Redaktionelle Vorbemerkung: Wie fern, wie uneinnehmbar wirken die Festungen der Mainstream-Medienlandschaft aus junger Perspektive, wie durchgetaktet ihr redaktioneller Duktus. Gastbeitrag? Vielleicht nach drei Praktika! Doch in einer Demokratie sollten auch wir Jugendlichen ein Mitspracherecht haben. Der Rubikon setzt hierfür einen Grundstein. Unsere Jugendredaktion veröffentlicht daher in ihrer Kolumne „Junge Federn“ beständig Beiträge junger Autorinnen und Autoren, denen thematisch kaum Grenzen gesetzt sind. Wenn dich das anspricht, schreib uns gerne an: jugend@rubikon.news.
Die kapitalistische Warenwirtschaft trat mit dem Versprechen von Freiheit und Wohlstand an. Kaum mehr als zwei Jahrhunderte später ist davon nichts übriggeblieben als Zerstörung, nicht nur in der Gesellschaft und dem Wesen des Menschen, sondern — und das noch viel nachhaltiger — auch in der Natur, aus der wir alle entstammen, und von der wir auch nach jahrhundertelangen Emanzipationsversuchen noch immer abhängig sind.
Die durch den kapitalistischen Wachstumsfetischismus angetriebene Industrialisierung verschlingt ein zunehmendes Maß an Rohstoffen, die sie zum Teil als Gifte in die Umwelt zurücklässt, frisst sich immer tiefer in Wälder, Gebirge und die Erde, hinterlässt nichts als Abraumhalden und Wüsten sowie öligen Asphalt. Nach und nach macht der Mensch sich die Natur untertan, unterwirft sie seinen eigenen Gesetzen, seiner Machtbesessenheit und seinem Wachstumszwang. Wir machen uns die Welt, wide-wide- wie sie uns gefällt, ahnen aber gleichzeitig klammheimlich, dass dieser Kurs irgendwann in einer Katastrophe münden muss, obwohl wir tapfer alle Schreckensmeldungen ignorieren, die zu einem Umsteuern, einem Herumreißen des Ruders noch auf der Zielgeraden anmahnen.
So wird auch die von der NASA finanzierte Studie, die das Ende der Zivilisation auf den nicht mehr fernen Horizont malt und auch ganz konkrete Ursachen benennt, mit erstaunlicher medialer Nichtbeachtung bedacht. In dieser interdisziplinären Studie ließ die NASA den Untergang sämtlicher Hochkulturen innerhalb der letzten 5.000 Jahre untersuchen und kam zu dem Ergebnis, dass die wichtigsten (wenngleich auch nicht einzigen) Gründe einerseits die zunehmende Spaltung zwischen den wenigen Reichen und den sich rasant vermehrenden Armen innerhalb einer Gesellschaft und andererseits die Überbeanspruchung von fruchtbaren Böden darstellten.
Dazu passt eine Studie der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen (FAO), die im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde. Diese kam zu dem Ergebnis, dass bei ungestörtem Fortgang der kapitalistischen, industriellen Landwirtschaft der Menschheit noch 60 weitere Ernten, also 60 Jahre Welternährung zur Verfügung stehen.
Industrialisierte, auf kurzfristige Gewinne ausgerichtete Landwirtschaft hat die einst fruchtbaren Böden so dermaßen erodiert und an vielen Stellen in Wüsten verwandelt, dass auch der massive Aufwand von Kunstdüngern und genetischer Manipulation diese Nachteile nicht mehr auszugleichen vermag. Das Insektensterben sowie zunehmende Dürren sind hier noch nicht einmal eingerechnet.
Auch prangerte die Nichtregierungsorganisation Oxfam traditionellerweise vor dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos die steigende Ungleichheit in der Gesellschaft an. Nach den Angaben der Organisation besitzt der reichste Prozentsatz mehr Vermögen als der Rest der Welt, das sind jene 2043 Milliardäre, die 82 Prozent des weltweiten Vermögenswachstums des letzten Jahres einstrichen.
Eine Überbeanspruchung fruchtbarer Böden sowie eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft — damit sind die wichtigsten Voraussetzungen des Untergangs der Zivilisation bereits erfüllt. Andere Faktoren wie eine steigende Bevölkerungsrate, die nie höher war als in der heutigen Zeit, oder der Zugang zu Trinkwasser kommen nur noch als schmückendes Beiwerk obendrauf. Damit ist, wenn sich nicht bald etwas ändert, der Untergang der Gesellschaft nur noch eine Frage der Zeit. Der einzige Unterschied zwischen dieser Gesellschaft und all jenen, die innerhalb der letzten 5.000 Jahre untergegangen sind, ist:
Wir sind eine globale Gesellschaft. Gehen wir unter, geschieht das nicht irgendwo im Dschungel, in der Wüste oder in der Arktis. Natürlich, es wird dort beginnen, schon heute sind die Migrationsbewegungen, die wir erleben, eine Vorahnung auf das, was auf uns zukommen wird — von Krieg und Konflikten, Hunger und dem Kampf um Land und Wasser ganz zu Schweigen. Letzteres mag den industrialisierten Norden noch nicht erreicht haben, ist jedoch in anderen Teilen der Welt, allen voran Afrika, längst Alltag.
Das System beginnt an den Rändern auszufransen, und schon bald werden die Folgen unseres Handelns auch auf uns zurückschlagen. Wenn jedoch solche massiven Veränderungen erst einmal in Gang gesetzt sind, wird es schwierig sein, sie aufzuhalten, dann ist der Untergang der Zivilisation programmiert. An dieser Stelle dürfen sich die Großkapitalisten und Wirtschaftsliberalen gerne auf die Schulter klopfen, denn sie haben sich eine Gratulation redlich verdient.
Dass die Folgen ihrer ökonomischen Kurzsichtigkeit auch sie treffen werden, mögen sie noch nicht begriffen haben, sie glauben vielleicht, wenn die Mauern nur hoch genug gebaut würden und die Grenzen mit scharfer Munition verteidigt, ließen sich die externalisierten Kosten des Wohlstandes auf ewig in die angenehme Unbetroffenheit der über die Bildschirme flimmernden Nachrichten verbannen. Doch das wird nicht gelingen, da Klimawandel, Umweltverschmutzung und auch Menschen, wenn sie nur entschlossen genug sind, sich nicht aufhalten lassen.
Seit Beginn des Kapitalismus hat der „Norden“ gerne die Vorteile eingestrichen, aber die dunkle Seite des Kapitalismus verdrängt, und nun, wenn diese sich offenbart, fühlen sich die Profiteure einer destruktiven Ideologie ungerecht behandelt und schreien nach Mauern.
Dabei gibt es auch unter den angeblichen Gewinnern viele Verlierer. Gewinner, das sind nur jene Milliardäre, die mehr und mehr des weltweiten Vermögens aufsaugen, für welches sie dann händeringend Anlagemöglichkeiten suchen, weil sie dieses ganze Geld im Grunde nicht gebrauchen können. Alle anderen, die vielen ungezählten Arbeiter in den Fabriken, jene in der westlichen Welt und noch mehr jene im globalen Süden, gehen leer aus, sind die Verlierer.
Verlierer ist auch die Umwelt, die, der hemmungslosen Spekulation zum Opfer fallend, mittels Landraubs Kleinbauern entrissen, dann zu Tode gedüngt und mit Pestiziden besprüht wird, die umgegraben und in Abraumhalden oder Endlager für unseren überflüssig gewordenen Abfall verwandelt wird.
Verlierer sind die Tiere, die im Regenwald lebten, welcher sich nach und nach in Plantagen für Palmöl oder Soja verwandelt, Verlierer sind all die Tier- und Pflanzenarten, die der Mensch effizient der Vernichtung entgegenführt, sei es in Schweine-, Rinder- oder Hühner-KZs — oder in freier Wildbahn.
Verlierer sind auch jene Menschen, die in den von Krisen und Kriegen gebeutelten Regionen leben, die der rohstoffhungrige Kapitalismus produziert hat, um für seinen Wachstum weiterhin Überfluss zu produzieren. 19 Kriege zählte das Heidelberger Institut für internationale Konfliktforschung im Jahr 2016. Weniger geworden sind es seitdem kaum.
Obwohl der Preis für den versprochenen Wohlstand so hoch ist, die negativen Effekte auf lange Sicht die Positiven überwiegen, und sogar das Überleben der gesamten Spezies Mensch auf dem Spiel steht, werden diese Themen der Öffentlichkeit meist ausgeblendet. Natürlich, die Symptome werden mitleidig kopfschüttelnd dargestellt, ein Bürgerkrieg hier, ein Tankerunglück dort, und natürlich die sogenannte „Flüchtlingskrise“ 2015, auf die wir in Zukunft noch wehmütig zurückblicken werden.
Doch die zugrundeliegende Krankheit, ein entfesseltes, kapitalistisches System, das auf die Generierung kurzfristige Gewinne ausgerichtet ist, fehlt in der öffentlichen Debatte. Stattdessen werden die Menschen mit dem endlosen Sondierungs- und Koalitionstheater abgelenkt, mit dem Leben der Stars und Sternchen, medialen Massenereignissen wie der Fußballweltmeisterschaft und natürlich den neuesten Ausrutschern von Donald Trump.
Währenddessen ist ein jeder selbst damit beschäftigt, sich in diesem destruktiven System einzurichten, seine Rolle zu finden und klaglos zu übernehmen, sodass er sich als ein Teil von etwas fühlen darf, als angekommen in einer etablierten Gesellschaft. Doch wer ein Teil von etwas ist, wird jede Kritik an diesem Etwas vehement abschmettern, die den Sinn seiner Zugehörigkeit in Frage stellt. Ihm hilft dabei eine kollektive Ablenkungsindustrie, die es verführerisch einfach macht, dem Elend der Welt zu entfliehen und sich in Parallelwelten zu begeben.
So taumelt der Mensch seinem Untergang entgegen, und am Ende gibt es wohl nicht viel mehr zu sagen als: „Glückwunsch, Menschheit.“