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Die vertuschte Wahrheit

Die vertuschte Wahrheit

Wer steckt wirklich hinter dem Angriff auf das amerikanische Überwachungsschiff USS Liberty?

Während des Sechs-Tage-Krieges im Jahr 1967 griff Israel das US-amerikanische Spionageschiff USS Liberty in internationalen Gewässern an als das Schiff mit 5 Knoten vor der Sinai-Küste segelte. Von den 294 Besatzungsmitgliedern wurden 34 getötet und 171 verwundet.

Die israelische Regierung behauptet bis heute, dass ihre Streitkräfte die USS Liberty irrtümlicherweise mit einem ägyptischen Versorgungsschiff, El Quseir, verwechselt hätten. Die israelische Regierung entschuldigte sich für diesen „tragischen Fehler“ und entschloss sich, eine Entschädigung zu zahlen. Die damalige US-Regierung akzeptierte Israels Erklärung ohne Vorbehalt, jedoch nicht die überlebenden Besatzungsmitglieder des Schiffes. Diese behaupten bis heute, dass die israelische Luftwaffe das amerikanische Schiff bewusst angegriffen hat und es samt Besatzung versenken wollte.

Da sich diese Interpretationen widersprechen, konzentriert sich der größte Teil der Veröffentlichungen über diesen Vorfall auf diese Auseinandersetzung (1). 2003 erschien das Buch „Operation Cyanide“ des britischen Journalisten Peter Hounam (2). Darin räumte der Autor endgültig mit der Legende eines Fehlangriffes Israels auf und zeigt, dass sowohl die israelische als auch die amerikanische Regierung gemeinsam die Wahrheit durch Verschleierung, Einschüchterung von Zeugen und Lügen zu verheimlichen suchen.

Die eigentliche Mission des Schiffes bleibt auch nach mehr als 50 Jahren immer noch ein Geheimnis beider Staaten.

Während eine zunehmende Zahl von Persönlichkeiten, darunter ehemalige hochrangige amerikanische Militärs und Staatsmänner (3), die These eines Irrtums verwerfen, bleiben folgende Fragen unbeantwortet: Warum wurde die Liberty angegriffen? Und was erklärt das Beharrungsvermögen aller US-Regierungen, die Wahrheit zu verheimlichen? Dieser Beitrag soll ein wenig Licht in den Sachverhalt bringen.

Zunächst sollen zwei Motive für Israels Versuch, die Liberty zu versenken, erörtert werden:

Da Israels Streitkräfte im Sinai Kriegsverbrechen begingen und die Liberty den Funkverkehr der Israelis abfing, soll Israel versucht haben, die Zeugen „abzuschalten“. Diese Erklärung beruht auf drei dürftigen Annahmen, nämlich, dass die israelischen Streitkräfte über ihre Kriegsverbrechen im Funk diskutierten, dass die Liberty diese abgefangenen Meldungen nicht sofort nach Washington melden würde und dass die USA, ein Verbündeter Israels, über Israels Ermordung ägyptischer Gefangener übermäßig besorgt gewesen wären. Israelische Behörden haben jedenfalls nicht versucht, ihren eigenen Bürgern den Mund zu verbieten, die diese Kriegsverbrechen persönlich erlebt hatten, denn später wurde darüber in Israel offen berichtet.

Ein anderes Motiv für den Angriff auf die Liberty wäre der Versuch Israels zu verhindern, dass die USA von seinen Angriffsplänen auf Syrien erfuhren. Es stellte sich aber heraus, dass sich auf der Liberty keine hebräisch-sprechenden Experten befanden (4).

Israel unternahm übrigens keinen Versuch seine Pläne, Syrien anzugreifen, vor den USA zu verheimlichen. CIA-Direktor Richard Helms wusste seit dem 1. Juni 1967, von den Angriffsplänen Israels (5). Israels Geheimdienstchef Aharon Yariv erklärte gegenüber Harry McPherson, einem leitenden Berater des Weißen Hauses, der damals Israel besuchte, dass „das Problem Syrien noch bleibe, und es wäre vielleicht notwendig, Syrien einen Schlag zu versetzen.“ Darüber hinaus war die USS Liberty nicht als einzige US-Abhörplattform in der Region in der Lage, israelische Kommunikationen abzufangen.

Aber selbst wenn man annimmt, Israel wäre daran interessiert gewesen, die USA über ihre Absichten im Dunkeln zu halten, fällt es schwer zu glauben, dass Israel dafür ein Militärschiff seines wichtigsten Verbündeten und Wohltäters angreifen und seine Besatzung ermorden würde, ohne dabei eine schwere Vergeltung der Vereinigten Staaten zu riskieren. Keine israelische Regierung würde ein so großes Risiko für geringfügige Gewinne eingehen.

Aus der Behauptung, Israel hätte die Liberty angegriffen, um einen ägyptischen Angriff auf die USA vorzutäuschen, damit diese dann zum Kriegseintritt gezwungen würde, ergibt sich die Frage, warum die USA Israels Erklärung eines versehentlichen Angriffs sofort und ohne Vorbehalt akzeptierten.

Die inoffizielle Erklärung für diese scheinbare Unterwerfung der USA unter Israel ist, dass US-Präsidenten und Kongress von der zionistischen Lobby kontrolliert werden und es daher nicht wagen, Israel sogar nach einem arglistigen Angriff auf US-Streitkräfte zu bestrafen. Gibt es eine bessere Erklärung für dieses merkwürdige Verhalten der Supermacht? Bevor ich darauf eingehe, zunächst ein paar grundlegende Fakten.

Die Liberty wurde ohne militärische Schutzbegleitung in ein Kriegsgebiet geschickt.

Die Liberty segelte am 2. Juni 1967, das heißt vor Ausbruch des Sechs-Tage-Krieges, von Rota, Spanien, in Richtung Sinai-Küste. Aus Sorge um die Sicherheit des Schiffes und seiner Besatzung beantragte der Kapitän der Liberty, William McGonagle, bei Admiral William Martin, dem Leiter der Sechsten US-Flotte im Mittelmeer, einen Zerstörer, um die Liberty zu begleiten.

Admiral Martin brauchte einen ganzen Tag, um diesen Antrag zu beantworten. Der Antrag wurde mit der Erklärung abgelehnt, die Liberty sei „ein deutlich markiertes US-Schiff in internationalen Gewässern“ und wäre „kein ersichtliches Angriffsziel für irgendwelche Länder“. Für den unwahrscheinlichen Fall eines versehentlichen Angriffs „könnten Kampfjets der Sechsten Flotte in weniger als zehn Minuten das Schiff erreichen“ (6).

Das war eine verlogene Antwort, denn Israel und Ägypten hatten bereits ausländische Staaten gewarnt, ihre Schiffe von ihren Küsten fernzuhalten. Und als die Liberty angegriffen wurde, kam ihr kein Kampfjet zu Hilfe. Der Grund für die Verweigerung eines Schutzschiffes wurde erst später aufgedeckt. George Golden, der überlebende Chefingenieur der Liberty, zitierte Gespräche mit NSA-Offizieren, die er traf, als das beschädigte Schiff Malta erreichte:

„Wir (wurden dazu bestimmt), erschossen zu werden, damit es so aussehen würde, als hätte Ägypten das getan. Damit hätten die Vereinigten Staaten einen Anlass bekommen, Israel zu helfen.“

Golden gab zu, seine Sicherheit mit solchen Enthüllungen zu gefährden.

Die Liberty wurde zu einem geheimen Auftrag in die Kriegszone geschickt.

Die Liberty wurde insgeheim in die Kriegszone geschickt. Als das Schiff von den Israelis angegriffen wurde und die Besatzungsmitglieder darüber berichteten, ließ sich das Geheimnis über die Präsenz des Schiffes an dieser Stelle nicht länger verbergen. Unmittelbar nach dem Angriff gab die US-Navy die Anwesenheit des Schiffes in der Kriegszone zu und teilte der Presse mit, dass ein US-amerikanisches „technisches Forschungsschiff“ angegriffen wurde.

In der Pressemitteilung wurde behauptet, die Liberty wäre in die Krisenregion geschickt worden, „um die Kommunikation zwischen staatlichen Einrichtungen der USA in der Region zu sichern und zur Weiterleitung von Informationen über die Evakuierung von amerikanischen Familienangehörigen und anderen US-Bürgern aus den Ländern des Nahen Osten beizutragen“ (7). Diese Erklärung konnte selbstverständlich weder die israelische, russische noch die ägyptische Marine täuschen, denn ihnen war bekannt, dass die Liberty ein US-Überwachungsschiff war.

Es wurde den Medien überlassen, die nächste Stufe der Täuschung zu verbreiten: Die Liberty hätte die „wahre“ Aufgabe gehabt, die elektronische Kommunikationen der ägyptischen Streitkräfte abzufangen und Washington über den Gang des Krieges aus nächster Nähe zu informieren. Peter Hounam wies in seinem Buch allerdings darauf hin, dass, wenn dies die Aufgabe der Liberty gewesen wäre, „hätte diese Überwachung sehr effektiv und sicher auch von außerhalb der Küste von Zypern durchgeführt werden können“, wie auch andere amerikanische Abhörplattformen es taten (8).

Dass die Liberty den Auftrag erhielt, viel näher an Ägypten heranzurücken, beruhte, laut Hounam, „auf der Tatsache, dass Washington einigen Menschen an Bord des Schiffes noch empfindlichere Aufgaben übertragen hatte“. Für diese Schlussfolgerung zitiert er Besatzungsmitglieder der Liberty.

Versuche, die Liberty zu retten, wurden von der US-Regierung torpediert.

Laut Aussagen von Besatzungsmitgliedern der Liberty sandte das Schiff die ersten Notrufe um 13.58 Uhr (9) und 14.09 Uhr (10) Ortszeit aus. Während die Dauer der Angriffe nicht eindeutig festzustellen ist, scheint es, dass die israelische Luftwaffe und ihre Torpedoboote die Angriffe etwa um 15.15 Uhr einstellten (11).

Joe M. Tully, Kapitän des US-Flugzeugträgers Saratoga, sagte, dass von seinem Schiff 12 Jagdbomber und vier Tankflugzeuge in Richtung der Liberty flogen. Er erklärte, US-Verteidigungsminister Robert McNamara hätte persönlich um 14.24 Uhr die schon aufgestiegenen Kampfflugzeuge zurückbeordert (12), obwohl die Angriffe noch im vollen Umfang stattfanden.

Eine Minute nach dem Abflug soll Admiral Lawrence Geis, Kommandant der Sechsten US-Flotte, Tully per Funk befohlen haben, die Flugzeuge zurückzuholen. Tully wurde angewiesen, er dürfte die Flugzeuge nach 90 Minuten wieder in Richtung der Liberty starten lassen, aber auch diese Flugzeuge wurden zurückbeordert. Bis zu seinem Tod war Tully wütend, dass Washington ihm die Rettung der Liberty nicht ermöglichte. Den Grund für die Rückrufe erfuhr er nie (13).

Da Tullys Aussage für die US-Regierung so vernichtend war, versuchte sie zu beweisen, dass die Rückrufe sich viel später ereignet hätten, das heißt, nach dem Ende des Angriffs auf die Liberty (14). Nach Aussage der US-Regierung waren weder Verteidigungsminister McNamara noch Präsident Lyndon B. Johnson rechtzeitig über den Angriff informiert.

Tully berichtete von seiner Verblüffung, dass während der Untersuchung der Ereignisse seitens der US-Navy weder er noch Captain Donald Engen, Beauftragter des US-Flugzeugträgers Amerika, befragt wurden (15). Peter Hounam führt Beweise an, die dafür sprechen, dass die US-Führung über den Angriff und die Identität der Angreifer viel früher Bescheid wusste, als sie zugab (16).

Lt Kommandant David E. Lewis, einer der überlebenden Offiziere der Liberty, war schwer verletzt. Er sagte, ihm wäre noch während seines Krankenhausaufenthalts ein Gespräch mit Admiral Geis befohlen worden. Geis erklärte gegenüber Lewis, er habe zum Schutz der Liberty zweimal Flugzeuge aufsteigen lassen. Jedes Mal hätte er aus dem Weißen Haus den Befehl erhalten, die Flugzeuge zurückzuholen, als sie schon in der Luft waren. Lewis fügte hinzu:

„Als die ersten Flugzeuge von Robert McNamara zurückbeordert wurden, dachte Geis, McNamara hätte befürchtet, dass einige von ihnen Atomwaffen trugen. Geis hätte sofort die Entsendung von Flugzeugen ohne Atomwaffen organisiert und dies erneut Washington mitgeteilt. Aber auch diese wurden von McNamara zurückgerufen [...]

Geis beantragte darauf eine Bestätigung dieser Entscheidung vom Oberkommandierenden der US-Streitkräfte, Präsident Lyndon B. Johnson. Dieser kam dann persönlich zum Telefon und befahl, die Flugzeuge mit der Begründung zurückzuholen: ‚Ich werde unsere Verbündeten nicht in Verlegenheit bringen.‘ Geis sagte, er sei sicher, dass ‚es alles totgeschwiegen würde und unser Gespräch würde streng geheim gehalten.‘ Mit diesen Worten bat er mich, es geheim zu halten, aber er sagte, er müsste irgendjemand sagen, dass er selbst versucht hatte, uns (die Besatzungsmitglieder der Liberty) zu helfen“ (17).

Lewis bewahrte dieses Geheimnis bis nach dem Tod von Geis, der 20 Jahre später starb.

Die Darstellung von Lewis bestätigte Julian „Tony“ Hart, ein ehemaliger Mitarbeiter des US-Navy Kommunikationszentrums in Sidi Yahia in Marokko, teilweise. Er sagte, dass, als die Liberty ihren Notruf sendete, diese Botschaft umgehend nach Washington weitergeleitet wurde. Zehn Minuten später, nachdem die Identität des Schiffes bestätigt wurde, wurde eine andere Eilmeldung versandt. Gleichzeitig erreichte ihn eine Meldung, dass Flugzeuge mit Atomwaffen schon gestartet wären. Hart fügte hinzu:

„Innerhalb von drei oder vier Minuten — es war sehr, sehr schnell — kam eine Eilmeldung aus Washington, wonach dem Befehlshaber der Sechsten US-Flotte befohlen wurde, die Flugzeuge zurückzuholen. Die Sechste Flotte beantragte darauf die Erlaubnis, die Flugzeuge wieder zu entsenden. Nach zirka zehn oder 15 Minuten wurde eine Sprachverbindung mit Washington hergestellt.

Eine Person, die sich am Telefon als Robert McNamara vorstellte, wollte mit dem Befehlshaber der Sechsten Flotte, (Admiral Geis) verbunden werden. Dieser sprach mit McNamara und bat um Erlaubnis, wieder Flugzeuge zu entsenden und McNamara sagte, nein, dass käme nicht in Frage. (...) Nach etwa 40 bis 45 Minuten gab es ein zweites Telefongespräch zwischen den beiden. McNamara erklärte dem Admiral, er dürfe Flugzeuge in 30 Minuten oder 25 Minuten aufsteigen lassen“ (18).

Für diese Verzögerung gab es keine Erklärung. War die Verzögerung notwendig, damit Israel Zeit hatte, die Liberty zu versenken?

Weitere Zeugen, unter ihnen Brad Knickerbocker, Mike Ratigan, Harry Stathos, Charles „Chuck“ Rowley und Joe Meadors, bestätigten, dass Flugzeuge mit Atomwaffen von den Flugzeugträgern USS Saratoga und USS Amerika starteten und zurückgerufen wurden (19).

Amerikanische U-Boote tummelten sich in der Nähe der Liberty.

Nach Angaben mehrerer Zeugen war die Liberty in ein geheimes Projekt verwickelt, in dem U-Boote, die sich nach offiziellen Aussagen nie im Kriegsgebiet befanden, eine geheime Mission ausführten. Obwohl die Identität der U-Boote nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, kamen zwei U-Boote in Frage: Die USS Amberjack (20) und das nukleare Polaris U-Boot, USS Andrew Jackson (21).

Neben der Geheimhaltung der US-Regierung über die Anwesenheit von U-Booten zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort konnten oder wollten auch die Besatzungsmitglieder den genauen Auftrag ihrer U-Boote nicht verraten. Einer der Überlebenden der Liberty, Charles Rowley, vertraute jedoch seinem Kameraden Jim Ennes an, dass er für „ein geheimes U-Boot-Projekt mit dem Codenamen Cyanide“ zugelassen wurde (22).

Inzwischen wurde in den Akten über den Fall Liberty in der Lyndon B Johnson-Bibliothek in Austin, Texas, ein streng geheimes Dokument vom 10. April 1967 entdeckt: Das Protokoll einer Sitzung des sogenannten 303-Ausschusses am 7. April 1967 mit nur einem Eintrag (23).

Richard Helms, damals Direktor der CIA, enthüllte 35 Jahre später die Aufgabe dieses Ausschusses. Er war, so Helms, „bloß eine Vorrichtung zur Bewertung von verdeckten Operationen jeder Art, und zur Ermächtigung von solchen Operationen im Namen des Präsidenten, damit der Präsident nicht auf diese Sache festgenagelt werden kann, falls die Operation scheitert.“ Die genannte Ausschusssitzung leitete Walt Rostow, Sicherheitsberater des Präsidenten. General Ralph D. Steakley nahm an dem Treffen teil und unterrichtete den Ausschuss über ein riskantes militärisches Projekt namens Frontlet 615. In dem Protokoll ist dieser Eintrag um einen handschriftlichen Vermerk ergänzt: „U-Boot in den Gewässern UAR“.

UAR — United Arab Republic — nannte damals Präsident Gamal Abdel Nasser sein Land. Das Dokument offenbart somit die Existenz eines streng geheimen Projektes des Weißen Hauses mit dem künftigen Einsatz von U-Booten in ägyptischen Gewässern. Bedeutete die Zahl 615 das Datum 15. Juni, möglicherweise war das der damals geplante Zeitpunkt für den Krieg gegen Ägypten?

Der US-Botschafter in Kairo erhielt eine Warnung über US-Angriff.

Die Vermutung, dass „Operation Cyanide und Projekt Frontlet 615“ Code-Namen für einen US-Plan zur Bombardierung der Hauptstadt Kairo und den Sturz des Nasser-Regimes war, beruht nicht nur auf Mutmaßungen. Der Nachweis für eine solche Absicht stammt von David Nes, zum Zeitpunkt der Geschehnisse Geschäftsführer der US-Botschaft in Kairo. Am Nachmittag des 8. Juni 1967 erhielt er eine Nachricht, vom Flugzeugträger USS Saratoga seien Kampfflugzeuge in Richtung Cairo auf dem Weg. Nachdem Nes in Ruhestand ging, erzählte er Peter Hounam:

„Wir bekamen eine Eilmeldung nach der die Liberty angegriffen wurde, vermutlich von ägyptischen Flugzeugen, und dass ein Vergeltungsanschlag der US im Gange sei. (...) Aber in kürzester Zeit kam eine weitere Eilmeldung, dass die Liberty von Israel angegriffen wurde“ (24).

Mitglieder der Besatzung der Sechsten Flotte bestätigten diesen Plan. Sie sagten später aus, Kairo wäre ursprünglich das Ziel der Flugzeuge gewesen, die angeblich in Richtung der Liberty flogen und zurückgerufen wurden. Wäre die Liberty, wie geplant, völlig vernichtet worden, deuten diese vielfältigen Aussagen darauf hin, dass die USA Kairo möglicherweise mit Atomwaffen angreifen wollte.

Nur das Scheitern der Versenkung der Liberty verhinderte dies. Selbst folgende These wurde angedeutet, dass Israel im letzten Augenblick diese Gefahr erkannt hätte und daher den Angriff auf die Liberty beendete.

Besatzungsmitglieder der Liberty wurden streng davor gewarnt, über das Ereignis zu sprechen.

Während Israel behauptet, dass die Liberty „aus Versehen“ angegriffen wurde und die US-Regierung diese Erklärung ohne Vorbehalt akzeptierte, haben das amerikanische Verteidigungsministerium und die Navy Zeugen, insbesondere Besatzungsmitglieder der Liberty, strengsten gewarnt, über den Angriff zu sprechen. Sie wurden mit Gefängnisstrafe „oder noch schlimmer“ bedroht (25). Die Vertuschung des Ereignisses begann schon, bevor das beschädigte Schiff im Hafen von Malta eintraf.

Patricia Blue-Rousakis, Witwe des NSA-Mitarbeiters Allen Blue, Todesopfer des Angriffes auf die Liberty, sagte, sie sei von Beamten der NSA in Maryland unmittelbar nach dem Angriff nach Hause gebracht worden: „Sie (die NSA-Leute) haben mein Haus sechs Wochen nicht verlassen (...). Sie beantworteten Telefonanrufe, weil sie nicht wollten, dass ich mit Journalisten spreche. (...) Sie wollten nicht, dass ich etwas sage (...) und ich habe es nie getan“ (26).

Ronald Grantski, ein Überlebender auf der Liberty, sagte:

„Ich weiß nicht, auf welche Weise die Offiziere unter Druck gesetzt wurden, aber wir wurden wieder und wieder gewarnt, nie etwas über den Angriff zu erzählen, uns wurde gesagt, nie wieder daran zu denken. (...) Und wir hatten Angst“ (27).

William LeMay, der beim Angriff schwer verletzt wurde, erwachte eines Tages in einem Krankenhaus mit einem Armband, auf dem Smith als sein Name stand. Er bat darum, das zu korrigieren, doch ihm wurde gesagt: ‚Das ist zurzeit dein Name und Du warst nie auf der USS Liberty‘“ (28). Ähnliche Geschichten erzählten zahlreiche Besatzungsmitglieder der Liberty (29). Nachdem sie sich im Ruhestand sicherer fühlten, begannen sie allmählich zu erzählen, was sie wussten.

Warum wurde die USS Liberty angegriffen?

Mehrere Zeugen versicherten glaubhaft, dass die USA sowohl an der Planung als auch an der Ausführung des Sechs-Tage-Krieges mitwirkten. Einer von ihnen war Joe Sorrels, ein erfolgreicher Manager, den Peter Hounam in Florida aufspürte (30). Sorrels berichtete Hounam von seiner Erfahrung, als er einige Monate vor Ausbruch des Krieges im Rahmen einer Geheimoperation nach Israel geschickt wurde. Seine Aussage bestärkt die Vermutung, dass die Initiative, die Liberty anzugreifen, nicht aus Israel, sondern von den Vereinigten Staaten ausging.

Sorrels sagte, sein Auftrag wurde „Operation Cyanide“ genannt. Er erklärte weiter, dies sei ein „gemeinsamer Plan von Elementen der militärischen Geheimdienste Israels und der USA gewesen, einen Krieg mit Ägypten zu fabrizieren und das Regime von Gamal Abdel Nasser zu stürzen, der laut Auffassung der USA eine gefährliche Marionette Moskaus sei.“

Hounam gesteht, dass er zunächst Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieses Mannes hatte:

„Erzählte er die Wahrheit? Es ist allerdings schwer, ein Motiv zu finden, warum er seine außergewöhnliche Geschichte erfinden sollte, die er mir in vier Telefongesprächen über einen Zeitraum von 15 Monaten erzählte. Er beantragte keine Zahlung und wollte kein persönliches Treffen. Er zögerte, wenn es um Details ging, aber er unterschied zwischen dem, was er mutmaßte und was er aus seinen unmittelbaren Erfahrungen wusste. Darüber hinaus stimmte das, was er enthüllte, mit anderen Zeugenaussagen überein.“

Sorrels sagte, er wäre in August 1966 als Berater der israelischen Armee heimlich nach Israel geschickt worden. Er fand bei der Ankunft heraus, dass er Teil einer multinationalen Gruppe von sogenannten Beratern aus Australien und Großbritannien war. Die Leiter dieser Gruppe kamen aus den USA. „Sie waren sehr verschwiegen“, sagte er. Hounam fragte, ob das bedeutete, Großbritannien würde in einen kommenden Krieg verwickelt werden. „So habe ich es damals verstanden“, antwortete er (31).

Hounam leitet daraus folgende Einschätzung ab: „Aus Sorrels Sicht waren die Israelis von den USA gedrängt worden, Nasser zu beseitigen; Israel war nicht die treibende Kraft des Krieges.“ Als Hounam Sorrels gebeten hatte, ihm zu erklären, wie „Operation Cyanide“ zustande gekommen sei, wurde Sorrels Aussage schwammiger.

Sorrels:

„Mein Verständnis war, es habe einige unerfüllte Verpflichtungen gegeben, die diskutiert wurden. Ich war weit unter dieser Staffel ... Es ist nur so, dass wir zu dieser Zeit verpflichtet wurden ... wir verkauften eine Liste von Waren in Bezug auf Allianz, Fähigkeit und Engagement für die Israelis.“

Hounam:

„Wollten die USA Nasser loswerden und eine Konfrontation herbeiführen?“

Sorrels:

„Gewiss, ja. Es gab viele Dinge, dies zu stimulieren und zu provozieren. Wir werden nie genau die Ursache erfahren, woher es kam.“

Sorrels wiederholte, dass Operation Cyanide ein geheimer Plan war, einen Krieg gegen Ägypten zu beginnen. Er sagte, Israels einziges Motiv war, Gebiete zu gewinnen, und es waren Elemente in den USA, die Israel drängten, nach Ägypten einzudringen. So weit Hounam (32).

Ein weiterer wichtiger Zeuge war der bereits erwähnte George Golden. Er enthüllte, dass er, als die Liberty in Malta anlegte, einen hochdekorierten Navy-Captain traf, der ihm zu Goldens Erstaunen mitteilte, während des Angriffes auf die Liberty hätte er sich im israelischen Kommandozentrum in Tel Aviv befunden.

Golden:

„Ich erinnere mich, er war ein großer, dicker Mann. Er sagte mir, ‚sie‘ hätten den Kommandoraum für eine gewisse Zeit verlassen. Er blieb. Und als sie zurückkamen, waren die Flugzeuge und die Boote daran ‚uns‘ anzugreifen. Was mir mehr als alles andere im Sinn bleibt, ist die Tatsache, dass er sagte, sie hätten das ganze Schiff versenken sollen, sie hätten dafür die Macht gehabt, und die Liberty hätte nicht entweichen sollen. Es war für mich, als stünde er auf der anderen Seite, nicht auf der Seite Amerikas, als sie unser Schiff angriffen“ (33).

Golden sagte, er hätte zwei oder drei Jahre vor dessen Tod noch mehr von Kapitän Gonagle erfahren:

„Ich saß in einem Raum mit ihm, wir plauderten eine Weile, und er sagte plötzlich: ‘Diese Hurensöhne haben uns wirklich hineingelegt, George.’ Ich fragte ihn ‚Was meinst du damit?‘, und dann sagte er mir, dass [es] der Präsident und McNamara waren [...], die uns aus Afrika dahin geschickt hatten, damit uns das passiere.“

Golden beschrieb, wie ihn Männer in regelmäßigen Abständen besuchten, die von ihm die Herausgabe von Dokumenten (über die Liberty), die er bewahrt hatte, verlangten und ihn bedrohten. Er vermutet, sie kamen von der CIA. Golden bestätigte zögernd und ängstlich, dass das Weiße Haus die Liberty in das Kriegsgebiet entsandte, damit sie von Israel versenkt werde, so dass die USA, voller heiliger Empörung, Ägypten angreifen und das sowjetfreundliche Regime stürzen könnte (34). Es ist kein Wunder, warum diese Geschichte bis heute streng verschwiegen wird.

Der interessanteste Aspekt dieser unglaublichen Geschichte betrifft die Art der Beziehungen zwischen den USA und Israel. Die Auffassung ist heute weitgehend verbreitet, dass die zionistische Lobby die Außenpolitik der USA bestimme.

Überlebende der Liberty, Veteranen und andere behaupten zum Beispiel, dass die US-Regierung aus Angst vor der zionistischen Lobby die Wahrheit über den israelischen Angriff auf die Liberty vertusche. Diese Auffassung hat den Vorteil, amerikanische Politiker und Militärs von einer Schuld der Beihilfe zum einem Massenmord zu entlasten: Ihnen könnte höchstens vorgeworfen werden, sich nicht mutig genug gegen die zionistische Lobby gewehrt zu haben. Die vorliegenden Befunde zeigen, dass dies nicht der Fall war.

Die USA vertuschen die Wahrheit über die Liberty, um ihre eigenen Taten zu vertuschen. Aus dieser Perspektive erscheint es logisch, dass Israel, auf Wunsch des US-Präsidenten, die Liberty versenken sollte, aber im letzten Moment die Folgen dieser Aktion erkannte und die Dreckaufgabe nicht beenden wollte.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Folgende Bücher veranschaulichen am besten die ersten Kontroversen: James M. Ennes, Jr., [Besatzungsmitglied der Liberty] „Assault on the Liberty“, Reintree Press, 1979 (11. Ausgabe, 2007); A. Jay Cristol, [Richter in Florida] „The Liberty Incident: The 1967 Israeli Attack on the U.S. Navy Spy Ship“, Potomac Books (2003).
(2) Peter Hounam, „Operation Cyanide: Why the bombing of the USS Liberty nearly caused World War III“, Sheena Dewan Publishers, 2003. Peter Hounam war auch Berater zur Produktion des Films „Dead In The Water“ (BBC, 2002) über die Liberty, wo zahlreiche Zeugen interviewt werden. Das Film kann auf Youtube gesichtet werden.
(3) Darunter Dean Rusk, Admiral Thomas H. Moorer, Clark M. Clifford, Richard Helms, Paul C. Warnke, General Raymond G. Davis, Rear Admiral Merlin Staring, Ambassdor James Akins (ret.), Admiral Isaac C. Kidd.
(4) Col. Peyton E.. Smith, US Army, „Assault on the USS Liberty: Deliberate Action or Tragic Accident?“, U.S. Army War College, PA, 2007, S. 5.
(5) Richard Helms with William Hood, „A Look Over My Shoulder: A Life in the Central Intelligence Agency (Random House, New York, 2003), S. 299-300.
(6)James E. Ennes, supra, S. 38-39.
(7) Peter Hounam, supra, S. 109.
(8) William D. Gerhard & Henry W. Millington, „Attack on a Sigint Collector, the U.S.S. Liberty“, National Security Agency (NSA), 1981, S. 11 (declassified in 2006).
(9) Peter Hounam, supra, S. 22.
(10)Ebd, S. 29.
(11) Laut William D. Gerhard & Millington, supra, endete der Angriff um 15:05 Uhr.
(12) Peter Hounam, supra, S. 91.
(13) Ebd.
(14) Laut William D. Gerhard & Millington, supra, S. 32, erfuhr Präsident Johnson vom Angriff erst um 15:49 Uhr (9:49 Washington Zeit).
(15) Peter Hounam, supra, S. 174.
(16) Ebd, S. 89-91.
(17) „Findings of the Independent Commission of Inquiry into the Israeli Attack on USS Liberty, the Recall of Military Rescue Support Aircraft while the Ship was under Attack, and the Subsequent Cover-up by the United States Government“ [The Moorer Commission], Washingon, D.C., October 22, 2003.
(18) Peter Hounam, supra, S. 176-7; auch John Crewdson, „New revelations in attack on American spy ship“, The Chicago Tribune, October 2, 2007.
(19) Ebd. S. 181-184.
(20) Philip Giraldi, „Sinking Liberty“, The American Conservative, March 17, 2011.
(21) Peter Hounam, supra, S. 124.
(22) Ebd, S. 113-4.
(23) Ebd, S. 115.
(24) Ebd, S. 184-5.
(25) Ebd.
(26) Ebd, S. 43; laut Keenan Duffey, „Remembering the USS Liberty“, Washington Report on Middle East Affairs, August 2012, blieben die NSA Agenten bei Frau Blue „ein Monat.“.
(27) Ebd, S, 46.
(28) Aussage von LeMay auf „Loss of Liberty: The Real Story About the USS Liberty“, Part 5 of 5 (@ 2.40 min.) Youtube.
(29) Zum Beispiel Aussagen von Richard L. Weaver, 17 Mai 2005 (http://www.gtr5.com/evidence/weaver.htm); James Patrick Kavanagh, 15 Januar 2004 (http://www.gtr5.com/Witnesses/kavanaugh.pdf); Harold Max Cobbs, 13 April 2004 (http://www.gtr5.com/Witnesses/cobbs.pdf); James Ronald Gotcher, 2 September 2003 (http://www.gtr5.com/Witnesses/gotcher.pdf)
(30) Peter Hounam, supra, S. 196.
(31) Ebd, S. 196-7.
(32) Ebd, S. 199-201.
(33) Ebd, S. 241-2.
(34) Ebd, S. 242-3.

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