In vielen der nationalen Ligen des Profi- und Amateurfußballs sind Spielertransfers gang und gäbe. Während einige der Öffentlichkeit recht schnell bekanntgegeben werden, halten sich andere Vereinswechsel von Fußballspielern oftmals noch als Gerücht oder die Geschäfte befinden sich noch in Verhandlungen.
Ein Jahr gleicht dem nächsten: Der Transfermarkt im Fußball brodelt immerzu. An manchen Tagen überschlagen sich sogar die Meldungen. Die Sportberichterstatter nehmen täglich neue irrationale Zahlen in den Mund und dennoch machen sich nur die wenigsten Beobachter über deren Bedeutung irgendwelche Gedanken.
Irreale Summe
Im Sommer 2017 wechselte der brasilianische Fußballnationalspieler Neymar vom spanischen Fußballverein FC Barcelona zum französischen Proficlub Paris St. Germain. Dieser Spielerwechsel löste ein gigantisches Medieninteresse aus, da Neymar für einen Preis von 222 Millionen Euro gewechselt ist.
Eine derartige Geldsumme floss nie zuvor zwischen zwei Fußballvereinen und lässt sich daher kaum mit der Vorstellung verknüpfen, dass ein Mensch allein aufgrund seiner Fertigkeiten einen solchen Geldwert besitzt.
Bereits zuvor hatte es Spielertransfers in Höhe von 100 Millionen Euro gegeben. Der walisische Fußballnationalspieler Gareth Bale war im Sommer des Jahres 2013 für mehr als 100 Millionen Euro von den Tottenham Hotspurs (England) zu Real Madrid (Spanien) gewechselt. Das war damals der teuerste Spielertransfer weltweit.
Drei Jahre später wurde dieser Rekord durch den französischen Nationalspieler Paul Pogba abgelöst. Er war für die Ablösesumme von 105 Millionen Euro von Juventus Turin (Italien) zu Manchester United (England) zurückgekehrt.
Ein Fußballspieler, der die Fähigkeit besitzt, einen Ball sehr gut zu dribbeln, ein ausgewiesen gutes taktisches Verständnis aufweist und für einen Verein zahlreiche Tore schießt, wird also für fast eine Viertelmilliarde Euro verkauft. Der Transfer solcher Geldsummen ist allerdings für manch einen misstrauischen Zeitgenossen unbegreiflich.
Dieser monetäre Wert wird letztlich an ein paar fußballerischen Fertigkeiten festgemacht. Es fehlt dafür jedoch eine einleuchtende Begründung und zugleich ist es obskur, dass der Mensch zu einer geldwerten Ware auf dem fußballerischen Transfermarkt wird.
Im Fußball würde kaum ein Profi, Trainer, Funktionär oder Manager zugeben, dass international mit Menschen gehandelt wird.
Diese Aussage würde schließlich das Fußballgeschäft zerstören. Sie könnte den ruhmreichen Zeiten dieses Sportes ein nahes Ende setzen, wenn die Stimmen der Kritiker lauter werden würden.
Schlussendlich lässt das Spiel mit solch irrealen Geldsummen ein trauriges Geschäft zu, das doch international bekämpft werden sollte. Diese Summen sind bezeichnend für die Gier nach dem großen Geld im Sport und zugleich ein Ausdruck der vollständigen Kommerzialisierung des Fußballs. Es ist das Geschäft mit dem Menschen, das den Fußball längst in eine Tragödie verwandelt hat.
Die Ware
Der Handel mit Fußballprofis blüht wie derzeit kaum ein anderes Geschäft im Profisport. Die fußballerischen Fachexperten wollen dennoch vermeiden, dass im weltweiten Fußball von Menschenhandel die Rede ist.
Für manch einen „Fußball-Konsumenten“ ist es ein schwieriges Unterfangen, diesen Sport nicht doch einmal kritisch zu hinterfragen, denn in der Sportberichterstattung liest er nahezu täglich vom Transfermarkt sowie den Marktwerten der Fußballprofis. Die Gewöhnung härtet ab. Dabei braucht es kein großes ökonomisches Verständnis, um herauszufinden, dass Fußballprofis für die Vereine eine Ware darstellen.
Karl Marx definierte in „Das Kapital“: „Die Ware ist zunächst ein äußerer Gegenstand, ein Ding, das durch seine Eigenschaft menschliche Bedürfnisse irgendeiner Art befriedigt.“ (1)
Des Weiteren führt Marx an: „Die Nützlichkeit eines Dings macht es zum Gebrauchswert.“ (1)
Diese Gedanken lassen sich hervorragend auf den Fußball übertragen. Der Fußballspieler ist dieses spezielle Ding: In seiner Eigenschaft, Tore zu schießen oder Gegentore zu verhindern, befriedigt er das menschliche Bedürfnis des Siegens und der Gewinnmaximierung. Je nützlicher er ist, das heißt, je mehr Tore der Fußballprofi schießt oder je mehr Gegentore er verhindert, desto höher ist letztendlich sein Gebrauchswert.
Da ist es wohl auch kein Zufall, dass viele der sogenannten Bundesligavereine gar keine eingetragenen Vereine mehr sind. Vielmehr sind sie mittlerweile Aktien- oder Kommanditgesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung und somit Unternehmen. Diese besonderen Vereinsformen haben jedoch andere Ursachen als den bloßen Handel mit Menschen.
Was ist Menschenhandel?
Die Vereinten Nationen haben sich im Jahr 2000 in dem sogenannten Palermo-Protokoll auf eine Definition des Menschenhandels verständigt. Das Deutsche Institut für Menschenrechte definiert ihn wie folgt: „Menschen anwerben, anbieten, verbringen, vermitteln, beherbergen oder annehmen durch die Anwendung unerlaubter Mittel wie Täuschung, Zwang, Drohung oder Nötigung zum Zweck der Ausbeutung“ (2).
Unter Ausbeutung wird neben der sexuellen Ausbeutung oder der Entnahme von Körperorganen auch die Ausbeutung der Arbeitskraft verstanden. Unerheblich für die Definition ist auch, ob ein Opfer in die Ausbeutung eingewilligt hat (2).
Das Ausmaß, in dem Menschenhandel weltweit betrieben wird, lässt sich indes nur erahnen. Im Fußball ist der Menschenhandel ein wesentlicher Punkt für die Erzielung des maximalen Gewinns. Dennoch sind jegliche Ausbeutungen des Menschen durch den Menschen niederträchtige Brutalitäten, die ein für den Homo sapiens würdeloses Handeln offenbaren.
Grausamkeiten im Namen des Fußballs
Der hemmungslose Handel betrifft nicht nur den Profifußball, sondern ebenso den Amateurfußball.
Die Methoden sogenannter Agenten sind ungeheuerlich und gehören auf das Schärfste verurteilt sowie verboten. Beispielweise werden in Brasilien junge Fußballtalente unter falschen Versprechungen von zwielichtigen Agenten zuerst getäuscht, danach ausgebeutet und in Staaten wie Indien, Vietnam oder China verkauft.
Das Leid der betroffenen Kinder ist anschließend immens. Den jungen Nachwuchsfußballspielern werden nach ihrer Ankunft am Zielort sämtliche Dokumente weggenommen. Sie werden erniedrigt, eingeschüchtert und durch Gewalt zum Schweigen gebracht.
Die hoffnungsvollen Talente werden mit Knebelverträgen an die undurchsichtigen Fußballagenten gefesselt (3). Eine Flucht scheint kaum möglich. Mit falschen Versprechungen – das heißt: durch Täuschung – werden junge Menschen faktisch versklavt. Ihnen wird jegliche Würde genommen.
Diese Grausamkeiten im Namen des Fußballs passieren weltweit und sind kein Einzelphänomen. Das Geschäft mit den Menschen läuft von den europäischen Schaltzentralen und deren Vertretern auf dem afrikanischen Kontinent äußerst vielversprechend.
Europäische Fußballklubs werben mithilfe von Talentsuchern junge, talentierte Nachwuchsspieler auf dem afrikanischen Kontinent an und versprechen ihnen ein hohes monatliches Einkommen sowie einen Vertrag bei einem Profiverein. Doch schon bei der Ankunft der Nachwuchstalente in Europa hat der Talentsucher bereits einen Großteil des versprochenen Monatsgehalts abgegriffen.
Wenn sie die hohen Erwartungen des Proficlubs nicht erfüllen, entlassen die Fußballvereine die jungen Spieler. Getäuscht, gedemütigt, perspektivlos und ohne Geld müssen sich die Nachwuchsspieler nun in einem fremden Land durchschlagen (4). Der große Traum einer ruhmreichen Profikarriere entwickelt sich schnell zum Albtraum. Der würdelose Handel mit Menschen ist im Fußball für die Sklaventreiber ein Riesengeschäft, um große Gewinne zu machen.
Die Grundlage für diesen Menschenhandel bieten Fußball-Akademien in Afrika. Die Schweizer Zeitschrift Beobachter schreibt dazu: „Verschiedene europäische Klubs haben in Afrika regelrechte ‚Fussball-Plantagen’ eingerichtet, etwa Ajax Amsterdam im südafrikanischen Cape Town oder der französische Verein SC Bastia in Senegal. Afrikanische Klubs und Akademien wiederum sind Partnerschaften mit europäischen Vereinen eingegangen, etwa mit solchen aus Belgien, wo die Einwanderungsbestimmungen für Fussballer [sic!] lockerer gehandhabt werden als in anderen Ländern“ (4).
So ist es möglich, junge Nachwuchstalente preiswert einzukaufen und bei hervorragender fußballerischer Entwicklung zu hohen Preisen weiterzuverkaufen. Keine Frage: Das ist und bleibt Menschenhandel im großen Stil.
Der moderne Menschenhandel
Im hochdotieren Profigeschäft fällt das Wort Menschenhandel nur selten öffentlich. Welcher Fußballfan würde auch auf die Idee kommen, dass dieses ganze Transfer-Hin-und-Her den Oberbegriff des Menschenhandels erfüllt? Gleichwohl gibt es Äußerungen von so manchem Spieler oder Funktionär, die diesen gigantischen Apparat erahnen lassen.
Der deutsche Fußballnationalspieler Christoph Kramer äußerte 2014 in einem Interview mit dem Spiegel, dass sich das Fußballgeschäft „manchmal wie in einem modernen Menschenhandel“ (5) anfühle. Einige Tage später entschuldigte er sich für seine Äußerungen – vermutlich auf Druck des Vereines.
Jeder Profifußballer mit gültigem Vertrag bei einem Fußballverein wird nur gegen eine Ablösesumme an einen anderen Verein verkauft. Aufgrund eines derartigen Vertrages macht sich der Fußballprofi prinzipiell selbst zur Ware. So läuft das Geschäft nun einmal im teilweise millionenschweren Profifußball und selbst im Amateurbereich dürfen Vereine von anderen Vereinen für Spielerwechsel Geld verlangen.
Das ist möglicherweise kein Menschenhandel im Sinne der Definition der Vereinten Nationen. Allerdings ist und bleibt es ein Handel mit Menschen, zumindest im ökonomischen Sinne.
Der ehemalige Vereinspräsident des FC St. Pauli, Conny Littmann, gab in einem Interview in der Zeit die Tiefen dieser Transferproblematik einmal preis, als er betonte: „Ich werde jetzt nichts Konkretes oder Namen nennen. Aber weil dieses Geschäft ein rein spekulatives, von Irrationalitäten geprägtes ist, sitzt man oft Menschen gegenüber, die einem alles von der rosigsten Seite schildern. Das wollen sie dir dann zum höchstmöglichen Preis verkaufen“ (6).
Weiterhin führte Littmann aus: „Zu Beginn der Transferperiode erhalten die Vereine mittlerweile aus ganz Europa, also auch aus Lettland oder Estland, Angebote von Spielerberatern. Das sind alles überragende Fußballer, mindestens Nationalspieler. Wenn diese mehr als hundert Angebote stimmen würden, könnte sich jeder Verein innerhalb von wenigen Stunden ein komplettes Dream-Team zusammenstellen. Was dort betrieben wird, die Fußballer-Verkäufe, sind nichts anderes als moderner Menschenhandel. Das ist Dealerei mit allen möglichen Tricks.“ (6)
Nach seiner Erfahrung können die Berater Einmalzahlungen für getätigte Transfers erhalten und bis zu 15 Prozent des Jahresgehalts eines Spielers mitbeanspruchen (6). Somit profitieren auch die Spielerberater ordentlich vom Handel mit den Fußballprofis.
Wer legt diese Ablösesummen fest?
Für einen Fußballprofi die Ablösesumme von 222 Millionen Euro zu zahlen, ist jenseits jeder vernünftigen Realität. Vor allem im europäischen Fußball wird die Transferblase immer gewaltiger. Profivereine pokern um die besten Preise für jeden einzelnen Spieler und überbieten sich gegenseitig mit den gigantischsten Summen.
Schlussendlich bestimmt der Markt die Preise. Der Glaube an das Talent und die Fähigkeiten eines Nachwuchs- oder Profispielers sowie dessen spielerische Leistungen bestimmen im Endeffekt die Höhe seines Marktwertes. Manch ein Ökonom wird hierbei Parallelen zum Aktienmarkt und anderen Märkten sehen.
Sinkt also die Leistung des Profifußballers und verlieren die Zuschauer, die Medien sowie der Verein den Glauben und das Vertrauen an diesen Spieler, so fällt auch dessen Wert.
Fazit
Der Fußball ist lange nicht der einzige Sport, in dem Handel mit Menschen betrieben wird und in welchem Spieler gekauft und wiederverkauft werden. Gleichwohl ist der Menschenhandel dort sehr ausgeprägt.
Des Weiteren ist eines aber universal in höchstem Maße bedeutsam: Kein einziger Mensch auf dieser Erde sollte aufgrund einzelner Fähigkeit in dem Wert einer Währung bemessen werden dürfen.
Die menschlichen Fähigkeiten sind keine physikalischen Größen, die gemessen werden können und danach anhand einer Wertetabelle zu vergleichen sind. Jeder Mensch ist ein Lebewesen, das doch so individuell ist, dass ein Vergleich in Geldsummen nicht seiner Würde gerecht wird.
Diese Moralvorstellungen sollten für alle Bereiche der Gesellschaft gelten – selbstverständlich auch für den Sport.
Der Fußball beraubt den Menschen seiner Individualität und lässt ihn zu einem Produkt verkommen. Die Vergleiche und finanziellen Bewertungen zwischen einzelnen Fußballprofis führen nur zur Aufwertung des Einen und zur Abwertung des Anderen. Auch Profifußballer sind keine Ware. Sie sind Menschen und verdienen daher eine menschenwürdige Behandlung.
Die Fähigkeiten keines einzigen Menschen weltweit sollten in einem Geldwert bemessen werden. Vielmehr sollte jede spezielle Befähigung eines Menschen durch Hochachtung untereinander gewürdigt werden. Dies zeichnet uns Menschen doch aus.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Marx, Karl: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Erster Band, Seiten 49 bis 50, Dietz Verlag Berlin, 1980
(2) http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/themen/menschenhandel/basisinformationen-zu-menschenhandel/was-ist-menschenhandel/
(3) https://www.11freunde.de/artikel/menschenhandel-mit-brasilianischen-fussball-talenten
(4) https://www.beobachter.ch/auslander/fussballnachwuchs-aus-liebe-zum-schonen-spiel
(5) http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/weltmeister-kramer-im-spiegel-moderner-menschenhandel-im-fussball-a-986464.html
(6) http://www.zeit.de/sport/2011-05/littmann-spielerberater-neuer-praemien/seite-2