Eine der unmenschlichsten Konsequenzen der Panik, die man in Italien anlässlich der so genannten Coronavirus-Epidemie mit allen Mitteln zu fördern sucht, liegt in der Idee der Ansteckung selbst, die die Basis der von der Regierung beschlossenen außerordentlichen Notfallmaßnahmen bildet. Der erste unbewusste Vorläufer dieser, der hippokratischen Medizin noch fremden Idee erschien während der Pestepidemien, die zwischen 1500 und 1600 einige italienische Städte verwüsteten. Es ist die Gestalt des mutwilligen Pestverbreiters, die Manzoni sowohl in seinem Roman als auch in seinem Essay über die „Geschichte der Schandsäule“ verewigt hat. Ein Mailänder „Erlass“ für die Pest von 1576 beschreibt diese Menschen folgendermaßen und fordert die Bürger auf, sie anzuzeigen:
„Nachdem der Gouverneur Kenntnis davon erhalten hat, dass einige Personen mit geringer Neigung zur Nächstenliebe, um Angst und Schrecken über die Menschen und die Bewohner Mailands zu bringen und sie zu einem gewissen Aufruhr zu erregen, die Pforten und Riegel der Häuser und die Straßenecken der Viertel dieser Stadt und andere Orte im Staate mit Salben beschmieren, die pestbringend und ansteckend sein sollen, mit der Behauptung, die Pest ins Private und ins Öffentliche zu tragen, was viele Unannehmlichkeiten und keine geringe Erregung unter den Menschen zeitigt, großteils bei denjenigen, die derartiges leicht glauben, gibt er seinerseits jeder Person, gleich welcher Begabung, welchen Standes, Grades und Zustandes, zu verstehen, dass man ihr, wenn sie innerhalb von vierzig Tagen die Person oder Personen offenlegt, die eine solche Frechheit begünstigt, unterstützt oder davon gewusst haben, fünfhundert Scuti geben wird.“
Wichtige Unterschiede zugestanden verwandeln doch die jüngsten Bestimmungen (von der Regierung als Dekrete erlassen, von denen wir gerne hoffen würden — aber das ist illusorisch —, dass sie das Parlament nicht innerhalb der gesetzten Fristen als Gesetze bestätigt) jeden Einzelnen in einen potenziellen Pestverbreiter, so wie die Bestimmungen zum Terrorismus in jedem Bürger de facto und de iure den potentiellen Terroristen sehen.
Die Analogie ist so offenkundig, dass der potenzielle Pestverbreiter, der sich nicht an die Vorschriften hält, mit Gefängnis bestraft wird.
Besonders unbeliebt ist die Figur des gesunden oder frühen Infizierten, der eine Vielzahl von Individuen infiziert, ohne dass man sich gegen ihn wehren könnte, wie man sich gegen den Pestverbreiter wehren konnte. Noch trauriger als die den Vorschriften impliziten Freiheitsbeschränkungen ist meines Erachtens der durch sie bewirkte Verfall der zwischenmenschlichen Beziehungen. Man darf sich dem anderen Menschen, gleich wem, selbst einem geliebten Mensch, nicht nähern oder ihn berühren, und so müssen wir zwischen uns und ihm Abstand wahren; einige sagen, er betrage einen Meter, aber nach den neuesten Vorschlägen der so genannten Experten sollten es 4,5 Meter sein (interessant auch diese fünfzig Zentimeter!).
Man hat unsern Nächsten abgeschafft. Angesichts der ethischen Inkonsequenz unserer Regierungsvertreter mag es sein, dass die, die diese Bestimmungen diktiert haben, dies aus der gleichen Furcht taten, die sie zu provozieren beabsichtigen, aber es fällt schwer, den Gedanken beiseitezuschieben, dass die Situation, die sie schaffen, genau die ist, die die uns Regierenden mehrfach zu realisieren versucht haben: dass Universitäten und Schulen endgültig geschlossen werden und dass Unterricht nur noch online stattfindet, dass wir aufhören, uns aus politischen oder kulturellen Gründen zu versammeln und zu unterhalten, und dass wir nur noch digitale Nachrichten austauschen, dass, wo immer möglich, Maschinen jeglichen Kontakt — jede Ansteckung — zwischen Menschen ersetzen.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien unter dem Titel „Cotagio!“ zuerst auf Quodlibet. Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.