Wissenschaftler haben lange um eine Definition von „Wirtschaftssanktionen“ gerungen, damit sich dieser Begriff deutlich von anderen Formen des internationalen nicht-militärischen Zwanges unterscheidet und die spezifischen Eigenschaften dieses komplexen Unternehmens haargenau trifft. Bisher wurden verschiedene verwandte Begriffe verwendet, die dasselbe Phänomen bezeichnen können oder auch nicht: wirtschaftliche Aggression (1), Wirtschaftskrieg (2), wirtschaftlicher Zwang (3) und Embargos (4).
Unabhängig davon, ob alle Kommentatoren diesen Begriff immer angemessen verwenden und tatsächlich dasselbe meinen, dient der Begriff Wirtschaftssanktionen seit etwa 1990 zunehmend als generisches Etikett für verschiedene einseitige und multilaterale Maßnahmen gegen einzelne Volkswirtschaften. Um Verwirrung zu vermeiden, werde ich daher diesen Sprachgebrauch beibehalten.
Der Ausdruck „Wirtschaftssanktionen“ ist von anderen Formen der Benachteiligung zu unterscheiden, wie rechtmäßige Gegenmaßnahmen im Rahmen des WTO-Statutes, symbolische Sanktionen, die eine materielle Komponente beinhalten können, aber nicht darauf hinzielen, das Wirtschaftsleben des Zielstaates zu beeinträchtigen, diplomatische Sanktionen und Waffenembargos.
Nach Überprüfung verschiedener Ansätze definierte Margaret Doxey, eine führende Expertin auf dem Gebiet der internationalen Sanktionen den Begriff als Strafmaßnahmen, die als erklärte Folge der Nichteinhaltung internationaler Normen oder internationaler Verpflichtungen seitens des Zielstaates ihm angedroht oder über ihn verhängt worden sind (5) (Hervorhebungen durch Autor).
Barry E. Carter definierte Wirtschaftssanktionen als wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen gegen ein oder mehrere Länder, um zu versuchen, eine Änderung ihrer Politik zu erzwingen, oder zumindest die Meinung des sanktionierenden Staates über die Politik des sanktionierten Staates zu äußern (6).
Die angeführten Definitionen beruhen alle auf der Annahme, dass internationale Sanktionen die „erklärte Folge“ eines „Nichteinhaltens internationaler Standards oder Verpflichtungen“ sind (7).
Wirtschaftssanktionen sind jedoch keine kausale Folge des „Nichteinhaltens“ internationaler Normen, sondern höchstens eine Antwort der sanktionierenden Parteien, die sie selbst gewählt haben. Zwar löste der Zielstaat diese Antwort möglicherweise aus, aber er hat sie nicht verursacht. Doch selbst eine solche Beziehung kann man nicht voraussetzen. Denn wie soll ein externer Beobachter die wahren Motive der sanktionierenden Parteien kennen?
Nehmen wir zum Beispiel an, dass ein Handelsembargo gegen eine Nation verhängt wurde, mit dem Ziel diese Nation zu verarmen, so dass sie ihre natürlichen Ressourcen und ihre Bevölkerung für multinationale Konzerne arbeiten lassen muss, oder um ihren wirtschaftlichen Aufschwung zu verhindern. Das öffentlich erklärte Ziel des Embargos wäre hingegen die Verbesserung der Menschenrechtslage des Regimes. Die Maßnahmen würden als „Wirtschaftssanktionen“ bezeichnet, aber wären weder eine Sanktion, im Sinne einer Strafe, noch eine Zwangsmaßnahme.
Es ist tatsächlich nicht einfach, die wahren Motive derjenigen zu erahnen, die Wirtschaftssanktionen über andere Nationen verhängen. Bekannt ist die Kritik an der versteckten Agenda verschiedener Sanktionsregimes, einschließlich des vom Westen gegen den sozialistischen Block verhängten Regimes des Koordinationskomitees für multilaterale Exportkontrollen, COCOM (8), des US-Handelsembargos gegen Kuba und der umfassenden Wirtschaftssanktionen der UNO gegen den Irak.
Robert P. O‘Quinn von der Heritage Foundation fragte rhetorisch in seiner Benutzerrichtlinie zu Wirtschaftssanktionen, „User Guide to Economic Sanctions“, ob „Wirtschaftssanktionen ein wirksamer Weg zur Erreichung der außenpolitischen Ziele der USA sind“ und „[...] die strategische Doktrin die Verwendung von Wirtschaftssanktionen regeln sollte, um sicherzustellen, dass sie tatsächlich die US-Interessen voranbringen“.
Er fügte hinzu, dass Wirtschaftssanktionen „wichtige strategische Waffen im politischen Arsenal darstellen. Wie andere strategische Waffen müssen sie jedoch mit äußerster Sorgfalt verwendet werden, damit amerikanische Unternehmen und ihre Arbeiter, Zulieferer und Aktionäre nicht sich selbst Schaden zufügen“ (9).
Wirtschaftssanktionen werden aus seiner Perspektive eher als Mittel zur Erreichung der außenpolitischen Ziele eines Staates verhängt und nicht zur Einhaltung internationaler Standards.
Doxey räumt ein, dass Regierungen „aus offensichtlichen Gründen [...] bevorzugen, ethische Gründe für ihr außenpolitisches Verhalten zu äußern. Sie werden sagen, dass sie Sanktionen verhängen, um legitime, würdige und allgemeine Interessen zu verteidigen, anstatt eigene partikulare Interessen durchzusetzen“ (10).
Eine weitere Schwierigkeit bei der Bestimmung des wahren Zwecks der vom UN-Sicherheitsrat verhängten Wirtschaftssanktionen besteht darin, dass ihre einzelnen Mitglieder jeweils eigene Motive für die Befürwortung der Maßnahmen haben können. Einige mögen „außenpolitische Ziele“ verfolgen, während andere mächtigen Staaten ihre Unterstützung als Gegenleistung anbieten, die entschlossen sind, die Sanktionen um jeden Preis zu verhängen oder beizubehalten oder die versuchen, Vergeltung durch diese Staaten zu verhindern.
Hufbauer und Oegg, die die Definition von Wirtschaftssanktionen auf ihre operativen Dimensionen beschränken, bezeichnen wirtschaftliche Sanktionen als bewusste, staatlich motivierte Suspendierung oder drohende Suspendierung der herkömmlichen Handels- und Finanzbeziehungen (11).
Eine solche Definition hat den Vorteil, dass sie sich auf die sichtbaren Handlungen und nicht auf eine Interpretation der Motive bezieht. Diese Definition spiegelt sinngemäß Artikel 41 der UN-Charta wider, das heißt, die Rechtsgrundlage der Vereinten Nationen für Wirtschaftssanktionen.
Artikel 41 spricht allerdings überhaupt nicht von „Wirtschaftssanktionen“, sondern führt lediglich eine Liste der praktischen Maßnahmen auf: die „vollständige oder teilweise Unterbrechung der Wirtschaftsbeziehungen sowie der Bahn-, See-, Luft-, Post-, Telegrafen-, Funk- und anderer Kommunikationsmittel sowie die Aufhebung der diplomatischen Beziehungen“ zu einem Staat.
Hin zu einer objektiven Definition
Während Wissenschaftler und Politiker die Wünschbarkeit, Wirksamkeit, Wirkung, Rechtmäßigkeit, Legitimität und Ethik von Wirtschaftssanktionen debattieren, ist unbestritten, dass wirtschaftliche Sanktionen (12), im Unterschied zu ihrem deklarierten Zweck, zunächst dem gewählten Territorium wirtschaftliche Nachteile bringen sollen (13). Hans-Peter Gasser vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz erkannte die schädliche Absicht von Wirtschaftssanktionen:
„Von bloßen ‚bedauerlichen Nebenwirkungen‘ der Sanktionen zu sprechen, ist angesichts der schwerwiegenden und anhaltenden negativen Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft unzureichend. Solche negativen Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung sind selbstverständlich beabsichtigt.“ (14)
Wenn Wirtschaftssanktionen mit dem erklärten Ziel verhängt werden, die militärische Besetzung zurückzuweisen, die Achtung der Menschenrechte zu erzwingen oder einen Regierungswechsel herbeizuführen, sind sie Zwangsmaßnahmen. Zwang erfordert Druck. Dieser Druck wird dadurch erzeugt, dass innerhalb eines Landes ernste Engpässe entstehen, die zu individueller Benachteiligung führen. Wenn die Notlage der Bevölkerung eine unerträgliche Schmerzgrenze erreicht, erwarten die sanktionierenden Akteure, dass sie sich empört und ihre Regierung dazu drängt, den externen Forderungen nachzukommen.
Die Erzeugung einer Notlage der Bevölkerung ist daher beabsichtigt und ein zentraler und unabdingbarer Aspekt von Wirtschaftssanktionen (15). Der detaillierte Mechanismus, durch den die Suspendierung der Handels- und Finanzbeziehungen politische Veränderungen erzwingen soll, wird weitgehend verschwiegen (16), weil dadurch die vorsätzliche Herbeiführung einer zivilen Notlage offenbar würde. Auch wenn Wirtschaftssanktionen zu anderen Zwecken verhängt werden, etwa um die Position einer Nation im globalen wirtschaftlichen Wettbewerb zu schwächen, ist die Notlage der Bevölkerung jedoch gleichermaßen beabsichtigt.
Den Zusammenhang zwischen „zivilem Schmerz und politischem Gewinn“ äußern die Verfechter von Wirtschaftssanktionen und sogar die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats (17) nur hinter vorgehaltener Hand. Von der Weltöffentlichkeit isoliert, scheuen sich US-Politiker nicht, diesen Zusammenhang öffentlich anzusprechen.
In den Debatten um die Wirtschaftssanktionen gegen den Irak, die im US-Kongress und im Repräsentantenhaus zwischen dem 10. und 13. Januar 1991 stattfanden, äußerten US-Politiker ihre Erwartung, dass die Sanktionen „wirtschaftliche Schmerzen erzeugen“ (18), „die irakische Wirtschaft abwürgen“ (19 ), „verstümmeln“ (20) oder „entleiben“ (21) würden, dass das irakische Volk (Saddam) stürzen wird“ (22). Die Verwendung von Begriffen, die aus Körperverletzungen stammen, wie „Schmerz verursachen“, „Verkrüppeln“, „Strangulieren“ und „Ausweiden“, deutet auf die Absicht hin, schwere Nachteile zu verursachen.
Definitionen schädigenden Zwangverhaltens, wie Folter, umfassen typischerweise eine Reihe von objektiven Elementen: Die Existenz eines oder mehrerer Täter, die Existenz eines oder mehrerer Opfer, die Art des zugefügten Schmerzes und die Absicht, Schmerzen zu erzeugen (23).
Folter kann verschiedenen Zwecken dienen. Um jedoch festzustellen, dass ein bestimmtes Verhalten der Folter gleichkommt, ist es nicht erforderlich, den letztendlichen Zweck dieses Verhaltens zu kennen. Da Wirtschaftssanktionen eine schädigende, oft zwingende Maßnahme sind, schlagen wir eine ähnliche Definition vor.
Als objektive Definition wird vorgeschlagen, dass zu den Wirtschaftssanktionen
„koordinierte Handelsbeschränkungen und/oder Finanztransaktionen zählen, die das Wirtschaftsleben in einem bestimmten Gebiet beeinträchtigen sollen.“
Die obige Definition ist unabhängig von der Frage, ob Wirtschaftssanktionen rechtmäßig oder illegal, ethisch oder unmoralisch sind. Es ist damit nicht erforderlich, den letztendliche Zweck der Maßnahmen festzulegen (24).
Die Definition braucht keine ausführliche Erklärung. Es wird allgemein angenommen, dass Wirtschaftssanktionen auf „Staaten“ oder „Regierungen“ abzielen. Eine solche Sprache verschleiert jedoch die Realität dieser Maßnahmen. Wirtschaftssanktionen richten sich nicht gegen die Behörden einer Bevölkerung. Ihr unmittelbarer, im Gegensatz zu ihrem letztlichen Zweck, ist es, das Funktionieren der Wirtschaft im Zielgebiet als Gesamtheit zu beeinträchtigen, was unweigerlich das materielle Wohlergehen der Bevölkerung in diesem Gebiet beeinträchtigt, wie den Zugang zu Arbeit, Waren und Dienstleistungen.
Fazit
Der letztendliche Zweck von Wirtschaftssanktionen könnte die Wiederherstellung von internationalem Frieden und Sicherheit, die Verhinderung von Völkermord oder die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit sein.
Eine objektive Definition von Wirtschaftssanktionen erlaubt es, auf die Notwendigkeit zu verzichten, den endgültigen Zweck der Sanktionen zu ermitteln. Die vorgeschlagene Definition hilft, die allgemein verborgene Tatsache aufzudecken, dass solche Maßnahmen die Instrumentalisierung von zivilem Schmerz für politische Gewinne beinhalten.
Sind Maßnahmen, die absichtlich das Wohlergehen einer Zivilbevölkerung beeinträchtigen, mit ethischen oder rechtlichen Normen, einschließlich der Menschenrechte, vereinbar? Wenn ja, wann und in welchem Umfang ist es für Staaten oder internationale Organisationen zulässig, eine Zivilbevölkerung kollektiv zu drangsalieren? Welche Rechtsansprüche können unschuldige Opfer von Wirtschaftssanktionen nach internationalen und Menschenrechtsgesetzen stellen, um Reparationen zu erhalten?
Diese Probleme wurden bisher weder von den wichtigsten Menschenrechtsorganisationen noch von der akademischen Gemeinschaft, geschweige denn von der Staatengemeinschaft innerhalb der Vereinten Nationen (25) angesprochen.
Quellen und Anmerkungen:
(1) D.W. Greig, „International Law“ (textbook), Butterworths & Co., London, 2d. edition (1976)
(2) John und Karl Mueller, "Sanctions of Mass Destruction”, Foreign Affairs 78 78 (1999), 48, schreiben: „Es könnte helfen, wenn schwere Wirtschaftssanktionen durch das ältere Etikett der ‚Wirtschaftskriegsführung‘ festgelegt würden. In der Vergangenheit führten Wirtschaftsembargos in Kriegen zu einer Vielzahl von Todesfällen“; Geoff Simons, „Imposing Economic Sanctions: Legal Remedy or Genocidal Tool?“, Pluto Press, London (1999), betrachtet Wirtschaftssanktionen als „Mittel zur wirtschaftlichen Kriegsführung, die mit nackter Gewalt einhergeht“. Siehe auch Medicott, I. (The Economic Blockade, 17 (1959) zitiert in W. Mallison, Jr. Studien zum Seekriegsrecht: Submarines in General and Limited Wars 60 (1966); Allen, State Trading and Economic Warfare, 24 Law and Contemporary Problems 256 (1959); Gunnar Adler-Karlsson, „Western Economic Warfare 1947-1967: A Case Study in Foreign Economic Policy“, Almquist & Wiksell, Stockholm (1968); Seidl-Hohenveldern, „International Economic Law“, Kluwer Law International, Den Haag (1999)
(3) Zum Beispiel Bowett, „International Law and Economic Coercion“, in Economic Coercion and the New International Economic Order, Richard B. Lillich (ed.), The Michie Company, Charlottesville (1976); also UNGA Resolution 52/181 (1998)
(4) Zum Beispiel Morin und Miles, „The Health Effects of Economic Sanctions and Embargoes: The Role of Health Professionals“, Annals of Internal Medicine, 132 (2000) at 158-161; siehe auch UN-Menschenrechtskommission, Resolution zu den Menschenrechten und humanitären Folgen von Sanktionen, einschließlich Embargos (2000).
(5) Margaret P. Doxey, International Sanctions in Contemporary Perspective, 2d edition, (1996)
(6) Barry E. Carter, “International Economic Sanctions: Improving the Haphazard U.S. Legal Regime”, 75 Cal. L. Rev. 1162, 1166. Diese Auffassung von Wirtschaftssanktionen wird oft vertreten. Siehe auch Kulessa & Starck, "Peace through sanctions?", Development and Peace Foundation, Policy Paper No. 7 (1998).
(7) Doxey, supra n. 5, listet in 54 Punkten die Ziele internationaler Sanktionen in den folgenden acht Rubriken auf: Abschreckung, Compliance, Bestrafung, Destabilisierung, Konfliktbegrenzung, Solidarität, Symbolik und Signalisierung. Sie enthält keine möglichen oder potentiellen Ziele: Eindämmung, Verarmung einer Nation und Unterwerfung.
(8) B. Grossfeld & A. Junker, Das COCOM im internationalen Wirtschaftsrecht (1990); also Gunnar Adler- Karlsson, „Western Economic Warfare 1947-1967“, Uppsala (1968)
(9) Robert P. O’Quinn, Policy Analyst, The Heritage Foundation Backgrounder No. 1126 of 25 June 1997. http://www.heritage.org/library/categories/trade/bg1126.html
(10) Doxey, supra n. 5, at 10
(11) Garry Hufbauer und Barbara Oegg, „Economic Sanctions“, Quill magazine, Jan-Feb. 1999, posted on FACS Net website
(12) Wir unterscheiden „wirtschaftliche“ Sanktionen von Zwangsmaßnahmen, die gegen einzelne Personen oder ausgewählte Gruppen verhängt werden.
(13) Doxey, supra n. 5 bei 116, stimmt zu: „[Ö]konomische und andere Sanktionen, die erhebliche Auswirkungen haben sollen, müssen wirtschaftliche Härten hervorrufen, von denen man hofft, dass sie sich in politische Compliance umsetzen lassen“; mit 55 Jahren schreibt sie: „Indem man durch diplomatische, kulturelle, kommunikative oder wirtschaftliche Sanktionen oder durch eine Kombination davon Schmerz zufügt, wird die Einhaltung angestrebt“. Adam Winkler, Just Sanctions, 21 Human Rights Quarterly (1999) (S. 136) betrachtet das „eindeutige Merkmal von Wirtschaftssanktionen“ ebenfalls als „speziell dazu bestimmt, einem anderen Staat wirtschaftlichen Schaden zuzufügen“.
(14) Hans-Peter Gasser, „Collective Economic Sanctions and International Humanitarian Law“, Zeitschrift für ausländischess öffentliches Recht und Völkerrecht, 56 (1996), at 874
(15) Auf dieser konzeptionellen Ebene besteht eine Ähnlichkeit zwischen Wirtschaftssanktionen und internationalem Terrorismus, wie sie im US-Gesetzbuch, Titel 18 § 2331, definiert sind.
(16) Erklärungen wie die folgenden sind selten: „Wir sind uns bewusst, dass die menschlichen Folgen [der Sanktionen gegen den Irak] erheblich sind, aber wir sehen keinen Grund, unsere Sanktionspolitik zu ändern. Wenn das irakische Volk Hussein loswerden will, sollte es selbst etwas dagegen tun“ (Gitte Seeburg, außenpolitische Sprecherin der Dänischen Konservativen Partei, unter http://www.danirak.dk/english/eyes.html). Häufiger wird auf den Mechanismus hingewiesen, wie Paul Lewis am 22. März 1991 in der New York Times schrieb („UN Survey Calls Iraq's War Damage Near-Apocalyptic“): „Seit der Verhängung des Handelsembargos.... haben sich die Vereinigten Staaten gegen jede vorzeitige Entspannung in dem Glauben ausgesprochen, dass es das irakische Volk, wenn es sich das Leben unangenehm macht, letztendlich ermutigen wird, Präsident Saddam Hussein die Macht zu nehmen.“ (zitiert von Ramsey Clark, The Fire This Time: U.S. War Crimes in the Gulf,, Thunder's Mouth Press, New York, (1992), S. 86). Noch deutlicher verknüpfte William Webster, damals CIA-Direktor, in seiner Aussage vor dem House Armed Services Committee des US-Kongresses am 5. Dezember 1990 "zivilen Schmerz mit politischem Gewinn": „Unsere Aufgabe war und ist, dass es keine Zusicherung oder Garantie dafür gibt, dass wirtschaftliche Härten zu inneren Unruhen führen werden, die das Regime von Saddam Hussein bedrohen würden“. (zitiert von Peter L. Pellett. „Sanktionen, Nahrung, Ernährung und Gesundheit im Irak.“ Im belagerten Irak: Die tödlichen Auswirkungen von Sanktionen und Krieg, herausgegeben von Anthony Arnove, 151- 68. London: Pluto Press, 2000. S. 152).
(17) David Cortright und George A. Lopez, („The Sanctions Decade“, Lynne Rienner Publishers, Boulder, Colorado (2000)), erkennen diesen Zusammenhang an, schlagen aber vor, dass die „Kunst der Sanktionen-Staatskunst darin besteht, Sanktionen anzuwenden, die ausreichend wirkungsvoll sind [....] und gleichzeitig schwere humanitäre Auswirkungen zu vermeiden“ (Hervorhebung hinzugefügt), d.h. ein optimales Maß für den zivilen Schmerz zu finden. Am 13. April 1995 übermittelten die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates dem Präsidenten des Rates ein Non-Paper mit dem Titel „Humanitäre Auswirkungen von Sanktionen“ (UN-Dokument Nr. S/1995/300 und Anlage). In diesem Non-Paper schlagen die Autoren vor, dass „das künftige Sanktionsregime darauf ausgerichtet sein sollte, unbeabsichtigte nachteilige Nebenwirkungen von Sanktionen gegen die schwächsten Segmente der Zielländer zu minimieren“. Dieser schlampig formulierte und verschleierte Text offenbart jedoch das Bewusstsein seiner Autoren für die Schädlichkeit vergangener Sanktionsregime und ihre Erkenntnis, dass Sanktionen nur der Zivilbevölkerung schaden können. Nur „unbeabsichtigte Nebenwirkungen“, die „die schwächsten Bevölkerungsgruppen“ betreffen, sollten „minimiert“ werden.
(18) Cong. Rec. S171 (daily ed. Jan. 11, 1991) (statement von Sen. Daschle)
(19) Cong. Rec. S236 (daily ed. Jan. 11, 1991), (statement von Sen. Metzenbaum)
(20) Cong. Rec. S393 (daily ed. Jan. 12, 1991), (statement von Sen. Rockefeller)
(21) Cong. Rec. H281 (daily ed. Jan. 11, 1991), (statement von Rep. Synar)
(22) Cong. Rec. S374 (daily ed. Jan. 12, 1991), (statement von Sen. Pell)
(23) zum Beispiel Artikel 1 des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, angenommen durch die Resolution 39/46 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1984.
(24) Der Ansatz ähnelt dem von Jordan J. Paust („Private Measures of Sanctions“). In Legal Aspects of International Terrorism, herausgegeben von Alona E. Evans und John F. Murphy, 575-. Lexington Books, Lexington, 1978), die eine Definition des internationalen Terrorismus liefert, die nicht bestimmt, ob „der in einer bestimmten Situation verwendete Terrorismus zulässig oder unzulässig ist“. (S. 577)
(25) In seinem Artikel „Legal Boundaries of UN Sanctions“, The International Journal of Human Rights, Vol. 7, Number 4, Winter 2003, S. 1-50, hat der derzeitige Autor versucht, einige dieser Themen anzusprechen.