Die national und international veröffentlichten Zahlen der Corona-Infizierten sind praktisch ohne Aussage
Durch die national völlig unterschiedlichen Systeme der Durchführung der Coronatests, die nirgendwo im Entferntesten einen relevanten Bevölkerungsquerschnitt erfassen, vermitteln die so viel beachteten Infektionsraten nicht annährend ein Bild von der Wirklichkeit. Sie sind praktisch wertlos.
Dies resultiert in erster Linie aus der Tatsache, dass nur in wenigen Ländern ein repräsentativer Stichprobenquerschnitt getestet wird. Wenn nur in der Altersgruppe getestet wird, in der auch die schweren Krankheiten beobachtet werden, bleibt die ganz große Zahl der Infektionen junger Menschen, die keine oder harmlose Krankheitssymptome aufweisen, völlig außer Betracht.
Unter den Ländern mit den meisten Corona-Infektionen bis zum 22. März 2020 hat nur Südkorea eine Stichprobenerfassung durchgeführt, die dem Bevölkerungsquerschnitt noch am nächsten kommt. Besonders krass hingegen ist die Abweichung in Italien, wo praktisch nur alte Menschen getestet wurden.
Eine annähernd realistische Aussage über die Sterberate kann daher derzeit nur die südkoreanische Statistik liefern. Sie beträgt am 20. März 2020 mit fast 9.000 Infizierten und 94 Todesfällen etwas mehr als 1 Prozent. Zu berücksichtigen ist aber, dass — wie auch die Entwicklung in China gezeigt hat —, die Zahl der Todesfälle jener der Infektionen um 2 bis 3 Wochen nachhinkt. Wenn keine Neuinfektionen mehr auftreten, sterben sehr wohl noch lange Zeit weiter Kranke, sodass die Sterberate so lange wächst, bis es keine Kranken mehr gibt.
Doch auch die recht korrekte Statistik in Korea bedeutet nicht, dass wirklich 1 Prozent der Infizierten sterben, denn auch die im internationalen Vergleich bei weitem umfangreichste Datenerfassung in Korea war viel zu klein, um alle Infizierten zu erfassen, wohl aber alle Sterbefälle. Zudem gilt: Dass Menschen mit dem Coronavirus sterben, meint eben noch lange nicht, dass sie auch am Coronavirus sterben. Daher wird erst die statistische Auswertung ergeben, welcher Prozentsatz der tatsächlich Infizierten das Testverfahren erreicht hat, die bisher noch nicht durchgeführt wurde.
Die Sterberate, also das Verhältnis der Todesfälle zur Zahl der ermittelten Infizierten, liegt in Italien bei fast 10 Prozent, 3.400 Tote bei 41.000 Infizierten am 19. März 2020, wobei sie ständig wächst. In den besonders betroffenen Provinzen Brescia und Bergamo liegt sie sogar bei über 10 Prozent, wie Guilio Gallera, der Leiter der Gesundheitsbehörde der Region Lombardei in seiner täglichen Pressekonferenz am 17. März 2020 explizit herausstellte:
„Auch die Daten der Lombardei sind noch nicht beruhigend, im Gegenteil: Bis heute gibt es 16.220 Positivfälle in der Lombardei, 1.571 mehr innerhalb eines Tages. Von Montag auf Dienstag 220 Tote mit einer Gesamtzahl von 1.640, Sterblichkeitsrate 10,11 Prozent. Mehr als 60 auch in Brescia, wo die traurige Gesamtzahl von 387 erreicht wurde, bei einer Sterblichkeitsrate von 11,5 Prozent. Die Anzahl der Verstorbenen in der Provinz Brescia entspricht 15 Prozent der Opfer von Italien.“
Die erste Fehlerquelle
Alle Patienten italienischer Krankenhäuser mit entsprechenden Symptomen werden auf eine SARS-CoV-2-Infektion gestestet. Sterben sie mit einem positiven Befund, dann gehen sie in die Statistik der Coronavirus-Opfer ein, auch wenn letztlich andere Krankheiten für den Tod mit- oder hauptursächlich waren.
Auf der Pressekonferenz der Region Lobardei am 13. März 2020 erklärte der Präsident der obersten Gesundheitsbehörde, Silvio Brusaferro:
„Es handelt sich um Personen mit einem mittleren Lebensalter von 80,3 Jahren, davon 25,8 Prozent Frauen.“
Die hauptgefährdete Altersgruppe ist die von 80 bis 89 Jahren aber es gibt einen anderen Faktor, der beachtet werden muss:
„Der größte Teil der Opfer hatte zusätzliche chronische Erkrankungen, nur zwei waren nicht von pathologischen Erkrankungen betroffen, 46 bis 47 Prozent der Verstorbenen hatten mindestens 2 bis 3.“
Auch in normalen Zeiten ohne Epidemie sterben in der Lombardei täglich etwa 250 Menschen.
Die Hauptfehlerquelle
Nach den ersten Erkrankungen am 20. Februar 2020 wurden zunächst die Kontaktpersonen der Erkrankten getestet, damit Personen aller Altersgruppen und viele ohne Symptome. Dies diente, dem Zweck mögliche Träger des Virus zu identifizieren und zu isolieren.
Seit jedoch die gesamte Nation unter Quarantäne steht, müssen ja keine Personen mehr identifiziert werden, um sie anschließend zu isolieren. Seither hat sich wohl das Testverfahren in der Lombardei grundlegend geändert. Zu berücksichtigen ist, dass in der angespannten Situation in der Lombardei absolut kein medizinisches Personal für die Durchführung von Coronatests mehr abkömmlich ist. Zuletzt konnte am 19. März 2020 ein komplett neu installiertes Krankenhaus mit 160 Intensivpflegeplätzen nicht eröffnet werden, weil keine Ärzte und Pfleger mehr zur Verfügung stehen.
In der regionalen Pressekonferenz am 18. Mai 2020 machte Guilio Gallera folgende verwirrende Aussage:
„Die Region Lombardei ist immer nach den Richtlinien der WHO vorgegangen. Bisher wurden in der Region Lombardei 49.000 Coronatests durchgeführt. Ab jetzt gelten die neuen Anweisungen: Coronatests nur bei Personen mit Symptomen und bei solchen, die sich bei der Erstaufnahme mit Symptomen vorstellen. Wir haben uns an diesen Weg gehalten: Das Personal in den Krankenhäusern führt Coronatests nur durch, wenn sie direkten Kontakt zu den Kranken haben. Dies sind die Anweisungen, an die wir uns immer gehalten haben.“
Obwohl diese Aussage eindeutig ist, ist daran kaum zu glauben:
Es werden also nur (noch?) Tests bei Personen mit Krankheitssymptomen durchgeführt, womöglich nur bei solchen, die ins Krankenhaus eingeliefert werden?
Wenn die Stichprobenauswahl so ist, dass nur noch Schwerkranke überhaupt getestet werden, dann ist es auch kein Wunder, dass ein hoher Anteil der Getesteten auch stirbt. Alle Personen, die mit geringeren Symptomen zuhause liegen, und der bekannt hohe Anteil junger Menschen, der zwar infiziert und potenzieller Überträger der Krankheit aber selbst nicht erkrankt ist, wird nie als infiziert erfasst.
Es gibt eine Statistik, die die Altersverteilung der infizierten Menschen in Südkorea und in Italien mit Stand 13. März 2020 vergleicht:
Demnach wären in Korea 30 Prozent der Infizierten zwischen 20 und 29 Jahre alt, in Italien dagegen nur 3,7 Prozent? Ganz schön unterschiedlich, die Asiaten und die Europäer? Nein, das sind sie natürlich nicht: Diese seltsame Verteilung der Infizierten zu den allerältesten Bevölkerungsgruppen hin kommt dadurch zustande, dass in Italien überhaupt nur diese Altersgruppen getestet werden.
Wenn aber keine 20- bis 29-Jährigen getestet werden, weil diese (fast oder gar) nie erkranken, dann ist es auch kein Wunder, dass in diesem Alter keine Infizierten gefunden werden. Dass es überhaupt noch den Prozentsatz von 3,7 gibt, hat den historischen Grund, dass eben zu Anfang der Epidemie noch über alle Altersgruppen hinweg getestet wurde.
Am Rande: Man sieht aus der Statistik ebenfalls, dass auch die Koreaner nicht annährend repräsentativ testen, denn derartige Sprünge macht die wahre Altersverteilung mit Sicherheit nicht.
Grob kann man sagen, dass in Italien 70 Prozent der Bevölkerung, alle unter 65 Jahre, durch die Tests gar nicht erfasst werden. Grund dafür ist der, dass fast nur Ältere sterbenskrank werden.
In den regionalen Zeitungen werden tatsächlich täglich Leidensgeschichten von Patienten veröffentlicht, von ihren Angehörigen, wenn diese verstorben sind, und von Patienten auf dem Weg der Besserung wie von dieser 68-jährigen Patientin.
Alle diese Berichte bestätigen die obige Aussage der Gesundheitsbehörde. Wenn Menschen bei der Notrufnummer anrufen und Symptome melden, wird keinesfalls ein Coronatest durchgeführt – was zu Anfang der Epidemie sicher die Absicht war –, sondern sie werden telefonisch angewiesen, sich zuhause zu schonen, solange die Symptome „mild“ seien.
Sie sind aber anfangs über viele Tage immer „mild“ wie die 68-jährige Genesene schildert: leichtes Fieber und große Kraftlosigkeit. In dieser Phase sind die Kranken also noch nicht einmal in der Statistik der Infizierten erfasst.
Erst wenn die Symptome eskalieren, oft mit plötzlicher Atemnot, und die Noteinlieferung ins Krankenhaus erfolgt, werden die Patienten zum Infektionsfall.
Insider erkennen schon, dass die Datenerfassung in der Lombardei die bei weitem größte Zahl der Infizierten übersieht, ohne allerdings bisher daraus die richtigen quantitativen Rückschlüsse zu ziehen.
Als am 20. Februar 2020 in Codogno Patient Nr. 1 SARS-CoV-2-positiv getestet wurde, versuchten die Behörden noch, Patient 0 zu finden, der den Virus nach Italien gebracht hatte. Wie man heute weiß ein aussichtsloses Unterfangen. Vermutlich hatte zu diesem Zeitpunkt schon eine Vielzahl an Menschen ohne oder mit geringen Krankheitssymptomen, die nie einen Arzt konsultiert haben, das Virus in der gesamten Lombardei verteilt.
Dies bestätigt auch Alberto Zucchi, Verantwortlicher für die Abteilung Epidemieartige Erkrankungen der Gesundheitsbehörde von Bergamo, in einem Interview mit dem „Eco di Bergamo“:
„Mit Sicherheit waren schon viele Personen seit Anfang Januar infiziert, aber weil sie keine Krankheitssymbole aufwiesen, haben sie nie ein Screening mitgemacht.“
Er bestätigt auch, dass in der Lombardei aus den genannten Gründen eine viel zu hohe Sterberate ermittelt wird:
„Es ist statistisch nicht wahr, dass das Virus tödlicher ist als in China.“
Nur liegt er quantitativ falsch, denn die italienischen Messungen sind tatsächlich weit weniger bedrohlich als die chinesischen. Die für China bisher erfasste Sterberate liegt bei 4,5 Prozent, gut 80.000 Infizierte und 3.200 Tote, ist jedoch ebenfalls viel zu hoch, weil auch auf China viele der hier genannten Aspekte zutreffen.
Wie hoch ist nun die Sterberate wirklich
Es gibt dazu bisher keine wirkliche Erfassung, weil, das muss man angesichts des vorliegenden wirren Datenmaterials zugeben, die personengenaue Zählweise ein völlig falsches Bild hinsichtlich der Zuverlässigkeit vermittelt und eine seriöse Ermittlung kaum möglich ist.
Ich wage dennoch den Versuch einer Grobabschätzung auf unkonventionelle Weise, weil man sich mit der obskuren Zahl von 10 Prozent Todesrate in Italien auseinandersetzen muss, und bin überzeugt, nicht sehr falsch zu liegen.
Berechnungsdaten:
Die Zahl der Todesfälle in der Provinz Bergamo hat am 18. März 2020 die Zahl von 400 überschritten. Verwendet werden die Angaben der Gesundheitsbehörde — grob gerundet: 80 Prozent der Todesopfer sind älter als 80 Jahre, 75 Prozent davon sind Männer, die Sterblichkeit dieser Männer über 80 Jahren liegt bei 25 Prozent.
Der Bevölkerungsanteil der Männer über 80 Jahren liegt nach italienischer Statistik bei 2,4 Prozent. Ich gehe davon aus, dass dies auch für die Lombardei gilt. Die Einwohnerzahl der Provinz Bergamo liegt bei 1,1 Millionen. Dann sind rund 24.000 Männer in der Provinz über 80 Jahre alt — richtig, das ist nicht korrekt, aber gut zu rechnen, denn höher ist die Genauigkeit ohnehin nicht.
Von 400 Todesopfern sind — mit den obigen Zahlen gerechnet — 240 Männer über 80 Jahren. Dann ist 1 Prozent der Männer über 80 Jahren in der Provinz Bergamo bereits an der Epidemie verstorben. Da aber in diesem Alter die Todesrate 25 Prozent beträgt, mussten dafür 4 Prozent infiziert sein
Ob man unterstellen kann, dass sich die Gesamtbevölkerung ebenso infiziert wie die Männer über 80 Jahren, ist nicht gesichert, aber es gibt verschiedene Aussagen und auch statistische Angaben, zum Beispiel die oben verlinkte Statistik von Statista.de mit den Zahlen der Infizierten in Südkorea, die rechtfertigen, davon auszugehen.
Wenn man die Rate von 4 Prozent für die Gesamtbevölkerung von Bergamo ansetzt, dann basieren die 400 Toten auf 40.000 Infizierten. Dies würde einer Sterblichkeit von 1 Prozent entsprechen.
Abschätzung
Was selten berücksichtigt wird ist, dass die aktuellen Todesfälle auf den Infektionen vor 2 Wochen beruhen (+/- 1 Woche, Inkubationszeit + Krankheitszeit bis zum Tod). Die Todeszahlen in der Lombardei stiegen aber bisher um etwa den Faktor 3 pro Woche.
Da vor einer Woche die landesweite Quarantäne in Kraft trat und ich davon ausgehe, dass diese wirksam ist, gehe ich von einem Wachstum um den Faktor 4 in den letzten 2 Wochen aus. Damit wären aus den 40.000 Infizierten vor 2 Wochen inzwischen 160.000 geworden, entsprechend einem Bevölkerungsanteil von rund 15 Prozent.
Sollte die Quarantäne hingegen gar nicht gewirkt haben, dann wäre die Zahl der Infektionen in diesen 2 Wochen unter Fortschreibung der bisherigen Verläufe um das 9-fache angestiegen und in der Provinz Bergamo wären bereits rund 360.000 Menschen beziehungsweise 35 Prozent der Bevölkerung infiziert.
Schlussfolgerungen
Jeder in der Lombardei wartet voll Spannung täglich darauf, ob die Statistik eine Wirkung der Quarantäne anzeigt, und viele deuten jede Rate, die vielleicht an einem Tag nicht ganz exponenziell angestiegen ist, als einen Hinweis darauf.
Tatsache ist aber, dass noch keinerlei Hinweise vorhanden sind, auch nicht sein können. Die Zahl der Infektionen, auf die immer so sehr geachtet wird, ist, wie ausführlich diskutiert, eine ohnehin völlig unbrauchbare Zahl. Da sie aber erst nach der Inkubationszeit — es gelten meines Wissens immer noch 2 bis 14 Tage — und mehreren Krankheitstagen überhaupt erfasst wird, ist vor Ablauf von mindestens 10 Tagen keinesfalls damit zu rechnen, dass eine Auswirkung der Quarantäne erkennbar wird. Wenn man aber die zuverlässige Entwicklung der Todesfälle betrachtet, dann wird die Quarantäne noch später wirksam, geschätzt nach 14 Tagen.
Nach dieser Betrachtung ist plausibel, dass die Sterberate in Italien in Wahrheit ähnlich wie in Korea und in vielen anderen Ländern bei rund 1 Prozent liegt. Wenn die Zahl der wirklichen Infektionen in der Provinz Bergamo wirklich auf 15 Prozent angestiegen ist und nicht weiter steigt, dann muss mit mindestens nochmals 1.000 Todesfällen gerechnet werden, abklingen gegen Null in circa 4 Wochen.
Wenn die Quarantäne nicht die erhoffte Wirkung zeigt, was man um etwa den 25. März 2020 wissen müsste, und die Infektionen in den Bereich von 30 Prozent der Bevölkerung angewachsen ist, dann ist eine weitere Aufrechterhaltung der Maßnahmen auch nicht mehr sinnvoll und wirksam. Dann wird letztendlich mit einer Infektionsrate um 60 Prozent und 6.000 Todesfällen in der Provinz Bergamo zu rechnen sein. Das gleiche gilt in der ähnlich großen und ähnlich betroffenen Provinz Bresca.
Es gibt verschiedene Hinweise, die hier nicht diskutiert wurden, die erwarten lassen, dass diese Abschätzungen noch zu hoch liegen und die wirkliche Sterberate unter 1 Prozent liegt.