Sie hängte auch noch „vorausschauende Klimapolitik“ an. Das war für ihre Verhältnisse schon frech, frech allerdings nur in den Augen abgestumpfter Wahlesel und Wahleselinnen christlicher und liberaler und westlicher und gemäßigter deutscher Denkungsart, die zudem seit gefühlt ewig (das heißt seit 1948) gehegt und gepflegt wird von inzwischen absterbenden Leitmedien diesseits und jenseits des Atlantiks.
In Washington: Wendiges Vergessen
Als es ernst wurde, hatte Merkel die ohnehin politisch unterwertigen Ritual-Forderungen des liberal capitalism wendig vergessen. Bei ihrem Antrittsbesuch in Washington dienerte sie sich dem neuen Herrn im Weißen Haus als übereifrige Musterschülerin an.
Sie erfüllte ohne jegliche Andeutung von Kritik die drei wichtigsten Punkte des neuen Trumpels. Sie erneuerte die Verpflichtung, dass Deutschland seinen „Verteidigungs“-Haushalt kräftig erhöhen wird, wie sie es dem netteren Vorgänger, ihrem großen Freund, schon versprochen hatte, den sie netterweise allerdings ungenannt ließ.
Zum zweiten: „Wir kämpfen gemeinsam gegen den islamistischen Terrorismus.“ Ohne Wenn und Aber, ohne die angemahnte Achtung der demokratischen Grundwerte, des Individuums, der Menschenwürde und des Rechts.
Drittens und ganz breit ausgebreitet: Sie rechnete dem neuen Hausherrn vor, dass deutsche Unternehmen dessen Forderung nach mehr Arbeitsplätzen schon längst und vorbildlich erfüllen, ja übererfüllen, dass sie nämlich in Trumps First Country schon 810.000 Arbeitsplätze geschaffen haben. Dafür hatte die Wendige noch drei unternehmerische deutsche Musterschüler mitgebracht, die Vorstandschefs von Siemens, Schaeffler und BMW. Wohlgemerkt: Nicht die Eigentümer hatte sie mitgebracht, diejenigen, die die Gewinne einstreichen, in 50 bis 100-facher Höhe der Vorstandseinkommen. Von sowas spricht man nicht, das ist Merkel’sches Regierungsgesetz, und dem Milliardärs-Präsidenten war es auch sehr recht. Er auch spricht populistisch und demagogisch nur von Arbeitsplätzen, die er schaffen wird, welcher Art auch immer, nicht von den Milliarden, die bei den Ungenannten wie ihm selbst und seiner Mischpoke dabei herauskommen.
Natürlich hatte die Populistin, die zuhause bei Gelegenheit die Gewerkschaften als unverzichtbare Partner lobt, dem neuen Herrn netterweise keine Gewerkschafter mitgebracht. Bei Arbeitsplätzen haben die nämlich bekanntlich nichts zu sagen. Was Trump von Gewerkschaften hält, hatte er mit dem zunächst als Arbeitsminister benannten asozialen Fast Food-Unternehmer Andrew Puzder deutlich gemacht. Nein, da sind sie sich einig, die Merkel und der Trump.
Echt gefakete transatlantische Arbeitsplätze
Dafür hatte sie auch die richtigen Unternehmer mitgebracht. Auch die Chefs von Siemens, Schaeffler und BMW hatten weder aus Deutschland noch aus ihren arbeitsplatzschaffenden Werken in Trumps Own Country Belegschaftsvertreter mitgebracht. Die gibt es nämlich nicht. BMW wie Schaeffler haben ihre großen US-Betriebe im gewerkschaftsfreien Niedriglohnstaat South Carolina errichtet. Der US-Mindestlohn, den Trump nicht erhöhen will, liegt bei 7,25 Dollar, mit Ausnahmen runter bis 2,13 Dollar. Der designierte Arbeitsminister Puzder hat als Unternehmer gezeigt, wie er auch diesen Mindestlohn unterlaufen kann. Der in Deutschland der Merkel’schen Christenpartei mühsam abgerungene Mindestlohn ist zwar etwas höher, aber ebenso mit vielen Ausnahmen versehen, und deutsche und zum Beispiel auch US-Unternehmer können ihn mit stiller Duldung der Kanzlerin mühelos unterlaufen, weil kein Kontrollpersonal bewilligt wird und ihr Finanzminister Schäuble per ordre de mufti die Unternehmen der „mobilen Dienste“ von der Dokumentationspflicht der Arbeitszeiten befreit hat.
Wo es um echt gefakete Arbeitsplätze im liberal capitalism geht, da endet das kritische Geschrei aus Merkels und Obama/Clintons transatlantischem Medientheater, und deshalb kann und darf und muss auch Merkel dazu nichts sagen. Mehr Arbeitsplätze, welche auch immer, der Lügen-Statistik sei es gedankt. Da gilt nach US-Vorbild schon eine bezahlte Arbeitsstunde pro Woche als Arbeitsplatz. Da sind sich die Merkel und der Trumpel einig. Sie sagt auch zuhause in Germany nicht, dass die Mindest- und Niedriglöhne zu niedrig sind. Sie regiert das nur durch, als hätte sie damit nichts zu tun. Sie beschönigt das populistisch mit „Uns geht es allen gut“ oder auch nationalistisch mit „Deutschland geht es gut“: Germany first meets America first.
Die deutschen Konzerne gieren in den USA nach den gewerkschaftsfreien Zonen, den noch niedrigeren Niedriglöhnen, den noch schöneren Steuersenkungen und den noch höheren Staatssubventionen. BMW bekam damals 1992 für die Ansiedlung in Spartanburg, South Carolina, vom republikanischen Gouverneur ein 400 Hektar-Grundstück geschenkt, dazu gab es weitere Subventionen, Steuererleichterungen, niedrige Löhne, einen ausgebauten Flughafen in der Nähe. Der Gouverneur warb mit dem attraktiv niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad von 3,4 Prozent. Der hat sich inzwischen zum Schlechteren weiter verbessert. „Great Job“ wurde BMW-Chef Harald Krüger von Trump gelobt. Er werde zum 25-jährigen Jubiläum diesen Sommer gern nach Spartanburg kommen, wenn er Zeit habe.
Und die Eigentümer vor allem der großen Auto-, Pharma- und Finanzkonzerne diesseits und jenseits des Atlantiks sind ohnehin weitgehend dieselben. Deshalb geht beispielsweise die Fusion von Bayer und Monsanto ganz ohne Merkel- und Trump-Begleitgeräusch über beziehungsweise hinter die Bühne. Ob da Arbeitsplätze verloren gehen, in First America und/oder First Germany? Egal.
Abhören unter Freunden — das geht immer
„Gemeinsam“ mit den USA werde sie gegen den islamistischen Terrorismus kämpfen, hat die mächtigste Duckmäuserin Europas dem neuen Präsidenten das alte Versprechen wiederholt. „Gemeinsam“ heißt in Merkels populistischer Redeweise: Mit verbundenen Augen der Supermacht folgen, durch dick und dünn, durch Recht und Unrecht.
Artig hat sich der sprechende Hosenanzug bedankt, dass die Supermacht weiter zur NATO steht und die von zahlreichen Feinden böse umringte kleine EU auch weiter beschützt. Jetzt unter der Führung Trumps. Einem Diktator wie dem Türken Erdogan das Grundgesetz vorhalten — das kann die deutsche Kanzlerin, wenn auch mit Verzögerung. Aber den schließlich jetzt doch besten Freund damit belästigen — nichts davon. Stattdessen wendig, routiniert, selbstverständlich:
Cool und freundlich in Aussicht stellen, dass die Deutschen weiter mitmachen beim routinemäßigen Bruch des deutschen Grundgesetzes, des Atomwaffen-Sperrvertrags, von Menschenrechten und Völkerrecht. Mit dem netten Obama, mit dem nicht so netten Trump — egal. Gnadenloser Opportunismus — das ist Merkels antichristlicher Grundwert.
Soviel Geistesgegenwart wie der Trumpel hatte die Wendige nicht, als er bei der gemeinsamen Pressekonferenz launisch anmerkte, dass sie beide doch etwas Gemeinsames haben könnten, nämlich von Obama abgehört worden zu sein. „Abhören unter Freunden, das geht gar nicht“, hatte sie damals bei Obama populistisch getönt und nicht das Geringste getan, um das Abhören aufzuklären oder gar abzuschaffen. Natürlich hören die US-Geheimdienste die Regierungen aller Staaten ab, der befreundeten besonders, denn deren Folgsamkeit ist besonders wichtig für die nationale Sicherheit der Herren und Damen in New York, Langley, Washington, Houston, West Point, San Francisco, Ramstein, Grafenwöhr, Stuttgart, Frankfurt-Eckenheim, Aviano und Vicenza.
Das weiß die Merkel, oder sie wusste es mal, vielleicht hat sie es vergessen, es ist ja schon ewig so und ist Wesensmerkmal der von ihr so lang ersehnten Art der Freiheit. Da sagt und tut die Merkel nichts, wie alle ihre Vorgänger seit dem ersten unchristlichen deutschen Bundeskanzler, und da sagen auch die Chefs von Siemens, Schaeffler und BMW nichts, die auch abgehört werden, in den USA sowieso, denn ihre dortigen Werke und deren Beziehungen zu den Werken in Deutschland und China undsoweiter unterliegen nach dem Patriot Act den Interessen und Praktiken der nationalen Sicherheit von God’s Own and Only Country.
Dafür erreichte die deutsche Regierungschefin einen Höhepunkt ihrer politischen Karriere: Der gefakete Nobelpreisträger verlieh ihr die Medal of Freedom. Nicht für Verdienste um Deutschland, natürlich, sondern für die Verdienste um die unhinterfragte Supermacht. Merkel ist in ihrer politischen Karriere noch jedem US-Präsidenten in den Arsch gekrochen, den sie erreichen konnte. Bei Obama hört es nicht auf. Begonnen hatte es mit George W. Bush und dessen Krieg gegen den Irak, den sie guthieß, blind. CIA-Behauptungen stehen für die Karriere-Christin über dem Bibelwort.
Gedächtnislos
Den angemahnten Klimawandel hatte Merkel in Washington ebenfalls vergessen. Merkel trug dem neuen Herrn aber den pflichtgemäßen Ritualwunsch ihrer Klientel vor, dass man vielleicht doch wieder über ein Freihandelsabkommen verhandeln könne. Das in der Chiffre Merkel symbolisierte Lager agitiert gegen die Abschottung der Märkte: Das Kapital soll offen (aber ja, auch verdeckt), jedenfalls frei über die überflüssig gewordenen Grenzen und über den Atlantik und alle Meere hin- und her fließen. Aber das Merkel deckt und organisiert die Schließung der doch dann gar nicht mehr überflüssigen Grenzen gegen Flüchtlinge und Migranten, die aus den verarmten und zerschossenen Ländern kommen und weiter kommen wollen, die für die freien westlichen Märkte geöffnet werden.
Den europäischen NATO-Kapitalismus soll und will die gefakete Flüchtlingsfreundin abschotten als Reichtumsburg, mit nationalen Gated Communities in den EU-Mitgliedsstaaten, umgeben von Armensiedlungen und Armenhäusern, im eigenen Land, in Griechenland, in Spanien, und ganz verdrängt und noch viel schlimmer im Kosovo und im ganzen Balkan und in Afghanistan und in Afrika, von wo genauso die Flüchtlinge strömen wie aus Syrien.
Die Reichtumsburgen abschotten — da verstehen sich Germany First und America First ohne große Worte. Was ist christlich an dieser von Merkel wie von Trump geführten christlich lackierten und von christlichen Militärgeistlichen abgesegneten Politik? Die eigenen Soldaten werden gesegnet und im Todesfall beweint, die Opfer in Afghanistan und am Mittelmeer nicht.
Christlich oder unchristlich — der sprechende Hosenanzug mit den mechanischen Bewegungen hat vielleicht gar kein Gedächtnis. Sie braucht keines. 2010 schärfte die Bundeskanzlerin der kalifornischen Umweltbehörde in scharfem Ton und mit schnell angelesener Detailkenntnis ein, dass die dortigen Stickoxid-Grenzwerte für deutsche Autos allzu streng sind. Sowas lernt die gelernte Physikerin schnell, und außerdem war sie ja auch schon mal Umwelt-Ministerin. 2012 lobbyierte sie in Brüssel gegen zu strenge Abgaswerte, die für die deutschen dicken Luxusautos nur stören. 2015 war sie wieder in Brüssel wegen der Diesel-Abgase. 2017 erklärte sie unschuldig vor dem Abgas-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages, vom Abgasbetrug habe sie „erst aus den Medien erfahren.“ Ich fürchte, dass wir ihr glauben müssen.
Der Merkel-Populismus
„Merkel“ — das Merkel — ist eine Chiffre, eine Inszenierung. Die deutsche Bundeskanzlerin holt sich jeden Morgen bei ihrer persönlichen Visagistin das Gesicht des Tages ab.
„Sie legt ihre Maske auf“, sagen die Sekretärinnen im Kanzleramt. Ihre jeweilige unauffällige Regierungsuniform aus Hose und Blazer wird dezent mit Designerin Schoenbach ausgewählt. Dann verpassen der meistfotografierten Frau des Kontinents die Leitmedien des NATO-, Auto- und Pharma-Kapitals die passende mediale Tagesmaske.
Die PR-Agentur Blumberry gestaltete für den letzten Wahlkampf das 70 mal 20 Meter große Riesenplakat, darauf waren nur Merkels Hände mit der Raute und 2.150 Händen von Merkel-Fans. „Die Zukunft Deutschlands in guten Händen“ — so sieht der herrschende Populismus aus. Einfache Lösung. Wo doch andere Parteien wegen „einfacher Lösungen“, die gewiss komplizierter sind, als Populisten gebrandmarkt werden. Aber einfacher, dümmer, inhaltsloser, unverbindlicher, demagogischer als bei Merkels unchristlicher Regierungspartei geht es nicht.
Oder doch? Für 2017 haben die Berater die PR-Agentur Jung von Matt engagiert. Deren Hauptkunde ist bisher der Autovermieter-Konzern Sixt. Auto mieten, Kanzler mieten: Fieberhaft brüten die Profis über die noch unverbrauchte, nächste, noch einfachere Verkaufs-Variante. Als Wahlkampf-Manager holte Merkel sich noch Joachim Koschnicke. Bis 2012 übte er als Geschäftsführer des Meinungsforschungs-Instituts Forsa, wie man mit Meinungsforschung Meinung macht. Zuletzt verkaufte er als Cheflobbyist von Opel den Verkauf der General Motors-Tochter als arbeitsplatzrettende Tat. Jetzt verkauft er die Merkel, die die von ihr mitbeförderte Arbeitsprekarität nationalistisch mit „Uns allen geht es gut“ verkauft. Passt doch, oder?
Das Merkel ist ein Kunstprodukt, ein waberndes Projektionsmix aus erfolgreicher Wendehälsigkeit, christlichem Lack, Frauenrolle, schlauer Durchsetzungskraft, simulierter Unbeteiligtheit und Hinterzimmer-Erfolgen für ihre ungenannten Reich-Mächtigen.
Dazu reproduzierte sie die inhaltsleeren Floskeln nach dem Muster „Wir müssen gemeinsam …“. Und das alles zusammengeschoben durch Presse- und PR-Agenturen, private und staatliche Leitmedien, Berater und die ungenannten Profiteure, zu den auch die anonymen „internationalen Finanzmärkte“ gehören, von denen sich Merkel „nie mehr erpressen lassen“ wollte und ihnen weiter dient. Dazu braucht es keine Erpressung mehr, fürchte ich. Das wurde zur Gewohnheit.
Korruption kommt von corrumpere. Das bedeutet: Den politischen Willen brechen. Mit ihrem christlich-weiblich lackierten Populismus korrumpiert, sediert die Chiffre Merkel den politischen Willen der Mehrheit, erstickt ihn im Keim. Jedenfalls ist es so gemeint. Mit ihrer Maske soll das politisch und unternehmerisch angestaute Unrecht verdeckt werden, wird der Sekundär-Populismus herangezüchtet.
Merkel ist korrupt, dabei sogar zum billigst denkbaren Preis, sie bekommt weniger als ein Mittelstands-Geschäftsführer. Sie ist sozusagen nicht käuflich, ganz und gar unschuldig und schuldlos.
Mehr als eine kleine Datsche in Meck-Pomm hat sie nicht, keine Yacht und keiner aus ihrem Klientel nimmt sie auf seiner Yacht mit. Ich könnte spontan so viel Mitleid mit ihr haben wie sie anfangs mit den Flüchtlingen hatte.
Das Merkel-Lager will den drohenden Abstieg seiner Ikone, deren weitere Verwirtschaftung noch schnell aufhalten. Vielleicht helfen ja sogar ausländische Geheimdienste, die sowas tatsächlich oder angeblich können. (Ich kenne verschiedene.) Merkel soll nun jedenfalls auch, ein bisschen nach Trumps Vorbild, „mehr Politik für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen“ machen. Sie soll sich stärker an die Menschen wenden, „die sich als Modernisierungsverlierer sehen“, flüstern versuchsweise die Berater. Aber das machen andere im Populismus-Geschäft gegenwärtig schon besser, bei der zweiten „Volks“-Partei wie bei einer anderen Partei, die eine solche werden will.
Was tun?
An der Klarheit und Konsequenz der Auseinandersetzung mit dem Primärpopulismus der transatlantischen Musterschülerin, vor allem seiner Macher und Bewacher und seiner transnationalen Profiteure — auch daran wird sich entscheiden, wie es in Deutschland und in der EU weitergeht.