von Moderate Rebels
US-Einmischung in Ecuadors historische Wahl und putschunterstützende Fake-NGO-„Linke“ — Eine Depesche aus Quito
Max Blumenthal spricht mit Ben Norton, der aus Ecuador berichtet, über die historischen Wahlen vom 7. Februar 2021 und wie die US-Regierung, Regime-Change-Netzwerke und reiche Oligarchen versuchen, die Rückkehr der sozialistischen Bürgerrevolutionsbewegung des ehemaligen Präsidenten Rafael Correa zu verhindern. Sie diskutieren über die falsche NGO-„Linke“, vertreten durch den putschunterstützenden pseudo-ökologischen Kandidaten Yaku Pérez, und darüber, wie ein Sieg des Linken Andrés Arauz helfen könnte, die progressive, antiimperialistische Rosa Welle in Lateinamerika zurückzubringen.
Max Blumenthal: Willkommen bei den „Moderate Rebels“, ich bin Max Blumenthal, und ich bin hier mit Ben Norton, der zur Zeit in Quito, Ecuador, ist. Ben hat die erste Runde einer historischen Präsidentenwahl in Ecuador mitverfolgt, bei der es so schien, als ob die „Rosa Welle“ (1), die in den vergangenen Jahren in Lateinamerika auf dem Rückzug war, Ecuador wieder mit einem Sieg von Andrés Arauz in Besitz nehmen würde, der im Wesentlichen der Nachfolger des früheren sozialistischen Präsidenten Rafael Correa ist.
Seit 2017 steht Ecuador unter der Kontrolle eines Trojanischen Pferdes, eines früheren Vizepräsidenten von Correa, Lenin Moreno, der einen harten Unterdrückungskurs gegen seine Gegner fährt, die Austeritätsbedingungen des Internationalen Währungsfonds IWF erfüllt, Massenprivatisierungen veranlasst, und auf ein desaströses Covid-Management zurückblickt. Das alles kam der Popularität von Andrés Arauz zugute, doch wir haben ein sehr interessantes, ungewöhnliches und nach meinem Eindruck sehr beunruhigendes Ergebnis des ersten Wahlganges vorliegen, über das Ben sprechen wird.
Ben hat die Wahlen während der vergangenen Woche mitverfolgt, und mehrere seiner Artikel haben wirklich den Durchbruch geschafft und den Menschen geholfen zu verstehen, was vor sich geht, sowie Hinweise geliefert, dass die USA sich längst in diese historische Wahl eingemischt hat. Außerdem hat Ben einen wichtigen 15 Minuten langen Dokumentarfilm für uns bei The Grayzone gemacht, der auf unserem Youtube-Kanal sowie auf unserer Homepage zu finden ist. Bevor ich Ben selbst zu Wort kommen lasse, möchte ich einen Ausschnitt aus diesem Film zeigen, weil er den Hintergrund dieser Wahl sehr gut illustriert. Lasst uns damit beginnen:
Ben Nortons Stimme im Video: Das südamerikanische Land Ecuador durchlebt gerade die schlimmste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Die Armut explodiert. Die Korruption wuchert zügellos, und die US-gestützte Regierung ist zutiefst undemokratisch. Am 7. Februar findet eine historische Wahl statt, die Ecuadors Richtung grundlegend ändern könnte, indem es die neoliberale Politik und Abhängigkeit von Washington beendet und zu dem sozialistisch ausgerichteten Programm des früheren Präsidenten Rafael Correa zurückkehrt, der eine progressive Bewegung, die „Bürgerrevolution“, ins Leben gerufen hat.
Die Zustimmungswerte des amtierenden Präsidenten Lenin Moreno liegen bei 8 Prozent und machen ihn damit zum unbeliebtesten Staatschef in Ecuadors moderner Geschichte. Unter seiner Herrschaft hat die Regierung viele Führungsgestalten des linken Spektrums ins Exil gezwungen oder verhaftet, Pro-Correa-Kandidaten von den Wahlen ausgeschlossen, soziale Programme geplündert, regionale lateinamerikanische Institutionen destabilisiert, und Ecuador durch Kredite in Höhe von vielen Milliarden Dollar verschuldet.
In einem historischen Akt des Verrats hob Morena das Asyl auf, das Correa dem Herausgeber von WikiLeaks, Julian Assange, gegeben hatte, und erlaubte der britischen Polizei, die ecuadorianische Botschaft in London zu betreten und den australischen Journalisten zu verhaften. Arbeitslosigkeit, soziale Ungleichheit und Elend erreichten Rekordwerte, wobei nach UN-Angaben mehr als 58 Prozent aller Ecuadorianer von Armut und 39 Prozent von schwerer Armut betroffen sind. Außerdem sind die Ecuadorianer schwer von der Covid-19-Pandemie betroffen, mit einer der höchsten Pro-Kopf-Sterblichkeitsrate.
Im Jahr 2020 brach Ecuadors Bruttosozialprodukt um 11 Prozent ein. Überall in Quito stehen auf den Grundstücken Schilder „zu verkaufen“ oder „zu vermieten“. Diesen Februar besuchte ich Ecuador, um die Wahlen zu verfolgen und mit den Bürgern zu sprechen, die die Wirtschaftskrise unter der US-freundlichen Moreno-Regierung mit voller Wucht getroffen hat.
Also, Ben, ich hatte erwartet, dass Arauz, der linke Kandidat, der populärste Kandidat, in der ersten Runde gewinnen würde. Ich dachte, er hätte diesen Vorsprung. Die Umfragen, die seine Leute vor dem Wahlabend durchführten, sahen ihn bei 38 Prozent, die ihm bequem hätten reichen sollen. Aber aus irgendwelchen Gründen geht jetzt die Wahl doch in die zweite Runde. Vielleicht kannst du uns etwas über die drei wichtigsten Kandidaten erzählen und was schiefgelaufen ist und warum dies offenbar Grund zur Besorgnis ist.
Ja, danke Max, du hast in deiner Einleitung den Finger auf den richtigen Punkt gelegt. Um die Situation hier mit Lenin Moreno und diese Wahl zu verstehen, muss man wissen, dass die jetzige Regierung wohl die unbeliebteste Regierung der ecuadorianischen Geschichte ist. Lenin Moreno hat 8 Prozent Zustimmung und 91 Prozent Ablehnung. Meiner Meinung nach erleben wir Korruption in einem nahezu verrückten Ausmaß, dazu eine der schlimmsten Coronakrisen weltweit, gemessen an den Todesfällen pro Kopf der Bevölkerung, und voriges Jahr, 2020, sank das Bruttosozialprodukt von Ecuador um 11 Prozent.
Nach Angaben der UN hat sich der Prozentsatz der von Armut Betroffenen auf 56 Prozent erhöht. Das ist eine Verdopplung unter Moreno. Wir haben es mit der Plünderung eines Landes zu tun, genau das Gleiche, was der früheren Sowjetunion widerfahren ist, nachdem ihr Boris Jelzin eine neoliberale Schocktherapie verordnet hatte. Gestern Abend sprach ich mit einigen Ecuadorianern, und sie sagten, dies sei die schlimmste Wirtschaftskrise seit 1999 und vielleicht sogar noch schlimmer.
Das Kandidatentrio
Damals im Jahr 1999 war der Wirtschaftsminister ein Banker, ein großer korrupter Banker namens Guillermo Lasso. Und der zählt jetzt zu den drei Hauptkandidaten für die Präsidentschaft. — Darauf komme ich gleich darauf zurück. — Er herrschte über ... sagen wir ... die Liquidierung von Ecuadors Wirtschaft. Jeder, der sein Erspartes in der Landeswährung aufbewahrte, und das betraf die meisten Leute, die nicht zu den reichen Oligarchen gehörten, verlor sein Vermögen. Es war einfach futsch. Guillermo Lasso und seine Freunde machten gleichzeitig, indem sie mit der Wirtschaft spekulierten, Milliarden von Dollar Gewinn — und das führte zur Dollarisierung. Seit 1999, genauer seit dem Jahr 2000 ist hier der US-Dollar die offizielle Landeswährung.
Jetzt haben wir hier einen Wirtschaftskollaps, der die Ereignisse von 1999 wiederholt. Und analog zu Moreno gehört derjenige, der damals von der Korruption profitierte, heute zu den führenden Politikern und heißt Guillermo Lasso. In allen Umfragen liegt er auf Platz zwei. Wie du schon sagtest, Max, war in allen Umfragen der Erstplatzierte immer Andrés Arauz, der linke Wirtschaftswissenschaftler, ein junger Anführer, ein junges Blut, der jedoch in die Fußstapfen des ehemaligen Präsidenten Rafael Correa tritt. Was aber interessant ist, dass Lasso ... Immer noch ist nicht ganz klar, wer die zweitmeisten Stimmen hat (3), denn in der Wahlnacht am 7. Februar ist ein neuer Kandidat für Platz 2 aufgetaucht, der in allen Umfragen hinten lag: Sein Name ist Yaku Pérez.
Gemeinhin wird Yaku Pérez als progressiver Umweltschützer dargestellt — aber darüber sollten wir reden, Max, denn das ist kein ganz neues Projekt: Er ist zu 100 Prozent ein Trojanisches Pferd, denke ich, jetzt nachdem du diesen Begriff eingeführt hast. Auf vieler Art erinnert er ganz stark an Lenin Moreno, der tatsächlich aus der correaistischen Bewegung kam und sich als Nachfolger Correas präsentierte, dessen Vizepräsident er war. Nach seinem Amtsantritt als Präsident, nach den Wahlen von 2017 änderte Moreno seinen Kurs um 180 Grad.
Er ließ correaistische Aktivisten verfolgen, zwang sie ins Exil oder inhaftierte sie, so zum Beispiel seinen ehemaligen Amtskollegen, den zweiten Vizepräsident unter Correa, namens Jorge Glas. Der sitzt jetzt unter falscher Anklage im Gefängnis, wo er an einem mehr als 50-tägigen Hungerstreik fast verstarb. Er kam ins Krankenhaus und sitzt jetzt immer noch im Gefängnis. Es herrscht also massive Repression.
Wer ist Yaku Pérez?
Bei dem anderen Kandidaten, der wie aus dem Nichts auftauchte, ist ganz ähnlich wie bei Moreno: Er stellt sich als progressiv dar, steht aber in Wirklichkeit ganz weit rechts und hat enge Verbindungen zu den USA. So kommt es, wie du angedeutet hast und weil die USA hier auf viele Arten ihre Finger im Spiel haben, dass ironischerweise von den drei Hauptkandidaten zwei die Unterstützung Washingtons genießen. Davon ist einer ein rechter Oligarch, Guillermo Lasso, und der andere, Yaku Pérez, entspricht diesem neuen Typ eines Trojanischen Pferdes.
Kampagnen wie diese habe ich in Nicaragua, Brasilien, ja sogar Venezuela erlebt: Pérez ist der typische NGO-Linke, ganz wie Kamala Harris — ich denke tatsächlich, wenn du einen Vergleich brauchst, dann ist Yaku Pérez die Kamala Harris von Ecuador.
Ich zeige hier ein Bild, wie er vorher aussah, als er sich noch Carlos Perez nannte. Da sah er aus wie jeder andere Kandidat: ein Anwalt mit Brille und kurzem Haarschnitt. Sind Sie in Lateinamerika im Vorfeld von Wahlen unterwegs, dann überwiegen überall Plakate mit einem Gesicht, einem Namen und einem angekreuzten Feld daneben. Da fällt es schwer, den Überblick zu behalten, denn es gibt ungefähr 32 Kandidaten und die Hälfte davon heißt Carlos. — Pérez war einer von denen und kam auf keinen grünen Zweig, deshalb änderte er also sein Image von Grund auf.
Er ging sozusagen in die NGO-Umkleidekabine und erschien dann in neuem Kostüm, mit langen Haaren und in indigener Tracht — im Hippielook — und nannte sich Yaku. Es fehlen nur noch eine Kürbisflasche und ein Musikteam, das ihn durch die Cafés von Berkeley begleitet. — Das ist gespenstisch: Er ist nun perfekt zurechtgemacht für die radikalliberalen Zirkel der USA und könnte sofort mit einem Vortrag über Ökosozialismus im Verso Loft loslegen (3).
Und er ... Ich hielt ihn für einen bedeutungslosen Kandidaten, und war dann geschockt zu sehen, dass er doch so weit gekommen ist. Aber du hast ein eindrucksvolles Porträt von Yaku Pérez, von Carlos Yaku Pérez geschrieben und darin aufgezeigt, wie viel Unterstützung er bekam, direkt von der US-Regierung und von verschiedenen Unterabteilungen. Du erwähntest das National Endowment for Democracy (NED), das National Democratic Institute for International Affairs (NDI, deutsch: Nationales Demokratisches Institut für internationale Angelegenheiten), er ist befreundet mit Fernando Villavicencio, über den du vorher gesprochen hast, dieser gespenstische Typ, der von der US-Regierung gesponsert wird und dazu benutzt wurde, WikiLeaks zu zerstören, und der sich an der Lügenkampagne im Guardian gegen Assange beteiligte.
Also ist er sehr gut vernetzt, und dann hast du über seine Frau Manuela Picq geschrieben, die ihre Rolle als NGO-Radikalliberale sehr gut spielt ...
Sie war wahrscheinlich in der Verso Loft, darauf würde ich wetten ...
Ich meine, dass ich sie nicht wirklich kannte, vor deinem Artikel war mir nur bekannt, was Truthout in dieser Monstrosität abgedruckt hatte, die praktisch vor dem Putsch in Bolivien erschien, um Stimmung für diesen Putsch zu machen, wegen der Brände im Amazonasregenwald, die man versuchte, Evo Morales anzuhängen — und der Artikels titelte: „Evos ecocide is a genocide — Evos Ökozid ist ein Genozid“.
Truthout veröffentlichte das, und ich war wütend, voller Ärger, als ich diese Schlagzeile in der angeblich progressiven Onlinezeitung sah. Ein paar Wochen später geschah dieser rechte, sehr gewaltsame Putsch — Evo wurde fast getötet — und Picq war Teil dieser Kampagne. Jetzt ist sie hier, und langsam fügen sich die Puzzle zu einem Bild zusammen und so ... Erklär uns die institutionelle Unterstützung für Perez: Wie kam er dahin, wo ist er jetzt als ernsthafter Bewerber um die Präsidentschaft, und — offenbar — als essenzieller Stein in der Mauer, mit der die USA eine Rückkehr der „Rosa Welle“ verhindern will?
Der Nationale Wahlrat CNE
Zunächst sollte ich sagen, dass heute, am 10. Februar, die Wahlergebnisse immer noch nicht feststehen. Du hast ja auf einige Unregelmäßigkeiten dieser Wahlen hingewiesen. Viele Ecuadorianer, mit denen ich gesprochen habe — auch solche, die den Correaismus nicht unterstützen —, sagten, dass dies die am wenigsten transparenten und am ärgsten desorganisierten Wahlen sind, die sie jemals erlebt haben. So gab es am Wahltag, dem 7. Februar, stundenlang Warteschlangen, besonders in den Arbeitervierteln, die tendenziell Correa und seine Bewegung unterstützen.
Ich war in vier verschiedenen Bezirken, hier in Quito und der Hauptstadt — einige in Arbeitervierteln und einige in Wohngebieten der gehobenen Mittelklasse — und es ist klar, dass in den Mittelklassebezirken die Leute viel leichter wählen konnten, die Warteschlangen viel kürzer waren, und dass in den armen Gebieten die Wahllokale schlecht organisiert waren, sodass die Menschen ein bis zwei Stunden anstehen mussten, nur um wählen zu können. Anders als in den USA besteht in Ecuador Wahlpflicht, ähnlich wie in einigen anderen Ländern Lateinamerikas. Das passt nicht zu diesen Wartezeiten. Aber natürlich gibt es auch im Vorfeld massive Wählerunterdrückung.
Die Behörde, die die Wahlen hier durchführt, ist der „Consejo National Electoral“ (CNE) — der Nationale Wahlrat. Der ist bis zu einem Grade extrem politisiert — wie es beispielsweise die USA über Venezuela behaupten: „Chavez hat diese Beamten persönlich ausgesucht, und sie lassen keinen die Wahlen durchführen, der nicht Chavist ist.“ — eine lächerliche Lüge. Alles was sie über Venezuela sagen, trifft aber auf Ecuador zu. Zum Beispiel der CNE: Als ich in der letzten Januarwoche hier ankam, fast zwei Wochen vor dem ersten Wahlgang, sah ich einen Haufen Berichte darüber, dass der CNE den im Ausland lebenden Bürgern eine Wahlteilnahme richtig schwer machte — und es gibt mehr als eine Million im Ausland lebender Ecuadorianer, von denen viele für Correa sind. Deshalb gab es also viel Unterdrückung gegen diese Wählergruppe.
Der CNE versuchte auch, Mitgliedern des Europäischen Parlaments die Akkreditierung als Wahlbeobachter zu entziehen, denn die kamen aus Spanien und waren mit der Linken assoziiert. Nach Meinung der Moreno-Regierung macht es dich zum Kriminellen, wenn du Teil der Linken bist. Zudem sahen wir auch, dass der CNE den linken Kandidaten Andrés Arauz behinderte, indem er dessen Partei von der Teilnahme ausschloss, sodass Arauz sich einer Kleinpartei anschließen musste, die den meisten Menschen unbekannt war, Aber da die ihre Registrierung bereits abgeschlossen hatte und dort ein Politiker war, der Correa unterstützte, konnten sie diese Partei für die Wahl nutzen.
Schließlich wurde Correa selbst an der Kandidatur als Vizepräsident gehindert. Er wollte für Arauz als Vizepräsident kandidieren, wurde aber blockiert (5). Deshalb haben wir es mit massiver Wählerunterdrückung zu tun. Interessant am CNE ist auch ein bisher wenig beachtetes Detail: Die Vorsitzende, die früher für die Partei Pachakutik in der Nationalversammlung saß, war zuvor bei der Weltbank tätig. Die Movimiento de Unidad Plurinacional Pachakutik — Nuevo País (MUPP-NP) ist die Partei von Yaku Perez (5).
Die Indigenenpartei Pachakutik
Auf die ökosozialistische Vermarktung der Pachakutik hattest du schon hingewiesen. Die Partei wurde 1996 gegründet, noch bevor Correa Politiker wurde. Sie ist der politische Arm der indigenen Organisation CONAIE (Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador, deutsch: Bündnis der indigenen Nationalitäten Ecuadors), die mehr oder weniger anarchistisch orientiert und sehr kritisch dem Staat gegenüber ist, selbst wenn die Sozialisten an der Macht sind, sowie sehr kritisch gegenüber dem „Extraktivismus“, wie sie das nennen.
Das wurde bei der NGO-affinen Linken superpopulär, bei Leuten wie Naomi Klein oder Leuten im Umfeld von Alexandria Ocasio-Cortez und dem „Green New Deal“, die immer den „Extraktivismus“ kritisieren, der darin besteht, dass ein Land seine natürlichen Ressourcen nutzt, seien es Öl oder Bodenschätze, sie extrahiert, verkauft und dieses Geld zur Finanzierung sozialer Programme nutzt, wie Armutsbekämpfung, Erziehung, Gesundheitswesen. Allerdings ist nie zu hören, dass sie diesen Begriff auf soziale Demokratien wie in Nordeuropa anwenden, beispielsweise Skandinavien, wo ein großer Teil der Wohlfahrtsfonds oft auch aus Öleinnahmen stammt. Aber bei denen bleibt der „Extraktivismus“ unbeanstandet, weil sie pro-imperialistisch sind und mit der NATO zusammenarbeiten.
Doch tun Venezuela oder Ecuador dasselbe, werden sie als „Petro-Populisten“ dämonisiert. Hier in Ecuador gibt es wie in Venezuela riesige Ölreserven und Gold, Silber, Kupfer, Wolfram sowie andere Mineralien, die die Correa-Regierung von 2007 bis 2017 für soziale Programme, wie den Kampf gegen die Armut einsetzte. Dabei war Pachakutik eine der stärksten politischen Kräfte in Opposition zu Correa, als er Präsident war. Sie stellte sich als linke Opposition dar, die ihn für den Bergbau kritisierte und dafür, dass er kein Umweltschützer war. Das Problem aber ist, sie haben selbst kein Programm, um das Land zu entwickeln.
Meiner Meinung nach präsentieren sie sich als linker Flügel, aber oft bilden sie Bündnisse mit den Rechten, und hier kommt Yaku Pérez ins Spiel: Pérez, der dieser Pachakutik-Partei angehört, hat 2017 den rechten Bankerkandidaten Guillermo Lasso unterstützt— die jetzige Wahl ist für Lasso die dritte, bei der er antritt. Im Jahr 2012, als er auch schon für die Präsidentschaft kandidierte, wer war da sein designierter Vizepräsident? Ebenfalls ein früheres Mitglied von Pachakutik, ein sogenannter Ökosozialist, ein indigener Führer, der die Vizepräsidentschaft unter einem Banker anstrebte und dafür gegen Correa antrat.
Wir haben also klare Beispiele, wie sich diese sogenannte ökosozialistische Partei, für die Yaku Pérez steht, mit einem rechten Oligarchen, einem Banker zusammentut. Kaum zu glauben, aber mittlerweile werden sie in den USA von all diesen linken Gruppen unterstützt.
Zwar bin ich der Meinung, dass die meisten gute Absichten verfolgen, aber glauben, dass Arauz nicht der richtige linke Kandidat sei und sagen das …
Nehmen wir Extinction Rebellion (XR) als Beispiel. Das ist eine Umweltorganisation, mit anarchistischem Einschlag, sehr kritisch gegenüber Staaten im Allgemeinen, einschließlich der linken Regierungen in Lateinamerika. Wie wir und unser Kollege Wyatt Reed bei The Grayzone berichteten, hat XR die Proteste gegen Evo Morales, den ersten und einzigen indigenen Präsidenten Boliviens, unterstützt, indem sie ihn für die Brände im Amazonasregenwald verantwortlich machte. Die waren aber zum größten Teil von brasilianischen Unternehmen gelegt worden, weil der dortige ultrarechte Präsident Jair Bolsonaro, der sich selbst als „Captain Chainsaw — Kapitän Kettensäge“ bezeichnete, diese zur Zerstörung des Waldes ermutigte.
Nachdem XR dort mitgeholfen hatte, wahrscheinlich aus Unwissenheit, denn ich denke nicht, dass sie wissen, was dort abgeht, und sie hgute Absichten haben. Aber sie unterstützen diesen ultralinken Kurs, der all jenen Institutionen nützt, die versuchen, linke Regierungen in Lateinamerika zu destabilisieren. Nun hat XR jetzt einen Artikel publiziert, wenige Tage vor dem ersten Wahlgang, in dem sie Yaku Pérez als den Kandidaten der Linken anpreisen. Die Autorin beschreibt sich selbst als Anarchistin und sagt, dass Yaku Pérez für all das steht, woran sie glaubt:
„Er ist liberal, er ist für Abtreibung, er ist Umweltschützer und allem Anschein nach ein indigener Anführer, obwohl er in Wirklichkeit von vielen indigenen Gemeinschaften nicht anerkannt wird. Also ich glaube, wir haben hier ...“
Diese Strategie ist nicht neu, aber sie wird immer populärer, ich denke, ganz besonders unter Joe Biden werden wir immer mehr dieser „Woke“-Putsche (6) geben wird. Ähnlich wie wir es in den USA sehen, wo Leute wie Kamala Harris oder Hillary Clinton etwa sagen „wenn Bernie Sanders die Großbanken zerschlägt, beendet das noch nicht den Rassismus“, erleben wir jetzt die Anwendung dieser Art von „Woke“ des intersexuellen Imperialismus auf Lateinamerika, mit dem Ziel, dort die wirklich progressiven, populären linken Kräfte zu unterminieren.
Ich denke, Ecuador ist ein besonderer Fall. Nicaragua war so etwas wie ein Labor für diese Art von Politik, in Gestalt der MRS-Partei (Movimiento de Renovación Sandinista, Sandinistische Erneuerungsbewegung). Darüber haben wir viel geschrieben. Es schien sich um eine linke Partei zu handeln, die vorgab, die autoritären Aspekte der Sandinisten kurieren zu wollen. Sie hatte einen ultralinken sozialdemokratischen Flügel mit Mónica Baltodano, die viel Unterstützung von solchen Portalen wie der Ford Foundation erhielt. Damals konntest du sehen, wie MRS-Führungskader vom Aspen-Institut trainiert wurden. Klar war definitiv, dass sie dort hingingen, und wir enthüllten bei The Grayzone, dass sie von CIA-Frontorganisationen wie dem International Republican Institute Geld erhielten, um Wählerverzeichnisse oder Derartiges zu finanzieren.
Aber es wurde ein völliger Fehlschlag. 2006 war noch ihr bestes Jahr, aber es kam nichts dabei heraus. Ortega konnte ihnen auf der Nase herumtanzen, die Opposition spalten und sie letztlich zwingen ...
Die MRS hat nie mehr als drei Prozent erreicht. Sie sind total …
Sie waren so unpopulär, dass sie sich mit der extremen Rechten konsolidieren mussten ... mit der rechten Liberal Party, und das hat sie in den Augen vieler Sandinisten diskreditiert. Ich denke, in den USA wurde der in Nicaraguas Arbeiterklasse tief verwurzelten Antiimperialismus unterschätzt. Aber in Ecuador gibt es dieses Langzeitprojekt der NGOifizierung, das sich auch auf den indigenen Sektor erstreckt und die indigene Bevölkerung gegen die Correa-Regierung über die Themen Bergbau und Extraktion zur Entwicklung des Landes in Stellung brachte. Wie du schon erwähntest, hat die größte indigene Organisation CONAIE Geld vom NED erhalten und bildete dann die wahre Protestfront gegen Correa, mit einer glaubwürdigen Demografie, die man im Ausland vermarkten konnte. Meiner Meinung nach ist Guillermo Lasso natürlich der Banker, der Neoliberale, der in den Neunzigern über die Austeritätspolitik präsidierte. Also ist er keine Figur, die die westlichen Linken oder die angelsächsischen Linken unterstützen würden. Aber durch den Aufbau dieser dritten Kraft, die ein indigenes, progressives Pro-Choice-Gesicht (7) hat, lässt sich das viel besser vermarkten — mit einem Yaku Pérez, der in seinen öffentlichen Auftritten immer über Wasser spricht:
„Wasser ... Ich bin ein Beschützer des Wassers. Wasser ist wichtiger als Gold“.
Aber Wasser — ja natürlich ist es wichtig, man braucht es zum Trinken, aber in Wirklichkeit sagt er doch: „Wir werden das Land nicht entwickeln, sondern lassen uns vom IWF finanzieren.“ — Meines Erachtens ist das doch im Grunde dafür die Sprachregelung.
Wie du berichtet hast, hat das NED in Ecuador in den vergangenen drei, vier Jahren 5 Millionen Dollar ausgegeben. Das ist viel Geld, nicht in den Augen eines US-Bürgers oder Europäers, aber in einem kleinen Land wie Ecuador, in dem ein großer Teil der Bevölkerung in Armut lebt, kann man damit eine ganze Parallelregierung finanzieren ... Hörte ich jetzt zum ersten Mal von diesem Trend, würde mich das verwirren. Deshalb bitte ich dich zu erklären:
Was ist so schlecht an einem Pérez, der sagt, dass er die Umwelt schützen will? Warum ist es eine gute Strategie für die USA, sich hinter einen Kandidaten mit grünem Image zu stellen, der in seinen Werbeclips Fahrrad fährt? Und: Warum gelingt das so gut in Ecuador, wenn es in Ländern wie Nicaragua fehlgeschlagen ist?
Der Extraktivismus
Einer der Gründe, warum es hier funktioniert und in Nicaragua nicht, ist die Rolle des sogenannten Extraktivismus. Ich meine, bist du in einem sehr armen Land, wie in Lateinamerika, das eine der ärmsten Regionen der Welt ist, dann musst du dein Land entwickeln — und damit sind auch ganz grundlegende Dinge gemeint. In Ecuador und anderen Ländern haben viele Menschen keinen Zugang zu Strom, fließendem Wasser, Abwasserentsorgung, ja nicht einmal Straßen.
Die Besucher gehen hier in Ecuador gern in die großen Städte wie Quito, Guayaquil, Cuenca, aber fahr mal aufs Land, dann siehst du, dass die Leute dort in extremer Armut leben, eine Form von Armut, die du in den USA nicht findest — und ich will gar nicht kleinreden, wie schlimm die Armut in den USA ist. Aber selbst die ärmsten Leute in den USA haben Zugang zu fließendem Wasser, Elektrizität und Straßen.
Also Realität ist, wenn du dein Land entwickeln willst, dann wirst du seine nationalen Ressourcen brauchen. Die USA und Westeuropa haben ihre Länder durch den Kolonialismus entwickelt, indem sie dem Globalen Süden Güter stahlen und mittels der Sklaverei. Aber die heutigen Länder des Globalen Südens können sich diesen Luxus nicht leisten. Deshalb hat Venezuela sein Land über das Öl entwickelt, und hier in Ecuador haben sie das Öl und den Bergbau genutzt. Und natürlich muss man dies gegen den Umweltschutz abwägen, aber Correa ist keiner von diesen …
Er hat Umweltschutzmaßnahmen unterstützt, und Andrés Arauz ist sein Nachfolger. Das sind kluge Leute, die ... Nebenbei: Es waren ja die USA, die sich aus dem Pariser Klimaabkommen zurückgezogen haben und nicht Ecuador — diese Länder haben längst verstanden, dass man Entwicklung und Extraktivismus mit dem Schutz der Umwelt in Einklang bringen muss.
Aber es wird gegen sie verwendet, dass sie zur Finanzierung ihrer Projekte den Extraktivismus benötigen — und in Teilen der Bevölkerung, speziell in einigen indigenen Gemeinschaften sowie bei den kosmopolitischen Eliten findet dies großen Widerhall. Denn besonders die liberalen Eliten, die in Quito leben, nie auf dem Land waren und nicht wissen, was Armut bedeutet, verstehen nicht, wie Entwicklung funktioniert. „Wir brauchen nicht zu extrahieren, wir sollten die Umwelt schützen“. Aber, die andere Frage ist: Wo soll das Geld herkommen? Darauf haben sie keine Antwort — außer natürlich den Verweis auf den IWF.
Die Wirklichkeit ist, dass es für sie funktioniert — und Yaku Pérez ist kein Kandidat der Arbeiterklasse, sondern vertritt jene Art kosmopolitischer liberaler Ecuadorianer der oberen Mittelschicht, die in den USA oder Europa studiert hat, oft zwei Pässe besitzt, englisch spricht — und genau diese Art von Leuten findet sich natürlich auch in der Nicaraguas MRS-Partei.
Zweifel am Wahlergebnis
Interessant finde ich die Eigentümlichkeiten des Wahlsystems in der ersten Runde: Yaku liegt bei nur knapp 20 Prozent, aber das Ergebnis der ersten Runde, heute ist der 10. Februar, ist immer noch nicht klar, Pérez und Lasso liegen sehr nahe Kopf an Kopf. Und der CNE ist alles andere als transparent. Tatsächlich ist es sehr wahrscheinlich, dass Arauz in der ersten Runde gewann. Und ich hörte einige Leute in seinen Kreisen sagen, dass der CNE ihm den Wahlsieg in der ersten Runde gestohlen hat.
Viele Umfragen sahen Arauz bei 42 bis 43 Prozent. In Ecuador gibt es zwei Wahlgänge, und wenn du im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent hast oder mehr als 40 Prozent mit mehr als 10 Prozent Abstand zum Zweitplatzierten, gewinnst du die Wahl — also wenn Arauz 42 Prozent hätte und Yaku 31 Prozent, dann hätte Arauz also schon in der ersten Runde gewonnen.
Aber da sich in der Realität die Stimmen auf so viele Kandidaten verteilen und Yaku bei circa 20 Prozent liegt, das etwa seiner Stammwählerschaft entspricht, könnte er es in die zweite Runde schaffen. Dann bildet er wahrscheinlich eine Allianz mit diesem anderen neoliberalen Kandidaten, Javier Ervas — einer anderen neoliberale Technokratendrohne in einem Anzug ... eine dieser Karikaturen von denen du gesprochen hast.
Aber der andere Grund, warum er so viel an Boden gewinnen konnte, sind Freunde in Schlüsselpositionen, die ihn protegieren — darauf bin ich in meinem Grayzone-Artikel eingegangen. Einer der Momente, die mir Yaku vor der Wahl als sehr verdächtig erscheinen ließen, obwohl ihn noch kaum einer kannte, war, als ich sah, wer ihn unterstützte. Über diesen Artikel vom 1. Februar im Onlinemagazin Americas Quaterly, der ihn als das Gesicht von Ecuadors neuer Linken präsentiert, staunte ich: Was, der Typ liegt in den Umfragen bei 13 Prozent, und es gibt einen echten linken Kandidaten mit 43 Prozent? Wie könnt ihr ihn da als das Gesicht der Neuen Linken bezeichnen? Das ergibt keinen Sinn.
Lass mich einleitend folgende Frage stellen, denn ich wollte auch nach der Vorgehensweise fragen: Warum ist das für solche Leute, Geschäftsleute, eine wirksame Strategie? Warum fördern sie nicht jemanden wie Guillermo Lasso direkt oder nehmen jemand, der wirklich die Stimme der Linken sein könnte? Wir haben das — es steht in deinem Artikel — ja in Bolivien gesehen, bei den Bränden im Regenwald und dem Versuch, diese Evo Morales in die Schuhe zu schieben. Das gehörte zu dem Sprengsatz für den Bolivienputsch — und dann gab es da diese Figur Jhanisse Vaca Daza, die auch von Extinction Rebellion (XR) nach vorn gestellt wurde. Ich sprach XR öffentlich daraufhin an, bei einer Sternfahrt, warum sie Vaca Daza und diese Proteste, die sie weltweit gegen Evo Morales organisierte, unterstützten. Dann kam ein Typ von XR zu mir, hatte keine Ahnung, dass sie das taten, und sagte, dass „jeder Ortsverband autonom entscheidet, wir sind nicht alle daran beteiligt, wie konntest du uns so angreifen, ich dachte, wir wären Verbündete“, ich antwortete ihm: „Lasst euch doch nicht für dumm verkaufen“, und er wusste nicht mehr, was er sagen sollte.
Deshalb denke ich, dass sie sich vielleicht schon wieder ausnutzen lassen, denn irgendetwas Komisches ist wieder im Gange — und diese Frau, Jhanisse Vaca Daza, war so komplett in dieses Regimewechsel-Netzwerk der US-Geheimdienste eingebunden ...
... in die Human Rights Foundation?
Ja, die Human Rights Foundation von Thor Halvorssen, und der Gründer von Otpor! (7) Srđa Popović, der jetzt ... Rektor von St. Andrews ist (9). Aber er hat jahrelang Tausende von Aktivisten weltweit ausgebildet, durch die Albert Einstein Institution und andere undurchsichtige Unternehmungen. Er war auch bei der Ausbildung von Juan Guaidó beteiligt und der „Generation 2009“ in Venezuela, Leopoldo Lopez und all diese Figuren und so ... Vaca Daza hilft im Grunde, den Putsch in Gang zu setzen, und benutzt das Umweltthema als Katalysator, um ihn richtig in Fahrt zu bringen. Als wir in Bolivien waren, gab es in und um La Paz überall Graffiti, „Evo ecocide“ war überall auf den Wänden zu lesen.
Apropos Jhanisse Vaca Daza: Sie ist das perfekte Beispiel für die Wählerschaft, von der ich rede. Wie jeder weiß, der Zeit in Lateinamerika verbracht hat, gehören 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung zu diesen liberalen Kosmopoliten der oberen Mittelklasse, die in den USA studierten. Vaca Daza zum Beispiel studierte in einem College in Ohio, ist sehr hellhäutig, gehört zu einer Elitefamilie, die wie ich glaube, zwei Pässe besitzen, und ihr Urgroßvater war Präsident.
So sind sie, die lateinamerikanischen Eliten. Aber sie denken liberaler, nicht wie die rechten christlichen Fundamentalisten, die wir in Bolivien sahen. Doch am Ende helfen sie gerade jenen Fundamentalisten.
Grüne Umsturzversuche
Ja, das bringen sie ... Ich meine, du kennst ja auch den Nahen Osten, besonders Länder wie den Libanon. Sie haben im Westen an Eliteuniversitäten studiert und bringen dann diesen radikalen Liberalismus zurück in ihre Länder, fahren dort ein rechtes Programm, sie sind wie die Molly Crabapples (10) des Globalen Südens. Und was Jhanisse Vaca Daza machte, war sehr erfolgreich. Nach dem Putsch zeigte sie ihr wahres Gesicht, und es waren die Farben eines rechten, militaristischen, christlich-fanatischen Putsches. (Die bolivianische „Interimspräsidentin“) Jeanine Añez traf sich sogar mit ihr und bedankte sich. Als sie gemeinsam posierten, war es wie: Maske ab — grüne Maske ab, progressive Regenbogenmaske ab, ich gehöre zu diesen Putschisten.
So etwas, fürchte ich, steht uns jetzt in Ecuador bevor. Ich sollte erwähnen, dass auch der Putschversuch 2018 in Nicaragua, der in einer landesweiten Kampagne aus rechtem, gewalttätigen Terror bestand, mit einem Umweltthema eingeleitet wurde. Im Naturreservat Indio Maíz in Nordnicaragua gab es einen Brand, aus dem die Opposition versuchte, Kapital zu schlagen und die Sandinisten als schlechte Verwalter der Umwelt darzustellen. Doch das Feuer wurde zu früh gelöscht, weil es regnete. Also funktionierte das nicht, sie brauchten einen neuen Auslöser und verlegten sich auf die Reform des sozialen Sicherungssystems. Sie suchen immer nach irgendeinem Vorwand.
Hier (in Ecuador) bilden die Wahlen den Auslösepunkt. Ich versuche nur, etwas mehr Kontext zu liefern, damit die Zuschauer eine Chance haben zu verstehen, warum grüne Politik so eine effektive Plattform für rechte Umsturzversuche in Lateinamerika darstellt. Und jetzt hast du diesen Typ, Yaku Pérez, der sich als Umweltaktivist präsentiert, auf seinem Fahrrad, er sieht aus wie ein Kandidat der grünen Partei der USA, außer dass er nicht weiß und grauhaarig ist.
AS/COA - der rechte Lobbyverein Wirtschaft
Unterstützt wird er von diesem Thinktank „American Society/Council of the Americas“ (AS/COA), der im Wesentlichen das Hauptportal für amerikanische Unternehmen in Lateinamerika darstellt. Also erzähl uns von dieser Organisation: Warum wählt sie diesen Kandidaten aus und fördert ihn, warum ist diese Organisation so schädlich?
Nun, du hast erwähnt, dass in seinem Kampagnenmaterial und den Fotos, die auf Instagram veröffentlicht sind, Yaku Pérez fast immer auf einem Fahrrad zu sehen ist. Sie kultivieren dieses Image seit Jahren. Was seine Vorgeschichte angeht, vor seiner Präsidentschaftskampagne war er eine ganz unbedeutende Figur, in einer Provinz hier in Ecuador, deren Hauptstadt Cuenca heißt. Das ist wichtig, weil Cuenca ein Zentrum der US-Aussiedler ist.
Viele dieser liberalen, grünen, NGO-affinen US-Amerikaner ziehen als Rentner nach Ecuador, nach Cuenca, vorwiegend ältere Ehepaare. Denn dort können sie Englisch sprechen, brauchen kein Spanisch zu lernen und können bequem mit Dollar bezahlen, weil das die offizielle Währung ist, seitdem Guillermo Lasso 1999 die heimische Wirtschaft zerstört hat. Was Yakus politische Heimat angeht, so fing er in der Partei Pachakutik an, die ihrerseits von der US-Regierung unterstützt wird.
Im Jahr 2006 nahmen sie an einem Trainingsprogramm des National Democratic Institute (NDI) teil, das einen Arm des National Endowment for Democracy (NED) darstellt, welches seinerseits ein CIA-Portal bildet, das von Ronald Reagan geschaffen wurde, um Regimewechsel im Ausland zu organisieren Es ist wichtig zu verstehen, dass Yakus politische Basis die eines gewählten „Präfekten“ ist, er gehörte nicht der Nationalversammlung an, war nicht einmal Bürgermeister, sondern ein kleiner lokaler Repräsentant, eine ganz unbedeutende Figur in der weißesten und US-affinsten Gegend Ecuadors. Sein ganzer Aufwand, sich als indigener Führer darzustellen, indigene Kleidung zu tragen und Fahrrad zu fahren — richtet sich nicht an indigene Ecuadorianer, sondern an diese US-Aussiedler, an diese liberale Elite hier in Ecuador, die mit den USA vernetzt ist und die ... Sie stehen den Demokraten nahe, sie unterstützen sie öffentlich. Yaku benutzt genau das NGO-Drehbuch der Demokraten mit seinem Astroturfing (10— und was seine Rolle als Trojanisches Pferd klar erkennen lässt, du hast es erwähnt, ist AS/COA:
Was ist AS/COA? Die „American Society/Council of the Americas“ ist eine rechte Lobbygruppe der Wirtschaft: Sie hat rechte Politiker überall in Lateinamerika unterstützt. Eine große Rolle spielte sie in der sogenannten Antikorruptionskampagne in Brasilien, dieser „Lawfare“-Kampagne (11), mit deren Hilfe die linke, demokratisch gewählte Regierung von Dilma Rousseff gestürzt und dafür der ungewählte, neoliberale Kandidat Michel Temer installiert wurde, der eine Marionette der AS/COA ist. Er arbeitete sehr eng mit AS/COA zusammen, und dann kam natürlich Jair Bolsonaro, einer der faschistischsten Staatschefs, die es momentan auf der Welt gibt.
So hat die AS/COA in Lateinamerika eine sehr schmutzige Geschichte, und sie hat Yaku Pérez aktiv unterstützt. In dem oben erwähnten Artikel des American Quarterly — ein Presseorgan der AS/COA —, gehen sie so weit zu behaupten, Pérez stehe noch weiter links als Arauz und Correa. Und Correa diffamieren sie als autoritär, korrupt und als Verbündeten Venezuelas.
Auch weisen sie darauf hin, dass Andrés Arauz bessere Beziehungen zu China wolle, weil Correa viel mit China zusammengearbeitet hat, um die Infrastruktur hier zu verbessern und andere Projekte zu finanzieren. Zudem wolle sich Auraz vom IWF trennen: Er werde den 6-Milliarden-Dollar-Kredit, den Moreno beim IWF aufgenommen hat, nicht zurückzahlen und stattdessen mit China zusammenarbeiten.
In der Zwischenzeit hat der NGO-affine Pseudolinke Yaku Pérez China kritisiert, indem er sagte, dass China eine schreckliche Bilanz bei den Menschenrechten habe und er deshalb nicht mit China zusammenarbeiten werde. Erst vor ein paar Tagen hatte Yaku Pérez wörtlich in einem Interview geäußert: „Ich werde nicht zweimal nachdenken, bevor ich ein Freihandelsabkommen mit den USA unterzeichne.“ Das zeigt klar seine Position, und auch in diesem American Quarterly-Artikel wird damit geprahlt, dass er kritisch gegenüber China sei und ein Freihandelsabkommen mit den USA wolle.
Aber, ich meine, welcher Linke wünscht ein Freihandelsabkommen mit den USA? Außerdem: Wer steht hinter der AS/COA? Wer finanziert sie? Sie ist ein Lobbyverein der Wirtschaft, und das ist für mich der orwellschste Teil an dieser Sache. Es ist absurd. Ich meine, ein Unternehmen muss, um dort Mitglied zu sein, Tausende Dollar im Jahr bezahlen — und wer sind diese Mitglieder?
Im Wesentlichen jedes große US-Unternehmen, ja inklusive der Ölmultis wie Chevron und ExxonMobil, auch die Rüstungsindustrie, Waffenhersteller wie Lockheed Martin und Raytheon sind Mitglieder, Großbanken wie die Bank of America, JPMorgan, Goldman Sachs und sogar die Technogiganten wie Apple, Facebook und Google. Gerade Letztere sind auf den Bergbau angewiesen: Du kannst kein i-Phone herstellen ohne Lithium, ohne Metalle.
So haben wir diese Konzerne der Ölindustrie und anderen Firmen, die vom Bergbau abhängig sind, und sie fördern einen sogenannten „ökosozialistischen“ Kandidaten als die „reale linke Alternative zum Correaismus“ — also, das ist so offensichtliches Astroturfing! Weißt du, wer nicht darauf hereinfällt? Guillermo Lasso, der rechte Bankerkandidat. Er versprach zwei Tage vor der Wahl, und auch das hat mich alarmiert: „Wenn Yaku Pérez in die Stichwahl kommt, werde ich seinen Wahlkampf auf jeden Fall unterstützen.“
Als ich das las, dachte ich mir: Dieser Typ ist auf Platz drei, jetzt führt er aber, wie kann er als Randfigur ... natürlich wurde im Hintergrund geflüstert, und dann glaubten die Leute, dass er wirklich der Kandidat — für die zweite Runde — wird. Wird er es, dann garantiere ich dir, dass sich der ganze rechte Flügel hinter ihm vereint, und wir werden erleben, dass sich die ganzen rechten Banker über Nacht als Umweltschützer neu vermarkten.
Moderate Rebels ist ein Nachrichten-/Politik-Podcast und eine Videoshow, die von den Journalisten Max Blumenthal und Ben Norton moderiert wird. Sie berichten über das US-Imperium und die endlose Kriegspropaganda, die uns jeden Tag in den Konzernmedien verkauft wird.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text ist eine Transkription des am 11. Februar 2021 unter dem Titel „ US meddling in Ecuador's historic election and coup-supporting fake NGO 'left' — Dispatch from Quito“ veröffentlichten Videos der Modarate Rebels. Er wurde von Christoph Hohmann aus dem ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzerteam erstellt/übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratteam lektoriert.
Quellen und Anmerkungen:
Anmerkungen des Übersetzers:
(1) „Pink Tide“, Rosa Welle ist die Bezeichnung für die Welle von Regierungen links der Mitte in Lateinamerika.
(2) Ergebnis des ersten Wahlgangs, Stand 18. Februar, nach Auszählung von 99,96 Prozent der Stimmen: Pérez 19,38 Prozent, Lasso 19,74 Prozent, Arauz 32,72 Prozent. Damit ist Pérez aus dem Rennen, und Arauz und Lasso bestreiten die Stichwahl am 11. April. Quelle: https://amerika21.de/2021/03/248813/wahlkampf-arauz-geht-weiter-ecuador.
(3) Verso Loft ist eine Szenebuchhandlung in Brooklyn.
(4) Formal begründet wurde das mit den Strafverfahren, die gegen Correa anhängig waren. Doch alle diese Anklagen waren von der Moreno-Regierung — teils über Strohmänner — veranlasst worden.
(5) Pachakutik: Der Name leitet sich vom Kichwa-Wort Pachakuti ab, was „Zeitenwende“ bedeutet.
(6) Unter dem Begriff „Woke“ (deutsch: erwacht, wach), der seit einigen Jahren im Umlauf ist, werden offenbar viele Haltungen subsumiert, die als fortschrittlich gelten: Man hat pro-LGBT zu sein, profeministisch, antirassistisch, umweltbewusst, Black Lives Matter und so weiter. Auf der Minusseite der Woke-Kultur haben wir einen stark ausgeprägten Hang zum Autoritären, zu Sprachzensur und politischer Korrektheit.
(7) „Pro Choice“ ist die Maxime der Abtreibungsbefürworter.
(8) Otpor! ist eine vom Westen unterstützte serbische Regimewechselgruppe, die den serbischen Präsidenten Slobodan Milošević zu Fall gebracht haben soll.
(9) Eine britische Eliteuniversität, die in dem kleinen schottischen Ort St. Andrews residiert.
(10) Molly Crabapple ist eine New Yorker Schriftstellerin und Künstlerin.
(11) Astroturfing — Leute für eine Meinungsäußerung bezahlen oder belohnen, um medial den Eindruck einer Graswurzelbewegung entstehen zu lassen.
(12) „Lawfare“ ist eine Wortschöpfung, die an „Warfare“, Kriegführung, erinnern soll. Gemeint ist die in Lateinamerika weitverbreitete Instrumentalisierung der Justiz zur Ausschaltung politischer Gegner.
Themenverwandte Artikel:
https://www.rubikon.news/artikel/uncle-sams-hinterhof
https://amerika21.de/2021/03/248894/ecuador-conaie-boykottiert-stichwahl