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Die Gleichstellungs-Lüge

Die Gleichstellungs-Lüge

Der Staat missbraucht den Gleichheitsgrundsatz, um Mann und Frau gleichermaßen schlecht zu behandeln.

Seit dem Vertrag von Amsterdam von 1997 gilt das „Gender Mainstreaming (GM)“ als Querschnittsaufgabe für die Politik in der Europäischen Union. In Deutschland wird das GM in der Regel übersetzt als „Gleichstellung der Geschlechter“. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) definiert die „Gleichstellungspolitik“ so:

„Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist eine der zentralen Herausforderungen, um das Leben in unserem Land zukunftsfähig und gerecht zu gestalten. Dafür müssen Frauen und Männer auf dem gesamten Lebensweg die gleichen Chancen erhalten — persönlich, beruflich und familiär.“

Mit dieser Umschreibung wird unmissverständlich der Anspruch erhoben, die „Gleichstellungspolitik“ diene der Gleichberechtigung der Geschlechter. Dieser Eindruck lässt sich dem unbefangenen Leser auch leicht vermitteln, da beide Begriffe das Wörtchen „gleich“ enthalten. Aber kann „Gleichstellung“ wirklich so einfach mit Gleichberechtigung gleichgesetzt werden?

Bei näherer Betrachtung sagen die beiden Begriffe etwas völlig Verschiedenes aus. „Gleichberechtigung“ ist ein Grundrecht der einzelnen Frauen und Männer gegenüber dem Staat. „Gleichstellung“ ist dagegen ein — vermeintliches — Recht des Staates gegenüber seinen Bürgern.

Rechte der Bürger und Rechte des Staates sind aber grundverschiedene Dinge. Eine „Gleichstellungspolitik“ des Staates kann überhaupt nur dann der Gleichberechtigung dienen, wenn dabei die Wünsche seiner Bürger und Bürgerinnen berücksichtigt werden. Eine „Gleichstellung“ gegen die jeweiligen persönlichen Vorstellungen ist Bevormundung, also das genaue Gegenteil von Gleichberechtigung.

Nun sind die Wünsche bezüglich Beruf und allgemeinem Lebensentwurf bereits innerhalb der Gruppe der Frauen und innerhalb der Gruppe der Männer unterschiedlich. Wenn es aber speziell um die Gleichberechtigung der Geschlechter geht, ist zu berücksichtigen, dass sich die durchschnittlichen Lebensvorstellungen und Denkweisen bei Frauen und Männern erheblich unterscheiden. Wer auch nur über Grundkenntnisse in der Biologie, der Medizin oder der Psychologie verfügt, kann das nicht bestreiten.

Auch die allgemeine Erfahrung, etwa bei der Berufswahl, zeigt das. So sind zum Beispiel 63 Prozent der Kinder- und Jugendpsychiater Frauen, aber nur 6 Prozent der Orthopäden (1). Aber nicht nur bei der Berufswahl verhalten sich Frauen und Männer verschieden, sondern in allen Lebensbereichen. Von gleichen oder annähernd gleichen Vorstellungen von Männern und Frauen kann keine Rede sein.

Chancengleichheit: Gleichstellung der Erziehungsarbeit ist notwendig

Wenn „Gleichstellung“ tatsächlich „gleiche Chancen“ bedeuten soll, wie in der Definition des BMFSFJ oben behauptet, dann sind die unterschiedlichen Absichten der Geschlechter tatsächlich als gleichberechtigt anzuerkennen und zu behandeln. Das geschieht aber nicht. So wird etwa die „Gleichstellung im Erwerbsleben“ gefordert, wobei vor allem die „gleiche Teilhabe“ gemeint ist. Dabei wird zwar von „Arbeitsmarkt“ gesprochen, aber nur der Erwerbsarbeitsmarkt gemeint. Nur durch eine Teilhabe am Erwerbsleben könne für Lebensunterhalt und soziale Absicherung gesorgt werden. Das entspricht zwar der heutigen Rechtslage.

Aber es wird übersehen, dass diese Verhältnisse auf einer Minderbewertung der elterlichen Erziehungsarbeit beruhen. Schließlich werden nach dem heute geltenden Umlageverfahren die Renten einer Generation allein durch die Kinder dieser Generation bezahlt und damit auch allein durch Kindererziehung erarbeitet. Der ganze Bereich der elterlichen Erziehungsarbeit wird aber einfach unterschlagen, obwohl er Grundlage für unsere soziale Sicherheit ist.

Mütter oder Väter, die ihre Hauptaufgabe darin sehen, ihre Kinder zu erziehen und damit eine vergleichbar wertvolle Arbeit leisten wie Erwerbstätige, werden damit von vornherein von der Gleichberechtigung ausgeschlossen. Damit bricht der Anspruch, die „Gleichstellungspolitik“ fördere die Gleichberechtigung, in sich zusammen.

Die im Hintergrund stehende Vorstellung, dass Gleichberechtigung ohne „gleiche Teilhabe am Erwerbsleben“ nicht möglich sei, beruht auf der Überbewertung der Erwerbsarbeit zu Lasten der Erziehungsarbeit, die im Rentenrecht überdeutlich zum Ausdruck kommt. Schließlich führt diese Fehlbewertung beider Arbeitsbereiche zu der absurden Folge, dass Eltern gegenüber ihren eigenen Kindern in der Regel weniger Rentenansprüche haben als ihre kinderlosen Nachbarn, weil die Renten von den im Rahmen des Erwerbslebens geleisteten Beiträgen abgeleitet werden, die aber ausschließlich die Renten der vorangegangenen Generation finanziert haben.

Die Gleichsetzung von „gleicher Teilhabe am Erwerbsleben“ und „Gleichberechtigung“ lässt sich also nur nachvollziehen, wenn die in unserem Sozialsystem fíxierte Fehlbewertung von Arbeit als gegeben hingenommen wird. Die Abwertung der Erziehungsarbeit zugunsten der Erwerbsarbeit beruht aber eindeutig auf dem im Patriarchat wurzelnden überheblichen Denken der Männer. Die als „typisch weiblich“ geltenden Arbeiten wie die Kindererziehung wurden als minderwertiger empfunden als die überwiegend von den Männern ausgeübte Erwerbsarbeit.

So ist auch unser im Wesentlichen 1957 geschaffenes Rentenrecht ein Ergebnis männlichen Denkens. Frauen spielten damals in der Politik noch kaum eine Rolle. Vor diesem Hintergrund ist die „Gleichstellungspolitik“ eher als Neuauflage patriarchalen Denkens anzusehen. Die frühere Rolle der Männer wird allerdings heute von Männern und Frauen eingenommen, die vorwiegend kein oder vielleicht ein Kind haben und daher eher dazu neigen, den Umfang und Wert der Erziehungsarbeit zu unterschätzen. Gleichzeitig wird die frühere Rolle der Frauen marginalisiert und schlechtgeredet. Das ist nichts anderes als eine Wiederauflage alten — männlichen — Denkens.

Objektiv besteht jedoch kein Anlass, die Erziehungsarbeit der Eltern geringer zu schätzen als Erwerbsarbeit, denn es gibt keinen sachlichen Grund für die oben beschriebene Fehlbewertung von Erziehungs- und Erwerbsarbeit. Deren Langzeitfolgen für unsere Gesellschaft zeigen sich nicht nur in einer verringerten Kinderzahl, sondern auch darin, dass der Erziehung der verbleibenden Kinder immer weniger Bedeutung beigemessen wird mit allen Sekundärfolgen, die sich daraus ergeben.

Diese Überlegungen sollten ausreichen, um zu zeigen, dass Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern niemals durch eine „Gleichstellung im Erwerbsleben“ erreicht werden kann. Vielmehr ist dazu eine Gleichstellung von Erziehungsarbeit mit herkömmlicher Erwerbsarbeit erforderlich. Gleichstellung ist also nicht generell falsch. Es kommt aber darauf an, was gleichgestellt werden soll. „Gleichstellung“ ist nur dann ein Recht, ja sogar eine Pflicht des Gesetzgebers, wenn sie der Gleichberechtigung dient.

Aber zurück zur „Gleichstellungspolitik“ von heute: Ginge es wirklich um gleiche Chancen für alle, wie die Definition des BMFSFJ behauptet, wäre dagegen nichts zu sagen. Aber durch die regierungsamtliche Vorgabe einer „gleichen Teilhabe am Erwerbsleben“ werden die Weichen ganz anders gestellt. Wer nicht bereit ist, sich an die staatliche Vorgabe zu halten, sieht seine Chancen rigoros eingeschränkt. Von Gleichberechtigung ist da keine Spur. Das soll nur an zwei Beispielen verdeutlicht werden.

Zum Ersten das Elterngeldgesetz: Eine Lehrerin, die ihr erstes Kind zwei Jahre lang selbst betreut und deshalb auf Erwerbsarbeit verzichtet, erhält bei einem weiteren Kind mit zwei Jahren Abstand ein Elterngeld von 375 Euro pro Monat. Ihre Kollegin, die in vergleichbarer Situation ihr Kind ab dem 2. Lebensjahr in eine Krippe gibt, um wieder voll erwerbstätig zu sein, erhält dagegen bei einem Folgekind ein Elterngeld von 1.980 Euro. Der „Geschwisterbonus“ wurde in beiden Fällen berücksichtigt. Bei einem Unterschied des Elterngeldes von fast 1:6 kann sicher von „gleichen Chancen“ keine Rede sein. Eine Nichtbefolgung der staatlichen Vorgaben wird mit einer Minderleistung von 19.260 Euro (12 mal 1.605 Euro) bestraft.

Zum Zweiten die einseitige Krippenförderung: Eltern, die ihr Kind ab dem 2. Lebensjahr in eine Krippe geben, werden auch unter Berücksichtigung ihres Eigenbeitrags über die öffentliche Krippenfinanzierung mit mindestens circa 1.000 Euro pro Monat subventioniert. Eltern, die ihr Kind selbst betreuen, werden nicht einmal 150 Euro Betreuungsgeld gegönnt. Auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wäre eine Weitergewährung des ohnehin geringen Betrages auf Länderebene möglich gewesen. Das erfolgt aber, außer in Bayern, in keinem anderen Bundesland. Auch hier kann von „gleichen Chancen“ keine Rede sein. Diese Beispiele könnten durch viele weitere ergänzt werden.

Gleichstellungspolitik auf ideologischer Basis

Bei sachlicher Beurteilung ist die Behauptung, diese Art von „Gleichstellungspolitik“ fördere die Gleichberechtigung, abwegig.

Diese Politik ist überhaupt nur unter der Annahme nachzuvollziehen, alle Menschen und insbesondere Frauen und Männer hätten die gleichen Vorstellungen von ihrem Lebensentwurf. Das widerspricht jedoch allen wissenschaftlichen Erkenntnissen und auch der Lebenserfahrung.

Eine Politik, die wesentliche Aspekte der Wirklichkeit ausblendet, kann nur als ideologisch begründet betrachtet werden. Die gegenwärtige „Gleichstellungspolitik“ beruht auf einer Ideologie, der mittels der „Gender-Forschung“ ein pseudowissenschaftliches Mäntelchen umgehängt wird.

Nun wäre das alles nicht so bedrohend, wenn diese Ideologie nur von einer Partei getragen würde. Aber nein: Sie wird von allen bis 2017 im deutschen Bundestag vertretenen Parteien bedient, sei es nun von Koalition oder Opposition. Als ehemaliger DDR-Bürger kann ich mich gar nicht dagegen wehren, an das Blockparteien-System in der Volkskammer erinnert zu werden. Auch in der DDR beruhte eine ganz ähnliche Familien-Politik auf einer pseudowissenschaftlichen Ideologie. Auch dort wurden alle Bürger und Bürgerinnen, die dieser Ideologie nicht folgen wollten, als „extremistisch“ oder gar „faschistisch“ diffamiert oder im harmloseren Fall als „altmodisch“ oder „unbelehrbar“ bezeichnet. Auch dort wurde die Ideologie den Menschen von oben übergestülpt, ohne dass es eine breite gesellschaftliche Diskussion darüber gegeben hätte, ganz ähnlich wie das heute von der EU-Ebene her geschieht.

Die Ähnlichkeit der Familienpolitik in der heutigen Bundesrepublik und der früheren DDR ist so frappierend, dass sich die Frage stellt, wo bei so verschiedenen Systemen eigentlich das Verbindende liegt. In der DDR glaubten die führenden Ideologen, durch volle Mobilisierung der Frauen für den Arbeitsmarkt den Sozialismus schneller aufbauen zu können. Außerdem wurde durch die Verstaatlichung der Kinderbetreuung angestrebt, die Kinder von klein auf zu Parteigängern des Marxismus-Leninismus zu erziehen.

In der Bundesrepublik liegt der Motor für die „Gleichstellungspolitik“ eher bei den Ideologen der neoliberalen Politik, die sich durch ein möglichst hohes Arbeitskräfteangebot — und damit nach marktwirtschaftlicher Logik durch tendenziell geringere Löhne — höhere Profite versprechen. Hier wie dort war und ist das Schicksal und die Gesundheit der Kinder und der gesamten Familien kein Thema.

Bleibt die Frage, ob es auch in der Bundesrepublik ein „Erziehungsziel“ gibt. Das von nahezu allen Politikern behauptete Ziel, die heranwachsende Generation nicht nur zu funktionierenden Arbeitskräften und Konsumenten zu erziehen, sondern zu selbstbewussten und selbständig denkenden Mitgliedern der Gesellschaft, erscheint allerdings vor dem Hintergrund der „Gleichstellungspolitik“ unglaubwürdig.

Wie dem auch sei. Einen Unterschied zwischen damals in der DDR und heute gibt es eben doch: Heute braucht — noch — niemand zu befürchten, wegen einer anderen Meinung hinter Gittern zu landen. Deshalb sollten wir auch den Mut haben, diese verbliebene Freiheit zu nutzen. Wir sollten nicht aufhören, auch eine Gleichberechtigung der Eltern, also von Müttern und Vätern, zu fordern, die heute durch „Gleichstellungspolitik“, Rentenrecht und anderes massiv und zunehmend diskriminiert werden.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Ärzteblatt Rheinland-Pfalz, 3/2015, S. 12

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