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Frieden mit Flüchtlingen

Frieden mit Flüchtlingen

Europa sollte seine Verantwortung für die Fluchtursachen akzeptieren und zu einer Politik der Menschlichkeit zurückkehren.

Die aktuellen Herausforderungen in den Bereichen der Ökologie, des Friedens und der Menschenrechte machen das Zusammenwirken der Umwelt-, Menschenrechts- und Friedensbewegung notwendig, wenn wir einen Ausweg aus den Zukunftsgefährdungen herbeiführen wollen. Das beginnt damit, dass wir eine genaue Sprache wählen, die in ihrer Analyse den Prozessen auf den Grund geht und nicht auf der Oberfläche des Augenscheinlichen stehen bleibt.

Den Seenotretterinnen und -rettern werfen konservative und reaktionäre Kräfte vor, sie spielten den Schleppern in die Hände. Doch: Wer sich in die Tiefe des Prozesses begibt, kommt zur Erkenntnis, dass es die Militärs sind und ganz vorne mit dabei die Bundeswehr als Mitglied der Nato, die durch das Anfeuern der Fluchtursache Krieg das Geschäft der Schlepper erst im gegenwärtigen Umfang ermöglichen.

Eine Richterin hat die Seawatch 3-Kapitänin Carola Rackete von allen Anklagepunkten gegen sie freigesprochen, da Rackete verantwortungsvoll gehandelt hat, indem sie bedrohtes Leben rettete. Weitere Seenotrettungsschiffe befinden sich im Mittelmeer unweit der italienischen Insel Lampedusa. Die Tragödie geht in die nächste Phase, solange Kriege in der Region zwischen dem Golf, Nordafrika und dem Balkan zu einem Prozess aus Gewalt und Zerfall führen.

Es wird schnell deutlich, dass die alternativen sozialen Bewegungen gemeinsame Gegner haben und zwar im militärisch-industriellen Komplex, in den Rüstungskonzernen, die sich mit Kriegen goldene Nasen verdienen und in den sie unterstützenden Regierungen. Und sie haben ein gemeinsames Ziel: Eine friedliche Welt, in der niemand fliehen muss. In der jeder und jede gerne lebt. Dann endet jede Flucht.

Bis 2018 wurden weit über 35.000 Namen von Flüchtlingen, die auf dem Weg nach und in Europa umkamen, bekannt (1).

Westliche Staaten, vorne dabei die EU und Deutschland, sind an der Flüchtlingstragödie vielfach beteiligt: Als Mitverursacher der Ausdehnung von Wüstengebieten wie der Sahara durch den Klimawandel und seit den Kriegen am Golf und in großen Teilen Afrikas sowie im Balkan durch Gewalt und kriegsbedingte Lebensgefahr, vor der viele Menschen fliehen.
Auch gerade aktuell.

Pure Heuchelei

Wenn die Bundesregierung und der Bundespräsident Italien für seine unmenschliche Politik gegen Flüchtlinge kritisieren, dann ist das reine Heuchelei: Nördliche EU-Staaten haben die sogenannte „Dublin-Regel“ durchgesetzt, der zufolge Fliehende im Land ihrer Ankunft Asyl beantragen müssen und in kein anderes EU-Land weiterreisen dürfen. Dadurch ließen und lassen die reicheren EU-Staaten jene an der EU-Südflanke im Stich. Gäbe es diese Regel nicht, dann würde Italien sich nicht so restriktiv verhalten; es ist sogar die Frage, ob dann Ultranationalisten den gleichen Wahlerfolg davongetragen hätten.

Die Kriegspolitik und der Krieg gegen Fliehende müssten zur Anklage aller an Völker- und Menschenrechts-Verbrechen und am Krieg gegen die Flüchtlinge Beteiligten vor dem Menschenrechtsgerichtshof führen. Das betrifft dann nicht nur Italiens Innenminister, der bei Flüchtlingen auf Seenotrettungsbooten von Menschenfleisch spricht, (2) sondern alle an Kriegsverbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligten Kräfte, zentral mit dabei die Verantwortlichen für die völkerrechtswidrigen Angriffskriege von NATO-Staaten gegen Syrien, Afghanistan, Libyen und Jugoslawien.

In den Hauptherkunftsstaaten Fliehender herrschen Krieg und/oder ein bewaffneter Konflikt (3).

Hinzu kommt: Deutschland gehört zu den größten Waffenexporteuren weltweit. Daran verdienen Großkonzerne auch aus Essen. So baut Hochtief in Saudi Arabien einen Großflughafen (4), der Evonik-Partner Brenntag lieferte waffenfähiges Giftgas nach Nahost (5), Thyssenkrupp verkaufte Israel atomwaffen-fähige U-Boote und weitere Marineschiffe, die Saudi Arabien im Jemen-krieg zum Einsatz bringt (6). Die Essener Firma Ferrostaal ist mit dem Rüstungsriesen Rheinmetall in Panzergeschäfte unter anderem mit Algerien verwickelt (7).

Die Zeit schrieb zur Zusammenarbeit von Ferrostaal und Rheinmetall im Weltwaffengeschäft:

„Öl und Waffen, das passt zusammen. Denn wo im Nahen Osten und in Nordafrika Öl und Gas gefördert werden, da wird auch aufgerüstet“ (8).

Essen, in der Nazizeit die Waffenschmiede des Reiches, ist mit diesem Wahnsinn nicht alleine: Alleine letztes Jahr verkaufte Deutschland Rüstungsgüter für ungefähr fünf Milliarden Euro in alle Welt (9). Wenn Horst Seehofer und der Bundespräsident Italien für dessen unmenschliche Flüchtlingspolitik kritisieren, dann ist das im Angesicht der Kriegspolitik, des Waffenexports und der Dublin-Regel der EU reine Heuchelei (10).

Nach dem Verursacherprinzip müssten die Kriegs- und Waffenexporteure aus der EU und den USA Kreuzfahrtschiffe unter anderem nach Beirut und an die libysche Küste schicken und dort Flüchtlinge aufnehmen, um auf diese Weise Leben zu retten, die sie selbst wissentlich in Gefahr gebracht haben. Wir fordern einen Stopp der Militarisierung und Bekämpfung der Fliehenden; alle diese Taten sind ein Verbrechen am Leben der Gegenwart und der Zukunft der Welt!

Ein weithin nicht problematisiertes Beispiel für diese Verbrechen besteht in der Tatsache, dass Deutschland abgelehnte Asylbewerberinnen und Asylbewerber unter anderem in das Kriegsland Afghanistan abschiebt, zuletzt geschehen am 17. Juni (11). Das Auswärtige Amt schreibt in seiner Reisewarnung:

„In Kabul wurden im Laufe des Jahres 2018 mehrere schwere Anschläge mit zahlreichen Todesopfern und Verletzten verübt“ (12).

Dorthin abzuschieben, wo die Bundeswehr an einem Krieg beteiligt ist, das ist wissentliches Inkauf-Nehmen des Todes von Menschen, denen unser Land alle Rechte raubt, grundsätzlich auch das Recht auf Leben. Für Afghanistan gilt, was Rupert Neudeck einst kritisierte: Die Bundeswehr hat „keine Sicherheit, sondern Unsicherheit gebracht“ (13). Die Kriege unter Beteiligung von NATO-Staaten im Allgemeinen und von der Bundeswehr im Besonderen machen deutlich:

Wer Krieg und Waffen exportiert, verursacht neben Mord, Trauma und Verletzungen immer mehr Flüchtlingstragödien.

Das geschieht nicht in unserem Namen! Wir fordern von der Bundesregierung ein Ende der Militarisierung ihrer Welt- und ihrer spannungsreichen Innenpolitik, mit der sie die Bevölkerung spaltet, indem sie unter anderem rigorose Abschiebegesetze durchzieht (14).

Wir fordern ein Ende des Krieges gegen Flüchtlinge und der Kriminalisierung der Retterinnen und Retter! Und ein Ende des Bruchs der Rechte, die zum Schutz Fliehender bestehen!
Das können wir erreichen, je enger wir alle mit langem Atem zusammenwirken!


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://de.scribd.com/book/414572493/Todesursache-Flucht-Eine-unvollstandige-Liste
(2) https://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/1377692/220-tote-im-meer-salvini-nennt-migranten-menschenfleisch
(3) https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/informieren/fluechtlingszahlen/ und https://www.welthungerhilfe.de/fileadmin/pictures/publications/de/teaching_materials/2016_unterrichtsmaterial_karte_fluechtlinge_weltweit.pdf
(4) http://www.airliners.de/hochtief-flughafen-grossauftrag-saudi-arabien-land/36115
(5) https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/waffenfaehige-chemikalien-brenntag-wegen-lieferungen-nach-syrien-unter-druck/24497414.html
(6) https://www.n-tv.de/politik/Berlin-liefert-Israel-weitere-U-Boote-article19915393.html und https://wideblick.blogspot.com/2018/01/thyssenkrupp-hauptversammlung-u-boote.html
(7) https://www.ohne-ruestung-leben.de/fileadmin/user_upload/startseite/2016/brs-rheinmetall-2016.pdf

(8) Die Zeit, 2. Oktober 2013
(9) https://www.aufschrei-waffenhandel.de/daten-fakten/informationen/
(10) https://www.deutschlandfunk.de/seehofer-schreibt-salvini-oeffnen-sie-die-haefen.1939.de.html?drn:news_id=1024987
(11) https://www.aktionbleiberecht.de/?page_id=10507
(12) https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/afghanistan-node/afghanistansicherheit/204692
(13) https://www.presseportal.de/pm/58964/3099833
(14) https://www.ulla-jelpke.de/2019/06/bundesrat-muss-zustimmungspflichtigkeit-des-hau-ab-gesetzes-beschliessen/

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