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Die Stunde der Seeräuber-Jenny

Die Stunde der Seeräuber-Jenny

Das Wahlergebnis macht die politischen Akteure ratlos, aber nicht etwa, weil es ihr fatales politisches Handeln widerspiegelt, sondern aus einem ganz anderen Grund: Hilfe, die SPD will nicht mehr!

Gestern war allerdings eine Sternstunde.
Das lag an Manuela Schwesig.
Die saß bildschön wie gemalt in einer etwas zu großen, dafür aber sehr prächtigen roten Robe und bestens gelaunt in der Runde. Es muss eine phantastische Erleichterung für die SPD sein, sich aus der Umarmung mit der Kanzlerin herausgehauen zu haben.
Schon das war – zwei Stunden vorher - eine der wenigen Glanzleistungen in der Geschichte der SPD gewesen. Dass sie nach Bekanntwerden ihrer (erwartbaren) Wahlschlappe wie aus der Pistole geschossen etwas sehr Einfaches, Schlüssiges und Konsequentes bekanntgab: Wir gehen in die Opposition. Gute Entscheidung.
Sitzt also Manuela Schwesig in diesem prächtigen roten Kleid bei Anne Will und amüsiert sich. Weil: da sitzen neben ihr zwei Jungs, denen, wie Schwesig das ausdrückt, der Hintern auf Grundeis geht, weil die Tür zur Regierung jetzt plötzlich ganz weit offen steht. Kein SPD-Zerberus mehr zu sehen. Jetzt müssen sie nur noch da durch.
Der eine ist der Kubicki von der FPD, der andere der Özdemir von den Grünen.
Beide ziemlich klein mit Hut, weil sie sich so darauf gefreut hatten, dass die GroKo jetzt geschwächt wäre. Da hätten sie prima den Macker machen und pokern und gegen die 20 Prozent-SPD auftrumpfen können mit ihren – na ja – immerhin pi mal Daumen zusammengenommen auch so viel. Aber eben nur zusammen, und sie wollen nun mal nicht zusammen, sie können sich nun mal nicht leiden, und vor der Merkel haben sie sowieso Angst. Die hätte zuletzt die SPD fast geschafft, aber besonders gern frisst sie die Kleinen. Die nimmt sie bekanntlich zum Frühstück. Da kann sich die FDP noch gut dran erinnern.
Jetzt ist die SPD ihr um Haaresbreite entronnen.
Jetzt müssen die Kleinen ran. Jamaika oder Neuwahlen.
Da gibt’s nichts mehr zum Pokern. Da hat es sich ausgemackert.
Und jetzt sitzt also da Frau Schwesig und hört sich an, wie die Jungs es plötzlich mit der Angst bekommen und weinerlich werden und jammern: Dass die SPD sich vom Acker macht, dass sie sich „aus der Verantwortung stiehlt“, dass das doch nicht geht, sie so im Regen stehen zu lassen. Es ist aber auch zum Fürchten. Und zum Heulen. Aber es hilft nichts, meine Herren, die Tür ist offen. Jetzt müsst ihr wirklich ran. An die Merkel. Die kann euch in aller Seelenruhe diktieren, wozu sie Lust hat, und ihr könnt noch so zappeln, ihr werdet mit einem Happen verschluckt. Runter damit.
Sonst Neuwahlen.
Und das war die Stunde der Seeräuber-Jenny. Letzte Strophe:

Und an diesem Mittag wird es still sein am Hafen
Wenn man fragt, wer wohl sterben muss.
Und dann werden Sie mich sagen hören „Alle!“
Und wenn dann der Kopf fällt, sage ich „Hoppla!“

Köpfe sind natürlich nicht gefallen. Wäre ja auch unnötig gewesen. Die gestrige Seeräuber-Jenny hat es sehr elegant gemacht. Man konnte es kaum sehen, aber eine Sekunde lang war mir, als hätte auf dem Bildschirm etwas geblitzt. Könnte eine Schere gewesen sein. Keine große, die kleine Nagelschere, die wir Mädchen alle in der Handtasche haben, hat gereicht, es hat jedenfalls ganz kurz geblitzt, und im nächsten Moment waren zwei Schlipse ab.
Und dann erinnere ich mich nicht genau, aber mir war, als hätte die schöne junge Frau in der roten Robe beim Zurücklehnen noch was gesagt. Es klang wie: Hoppla.

So was sieht man im deutschen Fernsehen selten.


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