Ich habe meine Frau und meine Tochter 2016 temporär deportiert, nach Frankreich, zu Freunden. Eine unbekannte Täterin hatte damals am Gymnasium einen Anschlag auf meine Tochter verübt, die Kripo ermittelte wegen versuchter schwerer Körperverletzung inklusive Inkaufnahme der Tötung des Opfers, musste ihre Ermittlungen aber sofort wieder einstellen, da die Tatverdächtige erst zwölf Jahre alt war und daher nicht verhört werden konnte. Jugendamt und Psychologen waren auf meiner Seite, als ich eine vorübergehende Beschulung meiner Tochter durch einen Privatlehrer — von mir bezahlt — anregte; die Schulbehörde weigerte sich, irgendwelche Empfehlungen und Gutachten zu lesen, und kündigte an, wenn meine Tochter nicht binnen zwei Wochen an einer neuen Schule erschiene, würde man sie meiner Frau und mir entziehen, sie in die Psychiatrie einweisen und geeignet medikamentös betreuen.
Wie die meisten Eltern wusste ich damals nichts allzu Genaues über die diesbezügliche Rechtslage in Deutschland, lernte aber notgedrungen schnell. Daher die Deportation meiner Frau und meiner Tochter. Es ging ja nicht anders.
Meine Tochter hat hernach, in Frankreich lebend, online auf Deutsch beschult — doch, das ist erlaubt —, eine Klasse übersprungen, ihre mittlere Reife mit prima Noten in NRW abgelegt und ist weiterhin eine wunderbare junge Dame mit hoher Sozialkompetenz sowie ihrem IQ in den obersten 5 Prozent. Ich gehe davon aus, dass sie diese Kompetenzen sinnvoll einsetzen wird — im Ausland.
Die damaligen Vorfälle haben sie für ihr Leben einiges gelehrt, sie wird sich nicht an die Behörden wenden, wenn ihr Unrecht widerfährt, und sie wird sich sicher nicht als Beamtin bewerben. Mich und meine Frau hat der damalige Ausflug unsere gesamten Ersparnisse und Rentenansprüche gekostet.
Aber all das schreibe ich Ihnen nicht, weil ich bemitleidet werden möchte — danke, es geht uns gut, unsere Tochter ist heil, der Rest ist nebensächlich —, sondern nur als persönliche Einleitung im Sinne von „Wer ist er denn, was weiß der schon?“ zu jenem jüngst geschaffenen Sachverhalt, den Sie als Eltern zumindest kennen, verstehen und für sich selbst bewerten sollten: dem Beschlussprotokoll der deutschen Bundesärztekammer zum Muttertag 2021 (1).
Von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FASZ) tönte noch in den sonnigen Sonntagsmorgen der Titelseiten-„Aufschrei“ von Lucia Schmidt: „Befreit die Jugend!“ — juhuu, aber Spoiler, zwischen den Zeilen: Da könnte Impfen helfen —, während Astra flächendeckend freigegeben wurde, die Welt am Sonntag (WAMS) zusätzlich den kommenden „Superimpfstoff“ bereits im Blick hatte und vollständig passend zur neuen Religion Magnus Heier konstatierte: „Ideal, um viele Menschen zu impfen, wären Kirchen“ (ebenfalls in der FASZ) (2).
Aber in diesen inzwischen zermürbend normalen Spritzen-Taufrausch mischte sich dann auch von der Seite ein jedenfalls für mich alarmierendes Abstimmungsergebnis aus der deutschen Ärzteschaft, denn deren Vertreter hatten mit 210 zu 7 Stimmen bei 6 Enthaltungen auf ihrem Ärztetag online ganz am Rande einen Beschluss gefasst, der in einer Forderung gipfelt, und zwar dieser:
„Die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe erlangen Familien mit Kindern nur mit geimpften Kindern zurück.“
Das kann zwar ein Ärztetag nicht beschließen, aber immerhin so formulieren und von der Politik fordern, dazu braucht es ja nur einen geeigneten Antrag von Mitgliedern. Der Tagesordnungspunkt „Notwendige COVID-19-Impfstrategie für Kinder und Jugendliche 2021/2022“ beinhaltet im Wesentlichen dieses Fazit betreffend unsere „14 Prozent unter 16-jährigen“ Mitbürger:
„Auch Kinder und Jugendliche haben deutliche gesundheitliche Risiken infolge einer SARS-CoV-2-Erkrankung. Deshalb muss die Immunität auch für diese Gruppe durch eine Impfung und nicht durch eine Durchseuchung erzielt werden. (…) Das Recht auf Bildung mit Kita- und Schulbesuch kann im Winter 2021/2022 nur mit einer rechtzeitigen COVID-19-Impfung gesichert werden. Ohne rechtzeitige Impfung, insbesondere auch für jüngere Kinder, führt ein erneuter Lockdown für diese Altersgruppe zu weiteren gravierenden negativen Folgen für die kindliche psychische Entwicklung.“
Die damit zusammenhängenden Forderungen sind regelrecht logisch:
„(…) Der 124. Deutsche Ärztetag 2021 fordert die Bundesregierung auf, unverzüglich eine COVID-19-Impfstrategie für Kinder und Jugendliche zu entwickeln und vor Einsetzen des Winters 2021/2022 umzusetzen. Dazu gehört es unter anderem, die Forschung zu Impfstoffen für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren sofort und nachhaltig mit ausreichenden finanziellen und organisatorischen Maßnahmen zu fördern, hinreichend adäquate Impfstoffe zu bestellen und zeitnah auszuliefern, proaktiv mediale Kommunikation für die Impfung von Kindern und Jugendlichen vorzubereiten und umzusetzen sowie Kinder- und Jugendärzte in Praxis, Klinik und Öffentlichem Gesundheitsdienst (ÖGD) und Hausärzte als Drehscheibe für Kommunikation und bei kurzfristiger Impfdurchführung zu unterstützen.“
Zugegeben, es liest sich ein bisschen sonderbar. Die „unverzügliche Impfstrategie“ zu entwickeln, das könnte ja auch die Pharmaindustrie fordern oder eben die Regierung von den Ärzten, aber, mei, es können ja auch andersrum mal die Ärzte was von der Regierung fordern, so kann die Regierung auf den Druck der Ärzte reagieren und trifft keine politisch motivierte Entscheidung, sondern beugt sich dem Druck von echten Fachleuten.
Dass Ärzte in dem Zusammenhang dann auch gleich noch von der Regierung fordern, diese solle ihre Propagandamaschine zusätzlich anfeuern („Ärztetag (…) fordert die Bundesregierung auf, (...) proaktiv mediale Kommunikation für die Impfung von Kindern und Jugendlichen vorzubereiten und umzusetzen“), fällt dem unschuldigen Betrachter sicher auch nicht als ungewöhnlich auf, ebenso wenig dürfte dieser bemerken, dass die 210 zu 7 Ärzte ja de facto mit Nachdruck verlangen, ihre Regierung möge Minderjährige zur Teilnahme an einer laufenden Medikamentenstudie förmlich nötigen.
Der altmodische Grundsatz „primum non nocere“ scheint unter den Tisch gefallen zu sein, der Nürnberger Kodex gleich mit, aber wo wir schon mal da sind, unterm Tisch, wollen wir doch auch gleich noch konstatieren, welche sonderbare Sonderstellung hier die deutsche Ärzteschaft einnimmt als weltweite Speerspitze der Pandemiebekämpfung mittels Durchimpfung der Gesamtbevölkerung von der Wiege an.
Hier ist sicher nicht der Ort, diese besondere deutsche Neigung etwas gründlicher auszuleuchten (3), belassen wir es dabei, dass wir eben hervorragend solidarisch sind und generell zu mehr Opfern bereit als die Bewohner anderer Länder. Uns stört es nicht, in einem Niedriglohnland zu leben und die weltweit höchsten Strompreise zu zahlen, wenig Wohneigentum zu besitzen und kaum Rentenansprüche (4). Und auch in Sachen Gesundheit gehen wir gern geschlossen voran, wir werden zwar nicht so alt wie die Menschen in all unseren Nachbarländern (5), haben aber dafür das schönste und teuerste Gesundheitssystem. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Entscheidend an Antrag und Beschluss der 210 zu 7 Ärzte aber ist, nochmals wiederholt:
„Die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe erlangen Familien mit Kindern nur mit geimpften Kindern zurück.“
Was nur — schlimm genug — wie die Forderung nach Impfapartheid klingt, enthält aufgrund des deutschen Sonderweges in Sachen Schulpflicht fast unsichtbar eine größere Portion TNT.
Denn den meisten Eltern ist nicht bewusst, dass die Staatsschulgebäudeanwesenheitspflicht, begründet mit einem übrig gebliebenen Gesetz von 1938, ansonsten weltweit eigentlich nur in Nordkorea gilt (6). Sprich: Stellten zum Beispiel französische Ärztevertreter eine so beispiellose Forderung an die eigene Regierung wie die deutschen Ärzte, bliebe den Eltern die Option, Ärzten wie Regierung einen Apartheidsvogel zu zeigen und sich selbst wie dem eigenen Kinde zu sagen:
„Gut, wenn diese Typen alle durchdrehen, dann beschulen wir dich halt zu Hause oder privat.“
Das aber ist in Deutschland unmöglich — und strafbewehrt. Will sagen: Es besteht keine Impfpflicht — natürlich nicht! Niemals! —, aber es besteht Schulpflicht. Darf nun das Kind nicht am Schulunterricht teilnehmen, weil es ungeimpft ist und so andere gefährdet („Auch Kinder und Jugendliche haben deutliche gesundheitliche Risiken infolge einer SARS-CoV-2-Erkrankung“), muss das gefährdende Kind dennoch am Schulunterricht teilnehmen. Nimmt es nicht teil und sorgen die Erziehungsberechtigten nicht dafür, dass das Kind seiner Pflicht nachkommt, wird den Eltern das Sorgerecht entzogen.
Der Staat übernimmt dann mittels Heimunterbringung und sorgt fürs Kindeswohl — dazu gehört, natürlich, die Impfung, denn nur die schützt das Kind vor schwerer Erkrankung sowie der für die Kindesseele so schädlichen Isolation von Gleichaltrigen. Wer wollte bestreiten, dass es im Schlafsaal viel schöner ist als zu Hause, so allein im Kinderzimmer ...
Eltern bleibt mithin in dieser weltweit fast einzigartigen Pflichtenkonstellation nur die Wahl, ihr minderjähriges Kind als Versuchskaninchen zur Verfügung zu stellen und bei sich zu Hause zu behalten oder ihr Kind als Versuchskaninchen zur Verfügung zu stellen und in staatliche Fürsorgehand zu verlieren.
Gleich wie: Die Option, im Namen des Kindes die Impfung zu verweigern, besteht ausdrücklich nicht — sofern die Ärzte mit „ihrer“ Forderung bei der Regierung Gehör finden, also einer Forderung, die, wie bereits oben bemerkt, rein zufällig klingt, als sollte sie doch eigentlich vonseiten der Pharmaindustrie und Regierung an die Ärzteschaft herangetragen werden. Aber gut, das sind Petitessen, wen kümmert‘s noch, wer was von wem verlangt, wenn doch alle das gleiche Maß an Vernunft permanent unter Beweis stellen.
Welcher Ausweg bleibt Eltern, die irrglauben, sie verstünden irgendwas von Kindeswohl oder würden gar ihr eigenes Kind gut kennen? Die Gründung eigener, freier, ungeimpfter Schulen? Beileibe nicht, denn der Staat entscheidet, was an diesen Schulen erlaubt ist und was nicht. Im Übrigen schlage man sich derartige Ideen auch schon deshalb sofort aus dem Kopf, weil die Mehrheit solche weitere Pandemien treibenden Superspreaderzentralen im Leben nicht in der eigenen Nachbarschaft dulden würde.
Vergessen wir nicht, dass die klügste Stimme unserer Massen, Propagandaphilosoph Richard David, nicht erst 2021 die Maske hat fallen lassen, sondern schon 2013 in „Anna, die Schule und der liebe Gott“ ganz grundsätzlich schwerste Stellung bezogen hat gegen jeden Versuch verrückter Eltern, die Staatsschulpflicht wie überall auf der Welt als Bildungspflicht der Eltern ihrem Kind gegenüber zu verankern: Diese Idee ist, weiß Precht, „abwegig“ und „in jeder Hinsicht asozial“, jede nicht staatliche Bildung verfehlt ihr Ziel, denn: „Einübung in demokratische Staatsbürgerlichkeit sieht anders aus.“
Daher forderte Precht schon 2013 die „allgemeine Kindergartenpflicht vom dritten Lebensjahr an (…), diesen nicht allzu hohen Preis müssen sie — Eltern, die ihre Kinder in diesem Alter gern bei sich zu Hause behalten möchten — für das Allgemeinwohl und die Zukunft des Landes zahlen“ (7).
Die nasale Stimme des Volkes wusste zu ergänzen, weise wie stets: „Jeder Widerstand gegen diese Kindergartenpflicht (…) wird sich schnell überleben.“
Jawoll. Fragt sich nun nur: Der Widerstand gegen die verkappte Impfpflicht auch? Vermutlich. Aber dann bleibt, jedenfalls bis zur Formierung des „Team Mensch“ (8) als alles verändernder Kraft, Eltern minderjähriger Kinder tatsächlich keine Wahl — sofern sie das Kindeswohl anders definieren als Staat und Staatsphilosoph, können sie nur noch den Ausweg wählen, den meine Familie und ich damals wählen mussten.
Der Preis ist hoch, wohl wahr, es droht die eigene materielle Vernichtung. Wir haben diesen Preis damals gezahlt, weil es um Leben und Tod unserer Schutzbefohlenen ging, denn unsere Tochter verkörpert die Zukunft.
Aber damit dieser kleine Zwischenruf geeignet versöhnlich endet, will ich ihn gern mit der Versicherung beschließen, dass ich selbstredend Gespenster sehe — wenn auch nicht unter den Betten meiner Kinder —, zur Obrigkeitsskepsis neige, zum Radikalhumanismus und obendrein glaube, besser als ihr, der Staat, zu wissen, was meine Kinder so brauchen an Zuwendung, Geistes- und Herzensbildung. So will ich also gern einräumen, dass ich Teil einer Minderheit bin — und wünsche der Mehrheit von ganzem Herzen, dass ihre unausgesprochene Hoffnung sich erfüllt, dieses ewig zwischen allen Zeilen schwingende: „Ach, es wird schon gutgehen.“
Es wird sich zeigen. Aber kommt mir nicht zum Studienende 2023 mit der Klage „Das hätte uns ja auch mal einer sagen können.“
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/124.DAET/Beschlussprotokoll_Stand_06.05.2021.pdf, Seite 31
(2) FASZ, 9. Mai 2021, „Macht hoch die Tür“ — „Ideal, um viele Menschen zu impfen, wären Kirchen.“ (Seite 60) Gastautor Magnus Heier ist Facharzt für Neurologie in Castrop-Rauxel, also sicher Experte für Impfungen, Grundrechte und Religion.
(3) Siehe „Wer, wenn nicht Bill/Wir!“, Seite 22 folgende, Rubikon 2021
(4) Ebenda
(5) Vergleiche „Rette sich, wer kann!“, Seite 26 folgende, Westend 2019
(6) Hurra, hurra, die Schulpflicht brennt. Rubikon, 15. April 2017
https://www.rubikon.news/artikel/hurra-hurra-die-schulpflicht-brennt
(7) Siehe David Richard Precht, Anna, die Schule und der liebe Gott, Goldmann 2013, Seiten 297-299
(8) Siehe „Wer, wenn nicht Bill/Wir!“