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Die lockende Zukunft

Die lockende Zukunft

Es bringt nichts, sich nur am Alten abzuarbeiten — wir müssen im Geist ein Bild jener Welt kreieren, in der wir leben wollen. Teil 3/3.

In diesem abschließenden Teil der kleinen Serie werden wir den Weg, den wir einschlagen könnten, etwas detaillierter beschreiben. Im vorigen Teil skizzierte ich einen Umriss des Werkzeuges, welches wir uns bauen könnten, und ich möchte nun an dieser Stelle die ersten Schritte beschreiben, die wir unternehmen könnten, um uns Menschen in Bewegung zu bringen.

Zur kurzen Wiederholung: Die Grundlage bildet die Idee, sie ist das Fundament, auf dem unsere neue Gesellschaft fußt. Je mehr Menschen an eine Idee glauben, desto mehr gewinnt sie an Stärke. Und wir können nur eine große Anzahl von Menschen vereinen, indem wir die Idee so universell wie möglich halten.

Unsere Idee ist die Bildung einer neuen Gemeinschaft durch die gemeinsame Befriedigung unserer Grundbedürfnisse. Diese Idee hat das Potenzial, die größtmögliche Menge an Menschen zu vereinen und sie zusammen produktiv werden zu lassen.

Unabhängig davon, wie dezentral wir uns organisieren werden, muss am Anfang eine Gruppe von Menschen eine gewisse Vorarbeit leisten. Diese sieht vor, dass ein Internetportal programmiert wird, auf dem sich jeder Mensch ein Profil mit gewissen Grundfunktionen der Selbstdarstellung erstellen kann, was wir als die erste Hauptfunktion bezeichnen können. Wir können dabei die uns schon bekannten Funktionen imitieren, die uns Facebook, Instagram oder Twitter zeigen, aber auch neue Funktionen beziehungsweise Prozesse implementieren. So schaffen wir langsam ein sich ständig selbst verbesserndes System, welches wir nach unseren Bedürfnissen gestalten. Dabei müssen wir nicht nur an Wachstum denken. Dank demokratischer Prozesse können wir Funktionen auch wieder abschaffen, wenn sie uns nicht dienlich sind. Wir werden Dinge eben ausprobieren.

Eine weitere, wichtige Funktion wird die Gewährleistung einer Datenbank sein, auf der Informationen gespeichert, abgerufen sowie visualisiert werden können – die zweite Hauptfunktion. Ein Großteil der von uns benötigten Informationen ist dabei im Internet schon vorhanden, und es wird ausreichen, sie einfach zu übernehmen. Es werden aber auch „exotische“ Informationen auftreten, die, so hoffe ich, für viel Aufsehen und Interesse sorgen werden. In ihnen keimt der Samen für erhebliche gesellschaftliche Veränderungen. Das könnten beispielsweise neue Formen der Energieumwandlung sein, seltene Technologien aber auch simple Heilungsmethoden.

Für eine gewisse Ordnung wird eine Form von Visualisierung sorgen. Dabei kann sich eine Art Vernetzungsvisualisierung als vorteilhaft erweisen. Wir könnten ein einzigartiges „Universum der Informationen“ erschaffen, in dem auch die Verbindungen zwischen Informationen sichtbar werden. Ich vermeide hier bewusst die Bezeichnung „Universum des Wissens“, weil wir noch Mechanismen entwickeln müssen, die uns erlauben werden, eine Information als „Wissen“ zu bezeichnen.

Die dritte und letzte Hauptfunktion ist das demokratische Abstimmen. Zu Anfang kann es wie in der App „Democracy“ erfolgen, indem parallel zu Bundestagsabstimmungen abgestimmt wird und die Ergebnisse verglichen werden. Die Menschen werden jedoch lernen, diese Funktion für ihre eigenen Bedürfnisse zu nutzen, indem sie sich Projekte ausdenken, diese ausführlich beschreiben und deren Vorteile darstellen und dann die teilnehmenden Menschen über sie abstimmen lassen. Sie werden so lernen, die Bewegung auf ihre selbstgesetzten Ziele auszurichten.

Interessant wird der Mechanismus sein, der letztendlich den Impuls zur Tätigkeit beziehungsweise zum Handeln gibt. Zu Anfang wird es wahrscheinlich die Freigabe von Geldmitteln sein, welche die zum Projekt benötigten Menschen motiviert, wirtschaftlich aktiv zu werden. Das wäre verständlich, schließlich wird die Bewegung in der anfänglichen Phase an das herrschende System gebunden sein, in dem nur wenig ohne Geld funktioniert. Dies wird sich aber mit der Zeit ändern, sobald die Menschen erkennen, dass Geld nicht unbedingt vonnöten ist, um aktiv an einem Gemeinschaftsprojekt teilzunehmen.

Dem aufmerksamen Leser wird möglicherweise aufgefallen sein, dass die Gruppe von Menschen, die dieses neue System kreiert hat und modelliert, eine gewisse Macht über dieses System ausübt, die wir letztendlich überwinden oder zumindest kontrollieren wollen. Mir fallen für dieses Problem zwei Lösungsvorschläge ein.

Der eine ist hierarchischer Natur und sieht vor, dass die Gruppe von Menschen, die das System verwaltet, über die neu entstandenen demokratischen Prozesse gewählt und stetig ersetzt werden kann. Das bedeutet, dass man nicht jahrelang auf Wahlen warten muss, wenn sich das „Verwaltungspersonal“ als inkompetent erweist. Was Führungspersönlichkeiten angeht, werden wir hoffentlich lernen, dass wir diese nur für konkrete Ziele brauchen, und die Position, die sie einnehmen, kompetenz- sowie zweckgebunden ist, zum Beispiel im Sinne einer Projektleitung. Sobald das Projekt abgeschlossen wurde, wird die Position überflüssig. So wird gewährleistet werden, dass Hierarchien von vergänglicher Natur bleiben und einem ständigen Wandel unterliegen.

Der andere Lösungsansatz ist eher anarchischer Natur und besagt, dass das System, nachdem die Vorarbeit geleistet wurde, im Internet, zum Beispiel mithilfe der Blockchain-Technologie, dezentral verankert wird und sich über demokratische Prozesse selbst verwaltet.

Das System müsste dabei selbst für eine absolute Transparenz sorgen, damit alle Mitglieder sich untereinander gegenseitig kontrollieren können. Wir können dabei davon ausgehen, dass das Interesse der Masse vor allem denen gelten wird, welche sich gerne in den Vordergrund stellen sowie für gesellschaftlich relevante Ereignisse sorgen oder viel Eigentum anhäufen. Die Aufmerksamkeit aller wird dafür sorgen, dass die Verwirklichung intransparenter Interessen erheblich erschwert wird.

Ab einem gewissen Zeitpunkt wird dieses neu entstehende Netzwerk von Menschen lernen, das real existierende Gesellschaftssystem zu beeinflussen und es neu zu modellieren. Dabei kann es alle schon existierenden Organisationsformen in der Gesellschaft imitieren. Es können Parteien entstehen, Wohlfahrtsvereine, Non-Profit-Unternehmen und andere Wirtschaftssubjekte, die durch dieses Netzwerk miteinander verbunden sind. Ja, selbst eine Bank kann entstehen, die die anfängliche Finanzierung des neu entstehenden gesellschaftlichen Körpers gewährleistet und vor willkürlichen Handlungen privater Finanzinstitute schützt.

Wir sollten uns im Klaren sein oder zumindest eingestehen, dass eine Bewegung, die tatsächlich das Potenzial hat, erhebliche gesellschaftliche Veränderungen durchzuführen, mit erheblichem Widerstand rechnen muss. Wie stark dieser sein wird, hängt aber auch von den Mitgliedern der Bewegung selbst ab, nämlich davon, wie sehr sie sich von dem entstehenden Konflikt vereinnahmen lassen. Es wäre sicherlich nicht ratsam, sich auf einen Kriegspfad mit dem herrschenden System zu begeben, sondern es von innen heraus zu transformieren, und zwar mit neuen Methoden menschlicher Interaktion, dessen Fundament der freie Fluss von Informationen ist.

Alle Menschen sind eingeladen, daran teilzunehmen

Es wäre zu begrüßen, wenn wir uns nicht dazu verleiten lassen, gegen etablierte Mächte Krieg zu führen, sondern sie einladen, an der neu entstehenden Gesellschaft teilzunehmen. Das wird nicht leicht, doch wir dürfen in die Flammen des schon herrschenden Klassenkrieges kein Öl gießen. Unsere Absichten liegen nicht darin, die Reichen und Superreichen von ihren Luxusgütern, ihren Villen und Yachten zu enteignen, denn was würden wir damit anfangen wollen? Unser Ziel ist aber, unsere Produktivität neu auszurichten, und so kann es dazu kommen, dass ihnen die Arbeitskraft fehlen wird, welche ihr Leben im übermäßigen Luxus ermöglicht.

Salopp ausgedrückt: Sie werden die vielen Fenster ihrer übergroßen Behausungen selber putzen müssen. Da jedoch unser vorrangiges Ziel ist, nicht alle Bereiche der Wirtschaft zu penetrieren, und unsere Ziele transparent sind, besteht die Möglichkeit für die Klasse der Eigentümer, sich auf die bevorstehenden Veränderungen vorzubereiten und anzupassen, vor allem aber mitzumachen. Ermöglichen wir ihnen einen ruhmvollen Abgang, indem wir auf sie einwirken und sie davon überzeugen, dass sie einen großen Beitrag leisten werden und die Geschichte wohlmeinend über sie berichten wird, wenn sie an diesem Projekt teilnehmen.

Ein weiterer Schritt wäre, dass das neu entstehende Konzept gesellschaftlichen Zusammenlebens weltweit Verbreitung findet. Sobald der Code bis zu einem gewissen Maß fertig programmiert wurde beziehungsweise das Werkzeug fertiggestellt ist, kann dieses digitale Konstrukt sprachlich angepasst und Menschen in anderen Teilen des Planeten zur Verfügung gestellt werden. Wahrscheinlich werden wir so beobachten können, wie neue oder leicht abgeänderte Organisationsformen entstehen und die Menschen das Werkzeug nach ihrem Bedürfnis gestalten. Dabei könnten wir die für gut befundenen Ideen übernehmen und so unseren eigenen Fortschritt beschleunigen. Vielleicht werden wir es auch schaffen, dafür Sorge zu tragen, dass die internationale Zusammenarbeit, welche auf diesem gesellschaftlichen Konzept basiert, dieselbe Transparenz gewährleistet wie die nationalen Projekte.

Das letztendliche Ziel: eine Utopie?

Diese Frage wird von den Menschen, die sich Veränderungen in unserer Gesellschaft wünschen, beantwortet werden müssen. Eine Utopie scheint ein in weite Ferne gerücktes, in der Realität verankertes Ziel zu sein, welches nur durch einen immensen Aufwand an Arbeit bewerkstelligt werden kann. Dem ist aber nicht so, da die Utopie vor allem ein Geisteszustand ist. Es ist keine Frage des technologischen Fortschritts oder der vorhandenen Produktionsgüter, sondern geistiger Erkenntnis. Wir hätten schon vor Jahrhunderten eine utopische Gesellschaft werden können, selbst mit den damals vorhandenen Mitteln. Das dahinter stehende Prinzip nämlich, welches man auch als ein universelles Gesetz betrachten kann, ist immer das gleiche: Alle uns spaltenden Ideen und Konzepte führen dazu, dass der Mensch leidet und unglücklich ist.

Alle einenden Kräfte führen dazu, dass der Mensch Behaglichkeit und Freude verspürt.

Das uns allen bekannte „Teile-und-herrsche“-Prinzip beruht genau auf dieser Erkenntnis. Und selbst dafür werden wir Verständnis zeigen, wenn wir verstehen lernen, dass uns die Tendenz zur Spaltung inhärent ist. Wir sind mit dieser Eigenschaft geboren worden und deswegen für das „Sich-Spalten“ anfällig. Spaltung ist auch in allem vorhanden, was wir wahrnehmen, alle Dinge scheinen eine eigene individuelle Existenz zu besitzen. Das universelle Ziel ist jedoch, dies zu überwinden, es zu transzendieren, sich darüber zu erheben, doch zuerst: sich dessen bewusst zu sein.

Wie würde ein idealer Staat aussehen? Das weiß ich nicht, aber ich möchte seine Eigenschaft mit den Worten Laotses beschreiben und somit auch zum Ende dieses kleinen Manifests kommen. Mögen wir bald in Frieden zusammenkommen und die gesellschaftliche Evolution beginnen lassen.

„Wer liebend sein Volk führt,
lässt es sich selbst ordnen.
In Zeiten des Glücks und in Zeiten des Unglücks
umhegt er es mütterlich.
Wer sich um echte Einsicht müht, bedarf keines Wissens.
Hegen und pflegen,
Werte schaffen und nichts behalten,
wirken und der Werte nicht achten,
führen und doch nicht herrschen:
Das erstrebt der Zielwille unseres Lebens.“


In seinem Buch „Wahrheit und Frieden — Wege in die Hochzivilisation“ führt Gustav Viktor Śmigielski seine Ideen weiter aus.

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