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Eine traurige Farce

Eine traurige Farce

Die Normen der neuen Normalität treiben teilweise bizarre Blüten.

Proband Nr. 20

Im MOMA, dem Morgenmagazin der ARD, war am 1. Februar 2021 Eckart von Hirschhausen zu Gast, um seine am selben Abend auf dem Programm stehende Sendung Hirschhausen als Impfproband zu bewerben.

Und so saß von Hirschhausen also, den Mindestabstand zum Moderatorenpaar wahrend, auf einer Art Barhocker, königsblaue Socken zu schwarz-weißen Sneakers, rosige Gesichtsfarbe, ansteckendes Lachen — alles sollte zeigen: Ich bin cool, Leute, und ich hatte eine richtig gute Zeit auf der Impfstation.

Laut Wikipedia hat Hirschhausen nach seinem Studium in Berlin, Heidelberg und London von 1993 bis 1994 als Arzt im Praktikum in der Kinderneurologie der Freien Universität Berlin gearbeitet. Nach diesem anstrengenden Jahr verfasste er seine Dissertation mit dem Thema „Wirksamkeit einer intravenösen Immunglobulintherapie in der hyperdynamen Phase der Endotoxinämie beim Schwein“. Seit 2008 hat er einen Lehrauftrag im Fachbereich Medizin an der Universität Gießen inne. Und nur ein Jahr später der nächste Erfolg: Hirschhausen wurde Krawattenmann des Jahres. Bereits während seines Studiums ist er als Zauberkünstler und Varietémodertor aufgetreten, danach präsentierte er auf Bühnen ein „Medizinisches Kabarett“. Und mit dieser Expertise — Stefan Hockertz und Clemens Arvay dabei locker rechts überholend — glänzte er auch im MOMA zum Thema Impfen.

PHARMA BROTHERS presents:

Eckart von Hirschhausen ist
ECKI, DER IMPFEXPERTE

Von den Machern der Schweinegrippe!

In weiteren Rollen: Susan Link als Moderatorin und Sven Lorig als Moderator.

Hirschhausen: Erstens: Ich bin heilfroh, dass es so schnell entwickelt wurde, das ging nicht auf Kosten der Sicherheit, das zeigen wir auch heute Abend in der „Hirschhausen-als-Proband“-Doku. Weil eben viele Dinge, die sonst hintereinander passiert sind, sind effektiver kombiniert worden — das ist also nichts Schlechtes. Das Zweite ist, was ist mit Langzeitschäden? Das ist auch ein Missverständnis, dass Langzeitschäden irgendwann aus dem Nichts auftauchen. Langzeitschäden sind die Dinge, die auftauchen und dann nicht mehr weggehen, wo Menschen dauerhaft irgendein Problem mit haben. Das sind extrem wenige, auch in der historischen Entwicklung und zum Beispiel auch bei der Schweinegrippe, was so die letzte große Impfdiskussion war, war die Schwierigkeit bei den extrem seltenen Dingen, die mit der Impfung überhaupt zu verknüpfen. Ich hab zum Beispiel Schmerzen im Arm. Hätte ich jetzt … (lacht).

Moderatorin: Du weißt ja gar nicht, ob du den Impfstoff bekommen hast.

Hirschhausen: Ja, genau. Aber es ist ein gutes Beispiel. Ich hab gerade so ‘ne Frozen Shoulder, das haben Männer in unserem Alter ab und an.

Moderator (lacht): Ich weiß nicht, warum er mich anguckt. Es ist mir ein Rätsel. Wer ist der Mann?

Moderatorin: Eine Frozen Schulter?

Hirschhausen: Es geht mir um ein Beispiel. Die kommt auch mehr oder minder aus dem Nichts. Hätte ich die nicht zwei Wochen vor der Impfung gehabt, sondern zwei Wochen danach, wär ich natürlich selber felsenfest davon überzeugt gewesen, das kommt daher.

Moderator (höhnisch): Natürlich!

Hirschhausen: Als Kinderarzt hat ja auch niemand jemals gesagt: Mensch, mein Kind wurde geimpft mit einem Jahr und plötzlich fing es an zu sprechen! Also man sucht immer rückwirkend nach negativen Dingen. Und deswegen müssen wir zwei Dinge gegeneinanderhalten: Wie sicher ist die Impfung und wie unsicher ist die Krankheit? Also wenn wir nicht geimpft sind, dann ist die Alternative dazu einfach nur, die Krankheit durchzumachen. Und dass die fatal sein kein, das wissen wir alle.

The End.

Abraham Lincoln

„Man kann einige Menschen die ganze Zeit und alle Menschen eine Zeit lang zum Narren halten; aber man kann nicht alle Menschen allezeit zum Narren halten.“

Mission to Mars

Virologin Melanie Brinkmann sagte laut Welt am 5. Februar 2021: „Die Mutante aus Großbritannien und andere werden uns überrennen, das Virus hat einen Raketenantrieb bekommen.“

Zero

Nur einmal richtig. Nur einmal hart. Nur einmal streng. Nur einmal ohne Kompromisse. Dann wäre alles vorbei. Dann wäre alles wie früher. Dann wäre alles gut. Nur einen wirklichen Lockdown. Alles zu. Keine Kontakte. Leere Straßen. Leere Büros. Leere Fabriken. Jeder zuhause. Jeder für sich. Drei bis fünf Wochen, und alles wäre Geschichte. Aber wahrscheinlich würden sie auch das wieder zerstören, die „Covidioten“, wie die großartige Saskia Esken sie nannte. Und als Esken gefragt wurde, ob sie dieses Pauschalurteil nochmal wiederholen würde, antwortete sie: „Ich habe nachgedacht und muss einräumen: Nein, so pauschal passt das nicht. Viele, die da mitlaufen, sind einfach nur Rechtsradikale, Hetzer, Verleumder und Denunzianten.“

Wir bräuchten mehr solche Politiker. Solche, die Klartext reden. Und ihn auch in Taten ummünzen. Aber Fehlanzeige. Und so wird es nie enden. Nie.

Ein fauler Apfel steckt hundert gesunde an, sagt der Volksmund.

So ist es. Dabei wäre die Rettung so nah. So einfach. Warum verstehen sie das nicht? Warum machen sie alles kaputt? Nur ein paar Wochen. Nur ein paar Wochen hart und streng. Und es wäre zu Ende. Es wäre wie früher. Das alte Leben zurück. Und alles nur ein böser Traum. Ein Spuk. Verwischte Spuren im tauenden Schnee.

Adresse

Kann es einen passenderen Firmensitz geben als jenen von BioNTech in Mainz? Eine rhetorische Frage natürlich, denn man ist hier ansässig:

An der Goldgrube 12.

Elitepartner

Die Münchner Abendzeitung berichtet am 24. März 2021 über die etwas in Schieflage geratene Work-Life-Balance von „SPD-Gesundheitsexperte“ Karl Lauterbach: „Er hat keine Zeit für die Liebe, obwohl er sich nach einer neuen Partnerschaft sehnt.“ Er möchte „tatsächlich nicht den Rest des Lebens Single bleiben“, wird aus einem Gespräch des oft als „Klabautermann“ geschmähten Rheinländers mit der Bunten zitiert.

„‚Im Moment fehlt mir dafür die Zeit. Der Job in Corona-Zeiten ist gerade extrem aufreibend‘, so Lauterbach.“ Ach ja, so ist es eben, das Leben auf der Überholspur. Früher scheint er aber mehr Zeit gehabt zu haben, denn: „Karl Lauterbach hat fünf Kinder von zwei Frauen.“ Einsam fühle er sich aber nicht: „Ganz und gar nicht. Viele Politiker sind einsam, ich bin nicht betroffen. Ich habe Freunde, ich bin nicht der Nerd, für den mich manche halten. Ich bin lebenslustig, mache viel Sport, spiele Tischtennis.“ Dann folgen ein Blick in Lauterbachs Ehe-Vergangenheit und Äußerungen seiner Exfrau, der Epidemiologin und Ärztin Angela Spelsberg: „Während Lauterbach Corona-Hardliner ist, vertritt seine Exfrau oft eine andere Meinung. Spelsberg ist Leiterin des Tumorzentrums Aachen und stichelte im Sommer 2020 bei Servus.TV gegen Lauterbach.

Er sei oft emotional geleitet und zu oft in TV-Shows, meinte die 60-Jährige: ‚Ich bin Wissenschaftlerin und Epidemiologin, und für mich zählen immer die Fakten.‘ Lauterbach wisse über viele Themen nur ungenau Bescheid. Wenn er auch noch ständig in Talkshows sitze, habe er dafür einfach keine Zeit, so Spelsberg: ‚Man muss sich schon hinsetzen und die Zahlen richtig analysieren.‘ Karl Lauterbach äußerte sich anschließend zerknirscht bei Bild: ‚Meine Exfrau hält das Coronavirus für deutlich harmloser, als es ist. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Wir haben seit 16 Jahren weder persönlichen noch beruflichen Kontakt.‘“

Richtig so, denn ganz wichtig: Kontaktschuld vermeiden!

Alpakas

„Polizisten mit Alpakas auf Streife? Mit einem kuriosen Vorschlag“, so die dpa am 2. März 2021, „kontert Jürgen Köhnlein, Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft in Bayern, Kritik an Abstandskontrollen im Englischen Garten in München. Dort hatten Beamte den Besuchern mit Zollstöcken den Abstand von 1,50 Metern zu erklären versucht. Dieser ist aufgrund der Corona-Maßnahmen vorgeschrieben. Köhnlein verwies am Dienstag auf das Gesundheitsministerium, das Grundschülern mit Zeichnungen von Alpakas den Abstand zu verdeutlichen versuche. ‚Wenn wir die Polizeistreifen mit Alpakas ausstatten, würden es die letzten uneinsichtigen Parkbesucher sicher auch verstehen‘, so Köhnlein.“

Sentimental 1: Hausmeister, Hitparade und Kännchen

Nicht vermutet, aber die momentane Situation macht vieles möglich: dass man mal mit nicht völliger Antipathie an die Zeit zurückdenken würde, als Deutschland noch, wie es kürzlich ein italienischer Bekannter ausdrückte, „das Land der Hausmeister“ war.

Die Älteren werden sie noch kennen, diese zumeist miesepetrigen, despotischen, neugierigen Typen in grauem oder blauem Arbeitskittel, oft kombiniert mit einem kleinen Hut aus Cord. Im Sommer trugen sie unter ihrem Kittel gern eine kurze Hose, wobei unten dann stachlige Beine hervorschauten, die in weißen Socken und beigen Sandalen mündeten.

Tom Gerhardt hat dieser Ausgabe des Homo teutonicus mit seiner Fernsehserie Hausmeister Krause — Ordnung muss sein ein imposantes Denkmal gesetzt.

Memories: In der ZDF-Hitparade traten Bata Illic, die Rache des Balkans für den deutschen Einmarsch, und Nicki, die Rache der Bayern für dämliche Seppl-Sprüche, auf. Und Nicki, die eigentlich Doris heißt, bewegte dann die Lippen zum Playback von „I bin a bayrisches Cowgirl“, und in der Mitte des Liedes wurde die Autogrammadresse eingeblendet, und die notierte man sich und schrieb dahin, und bald kam eine mit Filzstift signierte Foto-Autogrammkarte zurück — allerdings nur, wenn man einen adressierten und frankierten Rückumschlag beigelegt hatte.

Wollte man damals in Deutschland im Außenbereich von gastronomischen Betrieben nur eine Tasse Kaffee — beziehungsweise das braune Wasser, welches sie also solchen verkauften — trinken, war dies nicht möglich, weil: „Auf der Terrasse nur Kännchen!“

Und ansonsten gab es viele Verbote: Rasen betreten verboten! Spielen verboten! Durchgang verboten! Ja, es war ziemlich viel verboten in Deutschland — und was nicht verboten war, war untersagt.

Professor Streeck unter der Dusche

Entertainerin Désirée Nick in einem Podcast über den homosexuellen Virologen Hendrik Streeck: „Für diesen Mann hätte ich früher ziemlich alles stehen und liegen gelassen. Ich würde jetzt auch noch gerne die Ehe zerstören von diesem Mann, sprengen, mich hineindrängen. In seine bestehende Beziehung würde ich sehr gerne einen Keil treiben. Und dann muss ich ihn noch umkrempeln. Das ist für mich das Beispiel eines attraktiven Mannes, der Mann ist für mich James Bond. Er ist sehr gut gekleidet, spricht sehr schön, sieht so hübsch aus und ist gleichzeitig völlig untuntig. (…) Dann habe ich mir vorgestellt, wie er es unter der Dusche mit dem Botschafter-Ehemann treibt.“ 

Beförderung, Nebenwirkungen und ein Labradorrüde

Der Nebenbuhler von Frau Nick, also Streecks Ehemann, heißt Paul Zubeil, war bisher Deputy Director beim Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen in Brüssel — und wird, melden Anfang Februar 2021 apotheke-adhoc.de und t-online.de, im Gesundheitsministerium (BMG) Unterabteilungsleiter für europäische und internationale Angelegenheiten. Dienstort ist Bonn, wo Streeck und Zubeil mit dem Labradorrüden Sam leben und das Ministerium weiterhin einen Standort unterhält. Gerüchten, wonach die Vergabe über Seilschaften — gute Verbindungen seines Ehemannes zu Spahn — erfolgt sei, tritt das BMG entschieden entgegen: Zubeil bringe nicht nur ‚viel Erfahrung in internationalen Organisationen mit‘, sondern habe sich auch in einer externen Ausschreibung in einem mehrstufigen Verfahren gegen ein gutes Dutzend qualifizierter Bewerber durchgesetzt, so ein Sprecher auf Anfrage.“

Streeck hatte im Juni 2020 den kompletten Lockdown und die daraus resultierenden Folgen in Deutschland kritisiert, ebenso die Maskenpflicht und zudem die Sinnhaftigkeit der Corona-App bezweifelt. Die Öffnung von Schulen und Kitas bewertete er positiv. Nun ist doch eine gewisse Metamorphose festzustellen. Der dpa sagte er am 3. Februar 2021: „In der momentanen Situation halte ich es für richtig, den Lockdown zu halten.“ Und bei t-online.de ist am 25. Februar 2021 unter der Überschrift „Experten: AstraZeneca ist wirksam und sicher“ zu lesen: „Von wissenschaftlicher Seite bestehen jedoch keine Zweifel an der Qualität und Wirksamkeit des Mittels. Experten wie der Bonner Virologe Hendrik Streeck und der Charité-Virologe Christian Drosten betonen, dass der Impfstoff wirksam und sicher sei: Streeck sieht keine qualitativen Unterschiede zwischen den in Deutschland zugelassenen Impfstoffen.“

Wissen ist eben im Fluss.

Vom Unwort zum Trendwort

Seltsamerweise verwenden auch Kritiker der Maßnahmen bedenkenlos und unbedarft das Wort „Kollateralschaden“, bei dem es sich doch um bestes Orwellsches Neusprech handelt und das 1999 völlig zurecht zum „Unwort des Jahres“ gewählt wurde.

In der Begründung der Jury hieß es: „Dieser in deutschen Medien nur halb übersetzte Begriff aus der Nato-offiziellen Berichterstattung über den Kosovo-Krieg vernebelte auf doppelte Weise die Tötung vieler Unschuldiger durch Nato-Angriffe.

‚Kollateralschaden‘ lenkte mit seiner imponierenden Schwerverständlichkeit vom schlimmen Inhalt dieser Benennung ab und verharmloste ‒ auch und gerade wenn man den Begriff wörtlich nimmt ‒ die militärischen Verbrechen in diesem nicht erklärten Krieg als belanglose Nebensächlichkeit (Nato-Englisch: ‚collateral damage‘ = Randschaden). ‚Kollateralschaden‘ trieb die vielfältigen Versuche auf die Spitze, das Vorgehen auf dem Balkan in ein freundlicheres Licht zu rücken. Dazu gehörte unter anderem auch, Bombardements zu ‚Luftschlägen‘ und den Krieg insgesamt zum bloßen ‚Kosovo-Konflikt‘ herunterzuspielen und Vertreibungen wie die der Kosovo-Serben ‚Völkerverschiebung‘ zu nennen.“

Sentimental 2: Das lockere Sommermärchen

Dann kam 2006 die Fußball-WM, das Sommermärchen. Und plötzlich war Deutschland ganz anders. Nämlich ganz locker. Die Deutschen waren ganz unfassbar locker — wobei sie sich dabei auch schon wieder ganz schön anstrengen mussten —, und erzählten das auch gleich jedem, denn es könnte ja jemand verpasst haben, dass sie jetzt so locker sind. Als dann die ausländische Presse schrieb, die Deutschen sind ja ganz anders als gedacht, die sind ja ganz locker, da waren die lockeren Deutschen ganz stolz über ihre neue Lockerheit und schrieben es locker in ihre Zeitungen, dass das Ausland jetzt auch schreibt, dass sie so locker sind, und sie waren so unfassbar stolz auf sich, so locker zu sein, dass es ihnen so vorkam, als seien sie — wenn schon nicht Fußball-Weltmeister — nun immerhin Lockerheitsweltmeister, denn in irgendwas muss der Deutsche immer Weltmeister sein.

Sex-Symbole

Die Virologen als neue „Sex-Symbole“? „Wer hat es zum ‚Mann des Jahres 2020‘ geschafft?“, fragte prisma.de am Jahresende und gab die Antwort gleich selbst: „Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Norstat im Auftrag des Magazins Playboy kam zu einem klaren Ergebnis: Die meisten Stimmen (18,5 Prozent) erhielt der Chef-Virologe der Berliner Charité, Christian Drosten.“ Viele Frauen waren ja schon von Anfang an ganz begeistert vom knuffigen, knuddeligen Wuschelkopf aus der Berliner Charité. Männer hingegen, sofern sie nicht auch auf Hendrik Streeck stehen, schwärmen von Melanie Brinkmann, der „Frau mit dem elegischen Filmdiven-Appeal“, so Torsten Körner bei epd medien. Nur Alexander Kekulé will keiner.

Virologenkalender

Gibt es also bald in Nachfolge der Pin-up-Bauernkalender einen Virologen- und Wissenschaftlerkalender? Désirée Nick wäre begeistert. Noch ist es nicht zu spät, es ist erst April! Ich persönlich freue mich schon auf Lothar Wieler.

Anders

Angewidert von den Aussagen der Glaubenden. Befremdet aber auch von denen vieler Kritiker. Nicht dazugehören. Kein Teilchen einer Masse. Nicht Nicht-Denken, nicht Vor-Denken, nicht Nach-Denken, nicht Quer-Denken, keine Fahne, kein Banner, kein Slogan. Zu keinem gehören. Keinen anbeten. Keinem folgen. Keinen anflehen: Rette mich! Keine Parolen. Kein Mitrufen. Kein Jubeln. Das Getöse verlassen. Allein durch dunkle Gassen. Weiter. Weiter und raus. Auf das Feld, neben der Waldgrenze. Wo die Sonne scheint. Wo der Wind weht. Wo niemand ist. Nur das Sonnenlicht, das durch die Bäume scheint. Keiner zu sehen. Kein Maskenträger. Kein Maskenverweigerer. Kein Corona-Leugner. Kein Corona-Nichtleugner. Kein Covidiot. Kein Zeuge Coronas. Kein Experte. Kein Virologe. Kein Epidemiologe. Kein Wissenschaftler. Kein Wissenschaftsleugner. Kein Mensch.

Bruder Eichmann

„Ich muss es ablehnen, mit dieser Sache hier identifiziert zu werden (…). Ich habe den Befehl bekommen (…). Denn ich konnte nicht anders, ich hatte Befehl. Aber ich hatte mit der Sache nichts zu tun.“

Adolf Eichmann im Verhör zu Avner Less, Hauptmann der israelischen Polizei.
Heiner Kipphardt, Autor des 1986 erschienenen Theaterstücks Bruder
Eichmann:

„Das Stück zeigt auch, wie in der Eichmann-Haltung die Soldatenhaltung und die funktionale Haltung des durchschnittlichen Bürgers überhaupt steckt, die Haltung, Gewissen sei an die Gesetzgeber und an die Befehlsgeber delegiert. Genauer gesehen zeigt sich, dass die Eichmann-Haltung die gewöhnliche Haltung in unserer heutigen Welt geworden ist, im Alltagsbereich wie im politischen Leben, wie in der Wissenschaft.“

Das letzte Gefecht

Wir gingen davon aus, es folgt auf die dritte Welle die vierte und fünfte und schließlich die Dauerwelle. Aber es kommt anders. Am 25. März 2021 prophezeit Professor — oder sollte man sagen Generalfeldmarschall? — Karl Lauterbach das bevorstehende „schwere letzte Gefecht“. Das GMX-Magazin berichtet einen Tag später: „Die Stimmung in Maybrit Illners Talkrunde ist am Donnerstagabend verzweifelt bis düster.“ Lauterbach rate zu nächtlichen Ausgangssperren statt zur ohnehin verworfenen Osterruhe: „‚Ausgangssperren haben einen extrem schlechten Ruf, aber sie wirken.‘ Lauterbach würde deswegen gerne eine ‚harte Medizin‘ verabreichen und einen zweiwöchigen harten Lockdown einlegen.“ Und dann: „Karl Lauterbach hat stattdessen besonders schlechte Zahlen im Gepäck, die dem Publikum das Einschlafen nach der Sendung nicht gerade leichter machen dürften. ‚Jetzt kommt nochmal ein sehr schweres letztes Gefecht‘, sagt der Sozialdemokrat und verweist auf seine Mediziner-Kollegen.“

„Das letzte Gefecht“ also. Endlich. Endlich ist der Deutsche wieder ganz bei sich. Vor dem geistigen Auge: Führerbunker in der Ruinenstadt, über riesige Landkarten gebeugte Männer in Militärmänteln, harte Gesichtszüge, schlechte Nachrichten.

„Die letzte Bastion ist gefallen. Schwere Verluste. Der Feind kommt näher.“ Aber egal. „Lieber stehend sterben als kniend leben.“ Die gelichteten Reihen schließen. Es ist so weit. Untergang und Ende oder Untergang und Katharsis. Wenn Deutschland bei diesem letzten Gefecht nicht reüssieren kann, wird es dann so sein wie Ende April 1945 im Führerbunker, als Hitler zu Goebbels gesagt haben soll: „Wenn der Krieg verloren geht, ist es vollkommen egal, wenn das Volk mit untergeht. Ich könnte dadurch noch keine Träne weinen, denn es hätte nichts anderes verdient.“ Winter is coming.

Post von Wagner — Annahme verweigert

Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner — um den es hier geht — führt ein bewegtes Journalisten- und Autorenleben und soll zur Einführung zunächst etwas ausführlicher vorgestellt werden. Meedia.de beschreibt ihn so: „Wagner war Gärtner, Möbelpacker, Saufkumpan von RAF-Terrorist Baader, Kriegsreporter in Vietnam, Chef von Bunte und B.Z. Wagner ist ein Überlebender in der Keith-Richards-Liga.“

Stationen und Ereignisse: Chefreporter und Kriegsberichterstatter in Vietnam und Israel bei Bild, Chefredakteur der Bunten, der zu Springer gehörenden B.Z. und B.Z. am Sonntag, Mitentwickler der Magazine Elle und Superillu. Ghostwriter für Franz Beckenbauer, Boris Becker und Udo Jürgens. Beleidiger von Schwimmerin Franziska van Almsick: „Franziska van Speck, als Molch gewinnt man kein Gold.“ 1991 war er Chefredakteur der Boulevardzeitung Super!, dieses speziell für Ostdeutschland konzipierte und als Konkurrenz zu Bild gedachte Blatt des Burda-Verlages wurde zwar nach einem Jahr wieder eingestellt, bleibt aber trotzdem unvergessen wegen Wagners Schlagzeile vom 3. Mai 1991, dem zweiten Erscheinungstag: „Angeber-Wessi mit Bierflasche erschlagen — Ganz Bernau ist glücklich, dass er tot ist.“

Nur nebenbei: Die bisweilen zu lesende Behauptung, es habe sich bei der geschilderten Tat um eine wohl von manchen für möglich gehaltene Wagnersche Erfindung gehandelt, trifft nicht zu. Das Opfer — wie der damalige Bürgermeister von Bernau sagt —, „so ein „Glücksritter, wie sie damals haufenweise in den Osten kamen“, mit goldener Rolex und klapprigen BMW mit Diplomatenkennzeichen, hatte sich bald wegen seines Benehmens und Handelns zahlreiche Feinde unter den Bernauern gemacht. Mit ein paar verbündeten Ostdeutschen gelang es ihm, eine „Stasi-Villa“ zu erwerben, und mit dem Geld der unerfahrenen Einheimischen gründete er mehrere Firmen. Getötet wurde das 49-jährige Opfer allerdings von einem Westdeutschen, einem zwanzig Jahre jüngeren Mann aus dem Drogenmilieu und der Frankfurter Rotlichtszene. Nach einem heftigen Streit in der Villa zerschlug der Täter laut Staatsanwaltschaft auf dem Kopf des Opfers „mindestens neun Bier- oder andere Spirituosenflaschen“.

Zurück zu Wagner: Nach seiner Ablösung als B.Z.-Chefredakteur — nicht nur aufgrund der Beleidigung van Almsicks, sondern insbesondere des starken Sinkens der Auflage und, wie bereits bei seinen vorherigen Stationen, ungeheuren Verschleißes an Menschen und Material — fiel er innerhalb des Springer-Konzerns weich, denn man schuf eigens für ihn die Position „Chefkolumnist“. „‚Gossen-Goethe‘ wird Springer-Edelfeder“ titelte das manager magazin im Oktober 2000 — und so schrieb Wagner für die Welt bis 2005 „Wagners Welt“ und für Bild bis heute „Post von Wagner“. „Franz-Josef Wagner ist der wohl meistgelesene Boulevard-Journalist Deutschlands. Mit seiner Kolumne ‚Post von Wagner‘ auf Seite zwei der ‚Bild‘-Zeitung erreicht er jeden Tag zwölf Millionen Leser“, so tagesschau24, und der Tagesspiegel urteilte: „Sachkunde, Wissen, Bildung, Ernsthaftigkeit — so etwas verachtet er. Wagner hat den Gaga-Kolumnismus erfunden.“ In seiner Bild-Kolumne schreibt Wagner nicht nur an Menschen, sondern auch an Pferde, Länder, den „Griechen-Gipfel“, die Familienpolitik oder auch — und damit sind wir im Heute angekommen — an einen Impfstoff:

„Lieber AstraZeneca-Impfstoff,

Dein Image ist schlecht. Eine Million Impfdosen liegen herum. Alle wollen nur mit BioNTech geimpft werden. Alle wollen nur Kaviar, und nicht einen Impfstoff wie aus dem Discounter, was Billiges. Glauben Sie mir, es ist mir egal, wer mich rettet. Ich bin 70, ich warte (…) auf eine Impfung. Ich würde mich sofort mit AstraZeneca impfen lassen. Die Nachteile nehme ich gern in Kauf, Husten, Fieber, Gelenkschmerzen. Jede Impfung nehme ich, um noch ein paar Jahre zu leben.“

Wagner — der sich, am 7. August 1943 geboren, in diesem Text übrigens sieben Jahre jünger macht — lässt sich also auch von Lidl oder Netto retten, wo andere auf Feinkost und Haute Cuisine bestehen. Die Erfinder dieses „Kaviars“ — Ugur Sahin und Özlem Türeci — feierte er in einer weiteren Kolumne unter dem irren Titel „Betrifft: Wir sind Impfstoff“ mit den Worten:

„Sie beide haben die Firma BioNTech gegründet. Sie sind verheiratet. Haben eine Tochter. Sie sind Wissenschaftsbesessene. Ihr Impfstoff befindet sich in der Zulassungsprüfung. Ihre Firma sitzt in Mainz, mit dem Rad fahren beide in ihr Labor. In ihren Labors forschen sie. Gastarbeiterkinder, die ihr Abitur in Deutschland gemacht haben, auf Universitäten gingen. Gastarbeiterkinder, die klug, klüger als alle anderen wurden. Das ist die fantastische Geschichte. Klugheit hat nichts mit der Herkunft zu tun. Klugheit ist ein Geschenk Gottes.“

Wenn man Wagners Weltbild als nicht ganz differenziert und eher simpel ausgerichtet bezeichnet, erreicht man wohl eine gewisse Wahrheitsnähe. Ihm freundlich gesonnene Menschen werden den Stil dieses Freundes der stark reduzierten Ausdrucksweise wohl als „minimalistisch“ bezeichnen, andere erinnert es eher an die Rubrik „Leichte Sprache“ der Web-Seite infektionsschutz.de, die allerdings eine höhere Stringenz auszeichnet: „Draußen — der öffentliche Bereich. Diese Orte sind für alle Menschen in einer Stadt. Es sind Häuser und Plätze. Zum Beispiel: Schulen und Ämter. Aber auch der Markt-Platz gehört zum öffentlichen Bereich. Und der Park. Der öffentliche Bereich ist nicht privat. Die Städte bestimmen die Regeln für den öffentlichen Bereich.“

Anfang März dann endlich die erlösende Nachricht, die Wagner bereits in der Überschrift dreimal verkündet:

„Ich habe einen Impf-Termin. Ich habe einen Impf-Termin. Ich habe einen Impf-Termin.

Ich habe einen, per Brief. Am 28. März, in drei Wochen also, werde ich geimpft.
Einen Impf-Termin zu haben ist wie neugeboren zu sein. Ich bin wie ein Schwimmer im Meer, der festen Boden fühlt. Es ist das Gefühl, gerettet zu werden. Ich habe einen Impf-Termin. Als ich den Brief öffnete, in dem mir der Termin mitgeteilt wurde, zitterten mir meine Finger. Ich habe einen Impf-Termin. Ich habe eine Hoffnung. Ich weiß, dass ich nicht ewig lebe, aber ein bisschen leben möchte ich noch. Ein bisschen Mallorca, ein bisschen Mittelmeer, Füße hineinstrecken in das schöne Meer. Ich bin glücklich, dass ich bald meinen Impfstoff für das Leben kriege.

Herzlichst,
Ihr
F. J. Wagner“

Wagner geht also fest davon aus, dass er — der im August 2021 78 Jahre alt wird — ohne Impfung in Kürze versterben, die Impfung ihn aber davor sicher bewahren werde. Diese naiv-euphorische, völlig undifferenzierte Deutung der Thematik und ihre Darstellung sind derart extrem, dass sie sich sachlicher Kritik oder gar Satire entziehen.

Wagner hat inklusive der vorhergehenden Artikel das Stadium des nicht mehr Parodierbaren erreicht — auch eine Leistung.

Seine Todesangst formuliert Wagner ausführlich. Was er unterschlägt, ist der regelmäßige, jahrzehntelange Konsum erheblicher Mengen Alkohols und starker französischer Gitanes-Zigaretten. Von einem Interview mit der Basler Zeitung berichteten die Interviewer: „Manchmal hört man das helle Klicken seines Feuerzeugs häufiger als seine dunkle Stimme.“ Alkohol ist im Übrigen ein Thema, das sich durch das gesamte Interview zieht:

„Also, ich bin mit dem Alkohol nicht verfeindet. Ich kann auch nicht nur ein oder zwei Gläser trinken. Wenn die Flasche offen ist, leere ich sie. Ich mag das auch gern. Ich finde wie Ernst Jünger, dass der Mensch ein Recht auf Rausch hat. Wenn ich drei, vier Seiten für ein Buch schreibe, kann es vorkommen, dass ich dazu drei, vier Gläser trinke. Das ist ein Beschleuniger. Es macht dich auch hemmungsloser. Am nächsten Morgen redigierst du den Text und schmeißt die Hälfte weg. Deshalb hat es keinen Zweck, die Kolumne betrunken zu schreiben, weil ich die nicht mehr überarbeiten kann.“

Über einen typischen Urlaubstag in Saint-Tropez berichtet er:

„Ich dusche und fahre wieder nach St-Tropez zum Abendessen. Weil die Polizei dort sehr streng ist, trinke ich aber nur zwei Gläser. Wenn ich wieder in der Bucht bin, trinke ich hier und dort noch was, und im Hotel lasse ich mir dann vom Nachtportier eine halbe Flasche Minuty bringen. (…) Das sind vier Gläser, das reicht.“

Nach Fragen und Antworten zur Angst vor Krankheit dann die Frage:

„Denken Sie an den Tod?“

„Nein. Natürlich wäre es mir am liebsten, heute Abend nach dem Besuch in der ‚Paris Bar‘ ins Bett zu gehen und nicht mehr aufzuwachen. Das wäre wunderbar. (…) Andererseits kann der Tod auch keine Alternative zum schönen Leben sein. Ich will immer noch in der Bucht von Ramatuelle schwimmen gehen.“

Warum Letzteres hier nun so ausführlich? Wegen des treffenden Beispiels der fehlenden Selbstverantwortung und einer in Schieflage befindlichen Risikobewertung. Wie Menschen, die, ohne nach links oder rechts zu schauen, eine vielbefahrene Straße überqueren, dabei aber eine FFP2-Maske tragen. Stets vorausgesetzt natürlich, die Kolumnen spiegeln Wagners tatsächliche Auffassung wider. Womöglich ist Wagner aber nur ein findiger Meinungsdarsteller, der Witterung aufnimmt, dann Stimmen und Stimmungen aufsaugt, um diese in karge Sätze zu gießen.

Wagner also — oder die von Wagner gemimte Person — raucht und trinkt seit Jahrzehnten viel und regelmäßig, was er bis dato, einschließlich eines Jahres „Pandemie“, offensichtlich ganz gut überstanden hat, fürchtet sich nun heftig vor einer Lungenkrankheit — denkt aber nicht daran, durch Einstellen des Rauchens die Lunge zu schonen und das gleiche für die Leber zu tun durch den Verzicht auf Alkohol oder zumindest Konsumeinschränkung, falls dies nach der langen Zeit überhaupt noch Sinn hätte; ganz abgesehen von den schädlichen Wirkungen auf den Gesamtorganismus. Stattdessen wird die Verantwortung auf etwas von außen Kommendes projiziert, das die Rettung in der Not bedeuten soll. „Stellen Sie sich vor, ich bin verunglückt auf hoher See. Mir ist doch egal, wer mich rettet“, schreibt er in der AstraZeneca-Kolumne. Der Schiffbrüchige könnte aber auch schwimmen, glaubt es aber nicht, sondern wartet lieber auf den Rettungsschwimmer. Und er könnte insbesondere vorher prüfen, mit welchem Seelenverkäufer er da gedenkt, in See zu stechen.

Die üblichen Verdächtigen — Dramolett

Ich habe ein Date mit Melanie Brinkmann. Ich weiß, viele Männer beneiden mich. Gut so. Wir sitzen mit Mindestabstand und OP-Masken auf einer Parkbank. Sie spricht. Aber ich höre nicht zu, ich schaue sie nur an. Sie erinnert mich an die Filmdiven aus den 1930er und 1940er Jahren. Oh, Melanie, denke ich, lass mich dein Rick aus Casablanca sein! Während ich so vor mich hin schmachte, redet Melanie immer weiter. Irgendwas mit Raketen. Plötzlich setzt sich eine sehr blonde Frau zu mir auf die Bank, wegen meines Mindestabstandes zu Melanie zwängt sie sich auf die Kante und schmiegt sich an mich. „Ach, du bist’s, Désirée“, sage ich wenig begeistert. Sie raunt mir ins Ohr: „Wenn ich Streeck nicht kriege, will ich dich! Lass uns zu dir gehen und duschen!“ „Äh, Désirée … ähm, weißt du … meine Dusche ist kaputt, und es ist Wochenende — versuch da mal, ’nen Klempner zu kriegen. Und außerdem ist Duschen ohnehin ungesund — zerstört den Säureschutzmantel der Haut.“

„Tunte!“ zischt Désirée und verschwindet wutschnaubend. Melanie redet immer noch. Immer noch über Raketen.

„Ich habe einen Impftermin!“

Franz Josef Wagner steht plötzlich vor mir, im Mundwinkel die unvermeidliche Gitane und in der Linken eine Tüte von Jacques‘ Wein-Depot.

„Ach, hallo, Franz Josef, ja, das freut mich für dich!“

„Ich habe einen Impftermin!“ Er klopft mir auf die Schulter, fragt, ob hier noch frei sei, um sich im selben Moment zu setzen. In die Mitte.

„Also, Franz Josef, ich will ja wirklich nicht unhöflich zu sein, aber ich bin hier eigentlich mit der Dame …“

„Ich habe einen Impf-Termin!“

Der Rauch seiner Zigarette weht mir ins Gesicht. Ich hüstele. Er spricht, obwohl die Zigarette weiterhin im Mundwinkel steckt. Das haben sie früher in den französischen Schwarzweiß-Filmen auch immer so gemacht, weiß ich, und das gibt einem so ein Belmondo-Gefühl.

„Okay, das ist zweifellos großartig, aber könntest du jetzt vielleicht …“

„Ich habe einen Impf-Termin!“

„Ja, ja.“

„Ich! Habe! Einen! Impf-Termin!“

Bevor ich laut werden kann, ruft Franz Josef plötzlich „Oh mein Gott!“, springt auf und entfernt sich rasch und grußlos. Ich drehe mich in die Richtung, aus der Wagners Blick zufolge sich das Unheil nähert und blicke in ein rosafarbenes Gesicht, dessen dazugehörige Stimme mich jovial begrüßt.

„Na, alles fit im Schritt?“

„Ach, du bist’s, Ecki. Schön dich zu sehen.“

„Yeah! Bestimmt MOMA geschaut, oder? Na, wie war ich?“

„Du warst wie immer grandios.“

„Hab ich das nicht super erklärt mit dem verkürzten Testverfahren?“

„Ja, das heißt Teleskopieren, ich weiß. Orwellsches Neusprech“.

Hirschhausen lacht sein meckerndes Hirschhausen-Lachen und sagt leutselig:

„Alter Verschwörungstheoretiker!“

„Weißt du, Ecki, ich wollte schon immer mal nach Australien. Aber 24 Stunden Flug sind mir einfach zu lang. Ich glaub, ich teleskopiere die Flugdauer mal auf 2,4 Stunden.“

„Hahaha, der ist gut!“

Er haut mir auf die Schulter — schon wieder einer —, die nun zu schmerzen beginnt. Ich reibe sie mit leidendem Gesicht.

Hirschhausen stutzt und sagt:

„Ah, Frozen Shoulder, das haben Männer in unserem Alter manchmal. Hahaha.“

Er blickt zu Melanie Brinkmann und dann wieder zu mir:

„Sag mal, übernimmst du dich da nicht?“

„Ecki, jetzt reicht’s. Subtrahier dich in dein Varieté, pack deinen Zylinder aus und lass Karnickel verschwinden.“

„Was heißt hier Varieté! Ich bin inzwischen ernstzunehmender Kabarettist. Ich mache Medizinisches Kabarett.“

„Man merkt’s.“

„Huch, heute sind wir aber zickig.“

„Herr von Hirschhausen! Ich würde jetzt sehr gerne meine Unterhaltung mit der Dame fortführen!“

„Aber die Dame scheint mir nicht sehr kommunikativ. Sie murmelt die ganze Zeit vor sich hin. Irgendwas mit Raketen.“

„N’Abend, die Herren Superspreader. Na, das sind aber nicht ein Meter fünfzig!“, erklingt es plötzlich hinter uns in rheinischem Singsang.

„Lauterbach!“ rufen Hirschhausen und ich im Chor. Selbst Melanie Brinkmann blickt auf und beendet ihr Selbstgespräch. Es ging immer noch um Raketen.

„Meine Dame, meine Herren! Die Zahlen steigen und steigen. Es kommt die vierte, fünfte und sechste Welle. Wir brauchen einen langen Lockdown. Einen sehr langen Lockdown. Einen sehr, sehr langen Lockdown. Fünf Jahre — dann sehen wir weiter.“

„Lauterbach, Sie sind ja …“ Doch weiter komme ich nicht, denn im selben Moment springt Melanie Brinkmann auf und sagt:

„Karl, wir müssen reden.“

„Charly für dich“, erwidert Lauterbach. „Ich bin ein großer Freund des wissenschaftlichen Austausches. Aber dazu braucht es Ruhe. Lass uns verschwinden.“

„Ja, Wissenschaft braucht Zeit und Ruhe“, erwidert Melanie und lächelt. „Ohne Fliege siehst du übrigens viel männlicher aus!“

Sie gehen.

„Unfassbar!“ sage ich.

„Unfassbar!“ sagt Hirschhausen. Und fährt dann fort: „Und was ich noch übers Teleskopieren sagen wollte …“

„Lass gut sein, Ecki“ entgegne ich, stehe auf und beginne, querfeldein durch den Park zu laufen. Ich kann gerade noch mehreren Alpakas ausweichen, hinter denen Polizisten herrennen, sehe Professor Streeck Hand in Hand mit seinem Ehemann und in einiger Entfernung Désirée Nick, mit Feldstecher und Flecktarnjacke in einem Gebüsch hockend, erkenne am Horizont eine passierende Straßenbahn, bei der alle Fenster geöffnet sind, weil man einer Lungenkrankheit mit permanentem Durchzug vorbeugen will. Als ich mich schon dem Parkausgang nähere, höre ich in der Ferne eine sachte verklingende Stimme, die mir nachruft: „Ich habe einen Impf-Termin!“


Quellen und Anmerkungen:

https://www.merkur.de/bayern/muenchen-einfamilienhaeuser-gruene-immobilien-angebot-bayern-anton-hofreiter-90205140.html
https://www.zeit.de/wirtschaft/2021-02/einfamilienhaeuser-klimaschutz-debatte-eigenheim-gruene-stadt-land?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F
https://www.nytimes.com/interactive/2019/09/05/realestate/05hunt-wagner.html
https://www.welt.de/politik/deutschland/article225777321/Corona-Mutationen-Der-Wettlauf-ist-laengst-verloren-sagt-Melanie-Brinkmann.html
https://www.ardmediathek.de/video/morgenmagazin/impfproband-nr-20-dr-eckart-von-hirschhausen/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL21vcmdlbm1hZ2F6aW4vNTliYjNiNTEtZDJjZi00MjgzLThkZjUtYmUzYWY2MzdhN2Vl/
https://www.mdr.de/altpapier/das-altpapier-1450.html
https://www.abendzeitung-muenchen.de/promis/privatleben-von-karl-lauterbach-ihm-fehlt-eine-frau-art-715715
https://www.tz.de/muenchen/stadt/muenchen-corona-kontrollen-meterstab-foto-englischer-garten-polizei-alpakas-90223316.html
https://www.abendzeitung-muenchen.de/promis/desiree-nick-will-ehe-von-top-virologe-prof-hendrik-streeck-kaputtmachen-ich-bin-stalkerin-art-666679
https://www.rtl.de/cms/desiree-nick-ist-total-verschossen-in-star-virologe-professor-streeck-4609354.html
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/politik/streeck-ehemann-erhaelt-posten-im-bmg/
https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_89417476/hendrik-streecks-ehemann-paul-zubeil-wechselt-in-ministerium-von-jens-spahn.html
https://www.merkur.de/welt/corona-streeck-drosten-lockdown-zweite-welle-virologe-prognose-hygiene-deutschland-schulen-kitas-zr-13778839.html
https://www.bz-berlin.de/deutschland/virologe-streeck-ich-halte-es-fuer-richtig-den-lockdown-zu-halten
https://www.t-online.de/gesundheit/krankheiten-symptome/id_89535268/corona-impfstoff-von-astrazeneca-forscher-finden-heraus-wie-es-noch-besser-wirkt.html
https://www.deutschlandfunk.de/kollateralschaeden-zum-unwort-des-jahres-1999-gewaehlt.680.de.html?dram:article_id=29814
https://idw-online.de/en/news17376
https://www.prisma.de/news/Mann-des-Jahres-2020-Virologe-Christian-Drosten-liegt-vorn,27667966
Jochen von Lang: „Das Eichmann-Protokoll — Tonbandaufzeichnungen der israelischen Verhöre“
Quadriga-Verlagsgesellschaft & Bertelsmann Club — vergriffen.
Heiner Kipphardt: „Bruder Eichmann — Schauspiel und Materialien“
Rowohlt-Verlag, 1986 — 231 Seiten — ISBN-13: 978-3499157165
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/spd-chefin-esken-will-offenbar-demonstrationsrecht-einschraenken/
https://www.focus.de/wissen/mensch/geschichte/75-todestag-so-verliefen-die-letzten-tage-adolf-hitlers-im-fuehrerbunker_id_11901059.html
https://meedia.de/2018/08/08/genial-gehasst-gefuerchtet-bild-briefeschreiber-franz-josef-wagner-zum-75-geburtstag/
https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Josef_Wagner
https://programm.ard.de/TV/tagesschau24/zapp-spezial/eid_287218092768077
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/geringe-geburtenrate-in-deutschland-bild-kolumnist-wagner-gibt-muettern-die-schuld/12096250.html
https://www.tagesspiegel.de/themen/brandenburg/tod-in-bernau-und-die-super-zeitung-das-gespenst-der-einheit/4125078.html
https://www.manager-magazin.de/finanzen/artikel/a-100003.html
https://www.stern.de/familie/leben/shitstorm-gegen-franz-josef-wagner-und-seine-sicht-auf-arbeitende-muetter-6357038.html
https://www.bazonline.ch/leben/gesellschaft/was-auf-meinem-grabstein-stehen-soll-lieber-du-waerst-tot-als-ich/story/18562348
Franz Josef Wagner — „Post von Wagner“
Bild vom 6. Oktober 2020: „Betrifft: Wir sind Impfstoff“
Bild vom 28. Februar 2021: „Lieber AstraZeneca-Impfstoff“
Bild vom 7. März 2021: „Ich habe einen Impf-Termin“

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