„Was wir jetzt erleben ist unverhältnismäßig und richtet großen Schaden an“, sagt der Lungenarzt und Epidemiologe Wolfgang Wodarg. Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete kritisiert die offiziellen Maßnahmen, die verhindern sollen, dass sich der neue Virus Sars-Cov-2 weiter ausbreitet. „Der Schaden durch die Maßnahmen ist mit Sicherheit größer als der Schaden, den eine Grippewelle anrichtet, wie wir sie jetzt beobachten.“
Wodarg hat das in einem Interview mit dem Online-Magazin „Rubikon“ gesagt, das am Montag veröffentlicht wurde. Er ist nach eigenen Angaben Internist, Lungenspezialist, Sozialmediziner, Arzt für Hygiene und Umweltmedizin und war langjähriger Leiter eines Gesundheitsamtes. Zugleich hat er politische Erfahrungen gesammelt: Von 1994 bis 2009 als Bundestagsabgeordneter für die SPD. Dort war er Sprecher der Enquetekommission Ethik und Recht der modernen Medizin.
Wodarg war außerdem stellvertretender Fraktionsvorsitzender in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und Vorsitzender des dortigen Unterausschusses für Gesundheit.
Der Experte hat für Aufsehen gesorgt, weil er sich deutlich kritisch zu den offiziellen Erklärungen und Reaktionen zum Corona-Virus Sars-Cov-2 und der durch diesen ausgelösten Krankheit Covid-19 geäußert hat. In einem unter anderem am 7. März im Online-Magazin „Multipolar“ veröffentlichten Beitrag forderte er: „Panikmacher isolieren“. Wodarg stellte dort fest: „Dem Corona-Hype liegt keine außergewöhnliche medizinische Gefahr zugrunde. Er verursacht aber eine erhebliche Schädigung unserer Freiheits- und Persönlichkeitsrechte durch leichtfertige und unberechtigte Quarantänemaßnahmen und Verbotsregelungen.“
Kritik an Institutionen
Zudem stellte er fest: „Alle Institutionen, die uns jetzt wieder zur Vorsicht alarmieren, haben uns schon mehrfach im Stich gelassen und versagt. Viel zu oft sind sie institutionell durch Sekundärinteressen aus Wirtschaft und/oder Politik korrumpiert.“
Bei jeder Grippe-Welle würden „auch immer sieben bis 15 Prozent der akuten Atemwegserkrankungen (ARE) auf das Konto von Corona-Viren gehen“, so Wodarg. Und: „Es sterben bei den allwinterlichen Infektionswellen auch immer etwa einer von je tausend Erkrankten. Durch selektive Anwendung von Nachweisverfahren – zum Beispiel nur in Kliniken und medizinischen Ambulanzen – lässt sich diese Rate natürlich leicht in beängstigende Höhe treiben, denn jenen, die dort Hilfe brauchen, geht es meistens schlechter als jenen, die sich zu Hause auskurieren.“
Wodarg meint: „Die Horrormeldungen aus Wuhan waren etwas, worauf Virologen in aller Welt auf der Lauer liegen.“ Und weiter: „Sogleich wurden die in den Kühlschränken vorhandenen Virusstämme gescannt und mit den gemeldeten Neulingen aus Wuhan fieberhaft verglichen. Ein Labor an der Charité gewann das Wettrennen bei der WHO und durfte seine Inhouse-Teste [interne Teste – Anm. d. Red] weltweit zu einem Mehrfachen des üblichen Preises vermarkten.“
Zweifel an Testergebnissen
Der Lungenarzt zweifelt die Testergebnisse an, da sie nicht auf Proben aus Wuhan basieren, wie er in dem neuen Interview betont. Er zitiert dabei aus der Arbeit, mit dem der Berliner Charité-Virologe Christian Drosten mit internationalen Fachkollegen den sogenannten PCR-Test, der nun überall angewendet wird, am 23. Januar 2020 angemeldet hat. Danach stammen die verwendeten Proben von sechs in Europa heimischen Nashorn-Fledermäusen. Der Nachweis der darin gefunden Sars-Corona-Viren „legt nahe, dass wahrscheinlich alle asiatischen Viren nachgewiesen werden“, ist in dem Papier nachzulesen.
„Das heißt, dieser Test ist nicht spezifisch für ein bestimmtes Wuhan-Virus“, so Lungenarzt Wodarg dazu. Er würde dagegen alle in Europa vorkommenden Sars-Corona-Virus-Typen anzeigen. Die internationale renommierte Virologin Karin Mölling hatte gegenüber Sputniknews ebenfalls auf begründete Zweifel an den Tests hingewiesen, mit denen die derzeitige Corona-Krise nicht nur in Deutschland begründet wird. Die vorsichtigen Formulierungen von Drosten und Kollegen spielten dabei noch nicht einmal eine Rolle, obwohl sie nicht von hoher Sicherheit der Aussagen zeugen.
Doch solche Zweifel, fachlich begründet, werden derzeit anscheinend mit allen Mitteln beiseite gewischt. Das geht soweit, dass kurzzeitig Meldungen kursierten, wonach eine Aussage von Wodarg zum Thema, die in der ZDF-Sendung „Frontal 21“ vom 10. März ausgestrahlt wurde, aus der Mediathek des öffentlich-rechtlichen Senders genommen worden sei. Inzwischen ist dort aber wieder die vollständige Sendung zu sehen, einschließlich der Aussagen des Lungenarztes.
„Bin kein Verschwörungstheoretiker“
Die „Frontal 21“-Redaktion hat das um eine interessante Erklärung ergänzt, in der es unter anderem heißt: „Prof. Tom Jefferson, Epidemiologe des renommierten Cochrane-Instituts aus Rom, teilt die Bewertung Wodargs. Wissenschaftler des Cochrane-Instituts arbeiten beständig daran, die evidenzbasierte Medizin weiter zu entwickeln, so dass Entscheidungen in Gesundheitsfragen durch hochwertige systematische Übersichtsarbeiten und Metaanalysen getroffen werden. Jefferson stellt dabei immer wieder heraus, dass Viren generell, das Coronavirus im Besonderen, nicht ausreichend erforscht sind, um abschließende Ergebnisse über die Gefährlichkeit von Viren und zu den Gegenmaßnahmen zu erbringen.“
Das ist genauso bemerkenswert, wie die Tatsache, dass die ZDF-Redakteure Wodarg, der im Vorstand von „Transparency Deutschland“ die Arbeitsgruppe für Gesundheit leitet, zum Vorwurf zitieren, er sei Verschwörungstheoretiker: „Ich bin Wissenschaftler. Ich habe meine Zeit noch niemals mit Verschwörungstheorien verbracht, und werde das auch nicht tun.“
Beachtenswert ist ebenso die Aussage von Jefferson über die vermeintlich besondere Gefährlichkeit von Sars-Cov-2. Mit der von dem Virus angeblich ausgehenden Gefahr werden die von Wodarg kritisierten staatlichen Maßnahmen bis zu zum derzeitigen Kontaktverbot hierzulande und schärferen Varianten in anderen Ländern begründet. Die Zweifel des Lungenarztes daran werden ihm vorgeworfen.
Bereitschaft zu Gespräch mit Drosten
Das und der Vorwurf der „Verschwörungstheorie“ sind immer noch in der Welt, vor allem durch tatsächliche und vermeintliche Faktenchecks, mit denen private und öffentlich-rechtliche Medien versuchen, Wodarg zu widerlegen. Auch die „Faktenfinder“ der ARD-„Tagesschau“ versuchen das und werfen dem fachkundigen Lungenarzt vor, er lasse bei seinen Erklärungen wichtige Details weg. Die „Schwäbische Zeitung“ sortierte seine Aussagen in eine Reihe von „Verschwörungstheorien und Fake-News“ ein, die sie angeblich enttarnt.
Der Charité-Virologe und Regierungsberater Drosten äußerte sich in seinem Podcast im Norddeutschen Rundfunk (NDR) am 18. März zu Wodargs Vorwurf, die Teste seien unsicher. Dafür seien „Hunderte von Proben mit anderen Corona-Viren und anderem Erkältungsvirus“ ausgewertet worden, erklärte der Virologe. „Und nicht ein einziges Mal hat es da eine falsch positive Reaktion gegeben“, so dass der Test „gegen kein anderes Corona-Virus des Menschen und gegen kein anderes Erkältungsvirus des Menschen“ reagiere. Diese von Drosten hervorgehobene Eindeutigkeit ist aber nicht in dem von ihm mitverantworteten offiziellen Material zum Test zu finden. Lungenarzt Wodarg erklärte sich bei „Rubikon“ bereit, mit Drosten darüber zu reden „ohne Medien-Show“.
Wodarg warnt in seinem Text und auch im aktuellen Interview vor finanziellen Interessen im Hintergrund der Corona-Krise und vor „interessengetriebenen Grippewächtern“. Er stellt fest: „Es kann schon fassungslos machen, wenn man als routinierter Seuchenwächter sich das derzeitige Getümmel, die Panik und das dadurch erzeugte Leid anschaut. So wird es sicher vielen Verantwortlichen gehen, die heute wie damals bei der ‚Schweinegrippe‘ vermutlich ihren Job riskieren würden, wenn sie sich dem Mainstream entgegenstellen.“ Er befürchtet, dass eine ganze Reihe von Wissenschaftlern derzeit „der Politik oder der Wirtschaft nach dem Munde“ reden.
Schweinegrippe 2009 als Muster?
Im aktuellen Interview verweist er auch darauf, dass der derzeitige Leiter des maßgeblichen Robert-Koch-Institutes (RKI), Lothar Wieler, Veterinärmediziner, konkret Fachtierarzt für Mikrobiologie, ist. Das RKI ist dem Bundesgesundheitsministerium unterstellt. Wodarg erwähnt das im Zusammenhang mit dem Skandal um die Mexikanische Schweinegrippe 2009, als die Weltgesundheitsorganisation WHO eine „Fake-Pandemie“ ausgerufen habe. Die Impfstoff-Hersteller hätten damals ein Milliarden-Geschäft gewittert, das durch Horrorszenarien gestützt werden sollte. Er habe damals einen Untersuchungsausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Europarates mitanregen können, der die Zusammenhänge 2010 aufgedeckt habe.
Wodarg meint im Interview, er sei bereits damals auch als „Spinner“ angefeindet worden. Er habe durch seine Arbeit als Abgeordneter die WHO und deren Strukturen kennengelernt habe, auch im Zusammenhang mit der Vogelgrippe im Jahr 2005. Dabei sei der damalige Influenzadirektor der WHO, der deutsche Veterinärmediziner Klaus Stöhr, besonders aktiv gewesen. Der warnte damals vor einer weltweiten Grippeepidemie mit Millionen Toten: „Die Frage ist nicht, ob sie kommt, sondern nur noch wann.“
Kritiker wurden auch damals abgewiesen und beschimpft, während die WHO die Horrorszenarien immer schrecklicher ausmalte – bis ein Jahr später die Vogelgrippe kein Thema wahr. Die Zeitschrift „Cicero“ stellte später fest: „Die einzige Folge der ganzen Affäre: Klaus Stöhr, der Millionen von Toten prophezeit hatte, wechselt 2007 - konsequenterweise – zu Novartis, dem weltweit drittgrößten Pharmahersteller.“
Kritik und Zweifel an China
Zur gegenwärtigen Corona-Virus-Pandemie, ausgerufen von der WHO am 11. März, sagt Wodarg: „Hier laufen Pandemiepläne ab, wie ein Programm, das vorher geschrieben worden ist, mit all den Schritten, die man in solchen schlimmen Fällen machen muss.“ Den Auslöser dafür hätte ein Virologe gegeben, der erklärt habe, dass er im chinesischen Wuhan etwas ganz Gefährliches entdeckt habe, dass es vorher noch nie gegeben haben soll. Etwas bisher Unbekanntes unter den Viren und anderen Mikroben zu entdecken, sei jedoch immer möglich, meint Wodarg.
Der Lungenarzt spart nicht mit Kritik an China. Zu den aktuellen offiziellen Meldungen aus Peking, dass in dem Land keine neuen Infektionen festgestellt wurden, sagte er: „Das gibt es nicht, das ist unmöglich. Das kann man nur feststellen, wenn man aufhört zu testen.“ Auch die Virologin Mölling hatte gegenüber Sputniknews darauf hingewiesen, dass der neue Corona-Virus nicht wieder verschwinden wird. Wodarg meint: „China hat uns Angst gemacht. Darauf hat die Politik reagiert.“
Die bundesdeutsche Politik habe sich dabei „weit aus dem Fenster gelehnt“. Der Experte warnt vor Notstandsgesetzen, die im Bundestag beschlossen werden sollen, die das Grundgesetz teilweise außer Kraft setzen würden. „Das ist ganz ernst“, betont er und vermisst den Widerstand dagegen von Parteien wie Die Linke oder die Grünen. Nur aus der FDP seien kritische Stimmen zu vernehmen.
Warnung vor neuen Mauern
Viele bundesdeutsche Medien und Politiker haben sich aus Wodargs Sicht auf den gegenwärtigen Kurs festgelegt. „Alle sagen: Wir müssen jetzt zusammenhalten, wir müssen jetzt mit den Leuten, die krank sind, solidarisch sein, und die alten Menschen schützen.“ Das Anliegen könne er gut verstehen, wenn jemand von der Sache nichts verstehe und Rat suche.
„Es ist absurd, was jetzt passiert“, sagt der Lungenarzt im Rubikon-Interview. Jetzt würden mit Covid-19 „Mauern zwischen den Menschen in Deutschland“ gebaut, die schlimmere Folgen als die einstige „Berliner Mauer“ hätten. „Wir müssen sehen, dass diese Mauern so schnell wie möglich wieder weg sind.“ Notwendig sei ein „Kurswechsel ohne Gesichtsverlust“ durch die Politiker, die die derzeitige Lage zu verantworten hätten. Für diese hätten auch die Medien eine „riesige Verantwortung“.
Auf seiner Webseite gibt Wodarg ausführlich Antwort auf eine Reihe von Fragen zu Covid-19.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Artikel wurde zuerst auf SputnikNews veröffentlicht.