Im Sommer 2012 erhielt ich die Diagnose Brustkrebs, eine Woche vor meiner Hochzeit. Ich habe zwei Mal Ja gesagt: Einmal zu einer neuen Liebe und einmal zum Leben und zu dem, was mit mir geschah. Im Strudel der Ereignisse habe ich mich für eine konventionelle Krebsbehandlung entschieden: Chemotherapie, chirurgischer Eingriff, Strahlentherapie. Die Hormontherapie habe ich nach wenigen Monaten eigenverantwortlich und gegen den Rat meiner Ärzte abgebrochen.
Schon während meiner Behandlungen habe ich mich von natürlichen und ganzheitlichen Heilmethoden begleiten lassen und gespürt, dass meine Heilung nicht von dem abhing, was man mit mir veranstaltete. Ich spürte, dass es vor allem auf mich ankam: auf meine Haltung zu mir selbst, zu meiner Krankheit und zum Leben insgesamt.
Meine Zweifel daran, ein Problem lösen zu können, indem ich es mit schwerem Geschütz bekämpfen ließ, wurden immer eindringlicher. Doch Alternativen sah ich zu dem Zeitpunkt nicht. Über sie wird nicht öffentlich gesprochen. Niemand im Krankenhaus klärte mich darüber auf. Keine Versicherung übernimmt die Kosten für nicht konventionelle Behandlungen. Andere Methoden als Vergiften, Verbrennen und Herausschneiden werden nur in seltenen Fällen in Betracht gezogen.
Wir alle sind betroffen
Die Krankheit ist nicht neu. Auch wenn Krebs heute eine der ersten Todesursachen ist: er begleitet uns seit dem Altertum. Auch bei Tieren und Pflanzen kann er auftreten. Doch bis zum letzten Jahrhundert gab es ihn nur in seltenen Ausnahmenfällen. Heute ist, statistisch gesehen, jeder dritte Bewohner der industrialisierten Welt betroffen, bald jeder zweite. Nach den aktuellen Prognosen soll Krebs demnächst die Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Todesursache Nummer eins ablösen. In Frankreich, wo ich behandelt wurde, ist dies bereits der Fall. Australien hält den traurigen Weltrekord der Krebstoten, dicht gefolgt von Nordamerika und Europa. Aufgrund der zunehmenden Industrialisierung hat auch China in den letzten Jahren stark aufgeholt. Die wenigsten Krebstoten gibt es in Afrika.
Jahrzehntelange Forschung, immer ausgefeiltere Kampfstrategien, modernste Technologien, umfassende Massenuntersuchungen, weitgreifende Informationskampagnen und die Investition gigantischer Summen haben bis heute keine wirklich greifende Lösung gebracht. In Statistiken wie dem Register für Krebsdaten ist erkennbar, dass mehr als die Hälfte aller Krebspatienten zusammengenommen schon während der ersten fünf Jahre ihr Leben verliert. Viele sterben nach dieser Frist, nach der eine Therapie als erfolgreich eingestuft wird. Es haben sich Zweittumore oder neue Tumore entwickelt, die immer schwieriger zu behandeln sind.
Lukrative Dienstleistung
Ich begann, mich darüber zu wundern, warum trotz mangelnder Erfolge an den aggressiven und invasiven Behandlungsmethoden festgehalten wird und folgte der Energie, die unsere Gesellschaft am Laufen hält: dem Fluss des Geldes. Im Kampf gegen den Krebs ist wie in jedem Krieg der wirtschaftliche Gewinn tonangebend. So will es die Logik eines kapitalistisch und materialistisch ausgerichteten Systems, das auch in Gesundheitsfragen die finanziellen Interessen immer deutlicher in den Vordergrund stellt.
Die Behandlung von Krankheit ist heute zu einer Dienstleistung wie jede andere geworden. Krankenhäuser werden wie Wirtschaftsunternehmen geführt und die Pharmaindustrie ist zum mächtigsten Industriezweig überhaupt aufgestiegen. Das Geschäft mit dem Krebs boomt. Viele profitieren von dem unaufhaltsamen Fortschreiten der Krankheit. Onkologen, Radiologen und Chirurgen gehören heute zu den Spitzenverdienern unter den Ärzten.
Angesichts dieser Tatsachen fragen sich heute immer mehr Menschen, Patienten wie Ärzte, ob die verordneten Behandlungen tatsächlich zu unserem Besten geschehen. Wird wirklich alles getan, den Krebs dauerhaft zu überwinden? Wird tatsächlich im Sinne der Kranken geforscht? Werden wirklich Maßnahmen ergriffen, den Krebs nicht nur möglichst frühzeitig zu diagnostizieren, sondern ihn gar nicht erst entstehen zu lassen?
Gegen das Leben
Insgesamt wächst das Misstrauen der Menschen an den Absichten der Autoritäten und Institutionen, die unser Leben verwalten und regulieren. Viele nehmen das Ungleichgewicht wahr, das immer mehr Lebensbereiche erfasst. Auch wenn wir uns mit unseren Versicherungen und Überwachungsmaßnahmen noch einigermaßen geschützt fühlen: Wer den Blick nach draußen wagt, der kann am aktuellen Zustand der Welt erkennen, dass oft nicht im Sinne des Lebendigen entschieden und gehandelt wird.
Wir sehen uns mit der Tatsache eines Massensterbens konfrontiert und der immer eindringlicher werdenden Warnung, dass es die Menschheit möglicherweise nicht mehr lange geben wird. Schon in hundert Jahren kann es vorbei sein mit uns. So lautet eine der letzten Prognosen eines der größten Wissenschaftler unserer Zeit, Stephen Hawking.
Ist das der Preis dafür, dass wir uns nicht mehr bewegen und nicht mehr kochen müssen, jeden Tag Fleisch essen und etwas Neues zum Anziehen, zum Dekorieren und zum Herumspielen kaufen können und uns in gigantischen Vergnügungsparks und Urlaubsressorts amüsieren? Unablässig bedient und schürt unsere Wirtschaft unsere materiellen Wünsche und Sehnsüchte und findet immer neuen Treibstoff, unsere Gier anzuheizen. Der Verbraucher begehrt, das System liefert.
Die Konsequenzen dafür, dass der inzwischen drastisch schrumpfende wohlhabende Teil des Planeten unterhalten und bespielt wird, sind inzwischen nicht nur am anderen Ende der Welt spürbar. Längst bezahlen auch wir, die Bewohner der reichen Länder, diese Entwicklung mit unserer Gesundheit und unserem Leben. Wir haben massenhaft Kreislauf-, Verdauungs- und Haltungsprobleme und leiden unter Fettleibigkeit, Depressionen, Burnout und bipolaren Störungen. Autismus, Diabetes, Multiple Sklerose, Allergien, Alzheimer, Parkinson, Morbus Crohn, Aids und vor allem Krebs gehören mittlerweile zu alltäglichen Übeln. Sie begleiten uns, einmal manifest geworden, meist ein Leben lang. Denn die konventionelle Medizin der Industrienationen kann sie nur behandeln, nicht heilen.
Am Symptom herumdoktern
Sie beschäftigt sich vor allem mit dem Symptom. Um jedoch ein Problem dauerhaft zu überwinden, reicht es nicht aus, am Symptom herumzudoktern oder den Stecker zu ziehen, damit man es für eine Weile nicht sieht. Es muss die Bereitschaft entstehen, auch hinter das zu sehen, was sich oberflächlich manifestiert. Wir müssen es wagen, auch das Tieferliegende zu berühren. Das aber fällt vielen von uns schwer, denn es bedeutet, dass wir nicht nur die äußeren Umstände in Frage stellen müssen, sondern auch uns selbst und unser eigenes Verhalten.
Viele scheuen davor zurück, bei sich selbst auf die Suche zu gehen und sich mit dem Problem hinter dem Symptom zu beschäftigen. Auch unser System hat keinerlei Interesse daran, das zu fördern. Es profitiert ja davon, dass wir glauben, die Lösungen für unsere Probleme kaufen zu können.
So interessiert sich in unserer Gesellschaft kaum jemand für die Ursachen und die Zusammenhänge. Wir nicht, und unsere Medizin entsprechend auch nicht. Alle zusammen haben wir den Überblick verloren. Wir forschen und analysieren am Detail herum und haben dabei kaum Zeit, den Kopf zu heben und zu gucken, wie es um uns herum eigentlich wirklich aussieht. Es ist, als warteten wir darauf, dass man uns erst sämtliche Beweise und Begründungen dafür liefert, dass wirklich nichts mehr geht, bevor wir ins Handeln kommen.
In diesem Sinne ist auch unsere Medizin zwar dazu in der Lage, unseren Körper in seine kleinsten Einzelteile zu zerlegen, doch sie kümmert sich nicht um das, was uns als Ganzes ausmacht und uns in unserer körperlichen, geistigen und seelischen Dimension zusammenhält. Viele fühlen sich, als seien sie nichts weiter als abgetrennte Teilchen, die irgendwie mehr oder weniger orientierungslos im Raum herumschweben und mit dem Ganzen nichts zu tun haben.
In Zusammenhängen sehen
Bei Krebs wird besonders deutlich, welche Auswirkungen es haben kann, ein Problem nicht in seinen Zusammenhängen zu betrachten und die Ursachen außer Acht zu lassen. Denn wenn wir uns nur behandeln lassen, ohne uns danach zu fragen, was wir mit unserer Krankheit zu tun haben, riskieren wir unser Leben. Diese Gefahr zeigt uns nicht nur unsere Grenzen, sondern auch unsere Möglichkeiten.
Wenn wir uns für die Erkenntnisse von Forschern wie Hans-Peter Dürr, Nassim Haramein oder Gregg Braden öffnen, dann erkennen wir, dass wir Teil eines gigantischen zusammenhängenden Ganzen sind, in dem nichts getrennt voneinander existiert. Wie unser Universum ist unser Körper ein schwingendes Energiefeld, das aus vielen Milliarden Lichtpartikeln besteht, die Informationen miteinander austauschen. Ob ein Organismus gesund und im Gleichgewicht ist, hängt von diesen Informationen ab.
Wenn sich eine Krankheit entwickelt, dann geschieht das nicht irgendwie. Wer sich die Perfektion des Lebendigen ansieht, der versteht, dass die Prozesse, die sich in unseren Körpern abspielen, immer darauf ausgerichtet sind, dass das Ganze so lange und so gut wie möglich funktioniert. Der Glaube, es handle sich bei Störungen um Zufall, Pech oder gar eine Art Bestrafung, nimmt uns nicht nur die Möglichkeit, uns unserem Problem verantwortungsvoll zu stellen. Er hindert uns auch daran zu erkennen, dass die Lösung im Problem liegt.
Das Symptom als Botschaft
Im Folgenden geht es darum, in das Problem hineinzugehen und sozusagen hinter die Kulissen zu gucken: Was verbirgt sich hinter dem Symptom? Welche Information vermittelt es uns? Was soll zum Ausdruck gebracht werden? Dem Boten die Tür zu öffnen erscheint mir lebenswichtig. Schließlich hat er etwas zu sagen, sonst wäre er ja nicht da. Scharfes Geschütz auf ihn abzufeuern, ohne ihn angehört zu haben, kann nur dazu führen, dass er beim nächsten Mal lauter klopft oder durch die Hintertüre reinkommt.
Viele Schleier müssen beiseitegeschoben werden, bevor wir erkennen können, was sich auf den ersten Blick verschließt. Welche Absichten verbergen sich hinter den Maßnahmen, die uns daran hindern, mit unserem Körper in Kontakt zu treten? Welches System und welche Medizin nähren wir? Wo haben wir den Überblick verloren und die Verbindungen gekappt? Wo sind wir zu weit gegangen? So werden Parallelen gezogen zwischen unserem Verhalten, den Prozessen, die sich in unseren Körpern abspielen und dem Verfall einer Gesellschaft, die sich zunehmend gegen das Lebendige richtet.
Ein Appell an das Leben
Es geht also um weit mehr als um eine individuelle Erkrankung und die Möglichkeiten, sie zu überwinden. Es geht um unsere Zukunft und um Krebs als Appell, unseren Untergang zu verhindern. Hinter dem vermeintlichen Monster können wir die Aufforderung erkennen, in uns das Trennende, sich Abschottende und Zerstörerische zu überwinden. Wie jede Störung bietet er uns die Möglichkeit, nicht nur individuell zu wachsen, sondern als Gesellschaft das Fundament für ein harmonisches und gesundes Zusammenleben zu legen.
Der rote Faden in diesem Buch ist mein persönlicher Heilungsweg. Er führt von der Erfahrung eines aggressiven Krebsprotokolls und Fragen zur individuellen Verantwortung zu der Vision einer friedlichen und das Lebendige achtenden Gesellschaft, die eine ihr entsprechende Medizin hervorbringt. Persönliches wird mit Politischem verwoben, Individuelles mit Kollektivem. Stets geht es darum, über den Zugang zu sich selbst Möglichkeiten für eine Entwicklung hin zum Verbindenden, Zusammenführenden zu finden.
Chavent, Kerstin : „Die Waffen niederlegen — die Botschaft der Krebszellen verstehen“, Scorpio 2019.