Vor gut 75 Jahren notierte Ernst Jünger in seinem Waldgang:
„Es gibt kein großes Wort und keinen edlen Gedanken, in dessen Namen nicht schon Blut vergossen worden ist.... Und in Zukunft wird es die Ökologie sein, ein in seinem Ursprung richtiger Gedanke, bei dem sich heute niemand vorstellen kann, dass auch er einmal Basis einer bizarren Ideologie werden könnte.“
In diesem Sinne noch eine kurze Bemerkung vorweg: Es geht hier weder um 1,5 Grad mehr oder weniger, es geht nicht um Diagramme längst vergangener Eis- oder Heißzeiten und auch nicht um Worterteilung an Pro- oder- Kontra CO2-Lobby-Experten. Über Recht oder Unrecht, weiter so oder radical change, umstürzende Eisbären und leer laufende Windräder oder den Unterschied zwischen Klima und Wetter mögen kluge und befugte Menschen urteilen. Es geht hier zentral um die paradoxe Symbiose aus wütenden Weltjungendspielen und dem stoischen Zynismus des Megakapitals.
In der taz meldete sich vor einigen Tagen die Seenot-Expertin Carola Rackete zu Wort. Mit einiger Verachtung hielt sie Luisa und dem Rest der erschlafften Reemtsma-Influencer vor, die „Grenzen des Reformismus“ akzeptiert zu haben. Dabei bräuchte die Bewegung gerade jetzt „mehr Radikalität“. Es gehört zum Wesen von Erlösersekten, ihre Kinder auf dem langen Marsch in eine bessere Welt aufzufressen.
Dabei hatte die Wunschkanzlerkandidatin Baerbock zeitgleich verkündet, dass „jedes Verbot auch ein Innovationstreiber“ sei. Dafür bekam sie rauschenden Zuspruch vom kultur-schaffenden „juste Milieu“, etwa von den Darstellerinnen Katja Riemann, Carolin Kekebus und Martina Gedeck aber auch von den eingefleischten Decarbonierungs-Anhängern Eckart von Hirschhausen, Wolfgang Niedecken und Ranga Yogeshwar. Es ist, seit der Club of Rome-Fibel 1972 schon fünf nach 12, es muss endlich ein brutalst-möglicher Systemwechsel her, hier, heute und jetzt und überhaupt und sofort, nach unserer Kenntnis unverzüglich und danach permanent, siehe Mao, whatever it takes, im besten Draghideutsch.
Ein erster Rückblick: Zum Jahresbeginn 2016 trafen sich frisch vom ökologischen Humanismus beseelte Koryphäen, darunter die CEOs von Michael Bloomberg, BlackRock, der Barclays Bank, HSBC, Swiss Re, Tata Steel, ENI Oil, Dow Chemical, der Bill&Melinda Gates Stiftung und des „Climate Reality-Projects“ von Al Gore. Ziel: Geld. Zum Jahresende hatte sich120 Billionen USD, also 120 Mal 1000 Milliarden angehäuft. Parallel kümmerten sich die „Save the planet“-Außendienstler von Goldman& Sachs um die Sache mit den Treibhaus-Emissionen. Gemeinsam mit JPMorgan-Chase, der Bank of America, Google, Microsoft, Danone und Merrill Lynch kreierten die Philantropen einen globalen und ziemlich renditeträchtigen Ökoaktien-Index, worauf europäische und amerikanische Pensionsverwalter mit weiteren 600 Milliarden USD die grüne Survival-Arche flott machten.
Die sich nach und nach häufenden Gigantengipfel fanden naturgemäß keinerlei Erwähnung im medialen Betrieb. Vielmehr richtete sich der Focus des Haltungsjournalismus auf empörte junge Leute, die Klimawandel, Umweltzerstörung und damit verbundene Untergangsvisionen gelungen orchestriert auf die Straßen der Metropolen und vor die Kameras von CNN&Friends brachten. Brennende Barrikaden, das Skandieren, all die farbigen Parolen und das revitalisierte „everywhere I hear the sound of marching, charging people...“ erinnerten die Veteranen aus Berkeley, Paris und Berlin an frühere Glanztaten.
Die FFF- und XR-Demos erschienen ihnen tatsächlich wie jene damals im Kampf gegen Vietnam, Springerpresse, NATO&CIA-Imperialisten, Bullenschweine, Pershings und Ungerechtigkeiten aller Art. Von wegen „lost generation“ oder digitale Demenz: Hier protestierte eine erwachte Generation mit Mumm, Wut, echtem Engagement und revolutionärem Spirit. Entzückte Mütter lieferten ihre Kids mit dem 8-Zylinder-SUV am Meeting-Point ab, stolze Väter standen ihren Buben mit Buntstiften beim Plakatemalen bei und die ÖR-Sender lieferten allabendlich erregende Bilderwelten von den friedlichen Aufmärschen der Lifestyle-Changer.
Verblüffendes Bündnis
1968 reloaded? Der Unterschied zu den damaligen Volkserhebungen besteht darin, dass deren Gegner in Form von Staatsmacht, Militär, Justiz, Großkapital, Geheimdienst und sogar Kirchen den heutigen Aktivisten mehr oder weniger als Sponsoren dienen. Auch stehen den unglaublich schnell daherredenden Damen und Herren Coachinginstitute, TV-Studios, Kathedralen, Konzern-Paläste und Yachtclubs rund um die Uhr offen. Und in den Premiumsuiten des Davoser WEF gehen sie mittlerweile ein und aus wie langjährige Stammgäste aus dem Henry Kissinger Clan.
Klaus Schwab, der selbsternannte Buddha des Transhumanismus, kann sich gar nicht satt sehen an diesen illuminierten Engeln eines windig herannahenden Arkadiens, für das seine saloppe 2030-Verkündung zutrifft: Du wirst zwar nichts besitzen, aber dafür glücklich sein.
Wie kommt es zu diesem Bündnis zwischen der jesumarxistischen Multikulti-Jugend und den müden weißen Greisen aus Davos, Wallstreet und der City of London? Und wieso spannen sich freiheitsvernarrte Rainbow-Warrior-Utopisten freiwillig vor das Ochsenjoch dieser staubtrockenen Elite technokratischer Stakeholder?
Gehen wir noch einen Schritt zurück: Die ersten planetarisch-ökologischen Denkmodelle bildeten sich nicht auf den blühenden Streuobstwiesen der schwäbischen Ur-Grünen, sondern in den vollklimatisierten Think Tanks der Rockefeller Foundation. Ab Ende der Neunzehnachtziger Jahre schon kanalisierten die schwedische Immobilienfirma Vasakronan, Apple, SNCF, Credit Agricole oder Tesla Energy etwa 50 Billionen USD-Geldströme in winzige „Irgend-etwas-mit-Klima“-Firmen. Parallel bewarben Natur-Prinz Charles und die „City“ grüne Bonds, um gigantische Pensions- und Versicherungsgelder in futuristische Ökoprojekte zu investieren. Im weiteren Verlauf stießen die Netzwerke von unter anderem Al Gore, George Soros, Ingmar Rentzhog, Richard Branson, Mark Zuckerberg und Al-waleed bin Talal dazu.
Zumindest in den USA wurde von Seiten der klassischen Linken Kritik an jenem grünen Vorzeigeschirm laut, unter dem sich Banken und Konzerne eingefunden hatten, deren Kerngeschäft bis dato das Zerstören der Umwelt und des Humanismus war. Das Plündern und Auspressen, die rücksichtslose Globalisierung war der Sellout klassischer Gesellschaftsverträge und die wohlbedachte Verelendung der Ökonomien Afrikas, Asiens und Lateinamerikas.
Also galt es diesem Jahrhundertcoup schleunigst eine ethische Note und auch einen gewissen messianischen Touch zu verleihen. Nachdem die Vorstände der wenigen verbliebenen Medienkartelle am Rande der Davoser Kamingespräche den Gastgebern uneingeschränkte Solidarität zugesichert hatten, vergehen kein Dauerregen, kein Waldbrand, kein Murenabgang oder tropischer Hurrikan, ohne dass Hörer, Seher und Leser mit Schreckensvisionen in schlaflose Nächte getrieben werden.
Ziehkind aus Davos
Und so lernte das verkaterte Publikum Greta kennen. Obwohl diese bei ihren exponierten Ansprachen mehr Panik verbreitete als einst alle Black Panther zusammen, küsste ihr im Februar 2019 der EU- Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Hand und versicherte, dass sein Brüssel in den nächsten zehn Jahren Hunderte von Milliarden Euro zur Bekämpfung des Klimawandels ausgeben werden. Am 28. November stimmte eine Zwei-Drittel-Mehrheit im EU-Parlament der Resolution eines Klimanotstands zu.
Während Greta als „Person of the Year“ wie eine unausgeschlafene Klapperschlange auf dem Time-Cover performte, landete ihre US-Pendantin Alexandria Ocasio-Cortez aus dem Bernie Sanders-Stall auf dem Titel von Vanity-Fair. Illustriert von Highend-Modelposen entfaltete sie im Heft ihre alternativlos-energetische Welt-Transformation mit viel Wind, Wasser, Sonne und Biomasse. Ihr Beitrag strotzte nur so vom schwer verdaulichen Wording ihres Davoser Ziehvaters: „New Global Governance“, „Transformative Governance of climate change“ oder „Transformative Governance of urban change“ und endete mit der Androhung: „Change is closer than we think.“
Change. Yes we Can. Yes we can. Change, change, change the world. Damit hievte sich Barack Obama ins Weiße Haus und hypnotisierte eine Weltgeneration aus Wutkids, Aktivisten und auf Bio-Moral getrimmte Hollywood-Mimen. Obamas „Clean Power Act“ hält selbst der den Demokraten wohlgesonnene Dokufilmer Michael Moore für einen Unfug aus x-beliebigen Zielbehauptungen, Emissionschaos und bestellten Gefälligkeitsexpertisen. Allemal, change, das klingt immer gut, sexy und radical-chic und vor allem bedeutet es für Menschen im Wendekreis der Pubertät etwas Verheißungsvolles. Letztlich aber bedeutet es alles und nichts — mit Tendenz zu gar nichts.
Wie ein Zaubertrick
Während die vier Trumpjahre die amerikanischen Greendealer im Zeitplan behinderten, wurde im EU-Variete mit Ursula von der Leyen ein weißes Kaninchen aus dem Hut gezaubert, für dessen bisherige Politkarriere die Bezeichnung „rundum glücklos“ ein Kompliment wäre.
Nachdem sie elf lange Tage im Kreis ihrer Consulterschar campierte, stellte die Juncker-Nachfolgerin ihre Road-Map-Idee des „Green New Deal“ vor. Die von ihrer Deus-Ex-Machina-Installierung verärgerten Bürger Europas erfuhren, dass „man“ bis 2030 den CO2-Ausstoss — verglichen mit 1990 — um 50 bis 55 Prozent reduziere. Bis 2050 dann sei die EU absolut klimaneutral, das heißt der Ausstoß von CO2 dem entspricht, was die Natur als solche aufnimmt und verarbeitet. Für die erste Dekade kalkulierte „man“ mal so locker eine Billion Euro ein, aber später, so der Trost, kämen sicher noch ein paar Nullen dazu. Zur Begleichung des Ablasshandels hätte „man“ die Mittelständler im Visier sowie die europäischen Landwirte und im weiteren Verlauf die kleinen Frauen und Männer auf der Straße — mittels Benzinsteuer, verdeckten Kompensationen, pfiffigen Ablässen, Umlageverbesserungen, Reduktionsvergütungen und sonstigen Win&Win-Konstrukten.
Das neue Wirtschaftsprogramm
Fast zeitgleich verkündete Robert Habeck, lässig über die holsteinische Viehweide schlendernd und in FJK-Manier die linke Hand in der Hosentasche beim Grünen-Parteitag: „Wir müssen jetzt auf einen Green-New-Deal setzen. Green-New Deal ist nicht nur ein großes Investitionsprogramm, sondern ein Wirtschaftsprogramm, das den Krieg der Ökonomie gegen die Natur beendet.“
Das Ende des Kriegs der Ökonomie gegen die Natur? Und genau das Hand in Hand mit den lupenreinen Öko-Landsern von Rockefeller, Soros, BlackRock, Vanguard, Siemens, Goldman&Sachs und den Semirobotern aus der Davoser Irrenanstalt? How dare You, Annarobert?
Seit vielen dunklen Wintern schwört Klaus Schwab die zunehmend verunsicherten Konzernbosse und Staatenlenker darauf ein, dass sich klassische Demokratien für die in seinen Augen längst besiegelte Transformation nicht eignen und nun auch bitte mal für alle Zeiten den Platz zu räumen haben für einen global operierenden Neue Welt-Zirkus.
Auf der in großen Teilen von Humor befreiten Homepage seines WEF sind die Motive und Ziele der Vordenker offen definiert und es wird unumwunden wie beiläufig dargelegt, dass die Sache mit dem Klima lediglich eines der aktuellen PR-Tools ist für die weihnachtliche Neuschaffung der Weltwirtschaft und Gestaltung unseres zukünftigen Zusammenlebens.
Anstatt sich als Linke, Humanisten und dem Gewissen verbundene Weltverbesserer gegen die Vertreter des Turbo-Kapitalismus, Hedgefond-Vampirismus und kriminellen Soziopathenkolonialismus zu erheben, agiert die Graswurzelbewegung als deren Straßenfeger und Säuberungsarmee. Seit eine große Macht ihren ethischen Kompass umgepolt hat, tragen sie eine faschistoide Verbotskultur in die Städte, denunzieren und diffamieren, verdingen sich als Moralpolizisten und Blockwarte der Achse des Guten, wähnen sich als Vorboten des neuen Menschen, der neuen Welt und des ethischen Endsiegs und erinnern an eine sehr deutsche Jugendbewegung, die ihren Sturm und Drang, die erotische Wut und romantische Sehnsucht einer Frühform der Stakeholder-Junta unterordnete.
Die Kräfte hinter dem Grünnebel haben es mit ihren Stiftungen, Politdarstellern und NGO-Mandschuren geschafft, die Weltjugend zu ihren loyalen Verteidigern auszubilden. WEF-Young Global Leaders wie unter anderem einst Dr. Merkel und später Cem Özdemir, Ska Keller, Jens Spahn oder Annalena Baerbock haben bei der ideologischen Unterwanderung des demokratischen Pluralismus bestens funktioniert. Sie bedienen den Maschinenraum.
Die Kapitäne interessieren sich einen feuchten Kehricht für gesunde Natur, blühende Landschaften, bukolische Glückseligkeit, urinierende Amazonfahrer, freie Menschen, fairen Handel, Chancengleichheit, Mindestlohn, Solidarität, Kindesglück und transparente Ökonomie. Sie beschäftigen sich mit Macht, Profit, Betrug, Täuschung, Erpressung, Unterwanderung und Tod. Und sie spulen dieses Programm wie immer schon und im Sinne von Warren Buffet herunter: „Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.“
Und ob im Schatten von FFF&XR doch nur die stillgelegte Nuklearlobby lauert? Wer will das eigentlich noch wissen?