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Die Kriegs-Bilanz

Die Kriegs-Bilanz

Dem angeblichen Friedensschluss zwischen den USA und den Taliban traut außer Heiko Maas und der Tagesschau niemand im Land.

Die Redaktion zeigte erneut: „Dem öffentlich-rechtlichen Politikjournalismus hilft nur ein härtestes Weiterbildungsprogramm“ (3). Bleiben wir beim aktuellen ARD-aktuell-typischen journalistischen Offenbarungseid. Studiomeldung um 20 Uhr, der Aufmacher:

„Die USA haben mit den militanten islamischen Taliban in Afghanistan ein Friedensabkommen unterzeichnet. (...) sollen die Taliban auch mit der afghanischen Regierung einen Friedensvertrag schließen. (..). Afghanistan wurde zum Rückzugsraum für Al-Kaida-Terroristen. Nach den Anschlägen von 2001 begann der damalige US-Präsident Bush einen Krieg gegen die Taliban“ (4).

Der gesamte Studio-Antext war so unvollständig wie sachlich unzutreffend. Bush eröffnete 2001 einen Eroberungskrieg gegen den Staat Afghanistan, nicht gegen „die Taliban“. Die (Taliban-)Regierung hatte nichts mit der Al-Kaida und dem Angriff auf die Zwillingstürme in New York zu schaffen. Aber Großbritannien und kurz drauf auch die NATO und Deutschland waren trotzdem gleich mit von der US-Kriegspartie. Ihr Überfall auf Afghanistan war und bleibt ein Völkerrechtsbruch (5). Der UN-Sicherheitsrat billigte drei Monate nach Kriegsbeginn lediglich das US-Besatzungsregime (ebenda) — und bewies damit sein Versagen als Wahrer des Weltfriedens und des Völkerrechts ebenso wie seinen transatlantischen Konformismus.

Doch weiter im miesen Tagesschau-Text. Der Studiomeldung folgte ein Bericht der Reporterin Sibylle Licht:

„Eineinhalb Jahre hat der Unterhändler der USA (...) das historische Abkommen ausgehandelt. (...) Innerhalb von 14 Monaten wollen die USA ihre 13.000 Soldaten schrittweise abziehen. (...) folgen innerafghanische Friedensgespräche (..). Gefangenenaustausch geplant (...) Die afghanische Regierung war nicht nach Katar eingeladen. Mit ihr wollten die Taliban nicht verhandeln.“ (Anmerkung 2).

Eine Reporterin kann in ihren 2’20“ Minuten natürlich nicht alles unterbringen, was zu diesem Abkommen, seiner Vorgeschichte, den politischen und militärischen Begleitumständen sowie den Erfolgsaussichten zu sagen gewesen wäre. Darüber zu informieren, zumindest in Stichworten, war die versäumte Pflicht der Redaktion. Sie hätte wenigstens auf weitere Quellen wie Telepolis oder die NachDenkSeiten verweisen können, zumal sie selbst auch auf der eigenen Internetseite tagesschau.de nichts einigermaßen Vollständiges anzubieten hatte. Bei der Verbreitung von Boulevardthemen scheut sich die Redaktion ja auch nicht, sich auf die BILD-Zeitung zu stützen.

Ein grober Überblick über das, was in der Tagesschau zumindest anfänglich fehlte:

Deutschland war an den Verhandlungen der USA mit den Taliban nicht beteiligt worden — obwohl es sich in den mehr als 18 Kriegsjahren doch als treu-tumber Vasall erwies und die Bundeswehr eines der größten Truppenkontingente am Hindukusch stellt. Als vorbehaltlos Kriegswillige taten sich im Berliner Reichstag Union, SPD und FDP immer hervor, die Grünen machten meistens mit. Nur die Linkspartei war stets und konsequent dagegen, die AfD stimmt seit ihrer Präsenz im Bundestag gleichfalls mit Nein ...

Neben den Angehörigen der 54 Gefallenen hat die Bundeswehr heute mehrere tausend Verwundete zu versorgen, die meisten von ihnen seelisch verkrüppelt: Das Kapitel „Afghanistankrieg — Posttraumatische Belastungsstörung“ ist noch lange nicht abgeschlossen.

17 Milliarden Euro hat die Großmannssucht der Regierenden den deutschen Steuerzahler bisher gekostet (6). Ein Ende der Fahnenstange ist nicht in Sicht.

Gemeldet wurde nämlich, dass die Bundesregierung, vertreten durch ihre Ausfallerscheinung Heiko Maas, trotz des „Friedensabkommens“ für eine weitere Verlängerung des Afghanistan-Bundeswehrmandats plädiert (7). Maas konnte sich auf einen aktuellen Kabinettsbeschluss berufen (8).

Was die Tagesschau wiederum ignorierte: Das „Friedensabkommen“ der USA mit den Taliban ist offensichtlich fürs Scheitern konditioniert. Formal bereits damit, dass es sofortige Verhandlungen der Taliban mit der afghanischen Regierung in Kabul verlangt. Zurzeit aber ist nicht einmal klar, wer das ist, denn es gibt ihrer zwei (9). Eine, nämlich die des „von den USA anerkannten“ Präsidenten Aschraf Ghani, hat sogleich eine Vorbedingung des Abkommens abgelehnt: 5.000 gefangene Taliban freizulassen (10). Die Taliban andererseits haben sich bisher geweigert, überhaupt und mit wem auch immer der in Kabul Regierenden zu verhandeln. An die verabredete Waffenruhe halten sich beide Vertragsschließenden ohnehin nicht strikt: Die Taliban führen weiter Angriffe aus, die USA bomben munter zurück (11).

Die USA haben trotzdem mit einem Teilabzug ihrer Truppen aus Afghanistan begonnen (12). Präsident Trump muss sich im November zur Wiederwahl stellen. Sein einst gegebenes Wahlkampfversprechen, die Soldaten aus dem Ausland nach Hause zu holen, will er zumindest dem Anschein nach erfüllen. Dass es sich bei dem „Friedensabkommen“ um ein rein inneramerikanisches Wahlkampfmanöver, um blanke Kulissenschieberei handeln könnte, darauf macht die Tagesschau nicht aufmerksam.

Einen Volljuristen vom Schlage des Heiko Maas gemahnt das alles nicht zur Vorsicht. Er gibt, mit tiefem Bückling Richtung Washington, den schmeichlerischen Claqueur für den angeblichen Erfolg von 18 Jahren Krieg: Wichtig sei nun, dass in den kommenden Verhandlungen „auf dem aufgebaut wird, was Afghanistan in den vergangenen Jahren im Bereich der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit erreicht hat“ (13).

Erbarmen. Maas auf einem Gipfel der Realitätsverweigerung. Sogar ein ARD-aktuell-Kommentator zeigte da mehr Durchblick (14).

Hinsichtlich der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit ist nun mal in Afghanistan gar nichts erreicht. Im Ländervergleich der Korruption rangiert Afghanistan auf Platz 171 und gehört damit zu den zehn übelst beleumundeten Staaten (15). Hinsichtlich seiner Menschenrechtsverletzungen — wen wundert das angesichts der 2,6 Millionen Flüchtlinge — ist Afghanistan dagegen in einer Spitzenposition (16).

Was wird nach dem „Friedensabkommen“ in Afghanistan — falls es denn realisiert wird? Die Pseudodemokratie wird einer reaktionären Taliban-Herrschaft weichen. Darauf wies die Tagesschau nicht nachdrücklich hin. Es wäre zudem gänzlich gegen ihre transatlantische Linie gewesen, auch darüber zu informieren, dass die Exzesse des einstigen Taliban-Regimes (1996 bis 2001) von den späteren Kriegsverbrechen der US-Besatzer und des Wertewestens weit übertroffen werden.

Kleiner Blick zurück: Ende der 90er Jahre hatte sich das Taliban-Regime bei der US-Regierung unbeliebt gemacht, weil es das Projekt einer „Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Pipeline“ (TAP) des US-Ölkonzerns Unocal/Chevron platzen ließ (17). Cheflobbyist des Konzerns war immerhin der vormalige US-Außenminister Henry Kissinger.

Monate vor dem Anschlag auf die Zwillingstürme in New York ließ US-Präsident George W. Bush deshalb im Sommer 2001 über diplomatische Kanäle verbreiten, er sei zur Liquidierung der Taliban-Regierung entschlossen (18). Völkerrecht und Menschenrecht galten dem kriminellen Herrn im Weißen Haus in Washington schon damals nichts.

Mit dem Attentat am 11. September 2001 hatte Bush endlich einen vorgeblichen Grund für seinen längst geplanten „Krieg gegen den Terror“, genauer: für seine Absicht, im Dienst des militärisch-industriellen Komplexes einen totalen, von keinerlei Rechtsnorm mehr eingeschränkten Krieg gegen jede Form von Widerstand gegen das US-Imperium zu entfesseln. In den 20 Jahren vor der Jahrtausendwende waren jährlich und weltweit kaum 1.000 Terrortote zu beklagen gewesen. Bushs „War on Terror“ sprengte die Statistik: Im Jahr 2014 fielen mehr als 45.000 (!) Menschen dem Terrorismus zum Opfer (19).

Der Wertewesten setzte seinen Staatsterrorismus dagegen. Jedwede Hemmschwelle vor organisiertem Massenmord war beseitigt. Die USA und ihre „Koalition der Willigen“ gingen in Afghanistan mit äußerster Brutalität vor. Hunderte Dörfer wurden geplündert, gefangene Taliban wurden gelegentlich wie Vieh in Container gepfercht und einem qualvollen Erstickungstod preisgegeben. Massaker mit 2.000 bis 3.000 Toten wurden Markenzeichen der westlichen Invasoren (20).

CIA und NATO-Chargen erpressten wahllos „Geständnisse“, folterten ungezählte Verdächtige auf grauenhafte Weise und in vielen Fällen bis zum Tode. Waterboarding und Isolationshaft wurden Standard. Gefangene wurden auch mit Kampfhunden terrorisiert und sexuell erniedrigt. Ohne Gerichtsverfahren darbten sie perspektivlos in Geheimgefängnissen wie Diego Garcia oder Guantanamo, der Schutz der Genfer Konventionen wurde ihnen ausdrücklich versagt (21, 22).

Auch jede zeitliche Begrenzung für das gigantische Verbrechen war aufgehoben. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte, noch ehe er das Bombardement auf Afghanistan am 7. Oktober 2001 eröffnen ließ, ganz ungeniert erklärt:

„Vergessen Sie die Ausstiegsstrategien, wir sprechen hier von einem dauerhaften Waffengang ohne Befristung“ (23).

Fraglos hätte eine humanitäre, finanzielle und politische Bilanz dieses Krieges in die Tagesschau-Berichterstattung über das „Friedensabkommen“ gehört, ebenso der Versuch eines Ausblicks. Mit Antworten auf Fragen wie diese:

Wie viele Tote sind bisher zu beklagen? Wie viele Verstümmelte? Welche materiellen und kulturellen Werte wurden vernichtet? Wie viele Bomben abgeworfen? Wie viele Tonnen Uranmunition verschossen? Welche Kosten dieses Krieges sind bekannt? Was hatte Afghanistan mit dem Anschlag vom 11. September 2001 zu tun — dessen angeblicher Drahtzieher Osama bin Laden war doch ein Saudi-Araber, kein Taliban, und seine (letzte) Zuflucht war Pakistan? Warum stehen keine US-Amerikaner als Kriegsverbrecher vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag? An welchen mörderischen Aktionen war das deutsche „Kommando Spezialkräfte“, KSK, beteiligt? Warum darf kein Abgeordneter des Bundestages davon überhaupt etwas erfahren — wir haben doch angeblich eine „Parlamentsarmee?“ (24)

Auf keine dieser Fragen bot die Tagesschau befriedigende Antworten. Zugegeben, das wäre in einer einzelnen Nachrichtensendung auch kaum zu schaffen. Wozu aber pflegt die Hauptabteilung ARD-aktuell unterschiedliche Ausgabe-Formate, „Nachrichten im Viertelstundentakt“ und ein Internetportal mit reichlich Platz? Wenigstens einige Auskünfte hätte sie geben können. Die entsprechenden Daten sind mit wenig Rechercheaufwand zu ermitteln. Beispiele:

Der „Krieg gegen den Terror“ hat von 2001 bis Ende vorigen Jahres in 80 damit überzogenen Ländern 801.000 Tote gefordert und 21 Millionen Menschen zu Flüchtlingen gemacht. Die USA haben dafür 6,5 Billionen Dollar ausgegeben (25).

Speziell Afghanistan: 157.000 Tote. Aufgeschlüsselt: 65.000 tote Polizisten und Angehörige der Sicherheitsorgane, 48.000 tote Zivilisten, 44.000 tote Taliban (26). Auf Seiten der Besatzer starben „nur“ rund 4.000 Militärs, unter ihnen die genannten 54 Soldaten der Bundeswehr. Kriegskosten der USA: 2 Billionen US-Dollar (Anmerkung 25) und Deutschlands: die schon genannten 17 Milliarden Euro.

Im vorigen Jahr hat US-Präsident Trump seine Generäle 7.423 Bomben auf Ziele in Afghanistan werfen lassen, mehr als je zuvor im vergangenen Jahrzehnt (27, 28). Im April 2017 hatte Trump schon einmal alles bisher Dagewesene überboten: Er ließ über der ostafghanischen Provinz Nangarhar die größte nicht-nukleare Bombe abwerfen, die sogenannte „Mutter aller Bomben“ (Massive Ordnance Air Blast, MOAB). Ein Kriegsverbrechen, natürlich nannte die Tagesschau es nicht beim Namen (29). Angeblich wurden 96 „IS-Terroristen“ getötet, über weitere Opfer wurde nichts gesagt (30). Wie viele Menschen tatsächlich sterben mussten, weiß man bis heute nicht (31).

Bezüglich fehlender Durchsetzbarkeit der Menschenrechte in Afghanistan — wir erinnern uns, dass Außenminister Maas von „viel Erreichtem“ schwadronierte — hätte die Tagesschau berichten müssen, dass die Partei der „Guten“, der sogenannten „regierungstreuen“ Kräfte, inzwischen mehr Morde begeht als die Taliban. In den ersten neun Monaten 2019 brachte sie rund 1.149 Zivilpersonen um und verletzte weitere 1.199 (32).

Aussagen über außergerichtliche Hinrichtungen, vollstreckt von Todesschwadronen des afghanischen Inlandsgeheimdienstes National Directorate of Security (NDS) sowie den von der CIA ausgebildeten Milizen liegen zwar vor, blieben bisher aber aus naheliegenden Gründen ungeprüft (ebenda). In der Tagesschau zu erwähnen wären sie trotzdem gewesen, das hätte den Blick der deutschen Öffentlichkeit auf die Sicherheitslage im Abschiebeland Afghanistan geschärft.

Zu den Fortschritten im Demokratisierungsprozess in Afghanistan hatte der Lautsprecher an der Spitze des Berliner Außenamts zwar ebenfalls Volltönendes vorgebracht, aber das war dito nicht von Faktenwissen getrübt: Mit einer Wahlbeteiligung von knapp über 15 Prozent (33) haben die Afghanen hinreichend belegt, dass ihnen die demokratischen „Errungenschaften“ der westlichen Wertegemeinschaft fürs Überleben unter Taliban-Präsenz nicht eben dienlich sind.

Rechtstaatlichkeit und „weitgehende Rechte für Frauen“? Gewalt gegen Frauen ist auch bei den „guten“ Afghanen alltäglich und bleibt meistens straflos. Die vom Westen gestützte Regierung hat in keiner der 34 Provinzen eigene Strafverfolgungsbehörden und Gerichte zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen eingesetzt. Trotz Quotenregelungen in der Politik: Unter den 18 Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im September war keine einzige Frau (Anmerkung 30).

Zur Abrundung noch ein Blick auf den Stand der Pressefreiheit: Selbst die stramm transatlantisch genormten und vom US-Außenministerium — beziehungsweise von dessen Ausgründung National Endowment of Democracy (NED) — geschmierten „Reporter ohne Grenzen“ haben Afghanistan ins untere Drittel ihrer Länderliste geschoben, auf den 121. Rang (34). Kritische Journalisten riskieren in Afghanistan Leib und Leben.

„Dutzende Journalist_innen wurden von Sicherheitskräften oder Mitgliedern bewaffneter Gruppen angegriffen. Im Laufe des Jahres wurden zehn Journalist_innen von Unbekannten erschossen, andere wurden von bewaffneten Gruppen entführt“ (ebenda).

Wenden wir uns den Erfolgsaussichten des „Friedensabkommens“ zu. Trotz mehr als 60 Beiträgen zwischen dem 29. Februar und dem 10. März (35) hat die Tagesschau nichts über einige sehr konkrete Vertragshindernisse veröffentlicht. Beispiel: Das Abkommen verlangt von den USA, im UN-Sicherheitsrat durchzusetzen, dass die Taliban bis 29. Mai von der Liste der geächteten Terrororganisationen gestrichen werden (36).

Die Taliban haben ersichtlich kein großes Interesse an diesem Abkommen. Sie sind sich ihres Sieges über die USA längst gewiss:„Am Vorabend der Unterzeichnung haben sie erklärt, dass sie bereits gewonnen haben. Heute ist der Tag des Sieges“ (ebenda, 37), erklärte ihr Unterhändler Sher Mohammad Abbas Stanekzai im Beisein des US-Außenministers Mike Pompeo in Doha. Der grinste dazu nur. Haben auch die USA gar nicht die Absicht, dieses Abkommen auf Punkt und Komma zu erfüllen? Selbst der transatlantisch genormten Tagesschau-Redaktion schwant diesbezüglich nichts Gutes. Unter dem Titel „Erste Hürde für afghanische Friedensgespräche“ zitierte sie am Schluss US-Präsident Trump:

„Die Taliban werden künftig Terroristen bekämpfen, sie werden sehr böse Leute töten. Und wenn das nicht läuft, dann kommen wir zurück, sehr schnell und mit einer Schlagkraft, die noch niemand je gesehen hat“ (38).

Vielleicht brauchen die GIs ja gar nicht zurückkommen, weil sie überhaupt nicht komplett abgezogen sind. An seine Ankündigung, die US-Truppen vollständig aus Syrien herauszuholen, hielt sich Trump bekanntlich auch nicht. Dafür, dass der großartig verkündete Truppenabzug aus Afghanistan ebenfalls nicht absolut ernst gemeint ist, spricht eine ganze Menge.

• Afghanistan bildet den südwestlichen Schlussstein bei der US-Einkreisung der russischen Föderation und der Volksrepublik China. Diese beiden sind für die USA „der Hauptfeind“, und nicht der Terrorismus (39).

• Afghanistan ist das wichtigste Aufmarschgebiet für die USA im Falle ihres Angriffs auf den Iran.

• Afghanistan gehört zu den fünf „-stan“-Ländern, die nach US-Plänen zum Elektrizitätsverbund „CASA 1000“ und zum „Lapislazuli-Handelskorridor“ zusammengeführt werden sollen (40), gedacht als regionaler Konter gegen Beijings Projekt „Neue Seidenstraße“: Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, Kirgistan, Afghanistan.

• Ein Objekt kapitalistischer Begierde: Afghanistans reiche Erzlagerstätten — Gold, Kupfer, Lithium, Kobalt, Seltene Erden — sind nach US-Schätzungen 1 Billion Dollar wert (41).

• In Afghanistan werden rund 90 Prozent des weltweiten Opiums produziert (42). Das afghanische Opium liefert jährlich mehr als 80 Tonnen reines Heroin (43). Dessen weltweiten Vertrieb kontrolliert die CIA (44, 45).

Mehr als 35 Tonnen dieser Droge werden laut übereinstimmenden Angaben der UN und der russischen Drogenpolizei nach Russland geschmuggelt; ein erheblicher Teil davon wandert weiter in die urbanen Zentren Chinas. Das Heroin fördert wo auch immer die Zerstörung der Gesellschaft, wirkt in die Arbeitswelt ein, belastet die soziale Infrastruktur und steigert die Kriminalitätsraten. Allein nach Russland gelangt fast dreimal so viel Heroin wie in die USA, nach Kanada und Westeuropa zusammen. Die CIA führt hier den Dritten Opiumkrieg (46). Nichts von alledem in den vielen Tagesschau-Berichten über das „Friedensabkommen“.

Darf man das Nachrichtenangebot der Tagesschau über geopolitische Konflikte noch als „simulierten Journalismus“ (47) durchgehen lassen — oder hat es schon weniger intellektuellen Anspruch als banale Bahnsteigdurchsagen?


Quellen und Anmerkungen:

Anmerkung zum Titel: „Nichts ist gut in Afghanistan“ lautete der bis heute gültige Hauptsatz der damaligen Bischöfin und EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann, einer entschiedenen Kriegsgegnerin (Neujahrspredigt am 1. Januar 2010 in der Dresdner Frauenkirche)

(1) https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/regionaleschwerpunkte/afghanistanzentralasien/afghanistan-frieden/2312538
(2) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/153902/umfrage/in-afghanistan-gefallene-bundeswehrsoldaten/
(3) https://www.piqd.de/medien-gesellschaft/dem-offentlich-rechtlichen-politikjournalismus-hilft-nur-ein-hartestes-weiterbildungsprogramm
(4) https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts-35895.html
(5) http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Afghanistan/schirmer.html
(6) https://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Deutschland-Welt/So-viel-hat-das-deutsche-Afghanistan-Engagement-bislang-gekostet
(7) https://www.zdf.de/nachrichten/heute/bundeswehr-soll-bleiben-maas-wirbt-fuer-afghanistan-mandat-100.html
(8) https://augengeradeaus.net/2020/02/bundeswehr-einsatz-in-afghanistan-soll-vorerst-unveraendert-bleiben/
(9) https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts-36043.html
(10) https://www.sueddeutsche.de/politik/afghanistan-taliban-widersprechen-ghani-1.4827966
(11) https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts-35959.html
(12) https://www.tagesschau.de/ausland/afghanistan-truppenabzug-103.html
(13) https://www.tagesschau.de/ausland/usa-taliban-abkommen-101.html
(14) https://www.tagesschau.de/kommentar/afghanistan-abkommen-usa-taliban-101.html
(15) https://www.laenderdaten.info/korruption.php
(16) https://www.amnesty.de/informieren/artikel/afghanistan-amnesty-report-201718-zahlen-und-fakten-zu-ausgewaehlten-laendern
(17) https://de.wikipedia.org/wiki/Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Pipeline
(18) https://www.theguardian.com/world/2001/sep/22/afghanistan.september113
(19) https://www.start.umd.edu/pubs/START_GTD_Terrorismin2018Overview_FactSheet_Oct2019.pdf
(20) https://en.wikipedia.org/wiki/Dasht-i-Leili_massacre
(21) https://de.wikipedia.org/wiki/Abu-Ghuraib-Folterskandal
(22) https://www.spiegel.de/politik/ausland/afghanistans-foltergefaengnisse-die-hoelle-in-abteilung-90-a-791187.html
(23) Armin Wertz, „Die Weltbeherrscher“ (Seite246). Westend Verlag, Frankfurt, 2015. ISBN-13-9783864891694. https://www.buchhandel.de/buch/Die-Weltbeherrscher-9783864891694
(24) https://de.wikipedia.org/wiki/Parlamentsarmee
(25) https://www.watson.de/international/usa/411783675-afghanistan-afghanistan-papers-enthuellen-die-wahrheit-ueber-den-krieg
(26) https://watson.brown.edu/costsofwar/figures/2019/us-war-spending-afghanistan-2001
(27) https://www.jungewelt.de/artikel/371498.zahl-der-us-luftangriffe-in-afghanistan-gestiegen.html
(28) https://www.thebureauinvestigates.com/projects/drone-war/charts?show_casualties=1&show_injuries=1&show_strikes=1&location=afghanistan&from=2015-1-1&to=now
(29) https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-279349.html
(30) https://en.wikipedia.org/wiki/2017_Nangarhar_airstrike
(31) https://www.piqd.de/flucht-und-einwanderung/in-afghanistan-werden-die-auswirkungen-der-mutter-aller-bomben-erst-jetzt-deutlich
(32) https://www.amnesty.de/jahresbericht/2019/afghanistan
(33) https://www.merkur.de/politik/aschraf-ghani-gewinnt-praesidentenwahl-in-afghanistan-zr-13546234.html
(34) https://de.wikipedia.org/wiki/Rangliste_der_Pressefreiheit
(35) https://www.tagesschau.de/suche2.html?page_number=8&query=Afghanistan&sort_by=date&dnav_type=
(36) https://southfront.org/u-s-capitulated-in-afghanistan-what-now/
(37) https://www.youtube.com/watch?v=kVUbRNV545E
(38) https://www.tagesschau.de/ausland/usa-taliban-ghani-101.html
(39) https://www.bbc.com/news/world-us-canada-42752298
(40) https://asiatimes.com/2020/02/the-afghanistan-peace-deal-riddle/
(41) https://www.spiegel.de/politik/ausland/multimilliarden-schatz-usa-finden-riesige-rohstofflager-in-afghanistan-a-700503.html
(42) https://www.rollingstone.de/drogenstaat-afghanistan-wie-heroin-ein-land-regiert-698857/3/
(43) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/199722/umfrage/opiumproduktion-weltweit-seit-2002/
(44) https://ef-magazin.de/2017/06/27/11236-hintergruende-us-amerikanischer-politik-wie-die-cia-eine-drogenschmuggel-fluglinie-fuer-heroin-betrieb
(45) https://de.wikipedia.org/wiki/Air_America
(46) Ausnahmsweise ein Selbstzitat: http://www.ossietzky.net/8-2010&textfile=980
(47) Paul Schreyers trefflicher Titel zu seiner Kritik der Tagesschau-Berichterstattung über den Fall Assange, https://multipolar-magazin.de/artikel/simulierter-journalismus

Anmerkung der Autoren:

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