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Die Corona-Justiz

Die Corona-Justiz

Rubikon-Herausgeber Jens Wernicke klagt gegen das Notstands-Regime — doch der Rechtsstaat versagt. Teil 1/2.

Jens Wernicke, im Folgenden bezeichnet als Antragsteller beziehungsweise J.W., hat sich vor dem Verwaltungsgericht in Mainz gegen verschiedene Gebote, Verbote und Verhaltenseinschränkungen der inzwischen diversen Corona-Bekämpfungsverordnungen des Landes Rheinland-Pfalz gewendet und beanstandet die Verletzung einer Vielzahl von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten, so unter anderem

  • der Menschenwürdegarantie Art. 1 Abs. 1 GG,
  • des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG,
  • des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 2 Abs. 1 i. V.m. Art. 1 Abs. 1 GG,
  • des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit, 2 Abs. 2 Satz 1 GG,
  • des strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes, Art. 103 Abs. 2 GG.

Die insofern zuletzt angegriffene vom Rechtsverordnung vom 15. Mai 2020, im Folgenden bezeichnet als 7. CoBeLVO, enthält unter anderem:

  • die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, die sogenannte Maskenpflicht, in bestimmten Bereichen wie im öffentlichen Personennah- und Fernverkehr und in Einzelhandelsbetrieben,
  • eine Anmeldungs- und Reservierungspflicht für Besuche in gastronomischen Einrichtungen,
  • oder auch Kontaktbeschränkungen.

Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen diese Pflichten verstößt, handelt ordnungswidrig, nach § 15 der 7. CoBeLVO, sprich: bekommt eine Geldstrafe aufgebrummt, die bis zu 25.000 Euro betragen kann.

Fragwürdiger Verfahrensgang

Unabhängig davon, dass das Gericht mit einer offensichtlich ergebnisgeleiteten Begründung aufwartet, dazu gleich mehr, ist bereits der Verfahrensgang als bemerkenswert zu bezeichnen, den man — zumindest nach dem Selbstverständnis „der westlichen Wertegemeinschaft“ — eher Staaten wie Nordkorea oder einem anderen „Schurkenstaat“ wie Putin-Russland, nicht aber dem vorbildlichen Rechtstaat Bundesrepublik Deutschland, zugetraut hätte.

Die erste Runde = 4. Corona-Bekämpfungsverordnung

So wurde nämlich bereits am 28. April 2020 in Bezug auf die 4. Corona-Bekämpfungsverordnung von J.W. Klage beim Verwaltungsgericht Mainz erhoben und ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt, mithin ein Antrag, der eine vorläufige Regelung treffen soll, da bis zu einer rechtskräftigen, also endgültigen Entscheidung durch die Verwaltungsgerichte Jahre vergehen können. Bei diesem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz handelt es folglich sich um ein sogenanntes Eilverfahren.

Dem Antragsgegner, dem Land Rheinland-Pfalz, wurde in diesem ersten Eilverfahren eine Erwiderungsfrist bis zum 4. Mai 2020 eingeräumt, worauf J.Ws. Anwälte eine Verkürzung auf den 30. April 2020 beantragt hatten, was vom Gericht abschlägig entschieden wurde. Noch am selben Tag verkündete das Land Rheinland-Pfalz eine neue Corona-Bekämpfungsverordnung und ordnete an, dass die zu diesem Zeitpunkt noch geltende Verordnung statt mit Ablauf des 6. Mai nunmehr schon mit Ablauf des 2. Mai außer Kraft gesetzt werde. Dies war für das angestrengte Rechtsschutzverfahren J.Ws. äußerst misslich: Wenn nämlich eine angegriffene Verordnung außer Kraft gesetzt wird, wie hier geschehen, läuft das Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz quasi ins Leere, dem Grundsatz folgend: Kein Angriff auf eine Verordnung, die nicht mehr existiert. Daher beantragten J.Ws. Anwälte am 1. Mai den Erlass einer Entscheidung durch das Verwaltungsgericht Mainz bis zum 2. Mai — erfolglos.

Effektiver Rechtsschutz? Fehlanzeige!

Zweite + dritte Runde = 5. und 6. Corona-Bekämpfungsverordnung

Neue Verordnung, neues Prozessglück, dachte sich J. W. und wollte nun gegen die neu erlassene 5. Corona-Bekämpfungsverordnung ins Felde ziehen, doch auch hier: Pustekuchen. Die Geltungsdauer dieser Verordnung wurde seitens der Rheinland-Pfälzischen Landesregierung erneut verkürzt, sodass bereits am 11. Mai ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die nunmehr ergangene 6. Corona-Bekämpfungsverordnung zu stellen war. In diesem Verfahren erwiderten die Anwälte J.W.s am 15. Mai auf die Stellungnahme der Rheinland-Pfälzischen Landesregierung — es war nun mit einer kurzfristigen Entscheidung des Gerichts zu rechnen.

Aber auch hier hatte J.W. die Rechnung erneut ohne den Arbeitseifer der Rheinland-Pfälzischen Landesregierung gemacht, die kurzerhand am Freitag, dem 15. Mai, die Geltungsdauer auch dieser Verordnung kurzfristig von 11 auf 5 Tage! verkürzte: auf Sonntag, den 17. Mai 2020, statt den 24. Mai 2020. So wurde faktisch, trotz „Turbo-Verfahrensführung“, die Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes auch gegen die 6. Corona-Bekämpfungsverordnung von Seiten der Rheinland-Pfälzischen Landesregierung verunmöglicht.

Wer hier noch folgen kann, wird sich verwundert die Augen reiben:

Sollte die Rheinland-Pfälzische Landesregierung den Gegenstand eingereichter Klagen wiederholt — und absichtlich kurz vor Entscheidung des Gerichts — eliminiert haben?

Zumindest ist ein Schelm, wer Böses dabei denkt...

Die Vierte Runde = 7. Corona-Bekämpfungsverordnung

Das Hase- und Igel-Spiel ging in die nächste Runde und J.W.s Anwälte änderten am 16. Mai das Datum und den Bezug des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz einfach ab, um damit nun die — mit der 6. Corona-Bekämpfungsverordnung letztlich inhaltsgleichen — Bestimmungen der 7. Corona-Bekämpfungsverordnung anzugreifen.

Auch das Gericht hatte inzwischen von dem Corona-Bekämpfungsverordnung-Wechsel-Dich-Spiel der Rheinland-Pfälzischen Landesregierung offensichtlich die Nase voll, zeigte sich mit diesem prozessualen Kniff einverstanden und entschied jetzt über die 7. Corona-Bekämpfungsverordnung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren.

Bevor sich dem Inhalt dieser Entscheidung im Einzelnen zugewendet wird, sei festgehalten, dass das normsetzende Gebaren der Rheinland-Pfälzischen Landesregierung hier als außerordentlich fragwürdig einzustufen ist. Dies insbesondere, weil in keiner Weise nachvollziehbar ist, aus welchem Grund wiederholt das Land die Geltungsdauer der ohnehin schon äußerst kurzfristig angelegten Rechtsverordnungen zusätzlich weiter abgekürzt hat. Weder hat die Landesregierung hierfür eine offizielle Normenbegründung abgegeben, noch hat sie sich dazu herabgelassen, wenigstens im Rahmen des Verfahrens Anhaltspunkte für die Gründe dieser kurzfristigen Suspendierung geltender Rechtsverordnungen und die daraus resultierende, inflationäre Flut neuer Verordnungen zu geben.

Als Grund für das beredte Schweigen — Leser und Leserin haben hier die Wahl — kommt nur die juristische Inkompetenz der Verordnungsgebers infrage oder — Kompetenz vorausgesetzt — die unverhohlene Absicht der Landesregierung, in dem Gerichtsverfahren zumindest den Kläger, am besten aber gleich auch noch alle ähnlich oder gleichermaßen betroffenen rheinland-pfälzischen Bürger samt dem Verwaltungsgericht Mainz, am Nasenring durch die Manege zu ziehen. Ein Aspekt, der im Rahmen einer Post-Corona-Aufarbeitung — neben vielen anderen Absonderlichkeiten — kritisch zu thematisieren sein wird.

Der Inhalt der Entscheidung

Kommen wir nun zum eigentlichen Inhalt der Entscheidung: Was hat der Antragsteller J.W. auf der einen und was die Rheinland-Pfälzische Landesregierung — über ihre aus Steuergeldern finanzierten Prozessvertreter — in dem Verfahren vorgetragen?

Der Vortrag des Antragsstellers

Der Antragsteller J.W. hat noch einmal explizit dargelegt, dass die oben bereits erwähnten und nun in der 7. CoBeLVO geregelten Maßnahmen, „Maskenpflicht“ et cetera, rechtswidrig seien, weil sie Eingriffe in zahlreiche, oben bereits beispielhaft aufgezählte, Grundrechte darstellen würden und diese Eingriffe verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt seien.

Zwei der Hauptkritikpunkte des in der Hauptsache nahezu 300 Seiten umfassenden Schriftsatzes (2) seien nachfolgend kurz dargestellt:

Keine taugliche Rechtsgrundlage im Infektionsschutzgesetz

In Bezug auf die betroffenen Grundrechte fehle es bereits an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, da diese nämlich nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden dürfen, so der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes. Nur auf Basis einer solchen gesetzlichen Ermächtigung sei nach der sogenannten Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts eine (Landes-)Regierung dazu befugt, grundrechtsbeschneidende Verordnungen wie die 7. CoBeLVO zu erlassen. Angesichts der erheblich in Grundrechte eingreifenden Maßnahmen könne hier zudem die generalklauselartig gestaltete Vorschrift § 28 Abs. 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetzes (IfSG) insofern nicht als mittelbare Ermächtigungsgrundlage für die Rechtsverordnungen herhalten.

Zur Erläuterung:

Nach der „Wesentlichkeitstheorie“ können wesentliche Entscheidungen in der deutschen Verfassung lediglich vom Parlament, also der sogenannten Volksvertretung, getroffen werden.

Das bedeutet: Alle Entscheidungen, die ein substanzielles Gewicht für das Gemeinwesen aufzeigen, bedürfen notwendigerweise einer direkten parlamentarischen Zustimmung. Sie sind also nicht der Entscheidungsmacht anderer Organe der Staatsgewalt zu übergeben, auch nicht der Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie des Landes Rheinland-Pfalz, Sabine Bätzing-Lichtenthäler.

Keine Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen

Auch wurde geltend gemacht, dass die mit der 7. CoBeLVO ergriffenen Maßnahmen nicht verhältnismäßig seien. So sei insbesondere zu bezweifeln, dass das Virus SARS-CoV-2 so gefährlich sei, dass derart gravierende Maßnahmen gerechtfertigt seien, von der Geeignetheit und Erforderlichkeit solcher Maßnahmen ganz abgesehen. Vor allem habe der Verordnungsgeber sein konkretes Erkenntnismaterial, Tatsachengrundlagen und Zahlen, offen zu legen, die den in der 7. CoBeLVO geregelten Maßnahmen zugrunde liegen.

Die Argumentation der Rheinland-Pfälzischen Landesregierung

Die Rheinland-Pfälzische Landesregierung trug demgegenüber vor, dass von einer Geeignetheit der Maßnahme ausgegangen werde, das Infektionsgeschehen einzudämmen, und dass die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nur dann wirksam sein könne, wenn sie möglichst viele Menschen treffe. Im Übrigen sei dem Verordnungsgeber eine sogenannte Einschätzungsprärogative im Hinblick auf die gewählten Mittel einzuräumen.

Betreffend die Frage einer Risikoanalyse in Bezug auf die Infektionslage des Virus SARS-CoV-2 stütze sich die Landesregierung „maßgeblich auf die Informationen des Robert Koch-Instituts sowie auf Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Europäischen Zentrums für Prävention und Kontrolle (ECDC)“.

„Zudem bestehe ein ständiger Austausch zwischen den zuständigen Behörden des Bundes und der Länder, an dem der Antragsgegner teilnehme“ (3).

Letztgenannter Vortrag der Rheinland-Pfälzischen Landesregierung benennt offenkundig den „casus knaxus“, nämlich die Frage der medizinischen Notwendigkeit der sogenannten Coronamaßnahmen, und bedarf deshalb einer genaueren Analyse:

Auf den allerersten Blick mutet diese „Rechtfertigung“ der Maßnahmen von Seiten des Landes Rheinland-Pfalz noch einigermaßen vernünftig an und mag sich mit Hilfe der geballt herangezogenen Fachkompetenz aus RKI, WHO und ECDC beeindruckend lesen. Bei genauerem Hinsehen entpuppen sich diese Hinweise allerdings als Anhäufung unbewiesener Behauptungen, und behaupten kann man bekanntlich vieles. Aus dem Vortrag ergibt sich insofern weder, was diese Institutionen in welcher Form, zu welchem Punkt genau geäußert haben, noch wurden diese Äußerungen durch entsprechende schriftliche Dokumente belegt. Und auch, was den Gegenstand des „ständigen Austauschs“ zwischen Bund und Ländern in concreto darstellt, bleibt dem interessierten Leser wie auch den konkreten Verfahrensbeteiligten verborgen. Eine dokumentierte Risikoabwägung sieht jedenfalls deutlich anders aus, und was die wissenschaftliche Entscheidungsgrundlage der Regierung für ihr, in eine Vielzahl von Grundrechten eingreifendes Handeln darstellt, bleibt folglich weiterhin schleierhaft.

Die Entscheidung des Gerichts

Das tut aber im Ergebnis nichts zur Sache, wenn und soweit das Land Rheinland-Pfalz ein Gericht hinter, vor oder vielleicht sogar neben sich weiß, das zwar nicht dazu bereit war, das Verordnungs-Wechsel-Dich-Spiel länger mitzuspielen, dabei aber offensichtlich weniger das Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes für den Antragsteller im Auge hatte, als das — sicher nicht ganz unverständliche — Eigeninteresse, sich weiter lästige Arbeit vom Hals zu schaffen beziehungsweise eine solche nicht weiter aufgehalst zu bekommen.

So lesen sich denn auch die aufgeführten „Entscheidungsgründe“ des Gerichts für seine Ablehnung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz eher wie ein Schriftsatz der Anwälte der Gegenseite. Es ist der Begründung jedenfalls nicht zu entnehmen, ob und inwiefern sich das Gericht bei seiner Entscheidung ausschließlich an Recht und Gesetz gebunden gesehen und sich wenigstens darum bemüht hat, seiner Verpflichtung zur Objektivität nachzukommen.

Hierzu im Einzelnen:

Keine Eilbedürftigkeit der Sache = kein Anordnungsgrund

Das Gericht vertritt in seiner Entscheidung die Auffassung, dass die Angelegenheit nur bedingt bis gar nicht eilbedürftig zu entscheiden wäre. In Juristendeutsch: Der Antragsteller J.W. habe einen Anordnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht (4). Unter einem Anordnungsgrund ist die Dringlichkeit beziehungsweise Eilbedürftigkeit der Rechtsschutzgewährung zu verstehen, wobei ein solches besonderes Dringlichkeitsinteresse besteht, wenn es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen sowie der öffentlichen Interessen und der Interessen Dritter nicht zumutbar ist, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.

Die insofern maßgebliche Stelle der den Antrag ablehnenden Entscheidung sei zitiert:

„Unter Anwendung des dargestellten Rechtsmaßstabs hat der Antragsteller hier bereits den Anordnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht […]. Die Frage, ob ein Anordnungsanspruch besteht, braucht daher im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden […]“ (5).

Das Gericht hält die Sache mithin kurzerhand für nicht eilbedürftig und muss deshalb inhaltlich gar nicht erst dazu Stellung nehmen. Best practice oder nur Rechtsschutz „Made in Germany“?

Also: Das Gericht sieht keinen Grund für Eilbedürftigkeit und vereitelt so den Anspruch des Klägers auf einstweiligen Rechtsschutz, sodass der Kläger und Antragsteller bis zum Hauptsacheverfahren warten muss. Das kann Jahre dauern.

Hier die Argumente des Gerichts gegen die Eilbedürftigkeit:

a) Gesundheitliche Einschränkungen des Antragstellers begründen keine Unzumutbarkeit

Zunächst führt das Gericht an, dass „es nach Auffassung der Kammer nicht überwiegend wahrscheinlich [sei], dass den Antragsteller gerade die Regelungen der 7. CoBeLVO in seiner Gesundheit tatsächlich so schwerwiegend zu beeinträchtigen vermögen und für seine Beschwerden kausal sind, dass eine Lebensgefahr anzunehmen ist“ (6).

Das bedeutet im Umkehrschluss: Das Gericht hält die vorgenommenen Einschränkungen so lange für tragfähig, wie sie den Kläger und Antragsteller nicht in konkrete Lebensgefahr bringen. Je höher die Überlebenschancen, je stärker die Verpflichtung, eine Maske zu tragen, Kontakte zu beschränken, persönliche Daten in Restaurants, Frisörsalons et cetera zu hinterlassen. Im Zweifelsfall auch so lange, bis die deutsche Gerichtsbarkeit sich irgendwann vielleicht einmal bequemt, eine rechtskräftige Entscheidung zu fällen, was, durch alle Instanzen, durchaus sechs Jahre aufwärts dauern kann. Das Rechtsschutz- und Freiheitsverständnis des Verwaltungsgerichts Mainz erscheint vor diesem Hintergrund hier kaum noch im Dämmerlicht, sondern ist wohl bereits in völlige Dunkelheit abgetaucht.

Ein besonderes „Geschmäckle“ bekommt die Begründung an dieser Stelle allerdings auch, weil das Gericht dem Antragsteller J.W. vorhält, er hätte für die durch die Maßnahmen der Verordnung erlittenen Gesundheitseinschränkungen „eines substantiierten ärztlichen Attests bedurft“ (7), dieser ein solches aber nicht vorgelegt hatte. Die vom Antragsteller zur Glaubhaftmachung seiner gesundheitlichen Einschränkungen vorgelegte eidesstattliche Versicherung, die im Fall einer Falschangabe strafbewehrt ist, sieht das Gericht insofern als nicht ausreichend an. Fragt man, warum das Gericht hier ein solch angeblich unerlässliches Attest nicht angefordert hat, hält es auch hierfür bereits eine Antwort parat:

„Nach alledem bedurfte es nicht eines gerichtlichen Hinweises dahingehend, dass der Anordnungsgrund durch den Antragsteller nach Auffassung der Kammer nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden ist. Zunächst ist es von der Darlegungs- und Mitwirkungslast des Antragstellers gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO umfasst, dass er grundsätzlich selbstständig und mit der Antragsschrift Beweise beziehungsweise Mittel zur Glaubhaftmachung anbietet beziehungsweise vorlegt und die entscheidungserheblichen Tatsachen vorträgt. Dies gilt insbesondere dann, wenn er — wie hier — anwaltlich vertreten wird und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung angesichts der sich sehr schnell ändernden Rechtsgrundlagen ein zügiges verwaltungsgerichtliches Verfahren erfordert. Gleichzeitig bestehen die vom Antragsteller beanstandeten Regelungen bereits seit mehreren Wochen oder sogar Monaten — wenn sie auch zuvor auf die Vorgängerverordnungen der 7. CoBeLVO gestützt wurden — sodass es dem Antragsteller möglich war, die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes entsprechend vorzubereiten und beispielsweise ein ärztliches Attest zu den Auswirkungen der Beschränkungen auf seine Gesundheit vorzubereiten“ (8).

Damit vergaloppiert sich das Gericht nach allen Regeln der Kunst: Erst hält es aufgrund der „sich sehr schnell ändernden Rechtsgrundlagen ein zügiges verwaltungsgerichtliches Verfahren“ für erforderlich, weshalb der Antragsteller stante pede, ohne Hinweis des Gerichts, ein entsprechendes Attest hätte vorzeigen müssen. Gleichzeitig hätte er dafür aber jede Menge Zeit zur Verfügung gehabt, weil nämlich „die vom Antragsteller beanstandeten Regelungen bereits seit mehreren Wochen oder sogar Monaten — wenn sie auch zuvor auf die Vorgängerverordnungen der 7. CoBeLVO gestützt wurden“, bestanden hätten.

Ja was denn nun? Besondere Eilbedürftigkeit oder doch mehrere Wochen oder Monate Zeit, um ein Attest nicht nur „vorzubereiten“, sondern auch vorzulegen? Offenbar hätte sich der Antragsteller mehr beeilen müssen, weil ihm fast beliebig viel Zeit zur Verfügung stand? Dann hätte aber auch das Gericht genügend Zeit gehabt, ein Attest einzufordern oder auf dessen angebliche Notwendigkeit wenigstens hinzuweisen.

Versuche, den argumentativen Verrenkungen des Gerichts zu folgen, bringen den Leser einem kognitiven Schleudertrauma nahe. Davor bewahren kann ihn vielleicht die Erkenntnis, dass sich das Gericht offensichtlich redlich bemüht hat, eine Entscheidung hinzubiegen, die ihm selbst und gleichzeitig auch der Rheinland-Pfälzischen Landesregierung genehm ist — was umso leichter fällt, je mehr man dabei die Rechtsansprüche des Antragstellers außen vor lässt und ihm flugs selbst die Schuld für die negative Gerichtsentscheidung in die Schuhe schiebt. Der absichtliche Verzicht des Gerichts auf einen kurzen Hinweis zur Notwendigkeit eines Attests des Gerichts wird zur Falle für den Antragsteller, um das Verfahren auszuknocken. Aufrichtige Rechtsfindung fällt einer interessegeleiteten Rechtsvergessenheit zum Opfer.

Diese Einschätzung wird übrigens auch durch den Umstand gestützt, dass das Gericht die von ihm prononcierte Darlegungslast offensichtlich als eine sehr einseitige, nämlich nur dem Antragsteller J.W., nicht aber der Rheinland-Pfälzischen Landesregierung zukommende Obliegenheit ansieht. Denn eine Darlegung der oben bereits beschriebenen Risikoanalyse ist weit und breit nicht zu sehen, sprich: Der Darlegungsfaktor ist diesbezüglich gleich Null.

Dieses „Messen mit zweierlei Maß“ mag aktueller politischer und medialer Praxis entsprechen, wenn sogenannte Hygienedemos hinsichtlich der Provenienz ihrer Teilnehmer pauschal verdächtigt und sogenannte Anti-Rassismusdemos pauschal bejubelt werden.

Einer gerichtlichen Entscheidungsbegründung steht eine derart tendenziöse Verfahrenshandhabung jedoch äußerst schlecht zu Gesicht.

b) Keine Eilbedürftigkeit, da keine soziale Isolation

Auch ansonsten hat das Verwaltungsgericht Mainz die den Kläger treffenden Kontaktbeschränkungen der Coronaverordnungen nicht als Grund angesehen, eine besondere Eilbedürftigkeit zu begründen:

„In der 7. CoBeLVO ist — wie bereits in ihren Vorgängerfassungen — kein Kontaktverbot geregelt, es werden nur Kontaktbeschränkungen normiert. Der Antragsteller kann sich daher durchaus straflos mit Freunden treffen, wenn er die Vorgaben der §§ 4 und 5 der 7. CoBeLVO beachtet. Danach sind Treffen mit Freunden in privaten Räumen nicht von den Kontaktbeschränkungen umfasst und auch Verabredungen im öffentlich[en] Raum sind ausdrücklich zulässig, soweit sich eine Person nur mit Personen aus einem weiteren Haushalt trifft und Abstandsregeln einhält. Auch im Übrigen ist es dem Antragsteller auf Grundlage der 7. CoBeLVO nicht verwehrt, am öffentlichen Leben teilzunehmen und beispielsweise Spaziergänge zu unternehmen oder sich an öffentlichen Plätzen oder in Parks aufzuhalten, wenn die vorgegebenen Abstands- und Hygieneregeln gewahrt werden. Es kann jedenfalls nicht dem Antragsgegner zugerechnet werden und erst recht keine Eilbedürftigkeit der Rechtsschutzgewährung begründen, wenn sich Dritte aus — rechtlich unbegründeter — Sorge vor strafbarem Verhalten oder möglicherweise wegen einer Ansteckungsgefahr und gesundheitlichen Bedenken gegen Verabredungen mit dem Antragsteller entscheiden.“

Zusammengefasst: Kontaktbeschränkungen vielfältiger Art und Weise sind bis auf weiteres problemlos hinzunehmen, unter anderem deswegen, weil Treffen in privaten Räumen nicht von diesen Beschränkungen erfasst sind.

Letzteres mag zwar richtig sein, da die sogenannten Coronabekämpfungsverordnungen in Rheinland-Pfalz keine solchen ausdrücklichen Kontaktbeschränkungen außerhalb öffentlicher Örtlichkeiten vorsehen, für das Treffen in Privatwohnungen macht das Land also keine Vorgaben. Gleichzeitig gab und gibt es aber die Empfehlung, sich auch privat an die Regeln für die Öffentlichkeit zu halten. Kontrollen im Privaten solle es zwar laut Staatskanzlei nicht geben, werden „die Ordnungsbehörden aber etwa darauf aufmerksam, dass in einer Wohnung viele Menschen ohne Abstand eine Party feiern — könnten die Behörden einschreiten“ (9).

Was soll nun aber der rechtskundige Bürger mit dieser Informationslage anfangen? Privatbesuchs oder gar Party: ja oder nein?

Wenn das Gericht vor diesem Hintergrund der Auffassung ist, dass es „jedenfalls nicht dem Antragsgegner [also dem Land Rheinland-Pfalz, der Autor] zugerechnet werden und erst recht keine Eilbedürftigkeit der Rechtsschutzgewährung begründen [könne], wenn sich Dritte aus — rechtlich unbegründeter — Sorge vor strafbarem Verhalten oder möglicherweise wegen einer Ansteckungsgefahr und gesundheitlichen Bedenken gegen Verabredungen mit dem Antragsteller entscheiden“, verkennt es — mutmaßlich bewusst — dass es gerade diese Mischung aus nahezu unüberschaubarem, verbindlichem und bußgeldbewehrtem Regelungswust auf der einen und Empfehlungen in Kombination mit unbestimmter Androhung eines Behördeneinsatzes auf der anderen Seite ist, die den Bürger ratlos zurücklässt und letztlich dazu veranlasst, dann doch lieber mal alles bleiben zu lassen.

Dass also der Verordnungsgeber offensichtlich nicht Willens und/oder in der Lage ist, kongruente Vorschriften und Handlungsanweisungen zu erlassen, aus denen klar erkenntlich wird, was erlaubt ist und was nicht, erscheint bedenklich genug — dass dies dann aber letzten Endes noch von einem deutschen Verwaltungsgericht sinngemäß dahingehend interpretiert wird, dass es dem Bürger offensichtlich am Intellekt fehle, das „Geregelte“ zu begreifen, beschwört die zusätzlich verwirrende Frage herauf, wer hier eigentlich was nicht begreifen kann — oder will.

Dem Ganzen die sprichwörtliche Krone setzt jedoch an dieser Stelle der letzte Satz auf, wenn das Gericht formuliert, dass sich die sozialen Kontakte des Antragstellers „wegen einer Ansteckungsgefahr und gesundheitlichen Bedenken gegen Verabredungen mit dem Antragsteller entscheiden“ würden oder könnten, hat doch J.W. zu keinem Zeitpunkt in dem Verfahren vorgetragen, dass sich seine Freunde aus Angst vor Ansteckung nicht mit ihm treffen würden.

Diese frei erfundene Unterstellung des Gerichts lässt vermuten, dass die Kammer ihrerseits in den Strudel der Pandemiehysterie geraten ist — etwaige persönliche psychische Pathologien und damit in diesem Falle Projektionen sind nun aber ein untaugliches Entscheidungskriterium in einem an objektiven Kriterien auszurichtenden Rechtsschutzverfahren.

c) Keine Eilbedürftigkeit trotz Stigmatisierung des Antragstellers

Noch bemerkenswerter wird die Begründung des Gerichts, wenn es ausführt, dass „Schwere und unzumutbare, später nicht wieder gut zu machende Nachteile, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, […] auch nicht in der vom Antragsteller behaupteten Stigmatisierung zu erkennen [sind], weil er sich gegenüber Dritten für seine Befreiung von der ‚Maskenpflicht‘ rechtfertigen müsse, er dadurch als krank erkennbar und ihm bereits einmal der Zutritt zu einem Restaurant ohne Mund-Nasen-Bedeckung verwehrt worden sei“ (10).

Was für den Antragsteller wesentlicher Anlass für seine Klage und seinen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz war, wird im Lichte des Gerichtsbeschlusses zu einer Bagatelle, denn:

„Der Antragsgegner hat eine Befreiung von der Mund-Nasen-Bedeckung ausdrücklich für Personen, denen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung wegen einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist, vorgesehen, vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4, Satz 3 der 7. CoBeLVO. Der Antragsteller ist aufgrund eines ärztlichen Attests von dieser grundsätzlich generell geltenden Verpflichtung ausnahmsweise befreit und ist damit durch die ‚Maskenpflicht‘ nicht mehr beschwert. Auf privatrechtliche Vertragsgestaltungen, die Ausübung des privaten Hausrechts durch Dritte sowie die soziale Akzeptanz der Befreiungsmöglichkeit in der Bevölkerung oder auf die rechtliche Expertise von Dritten hat der Antragsgegner jedoch keinen regulativen Einfluss“ (11).

Hinter der Schlichtheit dieser Argumentation verbirgt sich Infamie: Der Verordnungsgeber soll für eine real drohende Stigmatisierung des Antragstellers nicht verantwortlich sein, weil er „keinen regulativen Einfluss“ auf die Stigmatisierung habe. Regulativ beeinflussen kann der Verordnungsgeber die Stigmatisierung vermutlich kaum, er hat sie aber durch Regelungen der Verordnung unmittelbar provoziert, um sich jetzt vor Gericht aus der Verantwortung für die Folgen zu ziehen.

Fakt ist jedenfalls, dass in Supermärkten et cetera auf das Anlegen einer Maske regelmäßig bestanden wird. Dies allerdings mutmaßlich regelmäßig weniger aus Sorge um die Gesundheit der Mitarbeiter und Kunden, sondern vielmehr aus Angst vor der Auferlegung eines der horrenden Bußgelder, die bei einem „Verstoß“ auferlegt werden können und werden. Überdies tragen nahezu alle Personen in einer solchen Einrichtung Mund-Nasen-Bedeckungen, woraus automatisch folgt, dass eine Person, die qua ärztlichem Attest von dieser Verpflichtung befreit ist, insofern in eine Rechtfertigungssituation sowohl gegenüber dem Personal der entsprechenden Einrichtung als auch gegenüber der sonstigen Kundschaft gebracht wird, so dass dem Betroffenen gegebenenfalls gar nichts anders übrig bleibt, als seine Gesundheitseinschränkungen mitzuteilen und, wenn ihm diese nicht abgenommen wird, per ärztlichem Attest zu dokumentieren.

Was diese Zwangssituation überdies mit den vom Gericht genannten „privatrechtlichen Vertragsgestaltungen“ und der „rechtlichen Expertise von Dritten“ auf sich hat, mag das Geheimnis der Kammer bleiben. Der Rechtsfindung dient es jedenfalls nicht.

Übergriffig und anmaßend ist die Argumentation, dass „nach Auffassung der Kammer nicht ersichtlich [werde], in welcher Weise der Antragsteller bei dem Besuch eines Restaurants durch die ‚Maskenpflicht‘ in schwerer und unzumutbarer Weise berührt sein könnte, wenn er nur für den sehr kurzen Moment des Passierens zu seinem Sitzplatz, zur Toilette oder zum Ausgang eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen muss, falls ein Restaurantbesitzer seine Befreiung nicht anerkennt“, da das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung „schließlich unmittelbar am Tisch entbehrlich“ sei. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, ins Blaue hinein zu spekulieren, inwieweit es dem Antragsteller vor dem Hintergrund seiner gesundheitlichen Beschwerden schadet, die Maske nur kurz oder eben auch etwas länger, Stichwort: WC-Stau, aufzuziehen. Dies ganz abgesehen davon, dass die Maskenpflicht ja auch in anderen Einrichtungen, wie insbesondere Supermärkten und Möbelhäusern, besteht, in denen regelmäßig nicht im Eiltempo „durchgeheizt“ wird. Unabhängig davon, ändern diese Punkte nichts an dem beschriebenen Stigmatisierungseffekt, so dass das Gericht auch an dieser Stelle lieber geschwiegen hätte, statt einer Entkräftung von Grundrechten das Wort zu reden.

Das eigentliche Problem des Verwaltungsgerichts Mainz ergibt sich aber wohl ohnehin aus den folgenden Zeilen:

„Die Argumentation des Antragstellers zielt damit dem Grunde nach auf eine Aufhebung der Pflicht zur Mund-Nasen-Bedeckung für alle Verordnungsadressaten, obwohl er selbst vom Befreiungstatbestand des § 1 Abs. 2 Satz 3 der 7. CoBeLVO erfasst ist und die ‚Maskenpflicht‘ ihn damit nicht unmittelbar trifft. Insofern ersucht der Antragsteller in Wirklichkeit eine allgemein verbindliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 der 7. CoBeLVO angeordneten Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes.“

Es wird hier offensichtlich, dass das Gericht „die Maske“ behalten möchte beziehungsweise ganz und gar nicht von der Idee angetan ist, dass die Maskenpflicht fallen könnte — zumindest nicht durch eine Entscheidung der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz. Hätte es doch sonst eine verantwortliche, sachliche Entscheidung zu treffen und sich möglicherweise öffentlicher Kritik auszusetzen und könnte sich nicht einfach hinter der Entscheidungsorgie einer außer Rand und Band geratenen Exekutive verstecken — die das Gericht aber ja eigentlich qua Aufgabenzuschreibung, Verwaltungs-gericht, kontrollieren soll.

Dass es sich bei dieser Argumentation letztlich erneut nur um eine solche vorgeschobener Art und Weise handelt, ergibt sich auch daraus, dass in einem Parallelverfahren, dass der Autor als Prozessbevollmächtigter ausschließlich gegen die Maskenpflicht führt — der dortige Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz von derselben Kammern, also auch denselben Richtern ebenfalls abgelehnt wurde — und das, obwohl der dortige Antragsteller nicht von der Maskenpflicht befreit ist.

Es wird deutlich: Das Ergebnis steht von vornherein fest, es ist nur noch die Frage, wie das Gericht dieses nach außen „verkauft“. Nichts nennenswert Neues in der deutschen Judikative, deswegen aber nicht weniger bedauerlich.

d) Keine Eilbedürftigkeit trotz „Datenkrake“ in Restaurants etc.

Beinahe schon mit einem Amüsementfaktor versehen ist die argumentative Logik des Verwaltungsgerichts Mainz, wenn es im Hinblick auf die Anmeldungspflicht in gastronomischen Einrichtungen, vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 Nr. 2 der 7. CoBeLVO, nach welcher ein Restaurantbesucher dem Restaurantbetreiber seine Kontaktdaten anzugeben hat, wie folgt ausführt:

„Selbst wenn in dieser Vorgehensweise ein nicht gerechtfertigter Eingriff in das Recht des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung, vgl. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, zu erkennen wäre — was die Kammer ausdrücklich offen lässt — so wäre dieser Eingriff angesichts der kurzen Aufbewahrungsfrist und der wenigen Daten, die erhoben werden, als nicht besonders schwerwiegend anzusehen. Darüber hinaus muss insofern gewürdigt werden, dass der Besuch von gastronomischen Einrichtungen in der Regel freiwillig geschieht“ (12).

Nun, „müssen“, tut Mensch im Grunde genommen zunächst nur wenig und ganz unabhängig davon, dass ein nicht gerechtfertigter Eingriff grundgesetzwidrig ist und bleibt, und zwar losgelöst davon, ob dieser Eingriff intensiv ist oder nicht, erscheint als besonders bemerkenswert die Auffassung des Gerichts, dass die „Datenkrake“ aktuell nicht weiter problematisch sei, weil der Besuch von gastronomischen Einrichtungen in der Regel freiwillig geschieht.

Da aber außer Atmen und, jedenfalls weitgehend, Essen und Trinken mehr oder weniger alles „freiwillig“ von statten geht, könnte man, einer solchen Logik folgend, ebenso mehr oder weniger alles verbieten, was nicht zur nackten Lebenserhaltung notwendig ist. Selbst dem borniertesten Staatsicherheitsdienst-Anhänger dürfte ein derartiges Freiheitsverständnis eher fremd sein.

e) Zwischenresümee in Sachen Eilbedürftigkeit

Das Gericht geht davon aus, dass in der Bundesrepublik Deutschland, wenn man nicht aufgrund der eingeschränkten sozialen Kontakte konkret mit dem Tode bedroht ist oder unter akuter Erstickungsgefahr durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung — wohlgemerkt nicht durch Covid-19 — leidet, es ohne weiteres zumutbar ist, die beschriebenen Einschränkungen durch die sogenannten Coronabekämpfungsverordnungen hinzunehmen, bis der Rechtstreit in der Hauptsache — beim Gang durch alle Instanzen also etwa im Jahre 2026 — entschieden ist.

Man kann es aber auch anders formulieren: Das Gericht hatte hier — wie üblich — nicht den Mumm in den Knochen, inhaltlich, und damit höchstwahrscheinlich contra rei publicae zu entscheiden. Gewaltenteilung — quo vadis?

Fortsetzung folgt...


Quellen und Anmerkungen:

(1) Beschluss des Verwaltungsgerichts Mainz (im Folgenden VG Mainz) vom 20. Mai 2020, Az. 1 L 335/20. MZ
(2) Online abrufbar unter https://www.ckb-anwaelte.de/download/Festellungsklage_Verwaltungsgericht_Mainz_270420.pdf (letzter Abruf am 12. Juni 2020)
(3) Zitate aus VG Mainz , Beschluss vom 20.05.2020, Az. 1 L 335/20.MZ, S. 6
(4) Ebd., S. 10
(5) Ebd., S. 10
(6) Ebd., S. 11
(7) Ebd.
(8) Ebd., S. 12
(9) SWR Aktuell, Neue Corona-Lockerungen: Was ist erlaubt, was bleibt verboten?, online abrufbar unter https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/neue-corona-lockerungen-in-rheinland-pfalz-100.html (letzter Abruf am 12.06.2020)
(10) VG Mainz , Beschluss vom 20. Mai 2020, Az. 1 L 335/20. MZ, S. 13
(11) Ebd.
(12) Ebd., S. 14

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