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Gegen die profitable Unverantwortlichkeit

Gegen die profitable Unverantwortlichkeit

Die Konzernverantwortungsinitiative fordert, dass Schweizer Unternehmen Menschenrechte und Umweltstandards einhalten.

Am 29. November 2020 wird in der Schweiz über die Konzernverantwortungsinitiative abgestimmt (1). Am gleichen Tag kommt auch die Kriegsgeschäfteinitiative zur Abstimmung (2).

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Links: Eines der Tausenden Transparente der Konzernverantwortungsinitiative, das am Bahnhof Zürich-Oerlikon aufgehängt wurde. Foto: Heinrich Frei

Was fordert die Konzernverantwortungsinitiative?

Konzerne mit Sitz in der Schweiz sollen bei ihren Geschäften sicherstellen, dass sie die Menschenrechte respektieren und Umweltstandards einhalten. Damit sich auch dubiose Multis an das Gesetz halten, müssen Verstöße Konsequenzen haben, und Konzerne sollen für verursachte Schäden haften.

Haftung: Wer einen Schaden anrichtet, soll dafür geradestehen

Die Initiative fordert eine Selbstverständlichkeit: Wenn Konzerne auf Kinderarbeit setzen oder Flüsse verschmutzen, sollen sie dafür geradestehen. Konzerne sollen deshalb in Zukunft für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung haften, die sie oder ihre Tochterfirmen verursachen.

Glencore verschmutzt Wasser in Kolumbien

Glencore betreibt seit Jahren Teile der Kohlemine El Cerrejón. Die Mine verschmutzt mit ihren fünfzehn Sedimentierungsbecken den Fluss Ranchería.

Mine vergiftet Kinder mit Schwermetallen

In Cerro de Pasco (Peru) sind Luft und Wasser mit Schwermetallen vergiftet. Daran schuld: eine riesige Mine, die von Glencore kontrolliert wird. Gerade für die Kinder haben die Bleivergiftungen dramatische Folgen: Blutarmut, Behinderungen, Lähmungen.

Glencore verantwortlich für schwere Hautverletzungen im Tschad

Recherchen haben aufgedeckt, dass Glencore im Tschad eine Umweltkatastrophe verursacht hat: Chemikalien aus der Erdölproduktion vergiften einen Fluss; das führt bei Kindern und Erwachsenen zu zentimetergroßen Brandblasen auf der Haut, und das Vieh der Dorfbewohner verendet.

Verbotenes Syngenta-Pestizid vergiftet Bauern

Syngenta verkauft in anderen Ländern hochgiftige Pestizide, die in der Schweiz schon lange verboten sind. Viele Pestizide werden mit schweren Krankheiten wie Krebs und Parkinson in Verbindung gebracht.

LafargeHolcim gefährdet Menschen mit Zementstaub

Neben dem nigerianischen Dorf Ewekoro betreibt der Schweizer Konzern LafargeHolcim eine Zementfabrik. Überall ist Zementstaub: auf den Dächern, in den Räumen, auf den Feldern. Ärzte berichten, dass die Menschen Schäden an Leber, Lunge und Milz davontragen.

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Screenshot von der Website der Konzernverantwortungsinitiative

Die Konzernverantwortungsinitiative wurde vom ehemaligen Ständerat der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) und Staatsanwalt Dick Marty (3) zusammen mit einer breiten Koalition von 130 Menschenrechts- und Umweltorganisationen lanciert. Die Initiative wird heute von vielen UnternehmerInnen und PolitikerInnen aller Parteien unterstützt. Ebenfalls stehen die Schweizer Bischofskonferenz, die Evangelisch-reformierten Kirchen Schweiz und die Schweizerische Evangelische Allianz hinter der Initiative.

Konzernverantwortungsinitiative wird mit einem Millionenbudget bekämpft

FDP.Die Liberalen, eine unternehmerfreundliche Partei — in der Dick Marty immer noch Mitglied ist —, bekämpft die Konzernverantwortungsinitiative zusammen mit den Konzernen und den anderen bürgerlichen Parteien mit einem Millionenbudget.

FDP.Die Liberalen — diese Partei stellt sich, wie auf ihrer Website steht, „zusammen mit einem breiten Komitee gegen solche gefährlichen Experimente und fordert die Linke auf, wenigstens in Krisenzeiten Verantwortung für das Gewerbe zu übernehmen“.

FDP.Die Liberalen behaupten, die Konzernverantwortungsinitiative stelle alle Unternehmen unter Generalverdacht und entfessle ein regelrechtes Bürokratiemonster, das Tausende von kleinen und mittleren Unternehmen in den Ruin treiben könnte (4).

Die Gegner der Konzernverantwortungsinitiative spekulieren jetzt darauf, dass vielleicht die Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Initiative annehmen, aber die Mehrheit der Kantone das Begehren ablehnt. Damit in der Schweiz eine Volksinitiative angenommen wird, müssen sowohl die Mehrheit der Stimmenden wie die Mehrheit der Kantone zustimmen.

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Screenshot von der Website der FDP. Diese Partei bekämpft zusammen mit den Konzernen und den anderen bürgerlichen Parteien mit einem Millionenbudget die Konzernverantwortungsinitiative.

Was sagt die Regierung der Schweiz, der Bundesrat in Bern, zur Konzernverantwortungsinitiative?

Eine Annahme der Konzernverantwortungsinitiative würde laut Bundesrat „Schweizer Unternehmen gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten benachteiligen“. Damit gefährde sie Arbeitsplätze und Wohlstand in der Schweiz, aber auch Investitionen von Schweizer Firmen im Ausland (5).

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Die Regierung der Schweiz, die sieben Bundesrätinnen und Bundesräte der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP), der Schweizerischen Volkspartei (SVP), der Sozialdemokratischen Partei (SPS) und der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP). Screenshot: admin.ch

Schau Dir jetzt den neuen Dokumentarfilm „Der Konzern-Report“ an

Der Film lässt Menschen auf zwei Kontinenten zu Wort kommen, die durch Konzerne mit Sitz in der Schweiz geschädigt werden. Dick Marty und weitere Stimmen aus dem In- und Ausland erklären, warum sie klare Regeln verlangen, damit Konzerne wie Glencore für Verfehlungen geradestehen müssen (6).

Nachtrag

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Quellen und Anmerkungen:

(1) https://konzern-initiative.ch/
(2) https://kriegsgeschaefte.ch/darum-gehts/die-initiative
(3) Dick Marty war Ermittler des Europarats zu illegalen Aktivitäten des US-Geheimdienstes CIA in Europa. Er hatte im Juni 2006 und im Juni 2007 zwei Berichte über Geheimgefängnisse und Überführungsflüge von Gefangenen des US-Geheimdienstes CIA in Europa vorgelegt. Darin hatte Marty unter anderem die Existenz von Geheimgefängnissen der CIA in Polen und Rumänien als erwiesen bezeichnet. Mehrere europäische Länder beschuldigte er, die Augen vor illegalen Aktivitäten der Amerikaner verschlossen zu haben. Zuletzt untersuchte Marty außerdem die schwarze Liste der Vereinten Nationen (UNO) zu Terrorverdächtigen.
In einem am 14. Dezember 2010 veröffentlichten Bericht für den Europarat schrieb Dick Marty, frühere Führer der kosovarischen Befreiungsarmee UÇK seien am Handel mit Organen serbischer Gefangener nach dem Kosovokrieg 1998 bis 99, an Auftragsmorden und anderen Verbrechen beteiligt gewesen. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats nahm Martys Bericht am 25. Januar 2011 an. Die Abgeordneten verlangten in einer Resolution eine seriöse Untersuchung der Vorfälle. https://de.wikipedia.org/wiki/Dick_Marty
(4) https://www.fdp.ch/aktuell/newsroom/?_nsid=59318
(5) https://www.pilatustoday.ch/schweiz/bundesrat-lanciert-kampf-gegen-konzernverantwortungsinitiative-139404233
(6) https://konzern-initiative.ch/konzern-report/?vgo_ee=a35WjzFsPoisAO9IhwIsH5zbiTe1yX0puJ6yaIS2sqY%3D

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