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Die Drahtzieher hinter Trump

Die Drahtzieher hinter Trump

Trumps außenpolitische Berater setzen auf Interventionen.

Unter der Regierung von Saddam Hussein hatten Menschen in den Cafés von Bagdad in der Regel Angst, aus Versehen ihren Kaffee über der Titelseite der vor ihnen aufgeklappten Zeitung zu verschütten. Sie hatten einen guten Grund für ihre Angst, denn irakische Zeitungen zeigten damals auf der Titelseite immer ein Bild von Saddam Hussein. Seine Gesichtszüge unkenntlich zu machen, könnte als ein Anzeichen für Nichtachtung oder sogar als kritische oder verräterische Haltung dem großen Führer gegenüber interpretiert werden.

Saddam Hussein wurde in der irakischen Presse ausnahmslos hochgelobt, und doch wäre er beeindruckt, auf welch erstaunliche Weise es in den US-Medien zum Normalfall geworden ist, dass Präsident Trumps Worte und Taten die Top-Nachrichten dominieren. Tag für Tag beziehen sich die drei oder vier Aufmacher der New York Times und bei CNN direkt oder indirekt auf Trump. Und im Gegensatz zu Saddam ist diese flächendeckende Berichterstattung von Seiten der Nachrichtensender freiwillig und überwiegend kritisch.

Mit seinen ungeheuerlichen Beleidigungen und Lügen gelingt es Trump, ständig im Rampenlicht zu stehen, seitdem er 2015 seine Kandidatur zur Präsidentschaft ankündigte. Was auch immer er sonst sein mag, er ist selten langweilig – im Gegensatz zu so vielen seiner unterlegenen Rivalen und Gegner, die glaubten, dass seine offensichtlichen Mängel ihn unweigerlich untergehen lassen müssten.

Eines Tages werden sie vielleicht Recht behalten, aber dieser Tag lässt lange auf sich warten. Die offene Abscheu vor Trump auf Seiten vieler amerikanischer Medien ist kurioserweise wirkungslos, da sie sich wiederholt und Amerika in dem einen Jahr seit Beginn seiner Präsidentschaft noch kein großes Desaster ereilt hat. Kommentatoren stellen fest, dass er bei all seiner militanten Rhetorik noch keinen Krieg begonnen hat – im Unterschied zu all seinen republikanischen Vorgängern bis hin zu Präsident Gerald Ford.

Die beständige Dämonisierung von Trump birgt eine andere Gefahr, die unterschätzt wird und eine wirkliche Katastrophe anrichten könnte. Die US-Medien schieben die gesamte Schuld auf ihn und stellen die Schar von Generälen, die die oberen Ränge seiner Regierung bevölkern – Stabschef John Kelly, Verteidigungsminister Jim Mattis und Sicherheitsberater H.R. McMaster – voller Hochachtung als die einzigen Erwachsenen im Raum dar. Allerdings könnte sich herausstellen, dass sie und andere Akteure aus Politik und Wirtschaft wie Staatssekretär Rex Tillerson und CIA-Chef Mike Pompeo eher einen Krieg anzetteln als Trump selbst.

Wie schlecht das Urteilsvermögen just derjenigen ist, die mäßigend auf Trump einwirken sollen, zeigte sich im letzten Monat, als Tillerson einen klassischen Fehler machte, der über Jahre hinweg negative Auswirkungen für die USA haben könnte. Am 17. Januar kündigte er an, dass die US-Streitkräfte nach der Niederlage des IS im von Kurden kontrollierten Nordosten Syriens bleiben würden, um den Iran und Präsident Bashar al-Assad zu schwächen. Nur drei Tage später, am 20. Januar, schickte die Türkei ihre Streitkräfte über die syrische Grenze, um in die kurdische Enklave Afrin einzumarschieren: Wie vorherzusehen, war die Türkei erzürnt darüber, dass die Vereinigten Staaten für einen de facto kurdischen Staat eine, wie es die Türkei betrachtete, territoriale Garantie abgab.

Tillerson hatte im syrischen Konflikt unabsichtlich eine neue Phase eingeläutet, in der die USA sich selbst isolieren und die Türkei, Russland, der Iran und Assad näher zusammengebracht wurden. Die Kurden in Afrin, einem der wenigen nicht vom Krieg zerstörten Orte in Syrien, müssen sich als direkte Folge der neuen US-Initiative in Höhlen verstecken.

Trumps Isolationismus könnte weniger riskant sein als der Neo-Interventionismus seiner Chefberater. Berichte aus Washington legen nahe, die Entscheidung, sich umfassender im syrischen Bürgerkrieg zu engagieren, sei das Gegenteil dessen, was Trump selbst wollte. Demnach hätte er seine Ansprache zur Lage der Nation lieber gehalten, um zu verkünden, dass die US-Mission in Syrien triumphal mit der Niederlage des IS geendet habe und dass er die US-Bodentruppen zurückziehen werde. Stattdessen ging die Entscheidung in die andere Richtung, da McMaster und Mattis mit Unterstützung von Tillerson erfolgreich dafür plädierten, die US-Bodenstreitkräfte in Syrien und im Irak zu lassen.

Diese hohen Beamten vertraten nur die Konsensmeinung des außenpolitischen US-Establishments, wie es die Kommentatoren in den Medien prompt verdeutlichten. Selbst als türkische Panzer in Syrien eindrangen, applaudierte ein Leitartikel der Washington Post Tillerson dafür, „unverblümt eine Wahrheit erkannt zu haben, die sowohl Präsident Trump als auch Präsident Barack Obama versucht hatten zu umgehen“. Diese Wahrheit besagt, dass die USA in Syrien politisch und militärisch präsent sein müssen.

Was Trump und Obama wirklich vermeiden wollten, war der Fehler, den die USA nach dem 11. September begangen hatten. Er bestand darin, unbefristete militärische Interventionen gegen zahlreiche Feinde in zerfallenden Ländern wie Afghanistan und dem Irak zu verfolgen, wo die USA nicht gewinnen konnten. In Obamas Fall war diese Zurückhaltung und Fähigkeit zu sehen, was schief laufen könnte, sorgfältig kalkuliert. In Trumps Fall ist die Vorsicht instinktiv und nicht immer wirksam, doch das Endergebnis war oft dasselbe.

Obwohl Trump Obama stets für seine vermeintliche Schwäche verurteilte, unterschied sich seine Strategie in Afghanistan, im Irak und in Syrien nicht sehr von der seines Vorgängers – zumindest nicht, bis seine höchsten Sicherheitsbeamten im letzten Monat auf eine interventionistische Politik in Syrien umstiegen.

Traditionelle Politik, die auf Gewalt setzt, um alle Hindernisse zu überwinden, oder das, was Obama als „das Washingtoner Drehbuch“ bezeichnete, scheinen wieder zum Geschäft zu gehören. Privat verurteilte er das außenpolitische Establishment der USA für seine enge Verbindung mit zweifelhaften Alliierten wie Saudi-Arabien und Pakistan im Streben nach allzu ehrgeizigen Zielen.
Die weltweite Stärke Amerikas verebbte bereits vor Trump, doch die polarisierende und sprunghafte Art seiner Präsidentschaft beschleunigt den Verfall. Auf jedem Kontinent öffnet sich ein Machtvakuum, das mit vielen begierigen Kandidaten gefüllt wird. In der Regel besitzen sie dieselben Zutaten des Populismus, der Demagogie, des Autoritarismus und Nationalismus, obwohl die jeweilige Menge sich vielleicht unterscheidet, und sie machen die Welt mit Sicherheit gefährlicher, da sie die Grenzen ihrer eigenen Macht nicht kennen.

Von Manila bis Warschau erleben wir den Aufstieg der Mini-Trumps, die die Politik ihres eigenen Landes in der Regel gut kennen, doch in Bezug auf andere Länder gefährlich unwissend sind. Es liegt in der Natur willkürlicher Herrscher, die heimische Kritik unterdrücken, wie Kronprinz Mohammed bin Salman in Saudi-Arabien, dass sie sich übertrieben ehrgeizig auf dem Eis bewegen, das dünner ist, als sie denken.

Die Macht der USA in der Welt schwindet, nachdem sie zwischen dem Zerfall der Sowjetunion 1991 und dem Beginn des Irak-Krieges 2003 ihren Höhepunkt erreicht hatte. Zwei Gefahren zeichnen sich ab: Eine besteht in der verantwortungslosen Natur der Trump-Regierung, eine Art Abrissbirne, die außer Kontrolle geraten ist, obgleich der verursachte Schaden durch Trumps geringe Aufmerksamkeitsspanne und die Zerwürfnisse in Washington begrenzt wird.

Eine zweite Gefahr ist das außenpolitische Establishment der USA, das aus vergangenen Misserfolgen nichts gelernt hat, das die Macht der USA wieder zu dem machen möchte, was sie einst war, und nicht versteht, dass dies nicht mehr möglich ist. Dies ist „das Washingtoner Drehbuch“, das Obama verspottete und missachtete, und das genauso gefährlich ist wie irgendetwas, das Trump tun könnte.


Patrick Cockburn ist Autor von "The Rise of Islamic State: ISIS and the New Sunni Revolution" ("Der Aufstieg des Islamischen Staates: ISIS und die neue sunnitische Revolution").


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Why We Should Fear the ‘Washington Establishment’ Figures Who are Pulling the Strings in the Trump Administration". Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.

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