Im Sommer 2016 verstarb Mohamed Abdelaziz. Er war der selbsternannte „Präsident“ der von der POLISARIO ausgerufenen und international nicht anerkannten „Demokratischen Arabischen Republik Sahara" (DARS). Er stand fast 40 Jahre der POLISARIO vor und bekleidete ebenso lange das Amt des „Präsidenten“ der DARS. Was soll man von einem Präsidenten halten, der fast 40 Jahre im Amt war? Sein Nachfolger, Brahim Ghali, scheint ebenfalls entschlossen zu sein, sämtliche Ämter bis zu seinem letzten Atemzug behalten zu wollen.
Es scheint an dieser Stelle geboten, sich die politische Weltanschauung der POLISARIO-Führer näher anzusehen und das Falsche darin vom Richtigen oder vom wenigstens Vertretbaren zu scheiden. Abdelaziz und Ghali sind kommunistisch geprägte Demagogen und ideologische Krieger mit extrem simplen, um nicht zu sagen banalen Ansichten über die sogenannte DARS und die Welt.
Das Leben der Menschen ist kurz, das der Staaten und Völker lang. Auch Stände und Klassen, Institutionen, Bewegungen und Parteien überdauern meist beträchtlich die einzelnen Menschen, die ihnen als Politiker und Führer dienen. Die Folge ist, dass die meisten Führungspersönlichkeiten rein pragmatisch handeln. Sie kennen nicht das ganze Stück, in dem sie ihren kurzen Auftritt haben, können und wollen es auch gar nicht kennen, sondern tun einfach, was der Augenblick zu gebieten scheint; womit sie oft (zumindest temporär) erfolgreicher sind als diejenigen, die Fernziele verfolgen und versuchen, den Sinn des Ganzen zu durchschauen.
Abdelaziz und Ghali beschränken sich daher immer auf die ermüdende Wiederholung einiger Phrasen – über den revolutionären Aufstand, über den anti-imperialistischen Kampf und immer wieder über die Notwendigkeit eines saharauischen Staates. Solche Begriffe haben eine große Suggestionskraft. Wer sie hört, hat das Gefühl, dass ihm plötzlich ein Licht aufgeht: Das Verworrene wird einfach, das Schwierige leicht. Sie geben dem, der sie willig akzeptiert, ein angenehmes Gefühl von Aufgeklärtheit und Bescheidwissen.
Dabei setzen die beiden Führer auf tribale Polarisierungen, die rasch eine Eigendynamik gewinnen, in der Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit kategorisiert, ausgegrenzt und im Zweifelsfall zum Feind erklärt werden.
Während seiner zahlreichen Auftritte im algerischen Staatsfernsehen wirkte Abdelaziz immer nur wie eine vorprogrammierte Stimme, die nicht bereit ist, auch nur einen Schritt von ihrer extrem beschränkten ideologischen Sichtweise abzuweichen.
Er sah die Welt so, wie er sie sehen wollte. Abdelaziz richtete sich in seiner politischen Strategie nach starren Grundideen, die er sich so zurechtgelegt hatte, dass sie ein in sich einigermaßen schlüssiges, wenn auch an den Rändern ausgefranstes System bilden – eine „Theorie“ im marxistischen Sinne.
Brahim Ghali jammert ohne jede Würde oder Glaubwürdigkeit gegenüber jedem, der ihm zuhören will, er brauche Hilfe und Unterstützung. Währenddessen foltern seine Sicherheitskräfte jeden, der gegen seine kolossalen Fehler als Führer der POLISARIO protestiert. Er gehört unzweifelhaft in die Kriminalchronik. Seine Verbrechen sind abscheulich.
Diese begeht er kollektiv mit der gesamten Führung der POLISARIO seit Jahrzehnten ungestört und ungestraft. Sie wurden teilweise in Kriegszeiten begangen, aber sie waren keine Kriegshandlungen. Vielmehr kann man sagen, dass die POLISARIO-Führung den Krieg zum Vorwand nahm, interne Widersacher hinzurichten und dadurch Verbrechen zu begehen, die mit Krieg nichts zu tun hatten, die ihr aber immer schon ein persönliches Bedürfnis gewesen waren.
Zu den mächtigen Mythen, die der verstorbene Abdelaziz verbreitete, zählt seine Auffassung, dass die POLISARIO-Kämpfer gar nicht in den Krieg ziehen wollten und niemals irgendwelche Kriegsverbrechen begangen hätten. Er erfand den Typus des Kriegers, der zwar schießt, aber dabei weint: Er weint und schießt und schießt und weint.
Auch die eigene Rolle hielt Abdelaziz mit dem Mantel der Mythen bedeckt, um das Hässliche des eigenen Handelns nicht sehen zu müssen. Die von Abdelaziz zu verantwortenden Morde waren im Übrigen für ihn Selbstzweck, nicht etwa ein Mittel zum Sieg oder zur Abwendung einer Niederlage. Die POLISARIO-Führung benutzt heute das Mittel der Zensur daher nicht nur, um die Gegner ihrer Ideologie zum Schweigen zu bringen, sondern auch, um zu verhindern, dass man über ihre früheren Fehler und Verbrechen diskutiert und sie dafür zur Verantwortung zieht.
Für die POLISARIO-Führer ist Krieg die Norm. Aber damit sind sie im Irrtum. Jeder Krieg endet mit einem Friedensvertrag oder Staatsvertrag und einem neuen Friedenszustand, der meistens viel länger dauert als der vorangegangene Kriegszustand.
Die POLISARIO-Führer haben nichts aus den gewaltlosen Kämpfen gegen den Kolonialismus gelernt, haben nichts von Gandhi oder Martin Luther King übernommen, und sie haben auch niemals die Bedeutung des bewaffneten Kampfes verstanden, wie ihn die Vietnamesen führten. Von alledem haben die POLISARIO-Führer keine Ahnung; oder vielleicht sollte man besser sagen: Sie wollen nichts davon wissen.
Quellen und Anmerkungen: