Vater in einem Elektroauto zur UN-Klimakonferenz in Katowice, Polen“ (9).
Ein weiteres Beispiel aus Die Zeit:
„Natürlich fährt sie mit dem Zug oder dem Elektroauto, natürlich dreht sie zu Hause immer das Licht aus, natürlich tut sie alles, was man erwachsenen Deutschen in den Servicemagazinen der Dritten noch beizubringen versucht“ (10).
Ganz beiläufig reiht sich das Elektroauto in die "klimarettenden Maßnahmen" ein. Hier das nächste Beispiel aus dem Spiegel:
„Und als die Tochter Ende Oktober auf einer großen Klimaschutzdemo in London eine Rede halten sollte, kutschierte sie ihr Vater mit dem Elektroauto: 28 Stunden quer durch Europa, alle zwei Stunden Batterien aufladen“ (11).
Wenn die Tochter nicht weiß, dass Elektroautos für den Individualverkehr ein Umweltfrevel erster Güte sind, dann ist das durchaus nachvollziehbar. Oder weiß sie es doch und grenzt die Eltern aus ihrem radikalen Auftreten für den „Klimaschutz“ aus? Ihr Vater, Svante Thunberg — er weiß es auch nicht? Der gleiche Vater, der im Interview zu Protokoll gibt, dass Greta alles ganz alleine machen darf und muss:
„Wir können nicht hinter dir stehen. Du musst es ganz allein machen“ (12).
Dieser Mann kutschiert(e) öffentlichkeitswirksam mit einem Umweltkiller — nämlich dem Elektroauto — Greta durch Europa. Hier stimmt etwas nicht in der Selbstwahrnehmung von Svante Thunberg. Aber eben nicht nur bei ihm. Elektroauto als positives Element im „Kampf gegen die Klimakatastrophe“ wird wieder und wieder und wieder ins Spiel gebracht. Die Meinungsführerschaft hinterfragt nicht die verhängnisvollen Konsequenzen der Masseneinführung von Elektroautos, sondern bewirbt sie sogar ganz massiv. Dieses Konzept ist gut für die Wirtschaft und gut für deren Wachstum, aber für die Umwelt ist es eine Katastrophe (a3).
Ich bin davon überzeugt, dass Greta Thunberg ehrlich daran glaubt, dass Elektroautos gut für die Umwelt sind. Sie weiß es einfach nicht besser und das, was sie weiß, hat sie von Menschen erfahren, denen sie vertraut. So wie eben ein Kind vertraut — naiv. Sie glaubt einer neuen Umgebung, die ihr etwas zu geben scheint, wonach sie sich immer gesehnt hat: positive Aufmerksamkeit, ehrliche Anerkennung, ja Liebe. So sagte sie unter anderem:
„Aufmerksamkeit für mich heißt Aufmerksamkeit für das Klima“ (13).
Das Opfer ist das Klima — oder auch Greta. Mit dem Klima wird sie plötzlich so wahrgenommen, wie sie es sich wohl immer erträumt hat und so könnte man ihren Satz vielleicht auch interpretieren mit: „Aufmerksamkeit für das Klima heißt Aufmerksamkeit für mich.“ Wobei das nicht zu dem Schluss führen soll, dass hier übertriebener Egotismus befriedigt wird, nein, das sind ganz normale Bedürfnisse, die uns als soziale Wesen überhaupt erst überleben lassen.
Sie selbst spricht offen über das Asperger-Syndrom, das ihre Persönlichkeit prägt. Im Spiegel-Artikel lesen wir:
„Dabei ist sie noch eine Jugendliche. Eine, die wie eine Erwachsene spricht und wie ein Kind aussieht, kaum Freunde hat und in ihrer Freizeit am liebsten mit ihren Hunden spielt.“ (14).
Das Fehlen erfahrener Liebe stellte für sie und ihr persönliches Umfeld eine Herausforderung dar und ließ das junge Mädchen bereits in Depressionen fallen. „Nur“, weil ein Mensch durch das Asperger-Syndrom geprägt ist, heißt das noch lange nicht, dass er auf Liebe verzichten kann.
Plötzlich, im großen Zirkus um das Klima aber geschieht es. Greta Thunberg wird geliebt, ihr „Defekt" sogar als sympathische Eigenart ihrer Persönlichkeit wahrgenommen. Sie bekommt tatsächlich zehntausende Briefe — Liebesbriefe von Gleichaltrigen, die ihr doch „eigentlich“ fremd und unnahbar erschienen. Sie, die auf der Suche nach ihrem Selbst ist, jedoch aufgrund ihrer autistischen Züge Probleme hat, mit Emotionen anderer umzugehen, wie auch die eigenen zu zeigen, wird plötzlich zu einer Identifikationsfigur von Jugendlichen, zu einem Idol (15).
Die Angst Gretas, soziale Kontakte zu knüpfen, weil sie sich als unverstanden wahrnimmt, fand möglicherweise eine Projektion in der reichlich gestreuten Angst, mit der die Diskussion um das Klima permanent angeheizt wird. Die Vereinnahmung durch die Angst nimmt uns auch die Möglichkeit, dass damit verbundene Problem ganzheitlich und mit der dazu erforderlichen Sicht von außen aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.
Angst kennt nur eine Sicht, die innere, die emotionale. Jene, die uns verstrickt und zum Teil des Problems werden lässt. Die Emotion Angst, ist akut, ja sie ist existenziell und ruft daher prinzipiell nach rascher Lösung. Angst ist wie Verdursten — es muss sofort gehandelt werden. Oder sie zeigt auf reale oder eingebildete Gefahren, dann müssen diese sofort beseitigt werden. Planvoll und überlegt ist da nichts — kann es auch nicht sein: Es ist eine Emotion.
So abwegig erscheint es mir nicht, dass Greta Thunberg ihre inneren Ängste in das Außen tragen, damit ihre Lähmung überwinden und so aktiv werden konnte. In bestimmten Maßen kann das sicher auch gut für uns und andere Menschen sein und zur seelischen Heilung beitragen. Es kann aber auch die inneren Konflikte zudecken und sie weiter unter der Oberfläche schwelen lassen.
Eines ist jedoch feststellbar: Im Gegensatz zur Lobhudelei der Massenmedien sehe ich die schwedische Schülerin als unzureichend informiert über die komplexen Prozesse und Strukturen, die wir Menschen leben und durch die wir unsere Umwelt schänden. Damit ist nicht gesagt, dass Greta dumm ist. Sie hat sehr wohl eigene Gedanken, um im Sinne einer lebenswerten Umwelt auch selbst konstruktiv zu handeln. Fragwürdig wird ihr Auftreten immer dann, wenn sie den Eliten strategische Entscheidungen „empfiehlt“. Dann klingt sie tatsächlich so, wie es ein Ausspruch während ihrer Rede in Katowice (siehe weiter oben) offen legt: „Ich spreche im Auftrag [...]“.
Die „Klimaaktivistin“ Greta wurde auf diesen Thron gehoben und sie hat bislang — ja vielleicht auch in Zukunft — nicht die Fähigkeiten, dies zu erkennen. Für sie selbst scheint die Rolle als ein Ventil, um mit früher erlebten Verletzungen zurecht zu kommen. Sie klammert sich an ihrer Mission fest.
Missionare sind Boten angeblich großer Ideen und ihrer Verfasser. Es scheint mir nicht unwesentlich, dass Greta Thunberg eine — wenn auch entfernte — Nachfahrin des schwedischen Wissenschaftlers und Nobelpreisträgers Svante Arrhenius ist, der Anfang des 20. Jahrhunderts die Hypothese aufstellte, dass ein Anstieg des Kohlendioxid-Anteils in der Atmosphäre zu einem weltweiten Anstieg der Lufttemperaturen führt. Gretas Kampf für die „Rettung des Klimas“ ist auf der strategischen Ebene „großer Würfe" auf diese sehr einseitige Hypothese ausgerichtet und bekommt somit eine zusätzliche, sehr persönliche Komponente (16).
Die junge Schwedin verbindet ihre Mission mit einem familiären Idol. Svente Arrhenius — zweifellos ein großartiger Wissenschaftler seiner Zeit — wird allerdings posthum heute genauso für politische Zwecke missbraucht, wie seine Urenkelin Greta Thunberg.
Aber wie bereits ausgeführt und ohne jeden abwertenden Vorwurf: Ihr Wissen zum Thema ist auffällig unvollständig. Greta ist zudem keine Visionärin. Sie ist vielmehr von Angst getrieben und auch daher, im wahrsten Sinne des Wortes, eine Aktivistin. Visionen — nennen wir es einmal so — haben ganz andere.
Das Problem ist nicht, dass die Heranwachsende ein helles Köpfchen ist und auch nicht, dass sie sich darüber im Klaren ist. Es liegt auch nicht in ihrer einzigartigen Persönlichkeit, mitgeprägt durch das Asperger-Syndrom. Nein, es findet sich dort, wo Andere sich im eigenen missionarischen Sendungsbewusstsein in Gretas Worten wiedererkennen. Die Einen, die sich bestätigt fühlen, streicheln Greta Thunbergs Ego. Sie vermitteln ihr die Illusion, dass sie die Mechanismen der Welt, in der sie lebt, im Prinzip verstanden hat — was aber nicht der Fall ist. Die Anderen erkennen in ihr die eigenen Defizite eines nicht selbstbestimmten, nur scheinbar mündigen Lebens innerhalb unserer vermeintlich alternativlosen Leistungsgesellschaft.
Weiter oben stellte ich schon einmal die Frage: Wie kam Greta Thunberg und viele tausend Schüler auf den Gedanken, dass ihr Streiken den Erwachsenen weh tut?
War die Idee des Streikens überhaupt ihre eigene?
„Im Februar 2018 gewann Greta Thunberg bei einem Schreibwettbewerb der Zeitung ‚Svenska Dagbladet‘ den zweiten Platz mit einem Beitrag über den Klimawandel, den sie konsequent als Klimakrise bezeichnet. Daraufhin kontaktierte sie der Umweltaktivist Bo Thorén — und schlug ihr, inspiriert von Protesten gegen Waffenbesitz nach einem Schulmassaker in Florida, den Schulstreik vor“ (17).
Nicht, dass das jetzt furchtbar schlimm wäre. Doch wird deutlich, dass das Mädchen sehr wohl eine gewisse Führung erfuhr. Außerdem ist ihr Verhalten durch herrschende Macht gedeckt, geschützt und gefördert. Sonst wäre ihr Schulstreik — erst recht aufgrund der ausdrücklichen Ansage und Verbreitung — sehr rasch unterbunden worden. Denn — ebenso wie in Deutschland — gilt auch in Schweden eine Schulpflicht (18). Aufgrund dessen greift eine Rechtsverletzung mit strafrechtlichen Konsequenzen für die Eltern. Aus Deutschland sind mir Fälle bekannt, die zu sehr drastischen Repressionen gegen Kinder und Eltern führten — bis hin zur Wegnahme der Kinder. So ungerecht ich dieses Vorgehen auch immer angesehen habe, erstaunt es mich nun um so mehr, wie tolerant plötzlich Behörden mit der systematischen Verletzung der verpflichtenden Teilnahme am Schulunterricht umgehen.
Ein junger Mensch, fast noch ein Kind, wird zu einer Ikone hochstilisiert, damit andere sich in seinem Schein sonnen können. Emotional Geschädigte projizieren so ihre eigenen Sehnsüchte auf ein Mädchen, dass sich dieser Art von Umarmung schlecht erwehren kann. Das Ganze gipfelte in einer Groteske, dem Vorschlag zur Verleihung des sogenannten Friedensnobelpreises an sie (19,a4). Es kann da kaum verwundern, dass die Schülerin selbstverständlich auch eine Audienz beim Papst in Rom bekam (20).
Es geht noch absurder: Im März des Jahres 2019 wurde das Mädchen Greta Thunberg zur „Frau des Jahres“ in Schweden gekürt (21). Diejenigen, die das Mädchen zu einem Sendboten Gottes machen, sie über die Maßen aufwerten, tun an anderer Stelle das Gegenteil und werten — zum Beispiel Kritiker dieses Kults — in gleicher Weise schonungslos ab. Menschen, die so im Kampf — dem mit sich selbst — verstrickt sind, sind ständig am Polarisieren, um sich im Idealtypus wiederzufinden.
Das Ideal möchte man selbst sein. Der vermeintliche Dämon, den man in sich selbst nicht ertragen kann, wird geteert und gefedert. Solche Leute kommen gar nicht auf die Idee, zu fragen, welche Auswirkungen dieser ganze unehrliche Hype auf das zukünftige Leben der Greta Thunberg haben wird.
Kommen wir erneut zur Elektromobilität, die immer wieder im Kontext zu Greta Thunberg positiv konnotiert ins Spiel gebracht wird.
Nicht ansatzweise ahnt sie wohl, dass es eine mächtige Industrie — unter anderem in Deutschland — gibt, die eine massenhafte Einführung von Elektroautos als den rettenden Strohhalm sieht und die Akzeptanz für diese Antriebsart anzuheizen versucht. Es gibt eine außerordentlich starke Lobby, die über Politik und Medien versucht, Elektroautos zur Massenware zu machen, koste es was es wolle. Bei der kleineren Variante, den Elektrorollern, hat der Gesetzgeber inzwischen schon Fakten und damit die Blaupause für die große Variante geschaffen. Alles das tut man, obwohl es in katastrophaler Weise auf Kosten unserer Umwelt geht — die das Klima mit einschließt.
Zynischerweise ließe sich sogar sagen, dass Greta Thunberg, ohne sich dessen bewusst zu sein, zur Gallionsfigur einer weltweiten Marketing-Kampagne zur Einführung globaler Elektromobilität auserkoren wurde.
Zur Perversion verkam das Ganze, als das öffentlich-rechtliche ZDF dem bereits mit Ehrungen überhäuften Mädchen auch noch die „Goldene Kamera“ verlieh. Welcher Selbstbetrug da ablief, zeigt sich schon in der Tatsache, dass die Verleihung mit freundlicher Unterstützung des Automobilgiganten Volkswagen stattfand (a5). Mit einem seiner neuen Verkaufsmodelle — einem 1,25 Tonnen „leichten“ SUV — wurde im Nachgang werbewirksam eine Nachwuchspreisträgerin in die Arena des Flughafens Berlin-Tempelhof kutschiert (22,23).
Die durchaus vorhandene massenmediale Kritik an dieser Werbeveranstaltung brachte es dann trotzdem noch hin, verschämt auf die „Alternative“ hinzuweisen (Hervorhebung durch Autor):
„Die Community erregt sich nicht nur darüber, dass Volkswagen als Sponsor der ‚Goldenen Kamera‘ auftrat, sondern auch darüber, dass es sich beim Modell VW T-Cross um einen Verbrenner handelt“ (24).
Längst bereitet sich der VW-Konzern mit enormen Investitionen auf den erwarteten Wachstumsmarkt der elektrogetriebenen Automobile vor (25,26,a6). Politik und Medien spielen sich — ganz im Sinne der Konzerne — perfekt die Bälle zu, um die Bevölkerung für diese schillernde, neue Welt — in Wahrheit ein gigantischer Umweltfrevel — reif zu machen. Während das globale Geschrei vom „Klimakiller CO2“ nicht verebben will, ist der nächste Schritt zur Zerstörung von Lebensräumen und dem Aufflammen weiterer kriegerischer Konflikte für den Zugriff auf knapper werdende Ressourcen im vollen Gange.
Wie soll eine 16-jährige Schülerin dieses Spiel durchschauen?
Verletzte, traumatisierte Menschen reagieren besonders heftig, wenn ihre Traumata angesprochen werden. Die damit aufsteigenden Emotionen können in beiden Richtungen schwingen.
Einmal in die des Glücks bis hin zur Euphorie, wenn die tiefe Sehnsucht nach Liebe und Sicherheit, Wertschätzung und Zuwendung für den Augenblick gestillt ist. Doch gleichermaßen kann die pure Panik ausbrechen, wenn das Trauma geweckt und aus der Vergangenheit in die Gegenwart geholt wird. Letzteres auch dann geschehen, wenn subjektiv (!) der Verlust dessen droht, was man gerade voller Glück empfangen durfte. Dann wird das Trauma gelebt, als würde es tatsächlich gerade geschehen.
Mir scheint, dass Greta Thunberg den Traum von Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Liebe nicht austräumen will. Sie hält sich mit aller Kraft an ihrer Mission der „Rettung des Klimas“ fest, weil es mit genau diesem Traum gekoppelt wurde. Es ist ihr unterbewusstes Konzept, der verletzten Seele Frieden zu schaffen und erinnert an Verhaltensweisen in einer Borderline-Beziehung (27). All jene, die sie feiern, aber auch jene, die sie stigmatisieren, spiegeln ihre eigene verletzte Psyche. Sie schauen in den Spiegel ihrer Sehnsüchte und ihrer Ängste. Wird uns das bewusst, können wir mittels dieses Spiegels über uns selbst lernen.
Wie also können wir mit Greta Thunberg umgehen? Ganz einfach: So achtungsvoll wie wir das auch uns selbst gegenüber wünschen. Entgehen wir auch hier der Verstrickung, in die uns Medien und Politik hineinzuziehen versuchen.
Fakt ist, dass das gehypte Auftreten der jungen Schwedin auch eine Chance bietet, das Thema Klimawandel im viel universelleren Rahmen der bedrohten Umwelt des Planeten und somit auf einer ganz anderen Ebene der Wahrnehmung in der Bevölkerung verstärkt zu diskutieren. Schreiten wir aber vor allem zur Tat — die nicht mit Aktionismus zu verwechseln ist. Tun wir unser Bestes, um unsere Umwelt hier und anderswo lebenswerter zu machen und — nicht zu vergessen — haben wir den Mut darüber zu reden.
Bitte, bleiben Sie in dem Sinne schön aufmerksam.
Quellen und Anmerkungen:
(a1) Die allgemeine, von der etablierten Macht diktierte Herangehensweise zur „Verhinderung der Klimatatastrophe“, wagt es nicht, das fundamentale Mantra von „Geld und Wachstum“ – siehe Zitat ganz oben von Greta Thunberg – zu diskutieren, geschweige denn in Frage zu stellen. Im Gegenteil sollen, mit diesem „Geld und Wachstum“ als Handlungsrahmen, Konzepte zur „Rettung des Klimas“ entwickelt werden. Daher läuft die Diskussion auch immer in technologische Richtungen, wie Atomkraft oder erneuerbare Energien statt Kohle; wie auch Elektromobilität, Industrie 4.0, Künstliche Intelligenz (KI) und so weiter. All das sind Elitenkonzepte, die das Problem in keiner Weise angehen, es im Gegenteil sogar noch verschärfen.
(a2) Das Psychogramm, welches ich in diesem Text über Greta Thunberg zeichnete, entspringt meiner subjektiven Wahrnehmung, verbunden mit eigenen biografischen Erfahrungen. Es mag zum Nachdenken anregen, ist jedoch nicht als die Verkündung „der Wahrheit“ über einen persönlich mir unbekannten Menschen zu interpretieren.
(a3) Im Spätabend-Programm der ARD konnte man am 3. Juni 2019 auch einmal eine differenziertere, wenn gleich noch immer nicht umfassende Darstellung zum Konzept des massenweisen Einsatzes elektrogetriebener Individualfahrzeuge ansehen. Das Video „Kann das Elektroauto die Umwelt retten?“ kann in der ARD-Mediathek noch abgerufen werden.
(a4) Seit Jahrzehnten wurde der sogenannte Friedensnobelpreis dafür benutzt, um politische Agenden durchzusetzen. Beste Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit sind die Ehrungen für Barack Obama, die Europäische Union (EU) sowie die Organisation zur Verhinderung des Einsatzes von Chemiewaffen (OVCW). Seine Symbolik stützt die Umsetzung knallharter, eigennütziger Ziele bis hin zur Durchsetzung von allgemeiner Akzeptanz für völkerrechtswidrige Kriege.
(a5) Erneut muss die Frage aufgeworfen werden, warum ein finanziell mehr als üppig ausgestatteter öffentlich-rechtlicher Sender, Werbegelder von Großkonzernen einnehmen muss, ja überhaupt darf. Die sich daraus ergebenden Abhängigkeiten, auch in der Programmgestaltung, sind nur folgerichtig.
(a6) Ironie der Geschichte: Ausgerechnet in Greta Thunbergs Heimatland Schweden ist der VW-Konzern in eine strategische Allianz mit Northvolt gegangen, um Akkus für die Massenproduktion zu entwickeln. Da kann es nicht ausbleiben, dass auch dessen Produkte unter dem verführerischen Label „Grüne Energie“ angeboten werden.
(1, 3, 4) 25. Januar 2019; https://www.welt.de/vermischtes/article187693472/Greta-Thunberg-in-Davos-Ich-will-dass-ihr-in-Panik-geratet.html
(2, 6) Rüdiger Lenz; 12. Juni 2019; https://kenfm.de/tagesdosis-12-6-2019-ich-will-eure-hoffnung-nicht/
(5) Annette Kögel; Greta Thunbergs Rede in Katowice: https://www.tagesspiegel.de/berlin/klimaaktivistin-greta-thunberg-15-mein-appell-an-die-welt/23779892.html
(7, 8, 17) Maris Hubschmid; 1. März 2019; https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/fridays-for-future-greta-thunberg-die-klassensprecherin/24057020.html
(9) https://de.wikipedia.org/wiki/Greta_Thunberg#UN-Klimakonferenz_in_Katowice_2018; abgerufen: 25. Juni 2019, 19:30 Uhr
(10) Meli Kiyak; 30. Januar 2019; https://www.zeit.de/kultur/2019-01/greta-thunberg-klima-davos-hass-soziale-medien
(11, 12, 13) Claus Hecking; 30.November 2018; https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/greta-thunberg-das-gesicht-der-globalen-klimabewegung-a-1241185.html
(14) Carola Grosse-Wilde, Carlotta Sauer; dpa; 1. März 2019; https://www.suedkurier.de/ueberregional/politik/Seite-an-Seite-mit-Greta-Warum-immer-mehr-Kinder-fuer-Demonstrationen-die-Schule-schwaenzen;art410924,10068164
(15) Maria Heinrich; 8. Februar 2019; https://www.augsburger-allgemeine.de/panorama/Tausende-schicken-Liebesbrief-an-Greta-Thunberg-id53417336.html
(16) https://starsinformer.com/greta-thunberg/; abgerufen: 26. Juni 2019
(18) https://www.alltag-in-schweden.de/schulsystem.php; abgerufen: 26. Juni 2019
(19) 14. März 2019; https://www.welt.de/politik/ausland/article190288185/Norwegische-Abgeordnete-nominieren-Greta-Thunberg-fuer-Friedensnobelpreis.html
(20) 17. April 2019; https://www.welt.de/vermischtes/article192056503/Greta-Thunberg-besucht-den-Papst-Deutsche-Bischoefe-beeindruckt.html?wtrid=socialmedia.socialflow....socialflow_twitter
(21) 8. März 2019; https://www.welt.de/politik/ausland/article189992139/Greta-Thunberg-16-jaehrige-Klimaaktivistin-zur-Frau-des-Jahres-in-Schweden-gewaehlt.html
(22) 30. März 2019; https://www.zdf.de/show/die-goldene-kamera/goldene-kamera-fuer-greta-thunberg-100.html
(23, 24) Claudia Sehring; 1. April 2019; https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/verleihung-der-goldenen-kamera-erst-klimaaktivistin-geehrt-dann-suv-verschenkt/24164272.html
(25) 14. Mai 2019; https://www.nzz.ch/mobilitaet/auto-mobil/volkswagen-plant-hauseigene-batteriezellfertigung-ld.1481597
(26) Krim Delko; 22. Juni 2019; https://www.nzz.ch/finanzen/wettkampf-um-die-batterie-der-zukunft-spitzt-sich-zu-ld.1490662?utm_source=pocket-newtab
(27) Susana Paviz; 2011; https://www.borderline-spiegel.de/44-spiegeln_in_einer_borderline_beziehung.html