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Gekaufte Wissenschaft

Gekaufte Wissenschaft

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Erstens: Auswahl von geeigneten Wissenschaftlern

Zunächst sucht man geeignete industrienahe WissenschaftlerInnen, die bereit sind, die Meinung der Industrie zu vertreten. Hierbei ist Geld manchmal nur von nachrangiger Bedeutung. Oft sind Ehrgeiz, Eitelkeiten oder Ruhmeswünsche viel wichtiger. WissenschaftlerInnen sind daher von der Geldseite her gesehen häufig sehr billig zu bekommen. Man verspricht ihnen etwa, Publikationen in renommierten Journalen zu unterstützen und so die Wissenschaftskarriere zu fördern.

In diesem Zusammenhang besonders interessant sind die in den letzten Jahren sprunghaft angestiegenen Kooperationen von Automobilunternehmen mit Universitäten bei Doktorarbeiten. Allein Audi finanzierte 2012 130 Doktoranden an deutschen Universitäten. Das hat nichts mit Korruption oder unethischem Verhalten zu tun. Junge, vielversprechende Nachwuchswissenschaftler beschäftigen sich einfach mit Fragestellungen rund ums Auto. Was daran problematisch sein kann: Wer beschäftigt sich mit den nachteiligen Folgen des Autoverkehrs? Durch die zunehmenden Industriekooperationen verschiebt sich das Kräfteverhältnis in der Hochschulforschung zugunsten industrienaher Themen. Demgegenüber tritt Forschung über Umwelt, Soziales und so weiter immer mehr in den Hintergrund, nach dem Motto „Weß‘ Brot ich ess, dess Lied ich sing“.

Zweitens: Maximieren der Wirksamkeit der geeigneten WissenschaftlerInnen

Sind geeignete industrienahe WissenschaftlerInnen gefunden, gilt es, diesen in der Öffentlichkeit, Politik und Wissenschaft Gehör zu verschaffen. Durch großzügige finanzielle Ausstattung, Einrichtung von Laboren, Lehrstühlen, Forschungsinstituten und so weiter sollen die ausgewählten ForscherInnen größtmögliche Wirksamkeit entfalten. Es gibt in der Tat eine Unmenge von Kooperationen an Hochschul-Instituten und -Laboren mit den großen Autoherstellern. Entsprechende Forschungseinrichtungen in Kooperation mit BUND, Greenpeace, attac und ähnlichen sucht man vergeblich. Die Ergebnisse der industriefinanzierten Forschung fließen über ständige Studienpublikationen systematisch in die öffentliche Meinung ein und erzeugen dadurch eine gewisse wohlwollende Grundhaltung gegenüber der Automobilbranche.

Drittens: Geheimhalten

Am stärksten ist die Wirkung in der Öffentlichkeit, wenn nicht oder kaum bekannt ist, dass die WissenschaftlerInnen von der Industrie bezahlt werden, wenn sie möglichst unabhängig in der Öffentlichkeit auftreten, frei nach dem Witz von Otto Waalkes: „Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Rauchen doch nicht schädlich ist – gezeichnet Dr. Marlboro.“ Nach diesem Motto wurde versucht, die einseitigen Forschungsergebnisse der EUGT zu veröffentlichen. Es sollte möglichst nicht bekannt werden, dass dahinter drei große Autokonzerne stehen. Allein schon bei der Namensfindung der EUGT wurde dies berücksichtigt. Der ursprünglich geplante, noch beschönigendere Name „Europäisches Institut für Umwelt und Gesundheitsforschung im Transportsektor“ wurde vom zuständigen Amtsgericht wegen Täuschungsgefahr abgelehnt.

Viertens: Daten fälschen

Besonders wirksam, um zu gewünschten Ergebnissen zu kommen, ist das Fälschen von Daten. Das ist allerdings gefährlich, wie ja die ganze VW-Affäre seit 2015 eindrucksvoll zeigt. Die Übergänge vom Verbiegen der Ergebnisse zum Fälschen sind fließend. Manchmal werden die Ergebnisse so stark gebogen und manipuliert, dass es eigentlich schon handfeste Fälschungen sind. Die EUGT hat offensichtlich beides gemacht: gebogen und gefälscht.

Fünftens: Fehlfährten legen, ablenken durch Verwirrfaktoren

Biologische Prozesse in Lebewesen sind äußerst komplex. Da es praktisch immer eine große Vielzahl von beeinflussenden Faktoren gibt, sind einfache, monokausale Zusammenhänge sehr schwierig nachzuweisen. Wer weiß schon genau, ob es nun wirklich das Stickoxid ist, das unsere Kinder in der Innenstadt husten lässt? Man könnte versuchen, die Aufmerksamkeit auf Nebenfährten zu lenken, zum Beispiel Heizungsemissionen in den Innenstädten. Das nennt man in der Lobbysprache „confounder“ oder „Verwirrfaktoren einführen“. Diese Vernebelungsstrategie ist meist äußerst erfolgreich und wird daher besonders häufig angewendet.

Sechstens: Paralyse durch Analyse – „Gesunde Skepsis“ erzeugen gegenüber missliebigen wissenschaftlichen Ergebnissen

Besonders wichtig ist, gegenüber neutralen und unabhängigen wissenschaftlichen Erkenntnissen unablässig Zweifel zu säen. Eines der Hauptziele dabei ist, eine scheinbare wissenschaftliche Skepsis zu schüren. Dadurch kommt es zu stark widersprüchlichen Aussagen, so dass eine allgemeine Verunsicherung eintritt. Solange keine „eindeutigen“ wissenschaftlichen Analysen mit abschließenden Ergebnissen vorliegen, können Behörden oder Politiker schwerlich Gegenmaßnahmen ergreifen. So werden wirkungsvolle Gesetze wie dieselfreie Innenstädte, Citymaut, PS-Steuer, niedrigeres Tempolimit und so weiter erfolgreich verhindert.

Man nennt das „Paralyse durch Analyse“ oder einfach „auf Zeit spielen“. Diese Vorgehensweise ist normalerweise extrem erfolgreich und für die Hersteller ein Segen. Unter Renditegesichtspunkten ist jeder Tag Verzögerung durch Irreführung, Erzeugung von Skepsis, Ablenkung durch Fehlfährten und Ableugnen barer Gewinn – zu Lasten der Gesundheit unserer Kinder.

Abhilfen

Wirksame Gegenmaßnahmen wären:

  • Stärkere Grundfinanzierung der Hochschulen statt der ständig zunehmenden Drittmittelfinanzierung.
  • Ausgewogenere Gremienbesetzung in den Hochschulräten, deren externe Vertreter derzeit zum größten Teil aus der Industrie kommen.
  • Stärkere Transparenz bei den Kooperationsverträgen zwischen Hochschulen und privaten Geldgebern. Momentan bestehen fast keinerlei Offenlegungspflichten, und praktisch keine Transparenz
  • Keine Stiftungsprofessuren von privaten Geldgebern an einzelne Hochschulen, sondern Geldspenden in einen allgemeinen Hochschulfonds, der unabhängig und frei über die Mittelvergabe entscheidet.
  • Keine konzernfinanzierten Studien im politischen Entscheidungsprozess verwenden: derzeit werden von Zulassungsbehörden in großem Umfang nicht publizierte, einseitige und häufig manipulierte konzerninterne Studien verwendet.

Durch das hier beschriebene, häufig angewandte Schema soll nicht die Arbeit zahlloser Forscher in der Industrie oder in Hochschulkooperationen mit der Industrie diskreditiert werden. Es handelt sich in keiner Weise um einen Generalverdacht gegenüber solchen meist hingebungsvoll und voll Idealismus tätigen Forschern. Es wird ausschließlich kritisiert, dass viele ehrlich und mühevoll erarbeitete Forschungs- und Entwicklungsergebnisse unter das Primat der Gewinnerzielung gestellt und dadurch zu Absatz- und PR-Zwecken instrumentalisiert werden. Das widerspricht der freien Wissenschaft.


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