Wie können wir im Kampf für faire und deutlich höhere Renten erreichen, dass die Medien dies unterstützen? Welche Herkules-Aufgabe da wartet, zeigte das vergangene Wochenende exemplarisch mit dem „Presseclub“ im Ersten und einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung.
Auch diese Leuchttürme des sogenannten Qualitätsjournalismus offenbarten wieder schier unglaubliches Unwissen in Rentenfragen. Das Ärgerliche daran:
Je öfter Unfug wiederholt wird, desto fester setzt er sich in den Köpfen der Zuschauer fest.
So forderte Alexander Hagelüken in der Süddeutschen vom 9./10. Juni einen Aufstand der Jungen, um sich vor künftiger Überforderung zu schützen. Dringend sollten teure Wahlgeschenke für die Rentner wieder einkassiert werden. Zitat:
„Die vielen Milliarden, die im Regelfall gut versorgten Senioren von heute zugute kommen, werden später gebraucht.“
Hat Hagelüken etwa noch nichts davon gehört, dass die Durchschnittsrenten (mit netto 848 Euro monatlich 2016) nur knapp den Grundsicherungsbedarf überschreiten und die Renten der westdeutschen Frauen im Schnitt mit gerade mal 618 Euro sogar deutlich unter der Armutsschwelle liegen?
Weiß er nicht, dass die Renten im Umlageverfahren funktionieren, also bis auf eine schmale Reserve alle Einnahmen noch im selben Jahr ausgegeben werden. Gesparte Milliarden können somit nicht im Sparstrumpf auf die Rentner von morgen warten. Die Rentenkasse ist – und das ist gut so – eben keine Spardose, sondern eine Institution, die die gesellschaftliche Leistungsfähigkeit anzapft und an die Rentner umverteilt. Jahr für Jahr neu.
Für Hagelüken kann dieses Prinzip offenbar nicht mehr lange gut gehen. Er beklagt zu wenige Kinder, zu viele Rentner und wartet zur weiteren Dramatisierung mit einem bekannten Zahlenvergleich auf:
„Derzeit stehen drei Beschäftigte bereit, um einen Senior zu finanzieren. Bald sind es nur noch zwei.“
Dächten die vermeintlichen Experten nur ein wenig nach, kämen sie selber dahinter, dass dieser Zahlenvergleich nicht stimmen kann. Derzeit leben 21 Millionen Rentner in Deutschland. Um auf ein Verhältnis von 3:1 zu kommen, müssten 63 Millionen Personen in die Rentenkasse einzahlen. Doch nur knapp 33 Millionen sind versicherungspflichtig beschäftigt. Bereits jetzt kommen auf einen Rentner also „nur“ 1,6 Einzahler. Die stets als Gefahr beschworene demografische Katastrophe liegt also bereits hinter uns.
Und dennoch funktioniert das Prinzip der gesetzlichen Rentenzahlung. Es würde natürlich noch viel besser funktionieren, wenn jene 12 Millionen Erwerbstätigen, die derzeit nicht in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, ebenfalls in diese integriert würden. Stattdessen wird mit Verve Rentenpanik verbreitet.
Unter dem Titel „Wer soll das bezahlen? Die Zukunft der Rente“ diskutierte WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn im ARD-Presseclub mit vier Fachjournalisten. Gleich zu Beginn verkündete Moderator Jörg Schönenborn, die GroKo steuere mit Vollgas in eine Kostenexplosion der Renten und die junge Generation müsse dafür die Zeche zahlen. Und kein einziger und keine einzige seiner geladenen Fachjournalisten von Rheinischer Post bis Wirtschaftswoche stellte die These von der angeblichen Überlastung der Jungen in Frage. Alle beteten fromm die Notwendigkeit des von Gerhard Schröder und Walter Riester installierten Drei-Säulen-Modells nach. Eine Rückkehr zu einer Rente alter Prägung, die den bisherigen Lebensstandard auch im Alter einigermaßen sicherte? Vollkommen unmöglich, weil viel zu teuer und nicht finanzierbar für die Jungen!
Nur zur Klarstellung: Die zweite und dritte Säule, also die über Lebensversicherungen organisierten neuen Betriebsrenten und die Riester-Rente erleben derzeit ein gewaltiges Kosten- und Renditedesaster. Das Drei-Säulen-Modell sorgt nachweislich erst für deutlich höhere Gesamtbeiträge und später für eine schlechtere Gesamtversorgung als eine starke gesetzliche Rente.
Die Hauptleidtragenden dieses Unfugs sind übrigens die Jungen von heute. Also jene Gruppe, die man angeblich vor Überlastung bewahren will.
Die einzigen Gewinner des Drei-Säulen-Modells sind die Arbeitgeber sowie die Lebensversicherer wie Allianz & Co. Sie profitieren von den niedrigsten Rentenversicherungsbeiträgen seit über 20 Jahren und einem stark wachsenden Markt privater Altersvorsorge.
All das ist den Experten offenbar unbekannt. Sie schüren stattdessen die Angst unter den Jungen mit ihrer unsäglichen These vom Kampf Jung gegen Alt. Auch im Presseclub darf natürlich der berühmte Zahlenvergleich nicht fehlen: heute noch drei Beitragszahler, doch demnächst angeblich nur mehr zwei Beitragszahler für einen Rentner. Oft genug wiederholt setzen sich auch falsche Zahlen irgendwann in den Köpfen fest.
Die Presseclub-Diskutanten ziehen daraus den Schluss: Noch viel mehr private Vorsorge tue not. Am besten per sogenanntem Obligatorium, also verpflichtend für alle Beschäftigten. Ob sich die vielen Niedriglöhner das überhaupt leisten können? Doch wen interessiert das? Weder Jörg Schönenborn, noch einer seiner Gäste kommt übrigens auf die naheliegende Idee, zur Finanzierung der Rente auch jene heranzuziehen, die bislang nichts beitragen: Freiberufler, Selbstständige und Beamte. Ein Trauerspiel.