Vor zwei Tagen (am 6. Juni 2019; Anmerkung der Übersetzerin) feierten die USA den 75. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie — mit Ehrungen der Streitkräfte und einem Dank an die überlebenden Veteranen. Das Land stand fest hinter dem Militär. Heute jedoch, zwei Tage später, jährt sich zum 52. Mal der Tag der Schande, an dem Washington die US-Marine im Stich ließ. Am 8. Juni 1967 wurde die USS Liberty, ein Überwachungsschiff, das vor der Küste Ägyptens stationiert war, von israelischen Kampfflugzeugen und Torpedobooten angegriffen. Es gelang den Israelis nicht, das Schiff zu versenken — 34 US-Soldaten wurden jedoch getötet und 174 verletzt. 70 Prozent der Crew wurden Opfer des israelischen Angriffs.
Aus Furcht vor der Israel-Lobby hielt das Weiße Haus die US-Marine davon ab, die USS Liberty zu verteidigen und nahm damit den Tod vieler US-Amerikaner in Kauf.
Eine weitere Schändung der US-Marine bestand darin, dass Admiral McCain — dem Vater des ehemaligen US-Senators John McCain — befohlen wurde, die Sache zu vertuschen. Den Überlebenden der Crew wurde mit Militärgericht und Gefängnis gedroht, sollten sie je über das Ereignis sprechen. Erst 20 Jahre später schrieb einer der überlebenden Offiziere ein Buch über die größte Schandtat der US-Regierung gegenüber dem US-Militär.
Im Jahr 2003 — 36 Jahre nach dem israelischen Angriff auf die Liberty — rief Admiral Tom Moorer, ehemals Chef der Marineoperationen (der ranghöchste Offizier und Admiralstabschef der US Navy; Anmerkung der Übersetzerin) und Vorstand des Vereinigten Generalstabs, den Unabhängigen Untersuchungsausschuss zusammen, um über den israelischen Angriff auf die USS Liberty, den Rückruf des Militär-Rettungsflugzeugs während des Angriffs auf die Liberty und die darauf folgende Vertuschung durch die US-Regierung zu sprechen. Die Kommission bestand aus Admiral Moorer, General Raymond Davis, ehemals stellvertretender Befehlshaber der US-Marineinfanterie, Konteradmiral Merlin Staring, ehemals Oberster Militärstaatsanwalt der US-Marine, und Ambassador James Akins, ehemals US-Botschafter in Saudi-Arabien.
Der Bericht ist im Internet einsehbar, etwa hier.
Bericht der Schande
Der Bericht ist niederschmetternd. Vor allem die folgenden Schlussfolgerungen stechen hervor:
„Dass dank des Einflusses von Israels mächtigen Unterstützern in den USA das Weiße Haus die Fakten des Angriffes vor dem US-amerikanischen Volk vorsätzlich verheimlicht hat;
Dass dank des anhaltenden Drucks der pro-israelischen Lobby in den USA dieser Angriff der einzige schwerwiegende Marinevorfall ist, der nie umfassend vom Kongress untersucht wurde — bis heute ist es den überlebenden Crew-Mitgliedern nicht gestattet, offiziell und öffentlich zu dem Angriff auszusagen;
Dass eine offizielle Vertuschung stattgefunden hat, die beispiellos ist in der Geschichte der US-Marine. Dass es diese Vertuschung tatsächlich gab, wird durch Stellungnahmen von Konteradmiral Merlin Staring, USN a.D., ehemals Oberster Militärstaatsanwalt der US-Marine, und von Captain Ward Boston, USN a.D., 1967 Oberster Berater des Untersuchungsausschusses der Marine zum Angriff auf die Liberty, gestützt;
Dass die Wahrheit über den israelischen Angriff und die darauf folgende Vertuschung durch das Weiße Haus dem US-amerikanischen Volk bis heute vorenthalten wird, was eine nationale Schande ist;
Dass es eine Gefährdung unserer nationalen Sicherheit darstellt, wenn gewählte Regierungsbeamte bereit sind, US-amerikanische Interessen jenen einer ausländischen Nation unterzuordnen — und sie zudem nicht bereit sind, israelische Interessen infrage zu stellen, wenn sie mit US-amerikanischen Interessen kollidieren. Diese Politik — sichtbar gemacht durch die nicht erfolgte Verteidigung der USS Liberty und die nachfolgende Vertuschung von offizieller Seite — gefährdet die Sicherheit sowohl der US-Amerikaner als auch die der Vereinigten Staaten.“
Nachdem ich viele der Überlebenden interviewt hatte — Kapitän Ward Boston, dem die Aufgabe zufiel, den Angriff zu vertuschen und der sich später von dieser Vertuschung distanzierte, und Bill Knutson, führender Offizier des USS-Jagdgeschwaders, das auf Befehl des Weißen Hauses zurückbeordert wurde — und nach langen Diskussionen mit Admiral Moorer, meinem früheren Kollegen am Zentrum für internationale und strategische Studien, habe ich mehrfach über den israelischen Angriff auf die Liberty geschrieben. Manches davon ist im Archiv dieser Website zu finden, beispielsweise hier.
Alle, die den Einfluss Israels auf die US-Regierung nicht wahrhaben wollen, sind ignorante Narren.
Netanjahu erhebt sich selbst zum Diktator
Jeden Tag hören wir, dass „Israel die einzige Demokratie im Nahen Osten ist“ — doch ist es eine Demokratie oder eine Diktatur?
In einer Demokratie sind selbst die ranghöchsten Regierungsmitglieder dem Gesetz gegenüber rechenschaftspflichtig — was für Netanjahu nicht zutrifft.
Nach zwei Jahre währenden Ermittlungen kündigte der israelische Generalstaatsanwalt an, Premierminister Netanjahu der Bestechung, des Betrugs und der Untreue anzuklagen.
Das ist, als würde Sonderermittler Mueller Präsident Trump der geheimen Absprache mit Putin zum Zwecke der Manipulation der Präsidentschaftswahlen beschuldigen. Für Trump wäre dies das politische Aus — nicht jedoch für Netanjahu. Er entließ schlicht den israelischen Justizminister, Avichai Mandelblit, und ernannte sich selbst zum Justizminister, womit er sich — nunmehr immun — jeglicher Anklage entzog.
Premierminister Netanjahu hat bereits die Ministerien „Verteidigung“, „Gesundheit“ und „Bildung“ an sich gerissen. Nun ist er auch noch Justizminister. Wie viel Regierungsmacht kann in der Hand einer einzigen Person liegen, bevor diese zum Diktator wird? Überlegen wir einmal: Wäre Präsident Trump auch Verteidigungsminister, Justizminister, Finanzminister und Heimatschutzminister — wäre er dann Präsident oder Diktator?
Trump hat keinen dieser Posten inne, manche Demokraten beschuldigen ihn jedoch, ein Diktator zu sein. Was ist dann Netanjahu?
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „An Israeli Double-Feature: 52nd Anniversary of Israel's Attack on the USS Liberty“. Er wurde von Gabriele Herb aus dem ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.