„Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche herrschende Gedanken, das heißt die Klasse, welche die herrschende materielle Macht der Gesellschaft ist, ist zugleich ihre herrschende geistige Macht.“ — Karl Marx in „Die deutsche Ideologie“
Worüber ist zu sprechen, wenn man über Herrschaft spricht? Zuerst einmal sicher über den Begriff der Herrschaft selbst. Was also ist, was beschreibt und meint sie, die Herrschaft? Nach Max Weber vor allem die „Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden.“
Gemeint ist mit diesem Begriff also nicht nur die mittels direkter Gewaltandrohung erzwungene Unterwerfung von Menschen unter fremde Interessen und Mächte. Gemeint ist vielmehr jede, ein Gefälle von oben und unten, von Macht und Ohnmacht, von Ausbeutung und Ausnutzung organisierende und legitimierende gesellschaftliche wie individuelle Operation.
Aktuell mag sich die Herrschaftsform, nach der unsere Gesellschaft organisiert ist, zwar zu Recht als parlamentarische Demokratie bezeichnen, es ist damit jedoch nicht gesagt, dass Herrschaft und Machtstrukturen deswegen als solche nicht mehr existent und wirksam wären.
Herrschaft hat sich vielmehr modernisiert und geht heutzutage mit größerer Legitimation bei den Beherrschten einher. Sie organisiert sich dabei subtil bis in die Individuen und ihr Handeln hinein, das diese sodann als ihre „freie Entscheidung“ erleben:
„Was weiß ich schon von mir, wenn ich nicht weiß, dass das Bild, das ich von mir selbst habe, zum größten Teil ein künstliches Produkt ist und dass die meisten Menschen — ich schließe mich nicht aus — lügen, ohne es zu wissen? Was weiß ich, solange ich nicht weiß, dass ‚Verteidigung’ Krieg bedeutet, ‚Pflicht’ Unterwerfung, ‚Tugend’ Gehorsam und ,Sünde’ Ungehorsam? Was weiß ich, solange ich nicht weiß, dass die Vorstellung, dass Eltern ihre Kinder instinktiv lieben, ein Mythos ist? Dass Ruhm nur selten auf bewundernswerte menschliche Qualitäten und häufig nicht auf echte Leistungen gründet? Dass die Geschichtsschreibung verzerrt ist, weil sie von den Siegern geschrieben wird? Dass betonte Bescheidenheit nicht unbedingt ein Beweis für fehlende Eitelkeit ist? Dass Liebe das Gegenteil von heftiger Sehnsucht und Gier ist? Was weiß ich schon von mir, wenn ich nicht weiß, dass jeder versucht, schlechte Absichten und Handlungen zu rationalisieren, um sie edel und wohltätig erscheinen zu lassen? Dass das Streben nach Macht bedeutet, Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe mit Füßen zu treten? Dass die heutige Industrie-Gesellschaft vom Prinzip der Selbstsucht, des Habens und des Konsumierens bestimmt ist und nicht von den Prinzipien der Liebe und Achtung vor dem Leben, die sie predigt? Wenn ich nicht fähig bin, die unbewussten Aspekte der Gesellschaft, in der ich lebe, zu analysieren, kann ich nicht wissen, wer ich bin, weil ich nicht weiß, in welcher Hinsicht ich nicht ich bin.“ — Erich Fromm: Vom Haben zum Sein
In diesem Sinne ist unsere ganze Gesellschaft von teils sichtbaren, überwiegend jedoch subtil-unsichtbaren Formen von Herrschaft durchzogen:
Frauen arbeiten in schlecht bezahlten „Frauenberufen“ und Männer machen „Karriere“; Weiße beuten Nicht-Weiße aus; Kinder werden in Schulen mehr erzogen als zu Selbsterkenntnis und in ein selbstbestimmtes Leben geführt; der globale Norden beutet den globalen Süden aus und der Westen führt Kriege gegen die armen, aber ressourcenreichen Länder der Welt, deklariert dies jedoch anhand des Labels „Freiheit, Demokratie und Menschenrechte“ als zivilisatorische Notwendigkeit.
Mit anderen Worten: Wo wir in den sozialen Verhältnissen, die uns umgeben, zu leben und überleben versuchen, sind wir immer auch und allesamt Täter und Opfer zugleich. Denn wir sind geprägt und umgeben von repressiven Strukturen und verwickelt in Kämpfe um den Erhalt oder Ausbau der durch eigenes Handeln oft nur wenig zu beeinflussenden sozialen Position.
Allerdings sind das nicht alle in gleichem Maße: Ab einer gewissen sozioökonomischen Position sind Diskriminierungen und Benachteiligungen qua Geschlecht, Krankheit, Alter, kultureller und geografischer Herkunft oder Tradition kompensierbar und also von nicht mehr gar so ausschlaggebender Relevanz.
Relevant für die Frage, wer über wen existentiell herrscht, ist daher vor allem eines, nämlich die Frage der Klassenzugehörigkeit: Was nutzen einem schließlich die weitgehendsten demokratischen Rechte, wenn sich die Produktionsmittel dennoch in den Händen nur einiger weniger befinden und die einzige Möglichkeit, die Ressourcen für den je eigenen Lebenserhalt zu erwerben, im Verkauf der eigenen Arbeitskraft zu suchen sind.
Jeder, der schon einmal mit der existenziellen Bedrohung durch Arbeitslosigkeit konfrontiert war, vermag die Totalität dieser Herrschaft deutlich zu ermessen: Man kann zehnmal sozial orientierte Parteien wählen — wenn man einen Job will, muss man sich den Bedingungen „des Marktes“, seinen Preisen und Zumutungen, seiner Konkurrenz und Unkontrollierbarkeit unterwerfen.
Gegenüber als Herrschende und Beherrschte stehen sich in diesem Sinne vor allem die inzwischen zur Redewendung gewordenen „99 Prozent“ der Menschheit und das „andere eine Prozent“, also jene, die über große Teile des Weltvermögens und der globalen Produktionsmittel verfügen — und all die anderen, deren materielle Verfügungsgewalt bei der Verfügung über die eigene Arbeitskraft bereits mehr oder minder beendet ist.
Wenn also eine Handvoll internationaler Konzerne die weltweite Nahrungsmittelindustrie beherrscht und entscheidet, was wir im Supermarkt zu kaufen vermögen, und wenn 147 internationale Konzerne die gesamte Weltwirtschaft kontrollieren, lässt sich erkennen, dass deren sowie der Einfluss ihrer jeweiligen Eigner auf die sozialen und ökonomischen Verhältnisse weltweit entscheidender als jener von demokratisch legitimierten Parlamenten und Regierungen ist.
Das brachte auch Warren Buffet, der drittreichste Mensch der Welt, auf den Punkt, als er unlängst feststellte:
„Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.“
Wenn dem aber so ist: Wieso wehren sich die 99 Prozent dann so selten? Welche Techniken wendet Herrschaft an, um sich gegen Kritik zu immunisieren und vor Angriffen zu schützen?
Aktuell dürften dies vor allem die Techniken der Propaganda, der indirekten Steuerung mittels Angst sowie der strategischen Einbindung sein.
Herrschaft und Propaganda
Dass den Medien in bürgerlichen Demokratien vor allem die Aufgabe der „Gedankenkontrolle“ zukommt, hat Noam Chomsky, der meistzitierte Intellektuelle der Welt, in etlichen brillanten Büchern thematisiert und belegt.
Besonders deutlich wird dies beim Thema Krieg: Da wurden während des ersten Golfkrieges die Lügen einer US-Zeugin vor den Vereinten Nationen, irakische Soldaten hätten in Kuwait Babys aus den Brutkästen geholt, um sie zu töten, ebenso verbreitet, wie später die Mär von Konzentrationslagern und dem so genannten „Hufeisenplan“ während des Kosovo-Konfliktes in Jugoslawien. Und Jahre später dienten dann die vermeintlichen irakischen Massenvernichtungswaffen als Legitimation für den Angriff der USA auf den Irak.
Die Wirkung dieser Informationspolitik wurde dabei noch durch die scheinbare publizistische Vielfalt der täglichen Desinformationen bekräftigt. Die Journalistinnen und Journalisten fungierten in dieser Propagandamaschinerie dabei nicht etwa als die „Fälscher“ von Nachrichten, sondern erscheinen vielmehr als objektive Berichterstatter, die einfach weitertrugen, was sie in aller Regel wohl selbst für „wahr“ und „richtig“ hielten.
Eine Prüfung auf den Wahrheitsgehalt von Meldungen, ein im deutschen Pressekodex von 1996 verankerter Grundsatz, wurde dabei jedoch zugunsten eines diskursiven Opportunismus sowie von „journalistischer Schnelligkeit“ unterlassen. Und auch Protestaktionen, Demonstrationen und Stellungnahmen von Kriegsgegnern fanden kaum Niederschlag in den Medien. Vielmehr wurde das Ableben der Friedensbewegung erklärt.
Dass derlei gelenkte Information jedoch nicht nur in Kriegszeiten als Problem vorhanden ist, wird aktuell immer mehr Menschen bewusst. Fast alle Kampagnen zur Privatisierung der öffentlichen Daseinsfürsorge wurden von den Leitmedien aufgegriffen, verstärkt und multipliziert; Politik, die einen Ausbau des kaum mehr vorhandenen Sozialstaates forcieren würde, wurde dämonisiert und das stete „Wir müssen den Gürtel enger schnallen“ immer mehr zum bestimmenden Leitsatz der Meinungsmache. Den Unternehmen gehe es schlecht, Milliardäre seien vom kleptokratischen Steuerstaat geschröpfte Leistungsträger, die Armen hingegen — unvergessen Guido Westerwelles Aussage — unverschämt oder gar spätrömisch-dekadent. So lauteten und lauten die Kernbotschaften der medialen Realität.
Die Millionen Menschen in Armut und Angst, die in prekären Situationen lebenden und ausgegrenzten Bürger zweiter Klasse, all das wird, wenn überhaupt, nur noch gefiltert durch die Brille einer neoliberalen Ideologie in den Mainstream-Medien thematisiert.
So wird insistiert, es gäbe immensen Sozialmissbrauch, Hartz-IV-Empfänger wären notorische Arbeitsverweigerer oder hätten einfach mannigfache, in ihrer Person liegende „Vermittlungshemmnisse“, seien also an ihrer Situation vor allem eines: selbst schuld.
Wie und warum das funktioniert, warum die Pressefreiheit im Kapitalismus vor allem ein Synonym für die Freiheit einiger weniger Eigentümer ist, ihre Ideologie zu verbreiten, hat Noam Chomsky in seinem „Propagandamodell“ skizziert.
Die wichtigsten Komponenten dieses Nachrichtenfilter-Sets sind:
- die Größe der wichtigsten Mediengesellschaften, ihre Konzentration, das Vermögen ihrer Eigentümer sowie ihre Gewinnorientierung und die Werbung als Haupteinnahmequelle der privaten Medien,
- die Abhängigkeit der Medien von den Informationen, die ihnen von der Regierung, der Wirtschaft und den von den Machtzentren alimentierten und approbierten „Experten“ geliefert werden sowie ihre Beeinflussung durch professionelle PR, Spin-Doktoren, Lobbyisten et cetera,
- „kritisches Sperrfeuer“ (also Angriffe auf die Seriosität, das Image und die Glaubwürdigkeit der Medien; Anrufe von obersten Stellen; Beschwerde- sowie Boykottkampagnen und so weiter) als Mittel zur Disziplinierung der Medien,
- der „Antikommunismus“ (beispielsweise USA) beziehungsweise jede andere vorherrschende Ideologie als nationale Religion und wirksamer Kontrollmechanismus.
Diese Komponenten wirken zusammen und verstärken sich gegenseitig. Das primäre Nachrichtenmaterial muss dabei stets eine Folge von Filtern durchlaufen, bis der gesäuberte, für publizierbar erachtete Rest übrigbleibt.
Es sind diese Komponenten, die die Grundsätze für Diskurs und Interpretation festlegen und die definieren, was überhaupt einen Neuigkeitswert besitzen kann, darf und soll. Aus ihnen erklären sich auch die Gründe und die Abläufe regelrechter Propagandafeldzüge.
Herrschaft und Angst
Geherrscht wird aber auch und vor allem mittels Angst. Aktuell sind hier vor allem zwei wesentliche Aspekte zu betonen. Das ist zum einen die Angst vor sozialem Abstieg, vor Armut und Jobverlust, jene vor sozialer Ausgrenzung und kultureller Exklusion. Diese wird vor allem mittels der Etablierung eines „der besten Niedriglohnsektoren (…), den es in Europa gibt“ (Altbundeskanzler Gerhard Schröder) sowie der damit verbundenen Ideologie produziert.
Während die Armut im Land zunimmt, wird in den Medien vor dem Hintergrund eines vermeintlichen „Jobwunders“ und „Fachkräftemangels“ nicht mehr die Armut, sondern werden die Armen selbst skandalisiert.
Dabei ist die Zahl derjenigen, die trotz Arbeit in Armut leben, so hoch wie niemals zuvor. Faktisch können inzwischen rund 16 Millionen Menschen in Deutschland ihren Lebensunterhalt kaum mehr bestreiten.
Die andere Säule der praktizierten „Strategie der Angst“ ist die der Produktion von Feindbildern, die mit jener der sozialen Spaltung Hand in Hand geht. Seit inzwischen mehr als einem Jahrzehnt, spätestens jedoch seit 9/11, wird uns „der Islam“ als Bedrohung für „unsere Zivilisation“ verkauft.
Zahlreiche Titelseiten von Illustrierten titelten immer wieder mit xenophoben Aufmachern, die Männer mit Bärten und Frauen mit Kopftüchern als Bedrohung für „unsere westlichen Werte“ inszenierten. Und der Sozialdemokrat Thilo Sarrazin erhielt nicht nur von vornherein eine schier undenkbare Auflage für seine rassistischen und sozialeugenischen Thesen über die Unterwanderung des deutschen Sozialstaates durch lernunfähige, genetisch determiniert dumme und faule Muslime. Er erhielt auch eine durch die Leitmedien massiv befeuerte mediale Aufmerksamkeit, wie man sie einem x-beliebigen radikal-humanistischen Diskurs nur wünschen könnte.
Eine Art offiziellen Auftakt zur weltweiten Islamphobie waren dabei 1990 die Rede und der Aufsatz von Bernard Lewis, „The Muslim Rage“, deren Thesen sein Freund und Kollege Samuel Huntington später noch in Buchform unter dem Titel „Kampf der Kulturen“ zur weltweiten Verbreitung verhalf.
Dass dies kein zufälliger Zeitpunkt war, wird deutlich, sobald man realisiert, dass nach dem Wegfall des Ost-West-Konflikts in den 1990er Jahren das Feindbild Islam inzwischen das des Kommunismus fast vollständig abgelöst hat. Und zwar mit geopolitischem Impetus, wie beispielsweise Daniele Ganser dies in mehreren Arbeiten mit Blick auf Ressourcen und Ressourcenwege skizziert.
Dass auch dies nicht ohne Steuerung durch die politischen Eliten geschehen ist, machen Untersuchungen des Center for American Progress deutlich, welches die Finanzierung US-amerikanischer Think Tanks untersucht und am Beispiel des in Bezug auf die Nahostpolitik einflussreichen Middle East Forum eines Daniel Pipes nachgewiesen hat:
Das Interesse am Nahen Osten ob seiner geostrategischen Bedeutung auf der einen und das Feindbild Islam auf der anderen Seite müssen als zusammengehörend gedacht und verstanden werden. Denn die rassistischen Bilder und Stereotype, die hier erzeugt und anderen als Grundlage ihrer politischen Praxis angedient werden, sind deutlich einseitig und von ganz bestimmten Kreisen finanziert, weil gewollt.
Richard Pipes übrigens, der Vater von Daniel, war einst als Direktor des Zentrums für Russische Studien tätig. Das Zentrum analysierte während des Kalten Krieges die strategischen Ziele und Kapazitäten der Sowjetunion für die CIA und war hierbei für den US-amerikanischen Antikommunismus sowie das Feindbild Russland zuständig. Nun ist sein Sohn dies offenbar für das Feindbild Islam. Die Bilder also wechseln, die Strategien hingegen bleiben gleich.
Diese „gemachte“ Angst vor Terror auf der einen und der Armut auf der anderen Seite ist dabei sicher eines der aktuell wichtigsten Mittel für gesellschaftliche wie politische Spaltung und also Herrschaftssicherung. Denn die medial produzierte Angst verhilft zur Schwächung von Widerstand gegen Armut, Unterdrückung und Ausbeutung.
Den Nachweis, dass Staat und Politik hierbei eine nicht unmaßgebliche Rolle zuteilwird, haben Wolfgang Frindte und Nicole Haußecker mit ihrer äußerst aufwändigen Untersuchung „Inszenierter Terrorismus“ vorgelegt:
Die beständige Veröffentlichung von Terrorwarnungen seit 9/11 hat nachweislich nicht etwa die Angst vor dem Terror, sondern jene vor Muslimen geschürt, was das offenbar beabsichtigte antimuslimische Ressentiment weiter verschärft hat.
Sie hat — in Verbindung mit anderem — inzwischen aber auch zu einer Diskursverschiebung geführt, als deren Wirkung eine Neudefinition der globalen Armen als „Terroristen“ zu konstatieren ist. Eine ideologische Manifestation des globalen Klassenkampfes von oben, der völkerrechtswidrige Kriege, Bombardements und Massenmorde den Bevölkerungen der kriegführenden Länder des Nordens nunmehr als „Verteidigung der eigenen Zivilisation“ andient und verkauft.
Herrschaft und strategische Einbindung
In diesem „Klima der Angst“ haben sich die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse in den letzten Jahren deutlich verschoben: Neoliberales Denken und der verordnete antimuslimische Rassismus haben sich in den Köpfen der Menschen verfangen und zeitigen ihre Wirkung inzwischen nicht zuletzt in Bezug auf die politische Aktion.
So sind vor dem Hintergrund einer zunehmenden sozioökonomischen Spaltung und einer Außenpolitik, die sich mehr und mehr militarisiert, aktuell vor allem zwei soziale Bewegungen „von unten“ auszumachen, die beide jedoch umgehend auf eine „Strategie der Einbindung“ oder — wo dies nicht möglich war — der Dämonisierung und Diskreditierung von oben gestoßen sind: Da ist zum einen die verjüngte Friedensbewegung und ist zum anderen unter anderem die Pegida-Bewegung.
Erstere wurde in den letzten Jahren dank einer massiven medialen Kampagne, die insbesondere über Medien mit progressivem Image gespielt wurde, öffentlich fast vollständig diskreditiert. Offenbar waren die Analysen und hieraus abgeleiteten Forderungen der Friedensbewegten so konträr zu den Interessen und Leitlinien des politmedialen Establishments, dass diese Bewegung als nicht einbindbar mit überwiegend unlauteren Mitteln in Grund und Boden geschrieben worden ist.
Aus der Forderung nach der Einhaltung des Völkerrechts überall auf der Welt, explizit auch hinsichtlich des Palästinakonfliktes, wurde das Stigma des Antisemitismus konstruiert. Die Bereitschaft, auch jenseits linker Kreise offen für politisch unerfahrene Menschen zu sein, wurde zur Querfront-Strategie umgedeutet und die Bewegung somit in die Nähe von Nationalsozialismus und Faschismus gestellt.
Aus dem Vorwurf, die NATO sei eine immense Bedrohung für den Frieden, wurden die Stigmata des Nationalismus und Antiamerikanismus konstruiert. Und aus der wissenschaftlich längst belegten Feststellung, Politik und Medien im Land seien von Elitennetzwerken durchzogen, die hier gezielt eigenes Agenda-Setting betreiben, wurde das Stigma der Verschwörungstheoretiker konstruiert.
„Die sogenannte Friedensbewegung eint die Ablehnung der liberalen Gesellschaft“; sie fände ihren Nachwuchs unter „Rechtspopulisten, Nationalisten, Verschwörungstheoretikern und Antisemiten“, titelte zum Beispiel am 12. Dezember 2014 die vermeintlich linksliberale Frankfurter Rundschau und trieb damit den denkbar größten Keil in die politisch progressiven gesellschaftlichen Kreise im Land. Letztere schwören nun zunehmend ihrer eigenen politischen Wirkmacht ab, da sie keinesfalls mit „derlei“ in Verbindung gebracht werden und hierfür „mitverantwortlich“ sein wollen.
Ähnlich und dennoch anders wird mit der Protestbewegung Pegida in Dresden, die teilweise bis zu 20.000 Menschen mobilisierte, verfahren: In den Medien fast ausschließlich thematisiert wird der offen sichtbare, antimuslimische Rassismus vieler Teilnehmer. Nicht thematisiert hingegen werden all jene Äußerungen, die auf eine soziale Motivation der Demonstranten hinweisen.
Pegida wird politisch instrumentalisiert: Den über Jahre herbeigeschriebenen und für „Anti-Terrorgesetze“ instrumentalisierten Rassismus thematisiert man, hier ist man „gesprächsbereit“, gegebenenfalls sogar willens, noch härtere Asyl- und Einwanderungsgesetze zu verabschieden. Die soziale Not hingegen, für welche dieser Rassismus auch und vor allem Katalysator ist und wohl auch sein soll, thematisiert man hingegen nicht. Dieses Herangehen kritisierte unlängst auch der Politologe Werner J. Patzelt:
„Was als Fremdenfeindlichkeit daherkommt, entpuppt sich als sozialer Konflikt. Bei ihm steht die auf ihre Bildung und Humanität stolze Oberschicht gegen das einfache Volk, das sich anscheinend lümmelhaft aufführt und deshalb Zurechtweisung und Belehrung seitens der besseren Kreise verdient.“
Pegida und Co. nun einfach als „faschistisch“ oder anderes abzutun oder gar ausschließlich den hier verbreiteten Rassismus zum Motor parlamentarisch-politischer Aktion zu erklären, käme nicht nur — wie auch beim Friedenswinter — einer „semantischen Enteignung“ der Unteren durch die Oberen gleich, die unser aller widerständiges Handeln stets so umdeuten, dass es sie niemals zu betreffen und daher auch nichts zum Besseren zu verändern vermag.
Es forcierte auch und vor allem weiter die gesellschaftliche Spirale aus ideologischer Propaganda, xenophober Angst und — die Herrschaftsverhältnisse schützender — strategischer Einbindung alles „Verwertbaren“ bei zugleich vollständiger Dämonisierung und Tabuisierung dessen, was aktuell wohl dringender denn je notwendig ist:
Sozial-, Rassismus- und Kapitalismuskritik.
Inzwischen aber rangiert „Systemkritik“ selbst unter den Stigmata, gleich neben Antisemitismus und Verschwörungstheorie. Keine guten Zeiten also für sozial-emanzipatorische, aufklärerische Agitation. Gute Zeiten hingegen für einen Artikel zum Thema Herrschaftskritik in vermeintlich herrschaftsfreier Zeit.
Kilez More: „Wir könnten!“