Am 25. Mai 2019 hielt US-Vizepräsident Mike Pence eine Ansprache vor dem Abschlussjahrgang in West Point. Er sagte den Absolventen, dass sie mit Sicherheit „auf einem Schlachtfeld für die USA landen“ und sich „zum Klang von Gewehren bewegen“ würden.
Er sagte nicht, für wessen Ziele sie kämpfen würden – ob für die der Erdölunternehmen oder die Israels oder die der New Yorker Banken; vielleicht auch für die neokonservative Ideologie der US-Weltherrschaft oder für die Drogengeschäfte der CIA. Tatsächlich werden die West-Point-Absolventen sterben, ohne je zu wissen, für wessen Interessen sie kämpften.
Pences Ansprache veranschaulicht perfekt, wie die Matrix funktioniert. Unschuldig und unwissend, wie es die Absolventen sind, ist es ein Kinderspiel, sie als das anzuwerben, was Smedley Butler, General der US-Marine, als „Auftragskiller für die US-Konzerninteressen“ bezeichnet hat.
Die USA haben sich seit der Clinton-Zeit vor allem durch Krieg und Kriegsvorbereitungen hervorgetan. In der US-Geschichte wurden Kriege stets für das Imperium sowie für die wirtschaftlichen und finanziellen Interessen derjenigen geführt, die vom Imperium profitieren. Es gab nur wenige Jahre in der US-Geschichte, in denen die Regierung nicht mit irgendjemandem im Krieg lag.
Vor 56 Jahren, am 10. Juni 1963, hielt ein viel größerer Mann als Pence, nämlich Präsident John F. Kennedy, die Abschlussansprache an der American University in Washington. Diese Ansprache schockierte den Militär- und Sicherheitskomplex. Sie offenbarte einen Präsidenten, der sich der Schaffung friedlicher Beziehungen mit der Sowjetunion verschrieben hatte – dieser Frieden würde das Budget, die Macht und Wichtigkeit dieses Komplexes gefährden.
Kennedys mutige Ansprache versetzte ihm endgültig den Todesstoß – fünf Monate später wurde er in Dallas, Texas, von der CIA und dem „Vereinigten Generalstab“ (die Befehlshaber der einzelnen US-Streitkräfte; Anmerkung der Übersetzerin) ermordet. Ihre Tat wurde Oswald angelastet, der kurz darauf in einem Gefängnis in Dallas erschossen wurde – von einem Zivilisten, der einzig zu diesem Zweck Zugang in das Gefängnis erhalten hatte. So wurde der angebliche Mörder getötet, bevor er seine Beteiligung an dem Mord leugnen konnte.
Das Wagnis des Friedens
Präsident Eisenhower hatte den Militär- und Sicherheitskomplex bereits verärgert, als er diesen in seiner letzten öffentlichen Ansprache im Jahr 1961 als Gefahr für die US-Demokratie bezeichnet hatte. Präsident Kennedy jedoch ging noch weiter, als er in der American University seine Absicht äußerte, Frieden zu schaffen und die Kriegsbedrohung zu beenden:
„Ich habe diesen Ort und diesen Zeitpunkt gewählt, um über ein Thema zu sprechen, bei dem zu oft Ignoranz herrscht, während die Wahrheit zu oft nicht erkannt wird – und doch ist es das wichtigste Thema der Welt: der Frieden.
Welche Art Frieden meine ich? Welchen Frieden streben wir an? Nicht eine Pax Americana, die der Welt mit US-Kriegswaffen aufgezwungen wird. Weder den Frieden des Grabes noch die Sicherheit des Sklaven.
Ich spreche von echtem Frieden, von der Art von Frieden, die das Leben auf der Erde lebenswert macht; von der Art, die es Menschen und Nationen ermöglicht, zu wachsen und zu hoffen und ein besseres Leben für ihre Kinder aufzubauen – nicht nur Frieden für die US-Amerikaner, sondern Frieden für alle Männer und Frauen – nicht nur Frieden zu unseren Lebzeiten, sondern für alle Zeiten.
Ich spreche vom Frieden, weil der Krieg heute in einem neuen Gewand erscheint. Ein totaler Krieg ist sinnlos in einer Zeit, in der Großmächte über große und relativ unangreifbare Atomwaffen verfügen und eine Niederlage erst nach Anwendung dieser Waffen akzeptieren würden. Er ist sinnlos in einem Zeitalter, in dem eine einzige Atomwaffe fast das Zehnfache an Sprengkraft dessen besitzt, was die gesamte alliierte Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg einsetzte. Er ist sinnlos in einem Zeitalter, in dem die tödlichen Gifte, die bei einem atomaren Konflikt entstehen, durch Wind, Wasser, Boden und Saatgut in die entferntesten Winkel der Erde getragen werden – und zu kommenden Generationen, die noch nicht einmal geboren sind.“
Zudem setzte Kennedy ein Vertrauen in die USA, das nach ihm kein Präsident – außer Ronald Reagan – hatte:
„Wir können eine Entspannung anstreben und gleichzeitig wachsam sein. Und wir brauchen auch keine Drohungen auszustoßen, um zu beweisen, dass wir entschlossen sind. Wir müssen keine Auslandssender blockieren, weil wir fürchten, dass unser Glaube beeinträchtigt werden könnte. Wir wollen unser System niemandem aufzwingen, der es nicht möchte – wir können und wollen jedoch in einen friedlichen Wettstreit mit jedem Land der Erde treten.“
Vergleichen Sie das heutige Washington mit Präsident Kennedy, und Sie sehen den totalen Zusammenbruch der USA. Heutzutage versuchen wir, alle Nachrichten zu unterdrücken, die nicht von der sich anbiedernden Presse stammen, die die offiziellen Erklärungen wiederholt. Wir blockieren Auslandssender, indem wir russische Nachrichtensender zwingen, sich als „ausländische Agenten“ registrieren zu lassen. Wir löschen Websites und verbieten die freie Meinungsäußerung auf Facebook und Twitter. Wir kennen keinerlei Diplomatie, nur Drohungen.
Tatsächlich sind Drohungen das Kennzeichen der USA – Kriegsdrohungen, Sanktionsdrohungen. Der Präsident der Vereinigten Staaten verteilt das Territorium anderer Länder und bestimmt den Präsidenten von Venezuela. Die heutigen USA haben eine Todesangst vor friedlichem Wettstreit und erlegen jedem, von Mexiko bis China, Strafzölle auf.
Als John F. Kennedy Präsident war, waren die USA ein stolzes Land. Heute sind sie ein schändlicher Staat im freien Fall und eine große Gefahr sowohl für ihre eigenen Bürger als auch für den Rest der Welt.
Quellen und Anmerkungen:
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Mike Pence vs. John F. Kennedy: Two Contrasting Commencement Addresses A Half Century Apart“. Er wurde von Gabriele Herb aus dem ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.